@ One
Ich nummeriere mal das, was ich schreibe, durch, weil ich davon ausgehe, dass wir nicht über jeden der Punkte weitersprechen wollen/werden und es dann einfacher ist, kenntlich zu machen, worüber gesprochen wird.
1. Ich habe die Angewohnheit, zumeist recht direkt zu formulieren, sodass das, was ich schreibe, wiederkehrend vorwurfsvoll klingen kann. Zunächst einmal geht es mir nicht darum, Beamten im BMI und also auch nicht Dir oder BalBund hinsichtlich ihres Dienstes Vorwürfe zu machen. Das stände mir erstens von außen nicht an. Und zweitens möchte ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, wie ich in einem anderen Umfeld handelte als in dem, in dem ich mich derzeit aufhalte.
2. Natürlich wäre es abstrus, zu glauben, verfassungswidrige Gesetzentwürfe würde als solche von Beginn an in den Raum gestellt werden, also nach dem Motto: Am Schwarzen Brett des BMI erfolgte ein Aushang, wer hat die besten Ideen für ein verfassungswidriges Gesetz.
3. Jedoch haben auch große Organisationen ihre je sie kennzeichnenden Eigengesetze. Dazu habe ich beim letzten Mal einiges geschrieben, also wie verfassungswidrige Gesetzentwürfe m.E. zustandekommen können. Wer möchte, kann es dort nachlesen - ich will das hier nicht noch einmal wiederholen: Denn das würde zu lang werden.
4. Dabei ist es insgesamt so, wie Du schreibst, in verschiedenen Bereichen ist das, was ich hier oder an anderer Stelle tue, ein interpretatives Vorgehen - und in diesen Fällen gehe ich nicht davon aus, das ich per se Recht habe. Ich betrachte nur die Argumentation und prüfe - wie auch in meinem eigenen Interpretation- und Schreibprozess - die ihr zugrundeliegenden Quellen und die Sachlogik. Hinsichtlich des letztjährig geplanten REZ habe ich dazu einiges geschrieben - da das Bundesverfassungsgericht aber die letztjährige Planung nicht geprüft hat, kann auch ich nicht sagen, ob meine Vorstellungen korrekt waren oder nicht. Der Unterschied zum Gesetzentwurf war allerdings: In den von mir dargelegten Aussagen hat sich eine verhältnismäßig umfangreiche Betrachtung gefunden, die man als eine Art Prozeduralisierung verstehen konnte. Dabei sollten verschiedene Problematiken aufgeschienen sein, die m.E. zu entkräften wären, um sicherzustellen, dass die geplante gesetzliche Regelung mit der Verfassungs in Einklang zu bringen wäre. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2012 alles Nötige gesagt: "
Systemwechsel sind in besonderem Maße mit Unsicherheiten behaftet und für Prognoseirrtümer anfällig. Daher kommt es auf die Einhaltung prozeduraler Anforderungen an, die als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension treten und seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung dienen." (BVerfG, Urteil vom 14.02.2012 - 2 BvL 4/10 -, Rn. 163; Hervorhebung durch mich). Diese Darlegungen hat es 2018 direktiv noch weiter präzisiert: "Diese [prozeduralen] Anforderungen gelten
umso mehr bei der Umgestaltung der Besoldungsstruktur, da eine solche in viel stärkerem Maße als eine Besoldungsfortschreibung mit Unsicherheiten behaftet und für Prognoseirrtümer anfällig ist (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 145, 1 <13 Rn. 29>). Der Gesetzgeber
muss sich die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelung für die von der Vorschrift betroffenen Beamtinnen und Beamten vergegenwärtigen und auf dieser Grundlage erwägen, ob die Alimentation (weiterhin) den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht." (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2018 - 2 BvL 2/17 -, Rn. 22; Hervorhebung durch mich).
5. Eine entsprechende Prozeudralisierung fand aber im Gesetzentwurf hinsichtlich des REZ nicht einmal in Ansätzen statt (der Entwurf findet sich hier:
https://www.berliner-besoldung.de/wie-geht-es-weiter-mit-der-bundesbesoldung-deutscher-beamtinnen-und-beamter/). Vielmehr wurde auf der S. 47 postuliert: "In Umsetzung der Beschlüsse des BVerfG vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17) wird die Besoldungsstruktur des Bundes dergestalt angepasst, dass die Bedarfe der einzelnen Familienmitglieder realitätsgerecht berücksichtigt werden. Hierfür wird in Form eines regionalen Ergänzungszuschlags, der sich an den Mietenstufen des WoGG ausrichtet, den Unterschieden beim Mietenniveau in Deutschland Rechnung getragen. Damit wird die amtsangemessene Alimentation sichergestellt." Eine weitere umfassende Betrachtung - die prozedural offensichtlich nötig gewesen wäre, um zu belegen, dass durch den REZ materiell in jedem Fall eine amtsangemessene Alimentation gewährleistet werden würde - erfolgte in dem Entwurf nicht. Vielmehr erfolgte nur das weitere Postulat: "Der regionale Ergänzungszuschlag nach § 41a dient der Sicherstellung einer amtsangemessenen Alimentation und ist daher den Dienstbezügen zuzurechnen. Soweit besoldungsrechtliche Vorschriften auf die Dienstbezüge als maßgebliche Bestimmungsgröße abstellen, ist es sachgerecht, den regionalen Ergänzungszuschlag neben dem Grundgehalt wie auch dem Familienzuschlag zu berücksichtigen." (vgl. S. 57, vgl. auch die S. 62) Da aber auch im BMI die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung als bekannt vorausgesetzt werden kann, zugleich auch eine Prozeduralisierung erfolgt, allerdings ausgerechnet nicht hinsichtlich einer der geplanten Zentralregelung des Gesetzentwurfs - also dem REZ -, dürfte man, denke ich, davon sprechen, dass hier vorsätzlich keine Prozeduralisierung erfolgte: Denn Postulate sind offensichtlich keine Prozeduralisierung. Da aber das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus aktuell festgehalten hat, dass eine ungenügende Prozeduralisierung für sich genommen bereits als verfassungswidrig betrachtet werden kann, ist für mich hier der Vorsatz gegeben, da für mich alle notwendigen Bedingungen zur Kennzeichnung eines vorsätzlich verfassungswidrigen Vorgehens erfüllt sind, ich also davon ausgehe, dass ein hinreichender Nachweis geführt worden ist: "Eine Einschränkung dahingehend, dass eine unzureichende Begründung nur dann zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, wenn sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben (vgl. BVerwGE 161, 297 <303 Rn. 19>), würde die Ausgleichsfunktion der prozeduralen Anforderungen, den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch eine Verpflichtung zur Selbstvergewisserung zu kanalisieren (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <127 Rn. 130>; 140, 240 <296 Rn. 113>; 149, 382 <395 Rn. 21>), unterlaufen." (vgl. in der aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18, Rn. 96)
6. Darüber hinaus beinhaltete jener Gesetzentwurf allerdings ebenso materielle Regelungen, die offensichtlich ebenso vorsätzlich gegen die bundesverfassungsgerichtlichen Direktiven verstoßen und die ich hier nicht noch einmal alle darlegen möchte (wen es genauer interessiert, der gehe hier noch einmal zu den S. 3 ff. zurück und lese, was dazu ab dem 03.02.2021 geschrieben wurde). Ich greife nur ein mal zwei besonders deutliche heraus: Den "Höchstbedarf für die Brutto-Kaltmiete" (S. 52 im genannten Entwurf vom 03.02.2021), der nicht realitätsgerecht bemessen erfolgte, nämlich wie es das Bundesverfassungsgericht allerdings fordert: (a) Der zugrundegelegte Wert betrug 1.171,50 € (S. 52). Realitätsgerecht wären laut der BfA-Statistik, auf die das Bundesverfassungsgericht als eben realitätsgerechter Wert auf Grundlage der entsprechenden 95 %-Perzentile verweist: 1.400,- € gewesen. (b) Die Erfahrungsstufe 5 der Besoldungsgruppe A 4 als Vergleichsgruppe zur Mindestalimentation, die nicht die niedrigste gewesen ist, wodurch von einem vergleichbaren Grundgehalt von 2.603,17 € ausgegangen wurde, während der tatsächlich niedrigste und also direktiv zugrundezulegende Wert die Grundbesoldung der ersten Erfahrungsstufe in der Besoldungsgruppe A 3 gewesen wäre: Sie betrug 2.370,74 € (S. 51 i.V. m. S. 36 ). Der Vorsatz liegt nun darin, dass auch hier wissentlich gegen undesverfassungsgerichtliche Direktiven verstoßen wurde.
7. Denn der sachwidrige Gehalt dieser Entscheidungen lag nun darin, dass das Bundesverfassungsgericht aktuell zwar hinsichtlich der Bemessung des Grundsicherungsniveaus hervorhebt: "Die nachfolgenden Ausführungen stellen keine für den Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindliche Berechnungsgrundlage dar. Ihm stünde es insbesondere frei, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen" (Rn. 53). Die Auswahl der Methodik kann insofern unter der Beachtung dieser Direktive nicht willkürlich erfolgen, sondern muss sachgerecht vorgenommen werden, was bedeutet, dass sie zu einem realitätsgerechten Ergebnis führt. Die entsprechenden Fehlbeträge von jeweils rund 230,- € kennzeichnen aber ob ihrer Höhe die jeweilige Methodik als nicht realitätsgerecht und verstoßen darüber hinaus hinsichtlich der ausgewählten Erfahrungsstufe und Besoldungsgruppe gezielt gegen die weitere zwingend zu beachtenden bundesverfassungsgerichtliche Direktive: "Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht." (Rn. 72)
8. Es bleibt also zu fragen, wie solche vorsätzlich verfassungswidrigen Sachentscheidungen ohne ein entsprechendes Schwarze Brett zustandekommen. Oder genauer: Erst einmal wäre zu fragen ob Du mit mir darin übereinstimmst, (a) dass hier in den Ziffern 5 bis 7 nicht sachgerechte Entscheidungen dargelegt worden sind, (b) dass diese auf Grundlage der vom Besoldungsgesetzgeber zu beachtenden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich der Ziffer 5 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer verfassungswidrigen Regelung und hinsichtlich der Ziffern 6 und 7 zu einer verfassungswidrigen Regelung führten (sofern der Entwurf Gesetzeskraft entfaltet hätte) und dass (c) das Verhalten, das zu diesen Entscheidungen geführt hat, als vorsätzlich zu betrachten ist. Falls Du also der Argumentation folgst, würde es mich interessieren, wie es trotz der von Dir berechtigt hervorgehobenen Sicherungen dazu gekommen ist, dass der Entwurf in die Anhörung gegangen ist. Und falls Du ihr nicht folgst, würde mich interessieren, wo wir beide unterschiedliche Sichtweisen haben. Wie siehst Du das?