Da wir gerade den 15 %igen Abstand zur untersten Besoldungsstufe diskutieren und hierbei die unentwegte Anhebung von der niedrigsten Besoldungsstufe (in BW ist das bereits die A 7), und sich die Frage stellt, ob das noch rechtmäßig ist, hier folgendes aus dem Musterwiderspruch des Richtervereins BW. Ein interessanter Ansatz.
g. Schließlich kann auch der vom BVerfG festgelegte Mindestabstand von 15 % zwischen dem Grundsicherungsniveau und der niedrigsten Besoldungsgruppe/Erfahrungsstufe nach den umfangreichen Stellenhebungen nicht mehr der zutreffende und angemessene Maßstab sein, sondern muss der Abstand deutlich höher bemessen werden. Den zunächst für die Bemessung der Höhe des Kinderzuschlags für Beamte vom BVerfG festgelegten Mindestabstand von 15 % zum seinerzeit sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 –, BVerfGE 99, 300-332, Rn. 57; BVerfG, Beschluss vom 22.3.1990 – 2 BvL 1/86 –, BVerfGE 81, 363-387) hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 4.5.2020 (BVerfG, Beschluss vom 4.5.2020 – 2 BvL 4/18 –, BVerfGE 155, 1-76, Rn. 47) auf die Mindestbemessung der Nettoalimentation insgesamt angewandt. Das Mindestabstandsgebot besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (BVerfG aaO. Rn. 47), da die Beamtenalimentation gegenüber dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf etwas qualitativ anderes ist (BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 –, BVerfGE 99, 300-332, Rn. 57).
Nach dem BVerfG ist hierbei auf die niedrigste Besoldungsgruppe mit der niedrigsten Erfahrungsstufe abzustellen und hieraus die Nettoalimentation zu errechnen. Dementsprechend hat das BVerfG seiner Entscheidung vom 4.5.2020 (BVerfG, Beschluss vom 4.5.2020 – 2 BvL 4/18 –, BVerfGE 155, 1-76, Rn. 47) im betroffenen Land Berlin die Besoldungsstufen A2 bzw. (nach dem 1.3.2009) A4 - jeweils im Eingangsamt - zugrunde gelegt. Diese Besoldungsgruppen des einfachen Dienstes umfassen einfache Tätigkeiten und der Zugang zu diesen Ämtern bedarf lediglich geringer Qualifikationsanforderungen. Dass für Beamte dieser Besoldungsgruppe ein Mindestabstand von 15 % zum Grundsicherungsniveau einzuhalten ist, ist nachvollziehbar und lässt sich zumindest auch damit gut erklären, dass jedenfalls theoretisch der Zugang zu Tätigkeiten dieser Besoldungsgruppe einer Vielzahl von Personen (auch Grundsicherungsempfängern) offenstehen dürfte, die Ausübung dieses Amtes aber natürlich wirtschaftlich profitabler sein muss als der tätigkeitslose Bezug von Grundsicherungsleistungen. Dieser Gedanke lässt sich nicht mehr auf die nunmehr im BVAnp-ÄG 2022 vorgesehenen umfangreichen Stellenanhebungen übertragen. Die in Baden-Württemberg nunmehr niedrigste Besoldungsgruppe A7 im mittleren Dienst stellt weitaus höhere Anforderungen an die auszuübenden Tätigkeiten und den Zugang zu solchen Ämtern als dies beim dargestellten und vom BVerfG entschiedenen einfachen Dienst der Fall war. Der Gesetzgeber hat die Stellenhebungen ausdrücklich mit den gestiegenen Anforderungen begründet. Mithin dürfte die Mindestgrenze von 15 % zum Grundsicherungsniveau nicht automatisch auch hier gelten, sonst könnte der Gesetzgeber - zumindest theoretisch - sämtliche Besoldungsgruppen (auch des gehobenen und höheren Dienstes) lediglich an der 15 % - Grenze zum Grundsicherungsniveau ausrichten, was - ungeachtet des darin liegenden Verstoßes gegen das Abstandsgebot - nicht dem hinter dem Mindestabstandsgebot liegenden Grundgedanken entsprechen kann. Wenn das BVerfG zwischen dem Grundsicherungsniveau und einer Besoldungsgruppe des einfachen Dienstes einen Mindestabstand von 15 % als erforderlich ansieht, dann muss der Mindestabstand zwischen dem Grundsicherungsniveau und der vorliegenden Besoldungsgruppe des mittleren Dienstes A7 schon allein wegen der deutlich qualifizierteren Tätigkeiten und höheren Zugangsvoraussetzungen deutlich oberhalb von 15 % liegen.