@swen
Danke für deine Ausführungen. Ich gehe auch schwer davon aus, dass bis nach der Hessenwahl alle auf Hinhalten spielen werden. Leider ist jeder in Berlin nur noch an seinem eigenen Pfründen interessiert, dies schliesst die demokratischen Parteien samt und sonders ein. Nichts darf deren wohlbefinden stören schon gar nicht dem Wähler medial nicht zu vermittelnde signifikante Erhöhungen der Besoldung der eh nicht sehr beliebten Beamten. Leider sehe ich es ähnlich wie xap, wieso sollte es den Gesetzgeber auf einmal stören was das BVerfG entschieden hat. Das hat es in der Vergangenheit auch nicht getan und Gelegenheiten die zu ändern gab es ausreichend. Ja das BVerfG wird mit jeder Entscheidung deutlicher und engt den Spielrazm des Gesetzgebers immer mehr ein, aber wird das diesen dazu bewegen endlich zur Verfassung zurückzukehren ? Ich habe da so meine Zweifel. Im besten Fall sind die aktuell Verantwortlichen dann schon gar nicht mehr in Verantwortung und lehnen sich entspannt zurück. Die einzige Hoffnung die ich noch habe ist der BPräs der das aller Voraussicht nach nicht verfassungsgemässe Gesetz letztendlich noch stoppen könnte. Der BPräs ist der einzige dem ich gegenwärtig noch zutraue so zu handeln. Zusammenfassend ist es für mich nur noch erschreckend wohin sich diese Republik entwickelt hat.
Das, was Du zum Bundespräsidenten schreibst, ist einer der zentralen Punkte, Bundi. Diesbezüglich sollte man, denke ich, zwei zentrale Details betrachten, nämlich das, was Ulrich Battis am 07.10.2022 in seiner Stellungnahme im sächsischen Gesetzgebungsverfahren geschrieben hat (und was weiterhin, denke ich, gerne überlesen wird):
"Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber führen mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine
Verfassungskrise herbei, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende
Auswirkungen haben wird" (S. 14 unter
https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf).
Das erste Detail ist, dass mit Ulrich Battis einer der renommiertesten deutschen Verfassungs- und Besoldungsrechtler in seiner Anmerkung den Bundesgesetzgeber offensichtlich nur mittelbar mit einbezieht, deshalb die Formulierung "(Landes-)Besoldungsgesetzgeber". Die Passage darf man also so lesen, denke ich, wie sie der Bund mit seinem Rundschreiben, das ich heute morgen angeführt hat, vollzogen hat: Mit dem Rundschreiben wurde der verfassungswidrige Zustand anerkannt und zugesichert, ihn zukünftig rückwirkend bis 2021 zu beheben. Der Bundespräsident dürfte diese Zusicherung als hinreichend genug betrachtet haben, um die Ausfertigung des Gesetzes zu vollziehen. Denn hätte er das nicht getan, hätte sich die Rechtslage für die Normunterworfenen nicht besser, sondern schlechter dargestellt, da dann der vormalige Zustand die Gesetzeslage gewesen wäre, sodass die graduellen Verbesserungen des letzten Gesetzgebungsverfahrens nicht in Kraft getreten wären. Diesen (und noch ein paar weitere) Abwägungsprozess(e) musste der Bundespräsident beim letzten Mal vollziehen - im derzeit sich vollziehenden Gesetzgebungsverfahren zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG sieht die Sachlage hingegen schon deutlich einfacher aus: Es wird in jedem Fall den Anspruch haben müssen (egal, ob er sich noch, und falls ja, wie er sich dann verändern würde), zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückzukehren.
Denn auf der anderen Seite wurde der verfassungswidrige Zustand im letzten Gesetzgebungsverfahren nicht beendet, weshalb Ulrich Battis den Bund ebenfalls als ein Teil dessen mit ansieht, der mit der Art des Handelns eine Verfassungskrise mit herbeiführe. Sofern nun der Bund seine Zusicherung jedoch einhielte, dürfte er allerdings kein Teil dessen mehr sein. Deshalb eben die Formulierung "(Landes-)Besoldungsgesetzgeber" - denn im Oktober 2022 war noch nicht absehbar, wie es hinsichtlich des Bunds weitergehen würde. Und damit dürfte das zweite Detail von Interesse sein, das sich in dem aufgeführten Zitat zeigt: die Tempus-Form.
Ulrich Battis schreibt nicht in Perfekt: "Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber haben mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine Verfassungskrise herbeigeführt", sondern vollzieht mit seiner Formulierung in Präsens einen Blick auf die Zukunft, denn das Herbeiführen werde - Futur I - "weitreichende Auswirkungen haben". Zu Fragen bleibt so verstanden also, wieso die Verfassungskrise Ende 2022 für Ulrich Battis noch nicht herbeigeführt worden war, obgleich zu jenem Zeitpunkt alle 16 Landesbesoldungsgesetzgeber seit der Entscheidung vom 04. Mai 2020 bereits mindestens einmal nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem Besoldungsgesetzgebungsverfahren umgesetzt hatten. Und die Antwort liegt auf der Hand: Weil im Oktober 2022 noch die Zusicherung des Bunds gegeben war.
Zu vermuten ist nun, dass - sofern der Bund nun ebenfalls eine verfassungswidrige Gesetzgebung vollziehen würde - dann die Verfassungskrise für Ulrich Battis endgültig da wäre: Denn nun hätten alle 17 Besoldungsgesetzgeber seit 2020 nachweisbar und gezielt verfassungswidrig gehandelt. Und unter einem solchen Fokus gelesen, richtet sich die implizite Forderung Ulrich Battis an alle mit dem Gesetzgebungsverfahren im Bund beschäftigten Verfassungsorgane:
1. Das BMI als federführendes Ministerium, das zwischenzeitlich mit seinem Entwurf sachlich eindeutig gezeigt hat, dass es sich hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung weiterhin nicht an die Verfassung gebunden sieht.
2. Das Bundeskabinett, das am Ende einen Gesetzentwurf beschließen muss, bevor jener in den weiteren Gesetzgebungsprozess gehen kann.
3. Der Bundestag und der Bundesrat, die beide einen Gesetzentwurf verabschieden müssen.
4. Der Bundespräsident, der am Ende ein verabschiedetes Gesetz ausfertigen muss.
Ich gehe entsprechend davon aus, dass Ulrich Battis die Verfassungskrise in dem Moment als nicht mehr auf vor allem die Zukunft hin ausgerichtert betrachten würde, sofern auch ein offen verfassungswidriges Bundesgesetz ausgefertigt werden würde, also das geplante "Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz" in der jetzigen Fassung: Die Verfassungskrise würde dann also nicht mehr herbeigeführt werden, sondern DANN wäre sie offensichtlich da, da dann alle gesetzgebenden Verfassungsorgane in der Bundesrepublik mindestens einmal wissentlich und willentlich sowie zielgerichtet die verfassungsmäßige Ordnung verletzt hätten.
Verfassungsrechtlich sollte diese Sicht m.E. sachlich schlüssig sein - und man darf davon ausgehen, dass man das im Bundespräsidialamt am Ende ähnlich sieht: Denn die Ausfertigung eines so grob verfassungswidrigen Entwurfs, den der DRB in seinem sachlichen Gehalt systematisch nachgewiesen hat, ist spätestens nach der vorhin genannten Entscheidung des Zweiten Senats zur Parteienfinanzierung II ohne eine schwere Beschädigung des Amtes des Bundespräsidenten nicht mehr möglich bzw. diese Beschädigung wäre die Folge einer Ausfertigung eines solchen Entwurfs. Insofern darf man darüber hinaus gespannt sein, wie insbesondere auch das protokollarisch zweithöchste Amt im Staate einen solchen Gesetzentwurf aufnehmen wollte, wenn er denn in dieser Form dort auf den Tisch kommen sollte. Der vormalige Bundestagspräsident hat sich im letzten Gesetzgebungsverfahren bedeckt gehalten - ob das die derzeitige Bundestagspräsidentin in Anbetracht ihrer gerade erneuerten Kritik ebenfalls so vollziehen wollte, müsste sich zeigen. Sie hätte zwar keine Handhabe, ein solchen Gesetzentwurf zu stoppen - aber weiterhin die Pflicht, die ihr die Geschäftsordnung des Bundestags zuschreibt:
"Der Präsident vertritt den Bundestag und regelt seine Geschäfte. Er wahrt die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause." (
https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/funktion_neu)
Ergo: Der Entwurf hat noch einen Weg vor sich - und eine "verfassungsrechtliche Hintertür" wie im letzten Gesetzgebungsverfahren ist dieses Mal nicht mehr möglich. Ein Durchwinken durch den Bundestag wie beim letzten Mal wird es dieses Mal nur auf Kosten der bis dahin und in diesem Moment mit ihm beschäftigten Verfassungsorgane geben: Folge wäre ihre jeweils vollzogene Selbstbeschädigung, wie sie nun bereits vom BMI für sich vollzogen worden ist. Es darf entsprechend davon ausgegangen werden, dass den weiterhin demnächst mit dem Gesetzentwurf beschäftigten Verfassungsorganene beizeiten noch einmal die jeweilige sachliche Problematik sachlich vor Augen geführt werden wird.
@ BWBoy
Ich würde an Deiner Stelle den Widerspruch auch für dieses Jahr vollziehen und dabei gleichfalls darum bitten, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde.
@ lotsch
Die Feststellung der Untätigkeit bzw. eines Tätigwerdens, das einer Untätigkeit gleichkäme, ist nun einmal verfassungsrechtlich schwierig nachweisbar, wie ich das in der Vergangenheit hier bereits mehrfach umfassender dargelegt habe - auch hier ist's wie vielfach im Rechtswesen: Unsere Alltagsvorstellung von Begrifflichkeiten trägt hier nicht weiter. Insofern ist ein großer Teil der hier diesbezüglich geäußerten Kritik - die ich als Mensch gut nachvollziehen kann - verfassungsrechtlich unerheblich, da sie die Annahme einer Untätigkeit nicht hinreichend substantiieren kann. Die Feststellung der Tätigwerdens, das einer Untätigkeit gleichkäme, wäre heute ggf. bereits hinsichtlich Sachsens möglich, aber auch dort bestenfalls sehr schwierig zu substantiieren, was die Kläger vollziehen müssten. Noch schwieriger stellte sich diesbezüglich der Versuch hinsichtlich Berlins dar, wo bereits eine solcher Versuch von Klägerseite unternommen worden ist, den ich im heute möglichen Rahmen - um's mal so auszudrücken - für sachlich schlüssig erachte, wobei ich aber weiß, dass die dort zugrunde gelegten Hilfsargumente (die den meisten Lesern darüber hinaus mangels hinreichender Kenntnis von der Materie gar nicht auffallen werden) ggf. nicht tragend sein werden (vg. die S. 33 ff. und 36 ff. im hier verlinkten Anhang
https://www.berliner-besoldung.de/stellungnahme-zum-normenkotrollverfahren-2-bvl-4-bis-9-18/). Wenn ich es richtig sehe, darf ich weiterhin davon ausgehen, dass der dort vollzogenen Begründung gehörige Arbeit vorweggegangen ist, und zwar insbesondere ab den S. 36 ff. Und darüber hinaus gehe ich weiterhin davon aus, dass ich diesbezüglich weiß, wovon ich spreche - sodass sich zugleich zeigen ließe, dass es im Forum Kommentatoren gibt, die schnell mit der "Untätigkeit" oder der Forderung nach einer Vollstreckungsanordnung bei der Hand sind, ohne sich offensichtlich hinreichend in die Materie vertieft zu haben (diese Kritik bezieht sich nicht auf Dich, lotsch) - denn hätten sie es, würden sie nicht so schnell mit entsprechenden Forderungen bei der Hand sein.
Ähnlich und also noch einmal mit einer insgesamt verringerten Erfolgswahrscheinlichkeit sieht die Sachlage derzeit hinsichtlich von Baden-Württemberg aus - allerdings substanziell anders könnte die Sachlage nach der anstehenden Entscheidung für Niedersachsen aussehen, wie das ja ebenfalls an anderer Stelle bereits umfassender dargelegt worden ist (vgl. ab der S. 7 ff. der hier vollzogenen Verlinkung
https://www.berliner-besoldung.de/weitere-normenkontrollantraege-vor-der-entscheidung/).
Und auch deswegen wiederhole ich hier regelmäßig: Die angekündigten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts werden schon noch kommen und sie werden in einigen Feldern eine deutlich größere Klarheit bringen (und wohl auch in manchen Sachfeldern einige Überraschungen), weshalb man sie m.E. nun erst einmal abwarten sollte. Und jeder, der das anders sieht, sollte sich ggf. aufgefordert sehen, eine hinreichend präzise Begründung hinsichtlich der von ihm gewünschten Entscheidungen in den angekündigten Verfahren zu formulieren. Jedem, der das versuchte, dürfte sich darüber klar werden (sofern er sich dessen nicht schon heute wäre), wie komplex die derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht liegende Aufgabe ist.