Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3887908 times)

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6435 am: 19.07.2023 11:11 »
@emdy: Alles klar, dann passt ja alles (bezüglich der Abwegigkeit unbegründeter bzw. zu hoher Zuschläge).

@Swen: Wie immer herzlichen Dank für deine sehr informativen Ausführungen, insbesondere zur Frage von @clarion (bezüglich der Abstandsgebote und Zuschläge)! Ich würde mich übrigens sehr freuen, wenn du bei Gelegenheit (keine Eile!) auch noch das Prüfverfahren genauer erläutern könntest (wie in deinem letzten Absatz „angeteasert“).


Und darin besteht nun die sachlich schwierig zu lösende Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die sich ihm verfassungsrechtlich an sich nicht stellen kann: Es muss seine Rechtsprechung so ausführen, dass der länderübergreifend konzertierte Verfassungsbruch zu seinem Ende geführt wird, ohne dass es einen Einfluss auf die vorhandene Lesefähigkeit in den deutschen Parlamenten nehmen kann. Das hört sich nun womöglich wie ein ironisches Fazit an - das Schlimme ist, das ist nicht einmal ironisch gemeint, sondern es fasst die Sachlage leider weitgehend präzise zusammen, wenn ich das richtig sehe.

Ich befürchte, dass es sich weniger um mangelnde „Lesefähigkeiten“ handelt, sondern um eine bewusste Missachtung der bisherigen Urteile. Aus meiner Sicht ein klares Signal an das BVerfG, in den anstehenden Entscheidungen eindeutige Vorgaben zu machen, die anschließend nicht mehr von den Gesetzgebern ignoriert werden KÖNNEN.

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6436 am: 19.07.2023 11:35 »
Auch von meiner Seite nochmals vielen Dank an Swen. Auch wenn ich desöfteren die Kommentare zweimal lesen muss um sie ganz zu durchdringen oder zumindest im wesentlichen. Umso mehr mein Respekt an Swen sich so mit der Materie auseinanderzusetzen und uns Betroffene so gut es geht zu informieren und in der komplexrn Materie mitzunehmen.

@BundesVerfGBeliever

Ich gehe auch nicht davon aus, dass es an der Lesefähigkeit mangelt. Sehe es genauso, das ganz offensichtlich hier die bewusste und vorsätzliche Missachtung der Rechtsprechung des BVerfG mit dem Ziel auf der einen Seite Kosten zu sparen und auf der anderen Seite der Versuch diesen Missstand hinsichtlich der Alimentation nicht der Bevölkerung vermitteln zu müssen. Eins ist bei unserer medialen Welt und der breiten Masse der Bevölkerung klar, wenn die von Swen immer wieder vorgerrechneten Summen den Beamten zu zahlen wären, würde den anschliessenden Shitstorm so mancher Politiker nicht überleben bzw seine Wiederwahl arg gefährdet sehen. Immerhin ist die für den Bund zuständige Ministerin Juristin und sollte in der Lage sein ein Urteil des BVerfG zu lesen und zu verstehen, wenn man dann noch die ganzen anderen Juristen in den Ministerien und im BT hinzurechnet, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass dies mit voller Absicht
und Vorsatz geschieht. 

A9A10A11A12A13

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6437 am: 19.07.2023 15:14 »
Ich gehe auch nicht davon aus, dass es an der Lesefähigkeit mangelt.

Ja, Ja, die Politiker Legasthenie auf dem Weg der Gesetzgebung erfordert schon drei Lesungen,…

und diese Freiheit muss KarsRUHE ihnen schon lassen.   ;D

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6438 am: 19.07.2023 16:39 »
Gern geschehen, BVerfG und Bundi - und zugleich dürfte in meiner Bewertung mangelnder "Lesefähigkeit" doch bis zu einem gewissen Grad ein gegebene Ironie versteckt gewesen sein; auf sie komme gleich noch einmal zurück. Denn dass es nicht allein mangelnde "Lesefähigkeit" ist, zeigt sich ja daran, dass es nachweisbar ist, dass die Besoldungsgesetzgeber wissentlich und willentlich sowie zielgerichtet verfassungswidrig handeln (den Begriff des "Vorsatzes" oder des "vorsätzlichen Handelns" benutze ich nicht mehr, da er aus dem Strafrecht stammt und hier kein strafrechlich zu verfolgendes Handeln vorliegt) - und woran kann man erkennen, dass ein wissentliches und willentliches sowie dann zielgerichtetes Handeln vorliegt? Das kann man spätestens dann in der Gesetzesbegründung feststellen, wenn die Besoldungsgesetzgeber in der jeweiligen Besoldungsgesetzgeber die zu berücksichtigende oder zu beachtende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dort zunächst reproduzieren, um sie dann in ihrer weiteren Herstellung von Entscheidungen nicht mehr oder nicht hinreichend, also nicht sachgerecht, heranzuziehen. Auch deshalb spricht Ulrich Battis von einer Missachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung: Wer die Rechtsprechung reproduziert, zeigt, dass er sie kennt; wenn er sie dann nicht heranzieht, missachtet er sie. "Wissentlich" geschieht das, wenn man voraussetzen kann, dass der Gegenstand bei hinreichender Lesefähigkeit verstanden werden kann; willentlich, wenn in der Auswahl von Alternativen eine der missachtenden herangezogen wird, obgleich auch die Rechtsprechung (be)achtende Alternativen auswählbar gewesen wären. Zusammengenommen sollte dann also ein zielgerichtetes Handeln vorliegen.

I. Das vorweggeschickt mal zum Prüfprogramm des Bundesverfassungsgerichts:

1. Wie schon gestern und vorhin dargelegt, muss man prinzipiell die materiell-rechtliche und indizielle Dimension unterscheiden. "Materielles Recht" sind die Gesamtheit der bestehenden Rechtsnormen. Die am Ende gewährte Nettoalimentation basiert auf materiell-rechtlichen Entscheidungen des Gesetzgebers. Etwas metaphorisch ausgedrückt, ist sie materialisiertes Recht. Die Prüfung, ob eine gewährte oder zu gewährende Nettoalimentation amtsangemessen ist oder nicht, ist hingegen etwas substanziell anderes. Da der Verfassung die Höhe der amtsangemessenen Alimentation nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, entnommen werden kann, bedarf es eine Prüfgrundlage. Diese Prüfgrundlage - das vom Bundesverfassungsgericht 2015 entwickelte Prüfprogramm - sammelt Indizien, um so den amtsangemessenen Gehalt der Nettoalimentation prüfen zu können, deshalb spricht man von der "indiziellen Prüfung".

2. Da es am Ende nicht zuvörderst auf die Höhe der gewährten Besoldung, des gewährten Besoldungsniveaus, ankommt, ob der Dienstherr seiner Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation nachkommt, sondern auf das, was sich der Beamte am Ende tatsächlich leisten kann (auch darin zeigt sich die "Materialisierung von Recht"), spielt also die Bruttobesoldung hinsichtlich der amtsangemessenen Alimentation für sich genommen keine unmittelbare Rolle, sondern hat sie zunächst nur eine mittelbare Bedeutung: Am Ende muss die Alimentation amtsangemessen sein, die Besoldung (und das Besoldungsniveau) kann (oder können) das nur bedingt oder nicht hinreichend abbilden, nicht zuletzt weil das Steuerrecht kein innerdienstliches Amtskriterium ist, aber bei der Bemessung einer amtsangemessenen Alimentation nicht unberücksichtigt bleiben kann, weil der Beamte, der eine Besoldung bezieht, zwangsläufig steuerpflichtig ist.

3. Insofern kann man bis hierhin festhalten: Das materielle Recht zeigt sich grundsätzlich in der "Materialisierung von Recht", also in Nettobeträgen (das ist eine etwas gewagte These, aber das Bild hat eine, wie ich finde, schlüssige Erklärqualität); die Prüfung, ob die gewährte Nettoalimentation am Ende amtsangemessen ist, muss hingegen vor dem Einsatz des Steuerrechts einsetzen, eben weil dieses kein innerdienstliches Amtskriterium ist, befasst sich also - mit einer Ausnahme - grundsätzlich mit Bruttobeträgen.

4. Insofern finden sich auf der ersten Prüfungsstufe des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfprogramm fünf Prüfparameter, die - mit einer Ausnahme - allesamt Bruttobeträge betrachten und die als solche, als Prüparameter, ausschließlich eine Orientierungsfunktion haben: Sie bilden Indizien für oder gegen die Vermutung ab, ob eine zu prüfende Nettoalimentation amtsangemessen ist. Da es hier weiterhin um die Prüfung einer amtsangemessenen Alimentation geht und diese prinzipiell von der Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation zu trennen ist  (um es wieder in einem Bild zu verdeutlichen, das einfacher ist: Die Prüfung, ob ich ein Eis in der Hand habe, ist etwas völlig anderes als das Eis, das ich ggf. in der Hand habe), haben diese fünf Parameter mit der am Ende gewährten Nettoalimentation, mit dem "materialisierten Recht" nichts zu tun. In diesem Sinne hebt das Bundesverfassungsgericht regelmäßig hervor: "Die Parameter [der ersten beiden Prüfungsstufen, ST.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (Rn. 30 der aktuellen Entscheidung)

a) Die Prüfung einer Nettoalimentation erfolgt also auch und gerade anhand von mathematisch messbaren Beträgen, die mit einer Ausnahme allesamt Bruttobeträge sind; am Ende ist aber eine amtsangemessene Nettoalimentation zu gewähren, die mathematisch nicht hinreichend zu bemessen ist, da die Besoldungsgesetzgebung kein Feld der Mathematik, sondern Teil des materiellen Rechts ist. Recht kann nicht errechnet werden, sondern Recht muss aus Rechtsnormen heraus begründet werden. Genau deshalb genießt der unlängst von mir zitierte Satz aus dem Jahr 2015 eine fundamentale Bedeutung, den das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgebern bislang nur einmal ins Stammbuch geschrieben hat, nämlich 2015, und den diese - vielleicht weil das ja doch schon wieder ein paar Jahre her ist (also vielleicht geht's hier dann nicht nur um Lese-, sondern auch im Erinnerungsfähigkeit) - gerne nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen; er lautet: Inwieweit die einzelnen Besoldungskomponenten wie das Grundgehalt, die amtsbezogenen oder familienbezogenen oder weitere Komponenten "tatsächlich bei der Bestimmung des amtsangemessenen Besoldungsniveaus heranzuziehen sind, ist eine Frage der Begründetheit" (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 -, Rn 88; Hervorhebung durch ST.).

b) Mit der letzten Ausführung wird deutlich, dass der Besoldungsgesetzgeber gezwungen ist, seine Entscheidungen zu prozeduralisieren, d.h., sie sachgerecht herzustellen und das ebenso sachgerecht zu begründen und zu dokumentieren, eben weil eine amtsangemessene Alimentation nicht mit mathematischer Exaktheit bemessen werden kann.

c) Und weil sie nicht mit mathematischer Exaktheit bemessen werden kann, finden sich für die erste Prüfungsstufe fünf Parameter, die allesamt Indizien für oder gegen die Vermutung einer amtsangemessenen Alimentation bilden, sie lauten:

1. Parameter: Vergleich der Besoldungsentwicklung und der Tarifergebnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst des zu betrachtenden Rechtskreis (ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation ist dann gegeben, wenn die Besoldungsentwicklung innerhalb von 15 Jahren um fünf Prozentpunkte hinter der der Tarifergebnisse zurückbleibt)

2. Parameter: Vergleich der Besoldungsentwicklung, des Besoldungsindex, mit dem Nominallohnindex im zu betrachtenden Rechtskreis (ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation ist dann gegeben, wenn der Besoldungsindex innerhalb von 15 Jahren um fünf Prozentpunkte hinter dem Nominallohnindex zurückbleibt).

3. Parameter: Vergleich der Besoldungsentwicklung, des Besoldungsindex, mit dem Verbraucherpreisindex im zu betrachtenden Rechtskreis (ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation ist dann gegeben, wenn der Besoldungsindex innerhalb von 15 Jahren um fünf Prozentpunkte hinter dem Verbraucherpreisindex zurückbleibt).

5. Parameter: Quervergleich des Besoldungsniveaus im Rechtkreis mit dem Durchschnittsbetrag des Besoldungsniveaus (jeweils ohne Betrachtung der familienbezogenen Besoldungskomponenten) in allen anderen Rechtskreisen (ein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation ist dann gegeben, wenn das entsprechende jährliche Bruttoeinkommen 10 % unter dem arithmetischen Mittel des Bruttoeinkommens aller anderen Rechtskreise liegt).

Und damit wären wir beim vierten Parameter:

4. Parameter: Er führt einen sogenannten "systeminternen Besoldungsvergleich" durch und bildet indiziell das Prüfpendant zu den beiden materiellen Abstandsgeboten. Dabei sind nun mehrere Vergleichbetrachtungen zu beachten:

a) Zunächst einmal finden wird die Mindestalimentation und damit zum einzigen Mal im Prüfkonzept die Betrachtung einer Nettoalimentation: Übersteigt die gewährte Nettoalimentation die realitätsgerecht bemessene Mindestalimentation in der untersten Besoldungsgruppe (s. meine Beiträge auch von gestern), liegt hier ein Indiz für eine amtsangemessene Alimentation vor. Erfolgt eine Einschnitt in die Mindestalimentation, bleibt also die gewährte Nettoalimentation hinter der Mindestalimentation zurück, liegt kein Indiz für eine nicht amtsangemessene Nettoalimentation vor, sondern dann ist die gewährte Nettoalimentation nicht amtsangemessen und also verfassungswidrig.

b) Da zugleich die Betrachtung aller Prüfparameter auf Basis von Bruttobeträgen erfolgt, hat der Zweite Senat zur weiteren Prüfung insbesondere der Grundgehaltssätze in der letzten Rechtsprechung mit der Prüfkategorie der "Mindestbesoldung" ein vom Gesetzgeber verbindlich zu beachtendes Prüfkriterium in das Prüfprogramm eingefügt, ohne dieses systematisch auszufüllen, was auch nicht Aufgabe des Besoldungsgesetzgebers ist. Entsprechend ist es seit spätestens 2020 ihre Aufgabe, anhand der Mindestbesoldung die Grundgehaltssätze hinreichend zu prüfen, um das konkrete Ergebnis dieser Prüfung "mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen" (Rn. 49 der aktuellen Entscheidung) - und hier wäre wir nun ganz ohne Ironie bei der "Lesefähigkeit"; da dieses neue Feld bislang von keinem Besoldungsgesetzgeber erkannt wurde (es ist sachlich auch nicht ganz einfach zu erkennen; ich habe dafür ein Jahr gebraucht, nachdem ich mich dem Thema hier wiederkehrend von mehreren Seiten genähert hatte, ohne zu erkennen, dass dieses neue Kriterium bereits in der aktuellen Rechtsprechung angelegt ist), ist dieser gerade zitierten Forderung bislang kein Gesetzgeber nachgekommen. Hier kann man also durchaus Kritik am Bundesverfasungsgericht äußern (wobei man hinterher immer schlauer ist): Das Bundesverfassungsgericht hätte dieses Feld der Rechtsprechung 2020 ggf. noch klarer herausstellen können, ohne deshalb eine eigene Methodik entwickeln zu müssen - auf der anderen Seite setzt es einen gewissenhaften Leser voraus; und zugleich darf vermutet werden, dass die Besoldungsgesetzgeber im Anschluss auch mit einem deutlicheren Hinweis so verfahren wären, wie sie seitdem mit dem gesamten Mindestabstandsgebot verfahren sind: sachlich freihändig.

c) Und nun wären wir beim weiteren Prüfkriterium innerhalb des vierten Prüfparameters, der also das materialisierte Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen im Prüfverfahren zu einer indiziellen Betrachtung umformt: Sofern die Grundgehaltssätze in der Endstufe zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen innerhalb von fünf Jahren um 10 Prozent % oder mehr abgeschmolzen werden, liegt hier ein Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation vor.

d) Betrachtet man nun den vierten Prüfparameter in seiner Gesamtheit. Dann ist er nach der aktuellen Entscheidung nun vollumfänglich ausgearbeitet; zur Präzisierung wäre eine Methodik zur konkreten Betrachtung der Mindestbesoldung erfreulich. Hierzu liegen dem Bundesverfassungsgericht mehrere Prüfvorgehensweisen vor, die es also, sofern es das für sinnvoll erachtet, heranziehen kann.

e) Die Programmtik des vierten Prüparameters stellt sich also wie folgt dar:

1. Die Mindest- und die gewährte Nettoalimentation werden bemessen. Übersteigt die Mindestalimentation de gewährte Nettoalimentation, ist letztere verfassungswidrig zu gering. Übersteigt die Nettoalimentation die Mindestalimentation, liegt ein Indiz für eine nicht verfassungswidrige Alimentation vor.

2. Übersteigt die Mindestalimentation die gewährte Nettoalimentation und ist letztere also verfassungswidrig, kann mittels der Bemessung der Mindestbesoldung der Verletzungsgrad bemessen werden. Auf dieser Basis lässt sich begründen, ob und ggf. in welchem Rahmen die Grundgehaltssätze zu erhöhen wären; denn sofern sich die Besoldungssystematik nicht nur in den "unterste(n) Besoldungsgruppe(n)" als indiziell verletzt zeigt, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine so systematische Verletzung, dass sich die Beibehaltung desselben Ausgangspunkts - des Grundgehaltssatzes in der ersten Erfahrungsstufe der niedrigsten Besoldungsgruppe - sachlich nicht rechtfertigen ließe, also sachlich nicht hinreichend begründbar wäre. Als Folge der Anhebung des Grundgehaltssatzes im Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung kann nun mit dem weiteren systeminternen Besoldungsvergleich abgeschätzt werden, ob und welche weitere(n) Grundgehaltssätze höherer Besoldungsgruppe anzuheben sind, um das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen nicht zu verletzten. Auch der Ausschluss weiterer Besoldungsgruppen von der Anhebung der Grundgehaltssätze ist sachgerecht zu begründen.

II. Der weitere Gang nach Abschluss der Prüfparameter der ersten Prüfungsstufe stellt sich - recht oberflächlich betrachtet - wie folgt dar: Die bemessenen Prüfparameter der ersten Prüfungsstufe sind nach ihrer je einzelnen Betrachtung innerhalb der sog. Gesamtbetrachtung sachlich zusammenzuführen, um dabei abzuwägen, ob sie insgesamt für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation sprechen. Sofern die Gesamtbetrachtung nicht ausschließen kann, dass eine solche Vermutung nicht gegenstandslos wäre, ist die zweite Prüfungsstufe zu betreten, deren Prüfkonzept ich hier nicht weiter darstelle (hier kommt es zu Vergleichen a) der Qualität und Verantwortung der Tätigkeit, b) der Entwicklung des Beihilfe und c) des Versorgungssystems sowie d) der Bruttoverdienste mit vergleichbar qulifizierten und mit entsprechender Verantwortung ausgestetteten Beschäftigten außerhalb des öffentlichen Diensts). In der sich daran anschließenden Gesamtabwägung sind die Ergbenisse beider Prüfungsstufen zusammenzuführen ud ist also abzuwägen, ob die vormalige Vermutung dadurch erhärtet wird oder nicht. Sofern sie erhärtet wird, erfolgt die Betrachtung der dritten Prüfungsstufe, sofern der Gesetzgeber ein Konzept zur Haushaltskonsolidierung im Gesetzgebungsverfahren erstellt hat.

Und auf der Basis aller drei Prüfungsstufe erfolgt dann die materiell-rechtliche Entscheidung, ob die gewährte Nettoalimentation der betrachteten Besoldungsgruppe amtsangemessen und mit der Verfassung in Einklang steht, wobei damit zugleich oder hier vorweg noch der formelle Gehalt der Prüfung zu vollziehen ist, also der sachgerechte Gehalt der vom Gesetzgeber vollzogenen Gesetzesbegründung zu prüfen ist. Geprüft wird also die "zweite Säule" des Alimentationsprinzips, die neben die materiell-rechtliche Prüfung tritt und also prüft, ob der Gesetzgeber den prozeduralen Anforderungen - seiner Begründungspflicht - hinreichend sachgerecht nachgekommen ist.

Und so wie ich jetzt gerade allein vom Referieren ein wenig geschlaucht bin, ist das eigentliche Prüferverfahren, das allerdings weitgehend vom Kläger (nach)zu/vollziehen ist, sofern er zu einem anderen Schluss (hier ggf. auch nur im Einzelnen) als der Gesetzgeber kommt, zu erstellen hat, wobei dann der Zweite Senat zu prüfen hat, welche der beiden Ansichten sachgerecht oder die sachgerechtere ist, recht aufwändig - was der zentrale Grund für die Länge solcher Verfahren ist. Jeder, der sich mal in so ein Prüferverfahren eingebunden hat, dürfte ermessen können, was nicht nur alles bemessen, sondern was alles erörtert, verglichen und abgewogen werden möchte, um zu einem hinlänglich begründbaren Schluss zu kommen. Nicht umsonst umfasste die letzte Entscheidung fast 200 Randnummern.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6439 am: 19.07.2023 18:51 »
Hier ein interessantes Urteil, das m.E. durchaus Auswirkung auf die Nettoalimentation haben könnte.
 https://www.wolterskluwer.com/de-de/expert-insights/beihilfeanspruch-pflegeaufwendungen

Seit dem 01.07.1996 habe für Beamte eine Obliegenheit bestanden, für den Fall der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen.
Zwar sei eine Eigenvorsorge nur dann finanziell zumutbar, wenn die dem Beamten gewährte Regelalimentation betragsmäßig so bemessen sei, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie auch nach Abzug der Kosten für die Eigenvorsorge (Versicherungsprämien) gewahrt bleibe. Dies sei hier jedoch der Fall.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6440 am: 19.07.2023 19:02 »
@Swen: Super, vielen Dank!!!


Genau deshalb genießt der unlängst von mir zitierte Satz aus dem Jahr 2015 eine fundamentale Bedeutung, den das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgebern bislang nur einmal ins Stammbuch geschrieben hat, nämlich 2015, und den diese - vielleicht weil das ja doch schon wieder ein paar Jahre her ist (also vielleicht geht's hier dann nicht nur um Lese-, sondern auch im Erinnerungsfähigkeit) - gerne nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen [...].

Entsprechend ist es seit spätestens 2020 ihre Aufgabe, anhand der Mindestbesoldung die Grundgehaltssätze hinreichend zu prüfen, um das konkrete Ergebnis dieser Prüfung "mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen" (Rn. 49 der aktuellen Entscheidung) - und hier wäre wir nun ganz ohne Ironie bei der "Lesefähigkeit"; da dieses neue Feld bislang von keinem Besoldungsgesetzgeber erkannt wurde [...], ist dieser gerade zitierten Forderung bislang kein Gesetzgeber nachgekommen.

Einfache Lösung: Das BVerfG soll die Gesetzgeber einfach zu dir in die Nachhilfe schicken, schon klappt's auch mit dem Nachbarn der Amtsangemessenheit!  :)

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6441 am: 19.07.2023 19:21 »
Zitat
ist das eigentliche Prüferverfahren, das allerdings weitgehend vom Kläger (nach)zu/vollziehen

Das ist richtig. Der Kläger hat trotz Ermittlungsgrundsatz (verwaltungsrechtlich abgewandelte Form des Amtsermittlungsgrundsatzes im SGG/FGO) die Beweis-/Feststellungslast.

Alles schöne Abwandlungen davon, dass der Kläger quasi die ganzen Arbeit allein zu hat, wie im eigentlichen zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatz, der dort allerdings den richtigen Namen hat. Alle Fehler gehen sonst zu seinen Lasten.

Problem dabei ist, dass die Wohnkosten der Agentur für Arbeit (95. Perzentil) allerdings nicht öffentlich sind. Swen hat Zugriff, Anwälte vielleicht auch, der Normalbürger nicht oder nur sehr erschwert. Dadurch dürfte man ein Verfahren nicht verlieren, aber im Endeffekt muss man alles besser wissen als die Behörde, Anwälte, Richter um zu seinem Recht zu gelangen.

InternetistNeuland

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6442 am: 19.07.2023 22:00 »
Hi Swen,

du hast ausgeführt, dass eine niedrigere Besoldung mit der Begründung einer Haushaltskonsolidierung möglich sei.

Auf Länderebene gibt es ja nun jedoch im Länderfinanzausgleich "Geber-" und "Nehmerländer".

Kann man denn davon ausgehen, dass bei Landesbeamten von Geberländern das Argument der Haushaltskonsolidierung nicht gehalten werden kann?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6443 am: 19.07.2023 23:37 »
Das Problem für den Besoldungsgesetzgeber ist auch hier, Internet, dass er sowohl gezwungen ist, eine sachgerechte Begründung für eine umfassende Maßnahme zu erstellen, als auch dass die Konsolidierungsmaßnahme gleichheitsgerecht zu vollziehen ist, sodass den Beamten, Richtern und Staatsanwälten kein "Sonderopfer" aufgebürdet wird, das als solches in keinem Fall statthaft wäre. Eine solche Konsolidierungsmaßnahme stände i.d.R. im Zusammenhang mit der Schuldenbremse (sie könnte sich also in nächster Zeit durchaus sachlich rechtfertigen lassen); sie ist m.W. jedoch so noch nicht versucht worden. Zugleich wären wie vorhin dargestellt, die vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Beträge der gewährten Nettoalimentation davon ausgenommen, sodass am Ende ein sachgerechter Konsolidierungsplan kaum auf Richter, Beamte und Staatsanwälte ausgeweitet werden könnte. Denn erstens ist zurzeit in allen Rechtskreisen weiterhin das Mindestabstandsgebot i.d.R. eklatant verletzt. Und zweitens kaschieren das die Besoldungsgesetzgeber zwar, gewähren aber der untersten Besoldungsgruppe nur eine Nettoalimentation, die nach ihren eigenwilligen Berechnungen grundsätzlich nur marginal über der (wie gesagt in allen Rechtskreisen sachfehlerhaft zu gering bemessenen) Mindestalimentation liegt. Wollte man also hier gleichheitsgerechte Einschnitte vornehmen, könnte das innerhalb der Besoldungsordnungen in Anbetracht des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen tatsächlich kaum wirklich vorgenommen werden. Noch mehr Abstrusität als heute ließe sich noch weniger kaschieren. Zugleich bezieht sich die Gleichheitsgerechtigkeit ja nicht allein auf die drei genannten Gruppen von Beschäftigten, sondern auf alle Teile der Ausgaben, die im entsprechenden Rechtskreis zu betrachten wären. Entsprechend hebt der Zweite Senat in der Rn. 94 der aktuellen Entscheidung hervor:

"Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Bezüge der Richter und Staatsanwälte Rechnung zu tragen [...]. Ungeachtet der Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art. 109 Abs. 3 GG [...] vermögen indes allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken. Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere [...]. Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Richter und Staatsanwälte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen [...]. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen jedoch in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist, das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien – gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung der im Rahmen eines Konsolidierungs- oder Sanierungshilfeverfahrens getroffenen Vereinbarungen – erkennbar sein muss [...]. Ein solches Konzept setzt inhaltlich wenigstens die Definition eines angestrebten Sparziels sowie die nachvollziehbare Auswahl der zu dessen Erreichung erforderlichen Maßnahmen voraus [...]. Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften".

Ich gehe nicht davon aus, dass wir ein solches umfassendes Sparkonzept unter Einbezug der Beamten-, Richter- und Staatsnwältebesoldung in einem der 17 Rechtskreise in nächster Zeit erleben werden.

@ Ozy

Das, was Du schreibst, sollte es m.E. angeraten machen, die Klage von einem in der Materie bewanderten Anwalt vertreten zu lassen; jedenfalls solange man über keine hinreichenden juristischen Erfahrungen verfügte. Denn der Teufel steckt eben im Detail - und der ist nicht nur im materiellen Recht zu finden, sondern nicht minder im formellen Recht. Zugleich sind die 95 %-Perzentile tatsächlich weiterhin nicht öffentlich zugänglich. Die BfA ist aber auskunftspflichtig - und zugleich hat der Gesetzgeber sie in der Gesetzesbegründung zu dokumentieren. Tut er das nicht - was vielfach der Fall ist, weil die Gesetzgeber zumeist irgendwelche nicht realitätsgerechte Beträge aus den Weiten fantasievoller Betrachtungen zugrunde legen -, verstößt er gegen die ihn treffenden prozeduralen Anforderungen und hebelt so ggf. die Rechtschutzgarantie aus, was allein schon das Gesetz verfassungswidrig machen könnte (ohne dass ich mich in einem Klageverfahren allerdings als einziges Argument darauf verlassen würde).

@ BVerfG

Blooooooooooooß nicht. Was sollten die hier alle in meiner Bude, außerdem gehe ich davon aus, dass sie die Nachhilfe dann kostenlos haben wollten und regelmäßig mehr durcheinander redeten, als das Schüler je könnten. Nee, nee, die Besoldungsgesetzgeber sollen man schön in ihren Hohen Häusern bleiben, von da haben sie auch einen viel besseren Überblick.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6444 am: 19.07.2023 23:49 »
Swenn, Hunderttausende von  Beamten würden dir dankbar auf Knien liegen, wenn Du den Gesetzgebern beibringen würdest, wie amtsangemessene Alimentation geht. Ist das keine Motivation? Wir mieten die Stadthalle, finden ein paar Saalordner aus der hiesigen Beamtenschaft und los geht's. Abschluss dann im Rampendahl.

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6445 am: 20.07.2023 06:50 »
Ich bin davon überzeugt, dass der Gesetzgeber sehr wohl weiß, wie eine amtsangemessene Alimentation geht. Spätestens anhand der jüngsten Urteile. Sie machen es nur einfach nicht und eben das ist zum verzweifeln.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6446 am: 20.07.2023 07:00 »
Die Leute im BMI lachen sich über Euch Hobby Juristen hier krank. Denen interssiert es überhaupt nicht die Bohne!


Bastel

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« Antwort #6447 am: 20.07.2023 07:29 »
Die Leute im BMI lachen sich über Euch Hobby Juristen hier krank. Denen interssiert es überhaupt nicht die Bohne!

Und uns interessieren nicht die kranken Leute im BMI. Ich hab eher Mitleid mit denen.

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6448 am: 20.07.2023 08:12 »
Die Leute im BMI lachen sich über Euch Hobby Juristen hier krank. Denen interssiert es überhaupt nicht die Bohne!

Oh, die wie immer bestens informierte Hummel mit ihren Geschichten aus dem Paulanergarten. Erzähl sie doch bitte dort und verschone uns damit.

SwenTanortsch

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« Antwort #6449 am: 20.07.2023 08:29 »
Swenn, Hunderttausende von  Beamten würden dir dankbar auf Knien liegen, wenn Du den Gesetzgebern beibringen würdest, wie amtsangemessene Alimentation geht. Ist das keine Motivation? Wir mieten die Stadthalle, finden ein paar Saalordner aus der hiesigen Beamtenschaft und los geht's. Abschluss dann im Rampendahl.

Hm, ich befürchte, in der Stadthalle findet dann ganz schnell einer der Gesetzgeber einen Redepultgeber aus der hiesigen Beamtenschaft, der ihn im freudigen Hummelflug die gesamte Zeit umkreiste und ihm jenes Pult ansonsten direkt unter die Nase stellte, während ich doch in gänzlicher Verkennung der Sachlage den Gesetzgebern das Gesetzbuch unter die Nase reiben wollte, die sich nun gar nicht unter der Nase gerieben fühlten (und sich schon gar nicht an ihr herumführen lassen wollten), diese nun zwecks besseren Überblicks über das Plenum recht hoch trügen und sogleich eine Debatte im Hohen Haus der Stadthalle begönnen, sich dabei recht geschäftig betrügen, und so neben der Nase auch nur noch Augen und Ohren für sich selbst hätten, um also innerlich ganz abgelenkt die Frage zu klären ob der ungeordneten Sitzreihen, ob sie in der verfassungsmäßigen Ordnung hier nun eigentlich Regierung und Opposition seien, was am Ende recht schnell zu einem Geschäftsordnungsantrag führen dürfte, der die Frage und darüber hinaus die gesamte Angelegenheit in die Ausschüsse verlagerte, die sich daraufhin vertagten und so schneller zur entsprechenden Tagung im Rampendahl unterwegs wären, als ich, der ich noch immer irgendwo im hohen Raum der Stadthalle ganz verloren herumdrömelte, meinen zarten Finger in die Höhe recken könnte zur Anzeige eines Redebeitrags. Und selbst wenn ich dann noch Lust auf ein Bier im Rampendahl hätte, bestimmt würde mir dann keiner von denen dort ein Bier ausgeben, weil man mich nicht bestechen wollte, sodass ich doch lieber gen Garbo unterwegs wäre, da man auch dort anders als im Rampendahl draußen vor der Tür sitzen kann.