Man merkt im Forum sehr vielen Leuten an, dass sie verbittert sind und sauer. Das kann ich nachvollziehen, geht mir ja auch so. Ich will aber einen Gedanken hinzufügen.
Es wird sehr viel auf konkrete Politiker oder deren Ministerialbürokratie geschimpft. Das kann aber nicht passen. Genau so wenig wie "alle Soldaten Kriegstreiber" oder "alle Polizisten Schläger" oder "alle Beamten doof" sein werden, so kann es nicht allein an den dummen oder faulen Politikern liegen. Das muss ein größeres Problem sein. Ich habe mit jemanden gesprochen, der aus verschiedenen Gründen (die ich hier ungern offen legen würde) die Chance hatte, darüber mit zwei Finanzministern, beide nicht mehr im Amt, zu reden. Da stellt sich ein anderes Bild ein.
Zum ersten ist es so, dass mit der Förderalisierung die Bundesländer angefangen haben, bei den Beamten zu sparen. Das war zwar vorhersehbar, aber keiner hat es geglaubt. Am Ende war die Haushaltsnot stärker (die aber nur dadurch entstand, weil man ständig Geschenke vergeben hat). Das blöde ist: Es gibt keine Struktur, wie man da wieder herauskommt. Es verhandeln ja die Innenminister unsere Gehälter. Wenn die sagen, sie brauchen Milliarden, wachen sofort die Ministerkolleginnen auf und sagen "wenn für so etwas Geld da ist, will ich auch meine Projekte haben". Wir haben eine kleine Auflage dieses Spiels gesehen bei Ministerin Paus, die sofort ein Steuergesetz stoppt, weil sie nicht genug für die Kindersicherung bekommt. Das hätten wir in Dauerschleife, wenn wir die Besoldungsrückstände aufholen wollen. Zudem müssten sich die Innenminister der Länder auch noch einigen und das gleichzeitig tun. Wer einmal gesehen hat, wie mühsam die Einigung der Ministerpräsidenten in der Coronakrise war (und das waren jeweils die Chefs und die saßen bei einer Kanzlerin, die locker bis morgens früh um sechs Sitzungen leiten kann), weiß, dass das nie etwas wird. Wir haben keine Struktur, die eine Lösung des Problems erlaubt. Wie soll denn das gehen?
Mein Eindruck ist, dass die Ministerialebene das Problem deswegen dem Verfassungsgericht zuschiebt. Das ist beim Arbeitsrecht ja auch so: Es gibt ein Strafgesetzbuch, ein Bürgerliches Gesetzbuch, ein Handelsgesetzbuch - aber kein Arbeitsgesetzbuch. Das sollen mal die Richter machen, hieß es und die haben es dann auch notgedrungen gemacht. Dasselbe passiert bei der Besoldung. Das muss jetzt das BVerfG ausarbeiten. Die werden sich nicht drüber freuen (wir ja auch nicht).
Das hat mehrere Folgen. Die erste: Das BVerfG wird nur eine Untergrenze der Besoldung festlegen. Ich glaube, die Ministerialbürokratie wird dann immer an der unteren Grenze bleiben. Die zweite Folge: Sobald der Arbeitsminister eine neue Bürgergelderhöhung in den Raum ruft, wird ihm dann die Innenministerin zurufen [können] "du weißt aber, dass sich daraus eine Besoldungserhöhung von XY Mrd Euro ergibt?" Der Spielraum wird also für alle kleiner, und das kriegen die in einer Regierung sonst nie hin. Es wird weniger Geschenke geben und das ist doch auch gut so, oder? Und die dritte Folge, und ehrlich gesagt, bin ich darüber langfristig froh: Es wird in Zukunft hoffentlich wesentlich systematischer in der Besoldung zugehen als bisher. Es gibt ein durchdachtes System, das angewandt werden muss.
Leider müssen wir alle bis dahin die Nerven behalten, Widerspruch einlegen und klagen. Geht nicht anders. Und die, die das zehn Jahre und länger ausgehalten haben, waren im Grunde leider die Dummen. Das ist bitter.