Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6298579 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16200 am: 25.01.2025 23:18 »
Die Seehofer-Entwürfe ließen sich am Ende nicht im Kabinett finalisieren und sind entsprechend - so ist es berichtet worden - am damaligen Finanzminister Olaf Scholz gescheitert. Böse Zunge behaupten allerdings, dass genau das das Kalkül des damaligen Innenministers gewesen sei, der so oder so im Winter 2020/21 und Frühjahr 2021 wusste und sich dazu entschlossen hatte, dass er mit dem Ende der Legislaturperiode seine politische Karriere beenden würde. Letztlich waren auch jene Entwürfe wissentlich und willentlich, also zielgerichtet, verfassungwidrig konzipiert. Da im Winter 2020/21, also zum Zeitpunkt der Entstehung des ersten Entwurfs, als einziger weiterer Rechtskreis Berlin an der zielgerichteten Missachtung der Entscheidung vom 04. Mai 2020 gearbeitet hat und da dem Bund eine besondere Bedeutung für die Beamtenbesoldung zukommt, hat die damalige Bundesregierung an entscheidener Stelle die seitdem vollzogene Entwicklung in den weiteren Rechtskreisen mit vorbereitet, indem sie zeitgleich mit dem Senat von Berlin und dem Abgeordnetenhaus von Berlin den Takt vorgegeben hat.

Denn hätten sich die damalige Bundesregierung und Regierungsfraktionen veranlasst gesehen, zu einer verfassungskonformen Besoldung zurückzukehren, wie es ihre verfassungsrechtliche Pflicht gewesen wäre, hätten sich die weiteren Besoldungsgesetzgeber im Anschluss kaum veranlasst sehen können, die seitdem vollzogene Missachtung der neuen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts auf die Spitze zu treiben. Nachdem also die damalige Bundesregierung aus Union und Sozialdemokraten in Gestalt des damaligen Innenministeriums das bekannte Rundschreiben vom 14.06.2021 zum einheitlichen internen Umgang mit Widersprüchen formuliert hat (https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_14062021_D3302009421.htm), hat die ihr nachfolgende Bundesregierung aus Sozialdemokraten, Bündnisgrünen und Freidemokraten den konzertierten Verfassungsbruch zielgerichtet fortgesetzt, indem sie in den knapp drei Jahren ihres Bestehens weiterhin nur ein Handeln gezeigt hat, das der Untätigkeit gleichgekommen ist, was die aktuelle Bundesregierung aus Sozialdemokraten und Bündnisgrünen seit Anfang November ein weiteres Mal verlängert und sich darin augenscheinlich weiterhin konzertiert mindestens mit der Union einig zu sein zeigt.

Neben der Kontinuität eines Handelns, das zielgerichtet einer Untätigkeit gleichkommt, bleibt seit dem Frühjahr 2021 als weitere Kontinuität, dass die Verantwortung für die zielgerichtet aufrecht erhaltene Missachtung der neuen Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts reihum den jeweils anderen zugewiesen wird, obgleich man sich ja übergreifend einig darin sein sollte, dass es so, wie es seitdem ist, genau richtig sei (denn wäre man sich nicht parteiübergreifend konzertiert einig, hätte man den Zustand ja in den letzten vier Jahren irgendwann mal ernsthaft in Angriff genommen). Das Ziel, von der eigenen Verantwortung abzulenken, die anderen Parteien nach Möglichkeit in der Ablenkung zu beschädigen und dabei die Beschädigung nicht nur des Bundesverfassungsgerichts, sondern ebenso des grundrechtsgleichen Individualrechts der Bediensteten wissentlich und willentlich voranzutreiben, zeugt von einer politischen Kurzsichtigkeit, die augenscheinlich als Einladung an die Wähler gemeint sein sollte, nach einer selbsternannten Alternative Ausschau zu halten.

Darin - das zeigen die Wahlergebnisse der letzten Jahre und die aktuellen Prognosen zur Bundestagswahl - waren die genannten Parteien auf jeden Fall sehr erfolgreich. Man darf vermuten, dass sie diese Erfolge auch weiterhin verlängern wollen, so wie sich derzeit weiterhin führende ihrer Repräsentanten auf Abgeordnetenwatch äußern. Dass man mit solcherart Handeln ein Monster füttert, sollte jedem der Beteiligten so bekannt wie gleichgültig sein - denn wäre es das jeweils nicht, würde man ja irgendwann im Besoldungsrecht wieder aus dem verfassungsrechtlichen Ausland auf den Boden der Verfassung zurückkehren, wofür es aber auch im Bund keinerlei Anzeichen gibt, dass man dieses Ziel ins Auge fassen wollte.

Kority

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16201 am: 26.01.2025 00:00 »
Seh ich das richtig das mit dem neuen Entwurf von Januar ich immernoch leer ausgehe? Dieser Abschmelzungsbetrag ergibt halt einfach mal gar keinen sinn. Also profitiert man wenn überhaupt erst ab 3 kindern alles darunter geht leer aus? A6 Stufe 3 bald A7 mietstufe 4 2 kinder = 0 € AEZ? & 0€ Nachzahlung ?

Knecht

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« Antwort #16202 am: 26.01.2025 06:46 »
Danke Swen, mal wieder ernüchternd aufschlussreich.

Ich weiß den Punkt siehst du anders, aber mMn hätte Karlsruhe schon lange ein Machtwort sprechen müssen.

Unser ganzes System ist leider nur noch dysfunktional. Damit gewinnt man keinen Blumentopf und schon gar keine Wähler mehr. Wenn die Schlüsselstellen dann noch überwiegend von Ideologen besetzt sind - willkommen in Deutschland.

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« Antwort #16203 am: 26.01.2025 09:01 »
Seh ich das richtig das mit dem neuen Entwurf von Januar ich immernoch leer ausgehe? Dieser Abschmelzungsbetrag ergibt halt einfach mal gar keinen sinn. Also profitiert man wenn überhaupt erst ab 3 kindern alles darunter geht leer aus? A6 Stufe 3 bald A7 mietstufe 4 2 kinder = 0 € AEZ? & 0€ Nachzahlung ?

Für den Dienstherrn macht das schon Sinn. Denn das was im Gesetzentwurf steht, ist die Reperatur alleine des Leitsatzes des BVerfG zum Urteil 2 BvL 4/18. Kern des Urteils war ja die nicht amtsangemessene Alimentation im höheren Dienst ab 3 Kinder aufwärts. Dass das BVerfG darüber hinaus in dem Verfahren festgestellt hat und auch das BMI dies eingesteht, dass die Grundbesoldung unabhängig von der Zahl der Kinder nicht amtsangemessen, in vielen Fällen nicht einmal die Mindestalimentation erreicht wird, wird in den Entwürfen weitestgehend aus fiskalischen Gründen ignoriert. Lediglich in den untersten Besoldungsgruppen wird durch Streichungen von Besoldungsstufen und Erfahrungsstufen ein bisschen Salbe aufgetragen, um nicht das zu manifestieren, was jetzt selbst die Bild kritisiert: dass Beamte für 41 Wst Arbeit weniger erhalten, als eine Bedarfsgemeinschaft im Bürgergeldbezug. Unfassbar ist dann aber, dass selbst das im Entwurf nur erreicht wird, indem pauschal auch für nicht verpartnerte Beamte unterstellt wird, dass ein Zuverdienst im Umfang eines Minijobs den Abstand zum Bürgergeld herstellt.

SwenTanortsch

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« Antwort #16204 am: 26.01.2025 09:42 »
Gern geschehen, Knecht - die politische Seite unseres Themas ist leider tatsächlich wirklich ernüchternd. Denn das Schlimme ist ja, dass solcherart Handeln nur denen nützt, die unsere liberale Demokratie hassen und deshalb sowohl tatsächlich als auch im Geiste unser Heimatland schon lange verlassen haben, um ihre Vorbilder ausgerechnet dort zu suchen, wo es ausnahmslos nur Katastrophen gibt. Denn ob nun deren jeweilig auswechselbaren Spitzenkandidaten Krah, Bystron, Ladig oder Weidel heißen, ihre maßgebliche aktuelle Bindung weist immer gen Peking und Moskau, wo also das notwendige Geld für Korruption und Camouflage zu finden ist.

Man kann solchen vaterlandslosen Gesellen, deren geistiger Bezugspunkt der 7. Mai 1945 ist, wenig entgegensetzen, wenn man wiederkehrend selbst nicht den 23. Mai 1949 erreicht. Entsprechend nützt solcherart Politik, wie wir sie in der Ausgestaltung des Besoldungsrechts finden, ausnahmslos nur der Alternative für Peking und Moskau.

Meine Sicht auf bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungen ist ja seit je, dass verfassungsrechtliche Präzision vor Schnelligkeit gehen muss - allerdings treibt mich seit geraumer Zeit die Frage um, ob nicht mit zunehmender Dauer bis zu einer Entscheidung, also mit immer weiter zunehmenden "hybriden" besoldungsrechtlichen Regelungen, die sicherlich auch deshalb möglich sind, weil seit dem Mai 2020 weitere präzisierende Klarstellungen aus Karlsruhe fehlen, nicht auch umso schärfere Einschnitte in den weiten Entscheidungsspielraum notwendig sein müssen, über die ebenso der Besoldungsgesetzgeber verfügt. Folge der angekündigten Entscheidung darf aber nicht sein, dass jener weite Entscheidungsspielraum zukünftig über Gebühr eingeschränkt werden könnte, da das zum einen zur "Versteinerung" des Rechts führen könnte, womit niemand gedient wäre, und es zum anderen offenbaren müsste, dass in Angesicht von über 60 anhängigen besoldungsrechtlichen Normenkontrollverfahren Karlsruhe zu lange zugewartet hätte.

Einer der zentralen Dreh- und Angelpunkte der angekündigten Entscheidungen wird die präzise Klarstellung der Alleinverdienerannahme als aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteter Kontrollmaßstab sein, was in wenigen Sätzen geschehen kann. Da das aber in wenigen Sätzen geschehen kann, bleibt bis auf Weiteres durchaus unklar, wieso seit den Klarstellungen vom 21. Dezember 2023 bis heute weiterhin keine Entscheidung über die angekündigten "Pilotverfahren" vollzogen worden ist. Denn die diesbezüglich letzten Stellungnahmen im Rahmen der "Pilotverfahren" sollten etwa im Spätsommer oder Frühherbst in Karlsruhe eingegangen sein.

Der langen Rede kurzer Sinn: Das Besoldungsrecht ist seit spätestens dem Frühjahr 2022 im Zuge der seitdem spezifisch um sich greifenden "Hybridbildung" zunehmend schwerer beschädigt worden, was nicht minder spätestens im Herbst 2022 erkennbar war, als Ulrich Battis begründet von einem konzertierten Verfassungsbruch im Besoldungsrecht gesprochen hat (https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf) - diese Zunahme sachfremder "Hybridbildungen" verfassungsrechtlich einzuhegen, dürfte tendenziell nur umso schwieriger werden, je länger es dauert, bis eine Entscheidung über die "Pilotverfahren" ergeht und je länger sich der Zeitraum bis zu den daran anschließenden weiteren Entscheidungen erstreckt.

Dabei haben wir bislang allesamt wirklich Glück gehabt, dass nun nicht auch der Bund noch auf den letzten Metern entsprechende "Hybridbildungen" wie die geplanten in die Tat umgesetzt hat. Denn damit wäre das Chaos rein faktisch auf die Spitze getrieben worden. Es wird nun in dem Jahr nach der ergangenen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung über die "Pilotverfahren" vor allem an Berlin und - in dem ab etwa dem Frühsommer einsetzenden Gesetzgebungsverfahren zur Übertragung des Tarifergebnisses auf die Bediensteten - dem Bund liegen, sachgerechte Schlüsse aus den angekündigten Entscheidungen zu ziehen. Wir werden also - sofern die angekündigten Entscheidungen bis in den Sommer hinein veröffentlicht werden - eine weitgehend ähnliche Konstellation wie 2020 vorfinden - und das nur umso mehr, als dass ab dem Herbst die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder beginnen werden, sodass es ab dem Frühjahr des nächsten Jahres in 15 Rechtskreisen um die gesetzliche Regelung der jeweiligen Übertragung auf die Bediensteten gehen wird, während Hessen dem dann zeitlich um wenige Monate versetzt folgen wird.

Da davon ausgegangen werden sollte, dass der Zweite Senat nun in die Beratung eingetreten ist und da es keine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Regelung gibt, die besagt, dass zwischen der Entscheidung und ihrer Veröffentlichung ein ausnehmend längerer Zeitraum bestehen muss, wäre es erfreulich, wenn nun im Verlauf des nächsten halben Jahres die Veröffentlichung der Entscheidung über die "Pilotverfahren" ergehen würde. Sofern der Zweite Senat sich einig darin zeigen sollte, die seit 2012 erstellte neue Besoldungsdogmatik bruchlos fortzusetzen, sollte das, da dann - wenn ich es nicht falsch sehe - kein überaus großer Diskussionsbedarf bestehen sollte, sachlich möglich sein. Wollte Karlsruhe erst nach dem Vollzug der ab dem (Früh-)Sommer anstehenden Übertragung des Tarifergebnisses auf die Bediensteten des Bundes eine Entscheidung in den angekündigten "Pilotentscheidungen" treffen - jenes Gesetzgebungsverfahren sollte sich realistisch betrachtet bis mindestens in den Herbst hinziehen -, sollte dem Zweiten Senat klarsein, dass die rund 370.000 Bediensteten des Bundes und Soldaten dann einen Dienstherrn vorfinden werden, der das Besoldungsrecht erst nach den nächsten Tarifverhandlungen grundsätzlich wird ändern wollen, was also kaum vor 2027 der Fall sein wird.

Maximus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16205 am: 27.01.2025 01:00 »
Hallo Swen, vielen Dank für deine Einschätzung. Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?

Außerdem habe ich erhebliche Zweifel, ob wir zeitnah etwas aus Karslruhe hören werden. Erst hieß es Mitte/Ende 2024, dann erstes Quartal 2025, und jetzt wird schon vom zweiten Quartal 2025 gesprochen. Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn in 2025 überhaupt etwas passiert.

Die Verzögerungen kann man aus meiner Sicht nicht mehr schön reden ("verfassungsrechtlicher Präzision vor Schnelligkeit"). Karlsruhe muss jetzt handeln!!! Wenn es zu weiteren Verzögerungen kommt, nimmt auch das Vertrauen in das Verfassungsgericht Schaden.

PolareuD

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« Antwort #16206 am: 27.01.2025 08:15 »
Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?

Bei den angekündigten Entscheidungen geht es es um die Besoldungsgesetzgebung der Jahre 2013/2014 (Bremen) und 2010-2015 (Berlin). Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich das BVerfG überhaupt mit der Thematik der Mehrverdienerhaushalte befasst, da diese in der Besoldungsgesetzgebung von Berlin und Bremen keine Rolle gespielt haben.

SwenTanortsch

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« Antwort #16207 am: 27.01.2025 09:04 »
Hallo Swen, vielen Dank für deine Einschätzung. Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?

Außerdem habe ich erhebliche Zweifel, ob wir zeitnah etwas aus Karslruhe hören werden. Erst hieß es Mitte/Ende 2024, dann erstes Quartal 2025, und jetzt wird schon vom zweiten Quartal 2025 gesprochen. Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn in 2025 überhaupt etwas passiert.

Die Verzögerungen kann man aus meiner Sicht nicht mehr schön reden ("verfassungsrechtlicher Präzision vor Schnelligkeit"). Karlsruhe muss jetzt handeln!!! Wenn es zu weiteren Verzögerungen kommt, nimmt auch das Vertrauen in das Verfassungsgericht Schaden.

Gern geschehen, Maximus. Gegebenenfalls nichts über das Leitbild der Doppel- oder Hinzuverdienerfamilie zu sagen, muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, nichts über die Alleinverdienerannahme als aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteten Kontrollmaßstab zu sagen. Denn das hat Karlsruhe ja in seinen letzten beiden Entscheidungen jeweils getan, ohne dass in Berlin und Nordrhein-Westfalen im entscheidungserheblichen Zeitraum die Doppel- oder Hinzuverdienerfamilie eine Rolle gespielt hätte. Der zweite Senat hat dabei unmissverständlich klargestellt, dass es bar jeden Leitbilds oder der jeweils herrschenden sozialen Wirklichkeit zunächst einmal eines Kontrollmaßstabes bedarf, um das Mindestabstandsgebot hinreichend prüfen zu können (vgl. in der Parallelentscheidung die Rn. 37; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html). Als aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße hat es dabei die Alleinverdienerannahme weiterhin zum Kontrollmaßstab gemacht (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 47; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Die Alleinverdienerannahme als Kontrollmaßstab verlangt also bis auf Weiteres verfassungsrechtliche Gültigkeit.

Da nun ausnahmslos alle Besoldungsgesetzgeber, die entsprechend neue Leitbilder in ihr Besoldungsrecht eingeführt oder nicht eingeführt haben, aber auf jeden Fall zwischenzeitlich die Einkünfte des Ehe- oder Lebenspartners von Bediensteten betrachten, keinen sachgerecht neuen Kontrollmaßstab zur Prüfung des Mindestabstandsgebot eingeführt haben, ist es offensichtlich notwendig und genügt es meines Erachtens also schon, in wenigen, aber präzisen und also unmissverständlichen Sätzen die Funktion darzulegen, die ein Kontrollmaßstab zur Prüfung des Mindestabstandsgebots erfüllen muss, um als solcher sachgerecht zu sein. Das als Minimum zu vollziehen, muss meines Erachtens vom Zweiten Senat gewährleistet sein, da ja die angekündigten "Pilotverfahren" unter anderem dazu dienen sollen, dass zukünftig in schnellerer Abfolge über die anhängigen Verfahren entschieden werden kann - was sich (so verstehe ich das) insbesondere auch auf jene aktuellen hamburgischen und rheinland-pfälzischen Vorlagen beziehen muss, die spezifische Mehr- oder Hinzuverdienerannahmen als Leitbild geprüft haben. Darüber hinaus ist eine solche Klarstellung offensichtlich notwendig in Anbetracht immer weiter um sich greifender "Hybridbildungen" im Besoldungsrecht, die allesamt daran kranken, keinen sachgerechten Kontrollmaßstab in der Prüfung des Mindestabstandsgebots zu verwenden.

Die Zweifel an ggf. zeitnahen Entscheidungen nicht zuletzt hinsichtlich des "Pilotverfahrens" sind nachvollziehbar und beruhen insbesondere darauf, dass der Zweite Senat seit März 2022 verschiedene Entscheidungen angekündigt, diese Entscheidungen aber bislang weiterhin nicht vollzogen und darüber hinaus zwischenzeitlich die Ankündigung von Entscheidungen zugunsten anderer zurückgezogen hat. Dass das Vertrauen in die eigene Entscheidungstätigkeit kosten kann und wiederkehrend insbesondere bei Normunterworfenen kostet, dürfte man in Karlsrruhe in Rechnung stellen. Nicht umsonst hat der Berichterstatter der angekündigten Entscheidungen im letzten Winter hervorgehoben, dass "der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen ist. Auch ist dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst, dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist" (Beschluss der Beschwerdekammer vom 21.12.2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 ).

Nun kann sich niemand für Äußerungen des Gerichts über dessen eigenes Schmerzempfinden etwas kaufen; auch sollte ein entsprechendes Schmerzempfinden verfassungsrechtlich eher unerheblich sein. Verfassungsrechtlich kommt es vielmehr darauf an, dass im Sinne des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gerichtliche Entscheidungen keine überlangen Verfahrensdauern aufweisen. Aus diesem Grund - so hat es der Berichterstatter im letzten Winter dargestellt (und es gibt für mich weiterhin kein Indiz, der mich an dieser Darstellung sachlich zweifeln ließe) - ist etwa in jenem Zeitraum des letzten Winters die Entscheidung im Senat korrigiert worden, zunächst neben den anhängigen Bremer nun ebenso über Teile der anhängigen niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Normenkontrollverfahren entscheiden zu wollen; vielmehr sind letztere beide Gruppen von Entscheidungen nun zugunsten von Teilen der anhängigen Berliner Verfahren ersetzt worden. Die Erklärung dafür ist zur Rechtfertigung der langen Verfahrensdauern (der angekündigte Aufruf der Bremer Verfahren betrachtet Fälle, die seit 2016 in Karlsruhe anhängig sind, die zunächst angekündigten niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Fälle sind dort seit 2018 anhängig, die nun aufgerufenen Berliner seit 2017) schlüssig, da sie sowohl die Dienlichkeit der Beschleunigung als auch - vgl. das, was ich zu Beginn hinsichtlich des Kontrollmaßstabs geschrieben habe; denn entsprechend würde ich die nachfolgende Passage auch lesen - die weitere Problemaufklärung in den Fokus rückt. Entsprechend hat der Berichterstatter im letzten Winter an der eben bereits zitierten Stelle weiterhin ausgeführt:

"Eine dem Rechtsschutzauftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werdende Bearbeitung dieser hohen Anzahl von Verfahren hat u.a. folgenden Aspekten Rechnung zu tragen: Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen. Vor diesem Hintergrund spricht Überwiegendes dafür, Verfahren vorrangig zu bearbeiten, die durch mehrere gerichtliche Instanzen bis zur Ebene des Revisionsgerichts eine besonders gründliche Vorbereitung aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren haben und auch im Bereich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen - etwa durch bereits vorliegende Judikate des Bundesverfassungsgerichts - auf vorhandene Daten zurückgreifen können."

Das Zitat wirft also insbesondere auf, dass es dem Senat mit der Umentscheidung auf die genannten "Pilotentscheidungen" - diese Umentscheidung hat, das ist der Subtext, zu einer weiteren Verzögerung von Entscheidungen geführt - darum geht, die Effizenz der eigenen Entscheidungstätigkeit zu erhöhen und damit weitere Verfahrensdauern zu verkürzen, indem bislang ungeklärte Sach- und Rechtsfragen weiter aufgeklärt und offensichtlich seit 2020 neu aufgekommene Problematiken hinterfragt werden sollen (hier nun, so lässt sich begründet vermuten, sollte gleichfalls der genannte Kontrollmaßstab eine Rolle spielen). Die weitere in jener Randnummer 8 gemachte Aussage, dass die als Leitverfahren ausgewählte Gruppe von Vorlagen sich in der Schlussphase der Erstellung von Senatsvoten befände und dass in ausgewählten weiteren Verfahren - so auch im vorliegenden Verfahren - derzeit die Zustellungen und Anforderung von Stellungnahmen vorbereitet und durchgeführt werden würden, hat Ende des vorletzten Jahres begründet zur Vermutung Anlass gegeben, dass 2024 mit einer Entscheidung insbesondere über die "Pilotverfahren" zu rechnen sein dürfte, ohne dass zu jener Zeit erkennbar war, dass der Senat von Berlin wiederholt um eine Verlängerung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme beten und dass der Zweite Senat im ersten Halbjahr 2024 den Senat von Berlin durch eine weitere Möglichkeit zur Stellungnahme Anlass zur weiteren Präzisierung der Erklärung seines Handelns aus der Vergangenheit geben würde.

Insbesondere diese weitere Möglichkeit zur Stellungnahme, die eben zu Beginn und im ersten Halbjahr 2024 von außen nicht absehbar gewesen ist, sollte dazu geführt haben, dass die letzte zu den "Pilotverfahren" ergangene Stellungnahme im Herbst in Karlsruhe eingegangen ist. Wenn also der Berichterstatter im letzten Winter die Schlussphase der Erstellung von Senatsvoten - das Senatsvorum ist das zentrale Mittel zur Vorbereitung der Beratung - angekündigt hat, dann konnte er jenes von ihm dem Senat zur Beratung vorzulegende Votum erst dann abschließen, nachdem die genannten Stellungnahmen in Karlsruhe eingegangen und sie in jenes Votum mit eingeflossen sind, also ab dem letzten Herbst. So verstanden durfte man Anfang 2024 davon ausgehen, dass der Senat alsbald in die Beratung über die "Pilotverfahren" eintreten würde, so wie man nun davon ausgehen muss, dass er zwischenzeitlich im Winter 2024/25 tatsächlich in die Beratung über die "Pilotverfahren" eingetreten ist.

Entsprechend wird es nun - auch hierzu habe ich mich in der Vergangenheit wiederholt begründet geäußert - hinsichtlich der weiteren Verfahrensdauer darauf ankommen, wie einig oder uneinig sich der Zweite Senat nicht zuletzt hinsichtlich des Inhalts des ihm vom Berichterstatter vorgelegten Senatsvotums sein wird. Wird man sich über den Inhalt verhältnismäßig schnell einig, kann entsprechend verhältnismäßig schnell eine Entscheidung gefällt werden, wobei auch dann gilt, dass die Senate in der Regel ausführlich beraten, also ihre Entscheidung in umfassenden Diskussionen abwägen. Im Anschluss könnte dann gleichfalls der auf Grundlage der Beratung vom Berichterstatter zu erstellende Entscheidungsentwurf - also die spätere schriftliche Begründung der Entscheidung - fertiggestellt werden, um diese zweite Phase der Beratung - diese sogenannte "Leseberatung" geschieht regelmäßig im Umlageverfahren - gleichfalls verhältnismäßig schnell mit einer Entscheidung zu beenden.

Verhältnismäßig schnell bedeutete m.E., dass eine Entscheidung im ersten Quartal gefällt und die Leseberatung im zweiten Quaratal samt Veröffentlichung beendet werden könnte. Auf der anderen Seite lässt sich aber - fünf der acht Richter des Senats sind seit der aktuellen Entscheidung neu berufen worden - nicht abschätzen, ob eine solche Einigkeit tatsächlich (noch) gegeben ist. Zugleich dürften m.E. die spezifischen "Hybridbildungen" der letzten Jahre unter der oben skizzierten Programmatik, die mit den "Pilotverfahren" verbunden ist, einen nicht unerheblichen Beratungs- und ggf. Diskussionsbedarf nach sich ziehen. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir im Verlauf des dritten Quartals eine veröffentlichte Entscheidung vorliegen hätten, was ich für realistisch erachtete, sofern die bislang entwickelte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht ohne sachliche Zäsuren - jene bedürften, so wäre zu vermuten, mindestens hinsichtlich der drei verbliebenen Richter einen nicht unerheblichen Beratungsbedarf - fortgeführt werden sollte. Sollte hingegen die sachliche Uneinigkeit im Senat so groß sein, dass ein erheblich größerer Beratungsbedarf mitsamt sich abzeichnender Zäsuren notwendig wäre, sollte auch das dritte Quartal kaum dazu angetan sein, uns eine Entscheidung zu bringen.

So in etwas stellt sich mir heute die Sachlage dar. Schönzureden gibt es da nichts, wobei ich mich nicht entsinnen könnte, das je getan zu haben. Ich versuche in allem Schreiben hier im Forum vor allem eines, zu verstehen, was Sache ist. Darüber hinaus versuche ich an anderen Stellen, dazu mit beizutragen, die Sache zu klären. Aber das ist nun ein anderes Thema.
« Last Edit: 27.01.2025 09:12 von SwenTanortsch »

Maximus

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« Antwort #16208 am: 27.01.2025 12:32 »
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, insbesondere zu den (zeitlichen) Abläufen beim BVerfG. Die waren mir so nicht bekannt. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich bin nur wegen der langen Verfahrensdauer genervt und habe mich daher etwas im Ton vergriffen. Bitte nicht falsch verstehen. Ich schätze deine differenzierten Einschätzungen und möchte diese nicht missen.

SwenTanortsch

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« Antwort #16209 am: 27.01.2025 14:21 »
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, insbesondere zu den (zeitlichen) Abläufen beim BVerfG. Die waren mir so nicht bekannt. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich bin nur wegen der langen Verfahrensdauer genervt und habe mich daher etwas im Ton vergriffen. Bitte nicht falsch verstehen. Ich schätze deine differenzierten Einschätzungen und möchte diese nicht missen.

Ich habe es nicht so verstanden, dass Du mich angreifen wolltest, Maximus - und zugleich kann ich die bei nicht wenigen vorhandene allgemeine Unverständnis und Enttäuschung bis hin zur Wut über die jeweiligen Verfahrenslängen durchaus nachvollziehen, und zwar das nur umso mehr, als dass nicht wenige Dienstherrn immer weiter zunehmend die Rechtssicherheit untergraben, indem sie bspw. unverhältnismäßig hohe Anforderungen an Widersprüche gegen die im Kalenderjahr gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze stellen wollen, um nur eines der vielen Details zu nennen, die in ihrer Gesamtheit zu einem für die Bediensteten untragbaren wie unerträglichen Zustand geführt haben und weiterhin führen.

Ich kann darüber hinaus nachvollziehen, dass Karlsruhe für 2021 keine Entscheidung über weitere anhängige Normenkontrollverfahren angekündigt hat, da das - auch das habe ich in der Vergangenheit hier im Forum umfangreicher dargelegt (wie auch jede der weiter folgenden Aussage im Verlauf der Zeit) - nach einer Grundsatzentscheidung nicht ungewöhnlich ist. Auch leuchtet mir ein, dass 2022 Entscheidungen über die anhängigen Bremer Normenkontrollverfahren angekündigt worden sind, da sie die am Längsten in Karlsruhe anhängigen sind. Darüber hinaus ist es für mich schlüssig, dass 2023 mit den weiteren angekündigten Entscheidungen über die niedersächsische und schleswig-holsteinische Besoldung offensichtlich eine Art "verfassungsrechtliches Faustpfand" hatte gebildet werden sollen, worin sich also eine offensichtlich deutliche Verschärfung der Gangart hatte angekündigt. Schließlich ist es für mich nicht minder nachvollziehbar, dass nun 2024 doch anhängige Berliner Normenkontrollverfahren über weitgehend denselben Zeitraum wie den der letzten Entscheidung aufgerufen worden sind und also nun damit gerechnet werden dürfte, dass eine weitere Verschärfung mitsamt der Ultima Ratio, der Vollstreckungsanordnung, nun auf der Tagesordnung stehen sollte.

Wenn also jede der Entscheidungen für mich im Kontext des jeweiligen Handelns der Dienstherrn nachvollziehbar ist, muss am Ende doch konstatiert werden, dass zwischen der Entscheidung aus dem Mai 2020 und den angekündigten (über) fünf Jahre ohne eine maßgebliche Entscheidung liegen werden, während die Dienstherrn in diesen fünf Jahren das Besoldungsrecht so weit zuschanden gefahren haben, dass es zukünftig ungewiss ist, wie wir nun im Besoldungsrecht wieder in geordnete Verhältnisse zurückkehren sollten, wobei jenem "Sollen" zunächst einmal ein weiterhin und noch einmal erheblich verschärftes "Nicht-Wollen" bei allen 17 Besoldungsgesetzgebern zugrunde liegt, das sich seit 2020 zunehmend verstetigt hat und deshalb nur umso schwerer zu beheben sein dürfte. Die seit 2020 regelmäßig wiederholte Missachtung nicht nur der 2020 erlassenen bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur in allen 17 Rechtskreisen zeigt sich so als eine schwärende Wunde des Verfassungsrechts - und droht sich nur immer weiter auszuweiten, je länger sie nicht geheilt wird.

Die Verantwortung dafür liegt nun ausnahmslos bei den 17 Dienstherrn, die dem Besoldungsrecht diese Wunde zugefügt und sie seit 2020 beständig vergrößert haben - allerdings muss Karlsruhe trotz aller Schmerzbekundungen doch die Frage zulassen, ob ein so langer Zeitraum zwischen zwei Entscheidungen wirklich glücklich war (unabhängig davon, dass wir alle im Nachhinein immer schlauer sind). Denn nicht umsonst sind zwischen 2015 und 2020 immerhin fünf maßgebliche Entscheidungen gefällt worden, in denen zunächst das heute maßgebliche "Pflichtenheft" entwickelt worden ist (2015 in zwei Entscheidungen), um dann unter anderem das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen (2017) sowie das Mindestabstandsgebot (2020) jeweils als einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums zu betrachten und zwischenzeitlich die den Besoldungsgesetzgeber treffenden besonderen Begründungspflichten weiter zu konkretisieren und sie in der Konkretsisierung weiter zu verschärfen (2018).

Die Antwort auf diese Frage wird man tatsächlich sachlich erst dann geben können, wenn die angekündigten Entscheidungen mitsamt ihrer Begründungen öffentlich vorliegen. Sie werden thematisch und an Präzision einiges bieten müssen, um im Kontext der letzten fünf Jahre tatsächlich überzeugen zu können. Dabei sollte sich nicht nur der Zweite Senat, sondern das Bundesverfassungsgericht als Ganzes - denke ich - im Klaren darüber sein, dass es sich einen weiteren Autoritätsverlust nicht wird leisten können, worüber ich ja erst vor ein paar Tagen geschrieben habe.

Schlüüü

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« Antwort #16211 am: 29.01.2025 10:56 »
Der wissentliche und willentliche konzentrierte Verfassungsbruch in der Besoldungsgesetzgebung, von dem Prof. Dr. Dr. Battis spricht, wurde in den letzten 20 Jahren von allen Parteien, egal welcher Couleur, vollzogen. Von daher ist es völlig unerheblich welche Parteien im 21. Bundestag die Federführung inne haben, er wird schlicht und ergreifend fortgesetzt. Es bleibt einzig das BVerfG, welches die Besoldungsgesetzgebung zurück in den Pfad der verfassungsrechtlichen Vorgaben führen kann.

Genau so sehe ich das auch. Auf den Dienstherrn in Form der Regierung in jedweder Couleur ist kein Verlass. Unter Seehofer wurde der Gesetzentwurf erst ernsthaft angegangen, als die Legislatur fast zu Ende war. Unter Schäuble als FinanzM gab es zwei Tarifverhandlungen, in denen die Rückführung der Wochenarbeitszeit für Beamte gefordert wurde - trotz ausgeglichenen Haushalts war der Dienstherr nicht bereit dieses Notopfer aus der Finanzkrise wieder rückabzuwickeln. Das Ergebnis jetzt: Forderung wird wohl wieder abgelehnt, denn jetzt haben wir ja wieder eine Staatsfinanzkrise. Unter der Ampel gab es zwei Entwürfe, die trotz Inflation und Bürgergeldanpassung den Anspruch jeweils gegenüber dem vorherigen Entwurf reduziert haben. Letzte Hoffnung BVerfG, gerne auch als Vollstreckungsanordnung.

Daher hatte Dr. Battis auch das Wörtchen "konzertiert" verwendet. Ein kurzer Blick in die Bedeutung des Begriffs

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17748/konzertierte-aktion/

beschreibt "...ein aufeinander abgestimmtes Verhalten verschiedener (politischer) Akteure zur Erreichung eines gemeinsam vereinbarten Ziels."

Wobei man sich nun fragen kann, ob das gemeinsame Ziel durch konkludentes Handeln oder durch persönliche Verabredungen vereinbart wurde.

Auf der Seite auch interessant die Artikel aus 2014

https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/europa-wirtschaft/193126/loehne-und-produktivitaet-muessen-sich-gleich-entwickeln/

https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/europa-wirtschaft/193131/konsum-und-loehne-in-deutschland-muessen-anziehen/
« Last Edit: 29.01.2025 11:03 von AlxN »

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16212 am: 29.01.2025 11:51 »
Wobei man sich nun fragen kann, ob das gemeinsame Ziel durch konkludentes Handeln oder durch persönliche Verabredungen vereinbart wurde.

Ich glaube man kann sicher davon ausgehen, dass die Referatsleitungen für finanzielles Dienstrecht im BMI (unter Beteiligung des BMF) und den Finanzministerien der Länder regelmäßig zusammensitzen und die Vorhaben aufeinander abstimmen.

Man muss kein Aluhutträger sein, um von festen Verabredungen zwischen den Ministerialen auszugehen. Das dürfte hier nochmal dadurch verstärkt/vereinfacht werden, dass die jeweiligen Hausspitzen identischen Ziele haben (Mehrausgaben möglichst nahe an Null), unabhängig davon welcher Partei diese angehören. Da darf die jeweilige "Arbeitsebene" dann schalten und walten wie Sie möchte, solange die Mehrausgaben gering sind.

Als Bürger würde ich ja in jedem anderen Kontext auch erwarten, dass die verschiedenen staatlichen Institutionenen sowohl auf vertikaler als auch auf horizontaler Ebene im Austausch miteiander stehen. Man denke nur mal an die Coronamaßnahmen zurück, wo dies aufgrund des zeitlichen Drucks teilweise unterbleiben ist und jedes Land sein eigenes Süppchen gekocht hat. Hier ist das Ergebnis für uns Beamt:innen halt ein negatives.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16213 am: 29.01.2025 12:00 »
Wobei man sich nun fragen kann, ob das gemeinsame Ziel durch konkludentes Handeln oder durch persönliche Verabredungen vereinbart wurde.

Ich glaube man kann sicher davon ausgehen, dass die Referatsleitungen für finanzielles Dienstrecht im BMI (unter Beteiligung des BMF) und den Finanzministerien der Länder regelmäßig zusammensitzen und die Vorhaben aufeinander abstimmen.

Man muss kein Aluhutträger sein, um von festen Verabredungen zwischen den Ministerialen auszugehen. Das dürfte hier nochmal dadurch verstärkt/vereinfacht werden, dass die jeweiligen Hausspitzen identischen Ziele haben (Mehrausgaben möglichst nahe an Null), unabhängig davon welcher Partei diese angehören. Da darf die jeweilige "Arbeitsebene" dann schalten und walten wie Sie möchte, solange die Mehrausgaben gering sind.

Als Bürger würde ich ja in jedem anderen Kontext auch erwarten, dass die verschiedenen staatlichen Institutionenen sowohl auf vertikaler als auch auf horizontaler Ebene im Austausch miteiander stehen. Man denke nur mal an die Coronamaßnahmen zurück, wo dies aufgrund des zeitlichen Drucks teilweise unterbleiben ist und jedes Land sein eigenes Süppchen gekocht hat. Hier ist das Ergebnis für uns Beamt:innen halt ein negatives.

Wobei es auch Verbünde verschiedener Bundesländer gibt.
https://www.welt.de/print-welt/article238504/Nordlaender-kuerzen-die-Bezuege-ihrer-Beamten.html

TorteJones

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16214 am: 29.01.2025 14:47 »
ach ja .... ich hätte auch gerne Urlaubsgeld