Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6362672 times)

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16380 am: 07.03.2025 09:47 »
Hier mal die Passagen, die ich bis jetzt zum Zweiverdienermodell gefunden habe:

Randnummer104

(4) Die Beeinträchtigung des Abstandsgebots lässt sich auch nicht durch die Einführung der Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße und als eine damit verbundene „Umgestaltung des Besoldungssystems“ rechtfertigen. Auch im Rahmen einer grundsätzlichen Systemveränderung muss die Besoldung so konzipiert werden, dass dem Abstandsgebot Genüge getan wird (Lindner, ZBR 2014, 361, 363). Es muss gewährleistet bleiben, dass mit einem höheren Amt höhere Bezüge einhergehen (BVerfG, Beschl. v. 17.1.2017, 2 BvL 1/10, BVerfGE 145, 1, juris Rn. 37; vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80, BVerfGE 64, 367, juris Rn. 35; BVerfG, Beschl. v. 4.2.1981, 2 BvR 570/76, BVerfGE 56, 146, juris Rn. 28). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Randnummer105

b) Es kann offen bleiben, ob die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 zudem wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind, weil sie Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 10 – wie den Kläger – ohne sachlichen Grund im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen oder Erfahrungsstufen benachteiligen.

Randnummer106

Eine ohne sachlichen Grund vorgenommene besoldungsrechtliche Schlechterstellung von Beamtinnen und Beamten im Vergleich zu anderen Beamtinnen und Beamten verletzt die Rechte der benachteiligten Beamtinnen und Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 23, 26 f.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 88; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.2012, 2 BvR 1397/09, juris Rn. 53 ff., 64 ff. (nur Art. 3 Abs. 1 GG); BVerfG, Beschl. v. 4.4.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, juris Rn. 39-45, 71 (nur Art. 3 Abs. 1 GG); VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 54). Der Gesetzgeber hat einen weiten Entscheidungsspielraum und es ist insbesondere nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste und gleichzeitig gänzlich mängel- und reibungsfreie Lösung gewählt hat. Es muss sich für die Regelung aber ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lassen (zum Vorstehenden siehe BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 18; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvL 10/11, juris Rn. 81 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 85; VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 52).

Randnummer107

Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].

Randnummer108

aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].

Randnummer109

bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.


Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16381 am: 07.03.2025 10:18 »
Heute ist übrigens Tag der Wertschätzung - zu diesem möchte ich uns alle beglückwünschen :D

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16382 am: 07.03.2025 10:52 »
Etwas konträr zu den Randnummern 104-109 sind die Randnummer 208 bis 230. Diese betrachten den BEZ als grundsätzlich zulässig, jedoch mit den Einschränkungen durch die Randnummern 104-109. Was meiner Einschätzung bedeuten könnte, dass der BEZ allen Besoldungsgruppen zustehen muss und nach oben hin nicht abschmelzen darf.

Weitere Meinungen hierzu?

Die Randnummer 234 führt dagegen weiterhin aus:

„Es ist schon zweifelhaft, ob die Zweiverdienerfamilie als besoldungsrechtliche Bezugsgröße überhaupt eine belastende Rechtsnorm darstellt oder sonst an den Maßstäben für die Rückwirkung von Gesetzen zu messen ist.
[…]“
« Last Edit: 07.03.2025 11:04 von PolareuD »

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16383 am: 07.03.2025 10:59 »
Hier mal die Passagen, die ich bis jetzt zum Zweiverdienermodell gefunden habe:

Randnummer104

(4) Die Beeinträchtigung des Abstandsgebots lässt sich auch nicht durch die Einführung der Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße und als eine damit verbundene „Umgestaltung des Besoldungssystems“ rechtfertigen. Auch im Rahmen einer grundsätzlichen Systemveränderung muss die Besoldung so konzipiert werden, dass dem Abstandsgebot Genüge getan wird (Lindner, ZBR 2014, 361, 363). Es muss gewährleistet bleiben, dass mit einem höheren Amt höhere Bezüge einhergehen (BVerfG, Beschl. v. 17.1.2017, 2 BvL 1/10, BVerfGE 145, 1, juris Rn. 37; vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80, BVerfGE 64, 367, juris Rn. 35; BVerfG, Beschl. v. 4.2.1981, 2 BvR 570/76, BVerfGE 56, 146, juris Rn. 28). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Randnummer105

b) Es kann offen bleiben, ob die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 zudem wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind, weil sie Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 10 – wie den Kläger – ohne sachlichen Grund im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen oder Erfahrungsstufen benachteiligen.

Randnummer106

Eine ohne sachlichen Grund vorgenommene besoldungsrechtliche Schlechterstellung von Beamtinnen und Beamten im Vergleich zu anderen Beamtinnen und Beamten verletzt die Rechte der benachteiligten Beamtinnen und Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 23, 26 f.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 88; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.2012, 2 BvR 1397/09, juris Rn. 53 ff., 64 ff. (nur Art. 3 Abs. 1 GG); BVerfG, Beschl. v. 4.4.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, juris Rn. 39-45, 71 (nur Art. 3 Abs. 1 GG); VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 54). Der Gesetzgeber hat einen weiten Entscheidungsspielraum und es ist insbesondere nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste und gleichzeitig gänzlich mängel- und reibungsfreie Lösung gewählt hat. Es muss sich für die Regelung aber ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lassen (zum Vorstehenden siehe BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 18; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvL 10/11, juris Rn. 81 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 85; VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 52).

Randnummer107

Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].

Randnummer108

aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].

Randnummer109

bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.


Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.

Ja, so, wie Du das am Ende schreibst, dürfte es letztlich sein, PolareuD, wobei die Entscheidungsbegründung insgesamt komplex und ggf. auch mit einer gewissen taktischen Betrachtungsweise verbunden ist, also in der Vorlage so formuliert, dass sich Karlsruhe fast gezwungen sehen muss, in der Auseinandersetzung mit der Entscheidung konkreter als bislang zu werden. Das ist eine wiederkehrende Vorgehensweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Zum Kontrollmaßstab der Alleinverdienerfamilie hat sich die Kammer vielleicht auch deshalb in den Verfahren nur eher allgemein geäußert, vgl. insbesondere VG Hamburg, Beschl. v. 17.10.2024 - 21 B 148/24 -, https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001601940, Rn. 213. Das ist insofern erstaunlich, weil ja zunächst einmal anzunehmen wäre, dass in die Entscheidung der Kontrollmaßstab als solcher tiefgehender mit einzubinden wäre.

Nach dem ersten Lesen verstehe ich die Entscheidungsbegründung hier diesbezüglich wie folgt: Die Kammer betrachtet die "Zweiverdienerfamilie" unter dem alimentationsrechtlichen Kontrollmaßstab der Alleinverdienerfamilie als eine Bezugsgröße für den Ausnahmefall als prinzipiell mögliche Alternative und knüpft nun den sachgerechten Gehalt der Ausnahme an ein Bündel von notwendigen Bedingungen, die allesamt erfüllt sein müssen, um zu einer sachgerechten Form zu gelangen, wobei ich nicht ganz sicher bin, ob die Begründung der Kammer dabei in Teilen nicht ggf. zirkulär ist. Diese Bedingungen werden ab der Rn. 207 betrachtet und - wenn ich es richtig sehe - als wiederkehrend nicht erfüllt betrachtet. Wenn ich es also richtig sehe, ist eine solche Erfüllung theoretisch möglich, jedoch in der Praxis kaum zu gewährleisten, weshalb hier eben eine prinzipiell mögliche Alternative betrachtet wird. Dabei nimmt die Kammer maßgebliche Kritikpunkte auf. die bereits im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden sind (vgl. https://bdr-hamburg.de/wp-content/uploads/Gutachterliche-Stellungnahme-Besoldungsstrukturgesetz-Drs.-22-1272.pdf, vgl. auch https://bdr-hamburg.de/?p=1446). Prinzipiell ist übrigens seit jeher auch ein Fusionsreaktor als dauerhafter Energielieferant möglich. Seine entsprechende Herstellung hat sich allerdings bis heute als nicht möglich erwiesen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit sagt nun auch die Kammer: Eine "Zweiverdienerfamilie" ist unter Ausahmebedingungen als eine Art Kontrollmaßstab prinzipiell möglich und sagt nicht explizit, dass dazu Bedingungen vorgefunden werden müssten, die sich ggf. kaum finden lassen können. Ob das der unausgesprochene Tenor der Entscheidung ist, weiß ich zurzeit noch nicht genau. Dazu muss ich mich noch einmal tiefgehender in sie hineinfinden.

Wenn ich es also zeitlich schaffe, werde ich die Entscheidung in nächster Zeit hier mal tiefgehender betrachten.

BuBea

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16384 am: 07.03.2025 11:18 »
Zitat Swen:
Ja, so, wie Du das am Ende schreibst, dürfte es letztlich sein, PolareuD, wobei die Entscheidungsbegründung insgesamt komplex und ggf. auch mit einer gewissen taktischen Betrachtungsweise verbunden ist, also in der Vorlage so formuliert, dass sich Karlsruhe fast gezwungen sehen muss, in der Auseinandersetzung mit der Entscheidung konkreter als bislang zu werden. Das ist eine wiederkehrende Vorgehensweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Hoffentlich hast Du recht, Swen. Dafür spricht m.E., dass das Gericht ja zwei Fallgruppen prüft und nur für den Fall ohne Zweiverdienermodell zur verletzten Mindestalimentation kommt (siehe Rd.Nr. 283), woraus sich ja letztendlich doch die Vorlage begründet.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16385 am: 07.03.2025 12:36 »
Mit dem Leitbild der Mehrverdienerfamilie können sie gerne einverstanden sein, solange es unzulässig ist ein fiktives Partnereinkommen zur Berechnung der Mindestalimentation heranzuziehen. Hat sich das VG zum Kontrollmaßstab der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie geäußert? Habe die entsprechenden Passagen im Beschluss noch nicht gefunden.

Hamburg rechnet nicht mit fiktiven Einkommen, sondern unterstellte bei seinen Berechnungen den Bezug des Ergänzungszuschlages. Dieser fällt halt weg, wenn der Partner doch Einkünfte haben sollte.

Und das gehe angeblich schon so in Ordnung,
Zitat von: VG Hamburg Rn. 214 und 221
[d]enn die mit der Alimentation bezweckte Gewährleistung rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten wird dennoch erreicht. In dieser Situation wird der Lebensunterhalt der Familie auch durch die Erwerbstätigkeit der Ehegatten gesichert. Die Beamtinnen und Beamten sind nicht allein für die wirtschaftliche Sicherheit der Familie verantwortlich, so dass auch die Unabhängigkeit der Amtsführung nicht gefährdet ist. [...] Zum anderen stellt das Zweiverdienermodell eine stärkere Orientierung an den tatsächlichen Lebensverhältnissen im Sinne einer Differenzierung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beamtenfamilien dar.

Rn. 224 dürfte all diejenigen erfreuen, welche eh immer mit dem Singlebeamten argumentierten:
Zitat von: VG Hamburg
Eine Untergrenze bildet demnach gewissermaßen das Alimentationsniveau der ledigen, kinderlosen Beamtinnen und Beamten, welches ebenfalls den Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wahren muss.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16386 am: 07.03.2025 13:04 »
Wenn ich den Beschluss innerlich Revue passieren lasse, erachte ich Swen‘s Ersteinschätzung als schlüssig.

Grundsätzlich erachtet das VG das Gesetz für verfassungswidrig mit Verweis auf die Verletzung der Mindestalimentation und wegen des Verstoßes gegen das Abstandsgebot. In der Folge wird das Verfahren ruhend gestellt und dem BVerfG vorgelegt. Gleichzeitig bewertet man das Zweiverdienermodell in Kombination mit dem BEZ unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig, wirft aber gleichzeitig die Frage auf, ob das Konstrukt überhaupt vereinbar ist mit Art. 33 GG i.v.m. Art. 3 GG. Das könnte, wie von Swen ausführt, darauf hindeuten, dass das VG erreichen möchte, dass sich das BVerfG mit der Thematik grundsätzlich auseinandersetzt.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16387 am: 07.03.2025 13:46 »
Wenn ich den Beschluss innerlich Revue passieren lasse, erachte ich Swen‘s Ersteinschätzung als schlüssig.

Grundsätzlich erachtet das VG das Gesetz für verfassungswidrig mit Verweis auf die Verletzung der Mindestalimentation und wegen des Verstoßes gegen das Abstandsgebot. In der Folge wird das Verfahren ruhend gestellt und dem BVerfG vorgelegt. Gleichzeitig bewertet man das Zweiverdienermodell in Kombination mit dem BEZ unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig, wirft aber gleichzeitig die Frage auf, ob das Konstrukt überhaupt vereinbar ist mit Art. 33 GG i.v.m. Art. 3 GG. Das könnte, wie von Swen ausführt, darauf hindeuten, dass das VG erreichen möchte, dass sich das BVerfG mit der Thematik grundsätzlich auseinandersetzt.

Und damit wären wir nun bereits bei der sachlichen Auseinandersetzung, von der ich ausgehe, dass man sie wie folgt führen könnte (ob nun in Karlsruhe oder vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich der Frage stellen wollte, sei dahingestellt). Deklinieren wir das Problem also mal wieder ein wenig durch:

Die Ungleichbehandlung beider Fallgruppen - also der Beamten, die Anspruch auf einen Besoldungsergänzungszuschuss (BEZ) haben, und jenen, für die das nicht gilt - führt nach Auffassung der Kammer - unabhängig vom verletzten Mindestabstandsgebot - zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, da sie die höheren Besoldungsgruppen, die keinen Anspruch auf einen BEZ haben, evident gegenüber jenen niedrigeren Besoldungsgruppen benachteiligt, die einen Anspruch haben können, sofern weitere Bedingungen der Anspruchsberechtigung erfüllt sind. Damit wird die zweite Fallgruppe, die sich gemeinsam mit der ersten Fallgruppe als Beamte als wesentlich gleich darstellt, evident sachwidrig behandelt, was sich vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen lässt, weshalb es nach Ansicht der Kammer auf eine wie auch immer geartete Begründung für die Regelung schon nicht mehr ankommt. Denn die genannte Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG führt dazu, dass sich ebenso das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen als evident verletzt zeigt, da Abstände zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen ggf. vollständig eingebnet bzw. gar ins Gegenteil verkehrt werden, sodass ebenso eine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG zu konstatieren ist.

Dahingegen geht die Kammer davon aus, dass - sofern alle Besoldungsgruppen im gleichen Maße einen Anspruch auf einen BEZ haben könnten, also wesentlich Gleiche auch wesentlich gleich behandelt werden würden - sich dieser BEZ prinzipiell rechtfertigen lassen könnte. Damit aber werden weitere Bedingungen deutlich:

Da es in der Familienalimentation in der besonderen Regelung des BEZ um den Ehe- bzw. Lebenspartner des Beamten und nicht um die von beiden betreuten Kindern geht - der Dienstherr betrachtet den Ehe- oder Lebenspartner und also ggf. sein Einkommen und nicht die Kinder -, hat der Besoldungsgesetzgeber den Ehe- oder Lebenspartner zu betrachten. Dabei kann es nicht, wie die Kammer hervorhebt, um die Betrachtung des Einkommens jenes Ehe- oder Lebenspartners gehen, sondern um seinen Bedarf (vgl. Rn. 209 der genannten Entscheidung). Da aber der Besoldungsgesetzgeber das Einkommen des Ehe- oder Lebenspartners betrachtet, handelt er hier in erneuter Art und Weise evident sachwidrig, weshalb sich eine solche Regelung nicht sachlich begründen lässt. Entsprechend ist sie als verfassungswidrig zu betrachten.

Sachlich begründen ließe sich nach Auffassung der Kammer aber prinzipiell eine Regelung, die sich konkret an den tatsächlichen Bedarfen des Ehe- oder Lebenspartners orientieren würde. Entsprechend führt die Kammer am Ende der gerade genannten Randnummer aus:

"Ein Abstellen auf den Bedarf des Ehegatten hätte dagegen bedeutet, entsprechend dem Prüfprogramm des Bundesverfassungsgerichts bei sog. kinderreichen Familien (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 6/17, BVerfGE 155, 77, juris Rn. 30 ff.), den (Mehr-)Bedarf des Ehegatten konkret zu berechnen (und in dem Vergleich als Negativposten zu berücksichtigen). Ein solches Vorgehen ist in der Entwurfsbegründung nicht dokumentiert."

Der Besoldungsgesetzgeber sieht sich also veranlasst, sofern er entsprechende Regelungen wie den BEZ einführen wollte, was ihm prinzipiell nicht verwehrt werden kann, da er über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügt, die jeweiligen Bedarfe des Ehe- oder Lebenspartners des Beamten analog zu den Bedarfen der Kinder hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs konkret zu bemessen, wobei hier weiterhin zu beachten wäre, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (Rn. 47 der aktuellen Entscheidung unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).

Hinsichtlich der Kinder von Beamten steltt sich dabei die Sachlage wie folgt dar:

"Der Besoldungsgesetzgeber darf bei der Bemessung des zusätzlichen Bedarfs, der für das dritte und jedes weitere Kind entsteht, von den Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgehen, muss dabei aber beachten, dass die Alimentation etwas qualitativ Anderes ist als die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs. Ein um 15% über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag lässt diesen Unterschied hinreichend deutlich werden (Bestätigung von BVerfGE 44, 249; 81, 363; 99, 300)." (BVerfGE 155, 77, Ls. 2 unter: https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv155077.html; ervorhebungen durch ST.).

Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass nach Art. 6 Abs. 5 GG den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen ist wie den ehelichen Kindern (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_6.html). Kinder von Grundsicherungsempfängern, Kinder von Beamten, egal, ob von verheirateten, verpartnerten, geschiedenen oder verwitweten Beamten, stellen sich nach Art. 6 Abs. 5 GG allesamt als wesentlich Gleiche dar. Deshalb kann hier der qualitative Unterschied ein um 15% über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag diesen Unterschied hinreichend deutlich werden lassen, um so unterschiedliche Bedarfe von Kindern, deren Eltern von staatlicher Unterstützung leben, und von Kindern, deren mindestens eine Elternteil sich als Beamte in einem staatlichen Dienst- und Treueverhältnis befindet, sachlich zu konkretisieren.

So verstanden lässt sich der Bedarf von Kindern, die als Kinder von Grundischerungsempfängern der staatlichen Fürsorge unterfallen, bemessen, da der verfassungsrechtliche Grundsicherungsbedarf gesetzlich geregelt ist und sich entsprechend bemessen lässt. Als Folge kann mittels der genannten 15-%igen Vergleichsschwelle ebenso ein Betrag für den tatsächlichen Bedarf von Beamtenkindern betrachtet werden, der den qualitativen Unterschied hinreichend deutlich werden lässt.

Das gilt allerdings offensichtlich für den verheirateten Ehe- oder Lebenspartner des Beamten nicht. Denn wegen des qualitativen Unterschieds zwischen dem Beamten und dem Ehe- oder Lebenspartners eines Grundsicherungsempfängers, der also ebenfalls ein Grundsicherungsempfänger ist, können offensichtlich die Bedarfssätze der staatlichen Grundsicherung kaum herangezogen werden, um damit den Bedarf des Ehepartners eines Beamten zu bemessen: Anders als die Kinder von Verheirateten, Verpartnerten, Geschiedenen oder Verwitweten, die sich wegen Art. 6 Abs. 5 GG allesamt als wesentlich gleich darstellen, stellen sich zwar die Ehepartner von Beamten als Ehepartner ebenfalls allesamt als wesentlich gleich dar, so wie sich die Beamte als Beamte ebenfalls als wesentlich gleich darstellen, aber als mit unterschiedlichen Ämtern Bestallte zeigen sich die Beamten als wesnetlich ungleich, da sich anders ein Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen nicht rechtfertigen ließe. So verstanden stellt sich aber der tatsächliche Bedarf eines Ehe- oder Lebenspartners eines Beamten offensichtlch ja nach dem bekleideten Amt des Beamten ebenfalls unterschiedlich dar; ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat, wie es alle Kinder in Art. 6 Abs. 5 GG vorfinden, lässt sich in diesem Maße für alle Verheiratete oder Verpartnerte der Verfassung nicht im gleichen Maße entnehmen. Denn zwar sind Beamte als solche, was ihren Status als Beamte betrifft, wesentlich Gleiche. Allerdings sind sie als Amtsträger in der Bekleidung unterschiedlicher Ämter als wesentlich ungleich zu betrachten, da sich wie gesagt nur so ein Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen rechtfertigen lässt.

Damit muss man aber - um jenes Abstansgebot gewährleisten zu können - davon ausgehen, dass, sofern der Dienstherr einen Zweitverdiener betrachten will und dafür auf seinen konkreten, was heißt: tatsächlichen Bedarf abstellen muss, er über Daten verfügen muss, die es ihm ermöglichen, diese Bedarfe, die sich hinsichtlich von Ehepartnern von Beamten, welche letztere in unterschiedlichen Ämtern bestallt sind, unterschiedlich darstellen, sachgerecht zu ermitteln und sachlich zu begründen.

Anders als bei Grundsicherungsempfängern liegen diese Daten aber offensichtlich nicht vor und können gleichfalls nicht den Unterhaltssätzen wie bspw. der Düsseldorfer Tabelle entnommen werden, die augenscheinlich zwar nach Einkommen gestaffelte Bedarfe abbildet.

Allerdings betrachtet die Düsseldorfer Tabelle gerade nicht Ehe- oder Lebenspartner, sondern ehemalige Ehe- oder Lebenspartner. Damit aber liegt der Fokus der Düsseldorfer Tabelle auf Normunterworfene, die sich in ihrem Verhältnis zum Ehe- oder Lebenspartners des Beamten als wesentlich ungleich darstellen. Denn der Ehe- oder Lebenspartners des Beamten steht zu diesem zweifellos nicht in einem Rechtsverhältnis, das die Anwendung der Düsseldorfer Tabelle ohne Weiteres erlaubte. Während sich alle Kinder als Kinder als Folge von Art. 6 Abs. 5 GG als rechtlich wesentlich gleich darstellen, stellen sich Verheiratete bzw. Verpartnerte auf der einen Seite und Geschiedene auf der anderen Seite offensichtlich als wesentlich ungleich dar.

Damit aber bliebe - bei aller sich aus dem weiten Entscheidungsspielraum, über den auch der Besoldungsgesetzgeber verfügt, ergebenden prinzipiellen Gestaltungsmöglichkeiten - die Frage, wie der Besoldungsgesetzgeber die unterschiedlichen Bedarfe der Ehe- oder Lebenspartner von Beamten, die unterschiedliche Ämter bekleiden, konkret betrachten wollte. Ich sehe dafür keine hinreichende Datenbasis. Ohne diese aber ließen sich die - unterschiedlichen - Bedarfe nicht konkretisieren, sodass das prinzipielle Recht der Gewährung eines BEZ bliebe, dieses Recht aber nicht vollzogen werden könnte, da zum Vollzug ein hinreichender sachlicher Grund und das heißt eine sachgerechte Begründung notwendig wäre.

Genau deshalb habe ich vorhin das Beispiel des bislang ebenfalls nicht realisierten Fusionsreaktor genannt. Ich gehe davon aus, dass ein solcher Reaktor prinzipiell möglich ist. Ebenso gehe ich davon aus, dass er zukünftig so hergestellt werden wird, dass er wirtschaftlich betrieben werden kann (ob das dann das tatsächlich sinnvoll wäre, wäre keine technische, sondern eine Frage unterschiedlicher - moralischer - Betrachtungsweisen und muss hier deshalb sicherlich nicht diskutiert werden). Die Kammer geht ebenfalls davon aus, dass Betrachtungsweisen, die am Ende zum BEZ führen können, prinzipiell möglich sind. Ich gehe davon aus, dass allerdings entsprechende Daten, die notwendig wären, um den BEZ auch tatsächlich sachlich zu verrechtlichen, heute weder vorliegen noch zukünftig erhoben werden könnten, da es - anders, als es sich bei Bedarfen von Grundsicherungsempfängern darstellt - dafür keinen sachlichen Grund gibt. Wer sollte wie und warum die Bedarfe von verheirateten Menschen in der Bundesrepublik rechtssicher erfassen wollen, die beide berufstätig sind? Und wie sollte eine solche Erfassung sachgerecht erfolgen, da es hierfür keine gesetzlichen Grundlagen gibt, was sich - hier zeigt sich ein weiteres Mal der qualitative Unterschied zwischen einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehenden Berufstätigen im Allgemeinen und von Beamten in Besonderen auf der einen Seite und von keiner regelmäßigen Berufstätigkeit nachgehenden Grundsicherungsempfängern - auch zukünftig nicht ändern lassen wird. Denn mit welchem Zweck sollten solche Daten auf welcher gesetzlichen Grundlage erhoben werden?

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Kammer bestätigt dem Besoldungsgesetzgeber das prinzipielle Recht, ein "Zweiverdienerfamilie" zu betrachten. Es macht aber dafür notwendige Bedingungen geltend, also hier konkret wie vorhin schon zitiert:

"Ein Abstellen auf den Bedarf des Ehegatten hätte dagegen bedeutet, entsprechend dem Prüfprogramm des Bundesverfassungsgerichts bei sog. kinderreichen Familien (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 6/17, BVerfGE 155, 77, juris Rn. 30 ff.), den (Mehr-)Bedarf des Ehegatten konkret zu berechnen (und in dem Vergleich als Negativposten zu berücksichtigen). Ein solches Vorgehen ist in der Entwurfsbegründung nicht dokumentiert."
« Last Edit: 07.03.2025 14:00 von SwenTanortsch »

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16388 am: 07.03.2025 15:16 »
Hallo Kolleginnen und Kollegen,

mir stehen die Hare zu Berge, wenn ich lese, was da bei der Besoldung abgeht. Allein die seitenlangen Artikel, die der gute Swen (dankenswerter Weise) schreiben muss, um den Sachverhalt einigermaßen verständlich darzustellen.
Bald sind wir doch so weit, dass die Urteile sich gegenseitig blockieren, jeder Besoldungsgeber macht eigentlich was er will, das Verfassungsgericht traut sich offensichtlich nicht mehr „klare Kante“ zu sprechen, weil ja alles immer komplexer wird – und weil anscheinend im Hinterkopf die zunehmenden Staatsausgaben lauern. Das System ist so dysfunktional geworden, dass bald nix mehr geht.

Also ich als techn. Bundesbeamter kann zwar mit partiellen Differentialgleichungen umgehen, mit Maxwell, Kirchhoff, Dirac – mit Matrizen und Tensoren, aber beim momentanen Besoldungsthema steige ich nicht mehr durch. Null am Stau, wie ein ehemaliger Beamtenkollege (auch Ing.) immer sagte.😁

Oder glaubt ihr, dass die Bundestagsabgeordneten, die vielleicht mal über dieses Thema abstimmen müssen, auch nur einen Hauch von Durchblick bei der Beamtenbesoldung haben?

Außerdem gibt es aktuell ja viel wichtigeres – Granaten, Bomben, Raketen, Panzer, Wehrpflicht und noch weiteres Männerspielzeug (und bald auch Frauenspielzeug - Wehrpflichtdebatte.).
« Last Edit: 07.03.2025 15:36 von Pendler1 »

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16389 am: 07.03.2025 16:39 »
PS.

Als Pensionär habe ich ja viel Zeit, den Presse-Blätterwald zu durchforsten (nur die sog. seriöse Presse)

Und was lese ich da immer öfters: "Auch Beamte, Freiberufler, Selbständige müssten endlich in die Sozialversicherungssysteme eingebunden werden."

Wenn das alles so weiterläuft, möchte  ich eine Kiste besten Schampus wetten, dass wie ein deus ex machina eines unschönen Tages ein Politiker ankommt (wie weiland der Schröder mit seinem Hartz 4) und dass Beamtensystem total umkrempelt (Österreich, Schweiz z.B.) - mit Applaus des erstaunten Publikums.

Muss nicht, aber kann sein. Ich tippe auf "kann". Denn nix ist ewig im richtigen Leben, auch nicht das Grundgesetz und auch nicht das das Beamtentum - auch wenn ich mir das wünschen würde.


PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16390 am: 07.03.2025 16:56 »
PS.

Als Pensionär habe ich ja viel Zeit, den Presse-Blätterwald zu durchforsten (nur die sog. seriöse Presse)

Und was lese ich da immer öfters: "Auch Beamte, Freiberufler, Selbständige müssten endlich in die Sozialversicherungssysteme eingebunden werden."

Wenn das alles so weiterläuft, möchte  ich eine Kiste besten Schampus wetten, dass wie ein deus ex machina eines unschönen Tages ein Politiker ankommt (wie weiland der Schröder mit seinem Hartz 4) und dass Beamtensystem total umkrempelt (Österreich, Schweiz z.B.) - mit Applaus des erstaunten Publikums.

Muss nicht, aber kann sein. Ich tippe auf "kann". Denn nix ist ewig im richtigen Leben, auch nicht das Grundgesetz und auch nicht das das Beamtentum - auch wenn ich mir das wünschen würde.

https://www.rehm-verlag.de/beamtenrecht/blog-beamtenrecht/institutionelle-garantie-des-berufsbeamtentums/

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16391 am: 07.03.2025 17:14 »
... und auch die scheinbare Untätigkeit des Zweiten Senats, die so scheint, weil traditionell nur wenig nach draußen dringt, wird nicht ewig währen. Schauen wir doch mal, ob und falls ja, welche Überraschung uns dieses Jahr in der nächsten oder übernächsten Woche mit der Veröffentlichung der Jahresvorschau ins Haus stehen wird. Falls es zu einer Überraschung kommen sollte, dürften sich hier und an anderen Stellen der eine oder die andere die Augen reiben. Denn es ist, wie es ist: Nix währt ewig, auch scheinbare Untätigkeit nicht. Die im Verlauf des letzten Jahres gegebenen Möglichkeiten, Stellung in laufenden Verfahren zu nehmen, waren auf jeden Fall nicht unerheblich. Würde man mich fragen, ob Kopf oder Zahl (Brust oder Keule, hott oder hü, so oder so), würde ich sagen: Zahl.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16392 am: 07.03.2025 17:15 »
Ja, eine "Institutionelle Garantie ", aber keine ewige Garantie?

Wie oft ist das GG schon geändert worden?

Als ich in den 70ern des letzten Jahrhunderts zur Bundesoberbehörde "Bundesanstalt für Flugsicherung " gegangen  bin, dachte ich auch, passt schon, save bis zur Pensionierung.

Doch auf einmal dachte der Gesetzgeber (mit mehreren Änderungen des GG - 2 mal haben die BuPräs nicht ausgefertigt), das muss man doch auch privatisieren können - und er tat es  - Deutsche Flugsicherung GmbH.

Gut, ich bin nicht "übergetreten", habe mein Beamtenverhältnis nicht quittiert (leider muss ich jetzt sagen).

Soviel zur "Institutionelle Garantie ". Nix ist ewig, alles geht mal den Bach runter!

Und wenn der verrückte Putin und  der nicht minder verrückte Trump die Welt aus den Angeln heben - wer schert sich dann noch um die Konditionen des deutschen Berufsbeamtentums?

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16393 am: 07.03.2025 17:17 »
@Swen

Du spendest Trost und Hoffnung. Wäre schön und aufbauend, wenn sich da mal etwas handfestes täte.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16394 am: 07.03.2025 23:00 »
Es wird dieses Jahr handfest, mindestens in den angekündigten "Pilotverfahren", wie ich das ja an anderer Stelle vor geraumer Zeit dargelegt habe. Es stellt sich die Frage, ob weitere Entscheidungen für das aktuelle Jahr neben den ebenfalls erwartbar angekündigten Bremer Normenkontrollverfahren angekündigt werden. Die Anzahl vom Bundesverfassungsgericht bis in die jüngere Zeit eingeholter Stellungnahmen könnte dafür sprechen. Der Berichterstatter kann seit dem Dezember des vorletzten Jahres nicht mehr hinter seine Aussage zurückkehren, die da lautet:

"Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen. Vor diesem Hintergrund spricht Überwiegendes dafür, Verfahren vorrangig zu bearbeiten, die durch mehrere gerichtliche Instanzen bis zur Ebene des Revisionsgerichts eine besonders gründliche Vorbereitung aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren haben und auch im Bereich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen - etwa durch bereits vorliegende Judikate des Bundesverfassungsgerichts - auf vorhandene Daten zurückgreifen können." (Beschluss der Beschwerdekammer vom 21.12.2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 ).

Denn der Berichterstatter hat hier nicht seine Privatmeinung wiedergegeben, sondern als Teil des Senats diesen mit seiner Stellungnahme in die Pflicht genommen, was über sein Ausscheiden hinaus von Bedeutung bleiben wird. Denn es wird sich als zunehmend schwierig erweisen, weitere Verzögerungsbeschwerden sachlich zurückweisen zu können.

Schauen wir also mal, was die Jahresvorschau ankündigen wird. Mit der Veröffentlichung der aktuellen Vorlagen aus Hamburg nähert sich die Anzahl der anhängigen Vorlagen nun der Zahl 70, wobei Ankündigungen bekanntlich keine hinreichende Maßnahmen sind, um den eigenen Pflichten nachzukommen.

Die hohe Zahl der im letzten Jahr eingeholten Stellungnahmen in diversen anhängigen Verfahren kann dafür sprechen, dass die Vorbereitung weiterer Entscheidungen seitdem substanziell vorangeschritten wäre. Es wäre insofern erfreulich und in Anbetracht der Darlegungen aus der oben zitierten Entscheidung sicherlich im eigenen Interesse des Senats zielführend, wenn man in Karlsruhe den guten alten Heine gelesen hätte:

"Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner."

Wobei man dann auch die Fortsetzung kennte:

"Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt".

Ich setze also weiterhin mit leicht erhöhter Wahrscheinlichkeit auf Zahl und nicht auf Kopf.