Die ganzen Urteile und Aussagen in letzter Zeit haben mich etwas verunsichert. Ich habe bereits vor einigen Jahren Widerspruch gegen die Beamtenbesoldung erhoben und von meinem Dienstherr eine Empfangsbestätigung und im Wortlaut Folgendes erhalten:
ch beabsichtige, ab dem Kalenderjahr x Ihrem Wunsch entgegenzukommen und das
Verfahren bis zu einer abschließenden rechtskräftigen Entscheidung und der gegebenenfalls
gesetzlichen Umsetzung ruhend zu stellen. Das bedeutet, dass Sie für die folgenden
Jahre keinen Widerspruch mehr einreichen müssen.
Seitdem habe ich keinen weiteren Widerspruch mehr eingelegt, da ich mich darauf verlassen habe, dass soweit alles in Ordnung ist. Insbesondere die Formulierung "...für die folgenden Jahre keinen Widerspruch mehr einreichen müssen..." hielt ich bisher für ausreichend.
Nun bin ich seitdem von A9 bis A12 befördert worden.
Würde die Allgemeinheit dazu raten, die Füße weiter still zu halten und den Widerspruch als eingelegt zu betrachten, oder hätte ich weiter jedes Jahr Widerspruch einlegen müssen?
Auf einen Anruf bei der zuständigen Stelle im letzten Jahr erhielt ich die Auskunft "wir haben Ihren Widerspruch hier. Sie müssen nicht erneut widersprechen".
Viele Grüße und schon einmal Danke!
Die Aussage, dass Du für "die folgenden Jahre keinen Widerspruch mehr einreichen" müsstest, dürfte sich mit einiger Wahrscheinlichkeit nur auf den Fall erstrecken, dass sich zwischenzeitlich nicht die Sach- oder Rechtslage erheblich geändert hätte. Entsprechend führt das OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.09.2024 - 2 A 10357/24.OVG -,
https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001588057, Rn. 39 aus, dass ein erneuter Widerspruch notwendig ist, "wenn der Widerspruch entweder nicht erkennbar auf die Zukunft gerichtet ist, sondern nur auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt wird
oder wenn aufgrund geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände nicht hinreichend klar ist, ob der Widerspruch auch weiterhin aufrechterhalten bleiben soll oder der Beamte möglicherweise mit den veränderten Umständen einverstanden ist, und insoweit Anlass für eine Klarstellung besteht (vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. November 2010 – 3 A 1761/08 –, juris Rn. 66 f., vom 12. Februar 2014 – 3 A 155/09 –, juris Rn. 37 f.; OVG RP, Urteil vom 5. Dezember 2008 – 10 A 10502/08.OVG –, juris Rn. 32; BayVGH, Beschluss vom 23. März 2010 – 14 ZB 09.2224 –, juris Rn. 9 ff.; VGH BW, Urteil vom 13. Februar 2007 – 4 S 2289/05 –, juris Rn. 21; VG Aachen, Urteil vom 16. Oktober 2023 – 1 K 56/22 –, juris Rn. 34 f.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juni 2023 – VG 1 K 2295/22 –, BeckRS 2023, 15198 Rn. 34 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 17. August 2023 – 26 K 5912/22 –, juris Ls. 2 und Rn. 45 f.). Der Dienstherr muss nicht automatisch damit rechnen, dass sich eine auf bestimmte Besoldungsregelungen gestützte Rüge der Unteralimentation auch auf zum Zeitpunkt der Rüge noch gar nicht maßgebliche tatsächliche und rechtliche Verhältnisse beziehen soll (vgl. deutlich bereits BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 2 C 40.10 –, juris Rn. 10 im Fall späteren gesetzgeberischen Tätigwerdens sowie VG Berlin, Urteil vom 30. November 2023 – 26 K 649/23 –, juris Ls. und Rn. 21 ff. konkret zur erneuten Rügepflicht infolge des Erlasses eines neuen Besoldungsgesetzes). Die Alimentation dient der Deckung eines gegenwärtigen – und nicht eines unabsehbaren zukünftigen – Bedarfs, indem den Beamten fortlaufend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sie in die Lage zu versetzen, damit kontinuierlich den amtsangemessenen Lebensunterhalt für sich und ihre Familien sicherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 – 2 C 33.09 –, juris Rn. 14). Daher obliegt es dem einzelnen Beamten zu entscheiden, ob er die gesetzlich – aktuell – gewährte Besoldung als ausreichend ansieht oder ob er sie für unzureichend hält, um einen amtsangemessenen Lebenszuschnitt zu ermöglichen." (Hervorhebungen durch mich)
Da mit Deiner Höhergruppierung jeweils ein höheres Besoldungsniveau einhergegangen ist, das mittlerweile erheblich höher liegt als noch zu der Zeit, als Du erstmalig und offensichtlich bislang einzig gegen die Dir gewährte Besoldung Widerspruch eingelegt hast, dürfte es m.E. recht wahrscheinlich sein, dass hier geänderte tatsächliche Umstände zu betrachten sind, weshalb von Dir klarzustellen gewesen wäre, dass der Widerspruch auch weiterhin aufrechterhalten bleiben sollte und Du also ebenso wie zuvor weiterhin nicht mit den nun allerdings veränderten Umständen - der nun höheren Besoldung infolge der Höhergruppierung - einverstanden gewesen seist, weshalb insoweit Anlass für eine Klarstellung Deinerseits bestanden haben dürfte. Zu diesem Ergebnis kommt entsprechend auch das OVG in seiner auf den gerade zitierten Ausführungen aufbauenden weiteren Urteilsbegründung (vgl. dort ab der Rn. 40 ff.).
Der Dienstherr und ggf. später Beklagte sollte also, davon ist auszugehen, ins Feld führen, dass die Dir gegebene ursprüngliche Erklärung, die Du zitierst, sich auf den Sachverhalt unveränderter Umstände bezogen hatte, dass ihm aber ab dem Zeitraum veränderter Umstände (der erstmaligen Höhergruppierung) keine Nachricht zugegangen sei, dass Du mit den veränderten Umständen nicht einverstanden gewesen seist. Damit aber sollte keine zeitnahe Geltendmachung einer Unteralimentation ab jenem Zeitraum vorliegen. Entsprechend sollte sich - sofern Du nicht andere Gründe ins Feld führen kannst - der Widerspruch mit einiger Wahrscheinlichkeit ausschließlich auf den Zeitraum beziehen lassen, in welchem Du in der Besoldungsgruppe A 9 eingruppiert warst. Eine Klage, die sich auf einen Klagezeitraum erstreckt, der über jene Zeit hinausreicht, dürfte sich analog zur vorliegenden im gerade genannten rheinland-pfälzischen Fall als unbegründet darstellen. Nicht umsonst ist maßgeblicher Zweck der Rügeobliegenheit zeitnahe Geltendmachung, sodass sich der Dienstherr auf mögliche finanzielle Mehrbelastungen einstellen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 2 C 40.10 –,
https://www.bverwg.de/de/280611U2C40.10.0, Rn. 7)
Entsprechend würde ich auf jeden Fall für dieses Jahr Widerspruch gegen die Dir gewährte Besoldung und Alimentation einlegen. Sofern Du Dich zukünftig dazu entschließen solltest, eine Feststellungsklage zu führen, würde ich mich mindestens für den Zeitraum, ab dem Du in der Besoldungsgruppe A 10 eingruppiert warst, anwaltlich beraten lassen. Denn wie es die Urteilsbegründung des OVG ab der Rn. 40 zeigt, kommt es in Auslegung einer Willenserklärung darauf an, den wirklichen Wille des Widerspruchsführers zu erforschen, also auf jedes Wort Deines Widerspruchs.
Entsprechend sollte es nun ggf. wohlüberlegt sein, ob Du den Widerspruch in diesem Jahr als Fortführung der ursprünglichen oder als eigenständigen neuen Widerspruch formulierst (denn auch hier dürfte ein Gericht später den von Dir intendierten Willen erkunden müssen). Denn in Anbetracht der offensichtlich geänderten Umstände dürfte sich ggf. die Frage stellen, ob der ursprüngliche Widerspruch erkennbar auf die Zukunft gerichtet war (das war er ggf. offensichtlich maximal nur bis zu dem Zeitpunkt, da sich die Umstände geändert haben; der Dienstherr dürfte sich entsprechend auf den Standpunkt stellen, dass seine von Dir zitierte Aussage sich nur auf den Zeitraum bis zur Änderung der Umstände bezogen habe).
Insgsamt könnte sich hier also eine für Dich dilemmatische Situation auftun, die sich in zwei Alternativen zeigen könnte:
1. Sofern Dein ursprünglicher Widerspruch ab dem Zeitpunkt, da Du in die Besoldungsgruppe A 10 eingruppiert worden bist, keine Wirkung mehr entfalten sollte, könnte man ggf. mit einigem Recht bestreiten, dass seine Fortführung heute noch möglich sei, da er zwischenzeitlich ab dem Zeitpunkt der ersten Höhergruppierung sachlich wirkungslos und damit gegenstandslos geworden sei. Ließest Du dann jetzt den Willen erkennen, den ursprünglichen Widerspruch durch den aktuell für dieses Jahr zu stellenden fortzuführen, könnte sich diese Fortführung wegen des zwischenzeitlich mit einiger Wahrscheinlichkeit gegenstandslos gewordenen Widerspruchs als unbegründet darstellen, womit der aktuelle Widerspruch wirkungslos bleiben könnte.
2. Sofern Du heute ein neues und von der Formulierung her vom ursprünglichen Widerspruch unabhängiges Widerspruchsschreiben formuliert, könnte man das ggf. als Eingeständnis auffassen, dass Du zwischenzeitlich keine Willensbekundung abgegeben hättest, dass Dein ursprünglicher Widerspruch sich auch über die geänderten Umstände hinweg als auf die Zukunft ausgerichtet auslegen ließe - denn wieso solltest Du ein neues Widerspruchsschreiben formulieren, wenn Du davon ausgingest, dass Du in der Vergangenheit ein in seiner Wirkung auf die Zukunft gerichtetes bereits formuliert und dieses darüber hinaus zwischenzeitlich auch zu keiner Zeit erneuert hättest? -, Du würdest in diesem Fall also ggf. bekunden, dass Du auf Deine ggf. zwischenzeitlich fortbestehenden Ansprüche verzichtet hättest; denn ein anderer Grund bzw. Wille könnte einer Neuformulierung ggf.nicht entnommen werden können, wobei wir uns hier eventuell in den Tiefen formellen Rechts befinden, weshalb ich mich nicht in der Lage sehe, Dir entsprechend einen sachdienlichen Rat zu geben, wie Du Dein Widerspruchsschreiben für dieses Jahr aufsetzen solltest.
Wenn ich mich in Deiner Situation befände, würde ich den Widerspruch so formulieren, dass nicht erkennbar wäre, ob ich den ursprünglichen Widerspruch weiterführte oder einen neuen und unabhängig vom ursprünglichen Widerspruch zu betrachtenden formulierte. Und würde ich mich in der Situation Deines Adressaten befinden - also des Dienstherrn -, dann würde ich einen solchen Widerspruch im Anschluss ruhend stellen, und zwar mit dem Betreff, dass es hier um die Fortführung des ursprünglichen Widerspruchs gehen würde, der (weiterhin) ruhend gestellt werden würde. Damit würde sich dann mein aktueller Widerspruch ggf. ebenfalls im Sinne der gerade genannten ersten möglichen Alternative als wirkungslos entpuppen können, da diese Bestätigung ggf. implizieren könnte (auch hier müsste das entsprechend so ausgelegt werden können oder müssen), dass der aktuelle Widerspruch als Fortführung sich nur auf die unveränderten Umstände beziehen würde, die aber mit Deiner ersten Höhergruppierung geendet hat.
Leider kann ich Dir keine besseren Nachrichten mitteilen. Es sollte Dir jetzt auf jeden Fall darum gehen, Deine mit einiger Wahrscheinlichkeit gegebenen Ansprüche für dieses Jahr mittels eines statthaften Rechtsbehelfs zu wahren. Von daher wäre es in diesem Spezialfall - es ist bislang nur ein Widerspruch geführt worden, dieser liegt offensichtlich zeitlich länger zurück, die Umstände haben sich seitdem offensichtlich geändert, eine Fortführung des ursprünglichen Widerspruchs ist ggf. wegen der geänderten Umständen wirkungslos, eine Neuformulierung wiese ggf. auf eine Willensänderung hin, die mit dem Eingeständnis verbunden sein könnte, dass mit den geänderten Umständen bis zum heutigen Tage kein statthafter Rechtsbehelf vorliegt - ggf. sinnvoll, sich anwaltlich oder - sofern Du entsprechend Mitglied bist - gewerkschaftlich von deren Juristen beraten zu lassen.