Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1956629 times)

Streber22

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #570 am: 30.01.2022 09:26 »
Sollte es in Anlehnung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer Besoldungsanpassung kommen, ist davon auszugehen, dass diese rückwirkend erfolgt? Oder eher weniger?

BalBund

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #571 am: 30.01.2022 10:15 »
Sollte es in Anlehnung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer Besoldungsanpassung kommen, ist davon auszugehen, dass diese rückwirkend erfolgt? Oder eher weniger?
Mutmaßlich nur für diejenigen, die Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt haben.

pinmeister

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #572 am: 31.01.2022 14:23 »
Hallo,

auch von mir als Neuling eine Frage zu dem Thema, bei dem ich nicht so ganz durchsehe.

Ich  (verheiratet, Bundesbeamter mD, A9) bin vor zwei Wochen Vater geworden. Wir erhalten nach der Hochzeit 151,16 Euro Familienzuschlag.
Jetzt mit unserem ersten Kind müssten wir 280,35 Euro erhalten, korrekt?
Hätten wir zwei Kinder 409,54 Euro, korrekt?
Und hätten wir drei Kinder 812,05 Euro, korrekt?

Jetzt ist ja die Diskussion angetreten, dass es in diesem Bereich der Kinder mehr Geld geben soll. Kann mir jemand sagen, wie viel Geld da im Raum steht und ob/wann das umgesetzt werden würde?
 Ein Freund, Polizist Sachsen Anhalt, meinte beim Feierabendbierchen, dass es jetzt in Sachsen Anhalt ordentlich mehr Geld für Kinder geben soll.


Danke für eure Hilfe!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #573 am: 31.01.2022 16:41 »
Die von Dir angegebenen Werte der verschiedenen Familienstufen sind korrekt. Die Innenministerin hat angekündigt, dass der Bund noch im diesen Jahr zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückkehren wird. Seriös kann Dir aber bislang keiner sagen, ob das geschehen wird und wie das konkret geschehen solle.

Der nicht zu finalisierende ursprüngliche Referententwurf aus dem letzten Jahr sah auf Grundlage unzureichender Bemessungen als Grundsicherungsniveau einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft 2.903,95 € sowie eine Mindestalimentation von 3.339,54 € vor. Die zu gewährende Nettoalimentation hatte etwa auf dieser Höhe gelegen, sodass der Entwurf von einem zu gewährenden Bruttoeinkommen von 3.933,55 € ausgegangen ist (auch hier lagen Fehler in der Bemessung vor, die aber an dieser Stelle nicht betrachtet werden müssen, da es nur um Relationen geht). Die heute entsprechend gewährte Bruttobesoldung in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe A 2 beträgt auf Grundlage der Grundbesoldung und der Familienzulagen für eine vierköpfige Familie 2.528,66 € (vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund&g=A_2&s=1&f=2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=). Für die entsprechende Besoldungsgruppe A 4, die der Entwurf zu Grunde legte, beträgt der Wert 2.663,27 (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund&g=A_4&s=1&f=2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=).

In der Differenz von rund 675 € bis rund 810 € (beide Werte sind zu gering) liegt das Maß der unzureichenden Besoldung - das wie gesagt bei korrekter Betrachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Direktiven jeweils noch einmal höher läge.

Sachsen-Anhalt hat mit dem Dritten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 01.12.2021 den Versuch unternommen, wieder zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückzukehren und den verfassungswidrigen Zustand seit 2008 zu reparieren, was aber aus verschiedenen Gründen nicht gelungen ist - einer dieser Gründe ist, dass die Reparatur hier über die ausschließliche Anhebung der Familienzuschläge erfolgte. Deshalb erhöht sich nun die Alimentation des von Dir genannten Polizisten, was für ihn erfreulich und insgesamt besser als nichts ist. Nichtsdestotrotz bleibt auch die Besoldungsgesetzgebung in Sachsen-Anhalt weiterhin evident sachwidrig.

SwenTanortsch

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« Antwort #574 am: 31.01.2022 22:00 »
Und PS. Die von mir genannten Beträge sind natürlich Quatsch, wie ich gerade sehe:

Der Bruttobetrag in A2/1 Familienstufe 3 lautet heute 2684.69 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund&g=A_2&s=1&f=3&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)

Der Bruttobetrag in A4/1 Familienstufe 3 lautet heute 2813.93 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund&g=A_4&s=1&f=3&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=)

Auf Grundlage des zu Grunde gelegten Bruttobetrag von 3.933,55 € ergeben sich diese Differenzbeträge:

3.933,55 € - 2684,69 € = 1.248,86 €
3.933,55 € - 2813,93 € = 1.119,62 €

Das passt allein schon deshalb besser, weil der höchste vom ursprünglichen Referententwurf verzeichnete regionale Ergänzungszuschlag 894,- € betrug.

Auf Grundlage der Differenzbeträge und im Hinblick darauf, dass diese unter Bemessung eines realitätsgerechten Grundsicherungsniveaus noch um einiges höher ausfallen würden, ist der Versprechen der Innenministerin, nun wieder eine verfassungskonforme Alimentation herstellen zu wollen, interessant. Denn die Rückkehr zu einer verfassungskonformen Alimentation würde sehr, sehr teuer werden.

Kimonbo

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« Antwort #575 am: 31.01.2022 22:04 »
Aber wie verschieben sich denn dann die Besoldungen in den weiteren Gruppen. Ich meine ich als Single. Wenn ganz unten gehoben wird muss es doch dann auch weiter gehoben werden ansonsten könnte es doch kommen das jemand ohne Kinder im gD schlechter bezahlt wird als ein kinderreicher aus dem mD

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #576 am: 31.01.2022 23:10 »
Verfassungskonform wird es nur mit deutlichen Erhöhung der Grundgehaltssätze gehen. Genau deshalb wird eine verfassungskonforme Alimentation nicht nur für den Bund so teuer werden.

Interessante Gedanke hat sich dazu unlängst der VGH Hessen in seiner Entscheidung vom 30.11.2021 - 1 A 2704/20 - gemacht (https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220002134). Leider haben die hessischen Gerichte die Angwohnheit, keine Randnummern zu verwenden. Die Begründung findet sich unter Ziffer II.2.b)aa)(2)(bb). Am besten gibt man unter der Suchfunktion (bb) - mit Klammern! - ein, dann stößt man recht schnell auf die besagte Passage, die den Besoldungsgesetzgebern argumentativ das Grauen lehren dürfte. Es wird interessant sein, wie das Bundesverfassungsgericht sich zu jenen Darlegungen des Vorlagebeschluss stellen wird.

was_guckst_du

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #577 am: 01.02.2022 07:26 »
Es wird interessant sein, wie das Bundesverfassungsgericht sich zu jenen Darlegungen des Vorlagebeschluss stellen wird.
...interressant ist dabei auch die Frage, ob das noch in den nächsten 3 Jahren erfolgt und ob dann die Spielchen der Besoldungsgesetzgeber wieder unter anderem Vorzeichen von vorn anfangen..
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

HansGeorg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #578 am: 01.02.2022 08:02 »
Es wird interessant sein, wie das Bundesverfassungsgericht sich zu jenen Darlegungen des Vorlagebeschluss stellen wird.
...interressant ist dabei auch die Frage, ob das noch in den nächsten 3 Jahren erfolgt und ob dann die Spielchen der Besoldungsgesetzgeber wieder unter anderem Vorzeichen von vorn anfangen..

Nun dazu gibt es ein Sprichwort: "Wenn du wissen willst wie sich jemand in Zukunft verhalten wird, schau dir an wie er sich in der Vergangenheit verhalten hat." Dies trifft natürlich auch auf Institutionen wie Regierungen zu.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #579 am: 01.02.2022 08:03 »
Es wird interessant sein, wie das Bundesverfassungsgericht sich zu jenen Darlegungen des Vorlagebeschluss stellen wird.
...interressant ist dabei auch die Frage, ob das noch in den nächsten 3 Jahren erfolgt und ob dann die Spielchen der Besoldungsgesetzgeber wieder unter anderem Vorzeichen von vorn anfangen..

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt ein verfassungskonformes Gesetz im Bund verabschiedet werden wird. Zugleich halte ich es für wahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Berliner A-Besoldung den weiten Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers noch einmal weiter einschränkt.

Die Tage wird auf Berliner-Besoldung.de eine umfangreichere Darstellung der Entwicklungen im Bund und in den Ländern erscheinen, die noch einmal zeigen dürfte, dass die fiskalisch motivierte Besoldungsgesetzgebung seit dem Mai des vorletzten Jahres sich streckenweise sogar noch einmal verschärft hat, wenn sie allerdings zugleich auch wiederkehrend immerhin nun schon einmal Beamten mit Familien eine höhere Alimentation gebracht hat (wenn auch eben auf offensichtlich verfassungswidriger Grundlage).

pinmeister

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« Antwort #580 am: 01.02.2022 09:44 »
Hallo Swen, vielen Dank für deine Antworten, leider verstehe ich nur die Hälfte, was nicht dir, sondern meiner (geringen) Kenntnis in dem Bereich geschuldet ist.

SwenTanortsch

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« Antwort #581 am: 01.02.2022 10:00 »
Hallo Swen, vielen Dank für deine Antworten, leider verstehe ich nur die Hälfte, was nicht dir, sondern meiner (geringen) Kenntnis in dem Bereich geschuldet ist.

Dann versuche ich es noch einmal kürzer: Auf Grundlage der heutigen Besoldung müsste nach Berechnungen und Vorstellungen, die das Bundesinnenministeriums letztes Jahr angestellt hat, die monatliche Bruttobesoldung um mehr als 1.000,- € in der ersten Erfahrungsstufe der heute untersten Besoldungsgruppe angehoben werden. Ob das in diesem Jahr geschieht, weiß man noch nicht. In Sachsen-Anhalt hat es eine Gesetzesänderung im Dezember gegeben, die den offensichtlich verfassungswidrigen Gehalt der Besoldung nicht ändert, aber deutliche Vorteile für Beamte mit Kindern mit sich bringt.

Streber22

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« Antwort #582 am: 01.02.2022 11:41 »
Hi Swen, danke zunächst für deine aufschlussreichen Sachbeiträge. Bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass die amtsangemessene Alimentation und die damit einhergehende - noch ausstehende - Besoldungsanpassung nicht alle Besoldunggruppen betreffen wird? Kann man pauschal sagen bis zu welcher Erfahrungsstufe / Besoldungsstufe (auf Bundesebene) eine Anpassung folgen müsste? Ich denke der gD und hD dürften hiervon weniger berührt werden. Oder liege ich falsch?

NWB

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« Antwort #583 am: 01.02.2022 11:50 »
Um eine amtsangemessene Besoldung zu erhalten, müssen definitiv die untersten Besoldungsgruppen angehoben werden, damit der vom BVerfG geforderte Mindestabstand zur Grundsicherung eingehalten wird.
Darüberhinaus ist das Abstandsgebot der einzelnen Ämter zueinander zu betrachten und einzuhalten.
Da hierüber sämtliche Besoldungsgruppen miteinander verknüpft sind, kann ich mir schwer vorstellen, wie man verfassungskonform die untersten Besoldungsgruppen anhebt, ohne die übrigen Besoldungsgruppen anzutasten.

Streber22

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« Antwort #584 am: 01.02.2022 12:19 »
Klingt logisch und nachvollziehbar. Das müsste zu einer Kettenreaktion führen.