Moin MDB,
die Probleme des Wissenschaftlichen Mittelbaus in Deutschland sind mannigfaltig. Die Bezahlung ist da auch nur ein Punkt unter mehreren...
- Uns bringen Studenreduzierungen nichts. Wir machen unbezahlte Überstunden ohne ende, auch weil man seinen Dissertationsfortschritt sonst selbst behindert, sich also ins eigene Fleisch schneidet
Mit einer vollen Stelle hat man im TV-L eine vereinbarte Wochenarbeitszeit von (je nach Bundesland) 38,7 bis 40,1h. Nicht mehr und auch nicht weniger. Ist die Promotion Dienstaufgabe, so ist dieser dafür ein geeigneter zeitlicher Anteil (d.h. min. ein Drittel) einzuräumen.
Alles an weiteren Aufgaben, oder die Erwartung für eine halbe bezahlte Stelle Vollzeit Leistung (z.B. in der Lehre) zu erhalten, ist einfach Ausbeutung und würde vor keinem Arbeitsgericht standhalten. Aber wer klagt denn schon gegen die Leute, von denen man direkt abhängig ist...
- Die Bezahlung ist im Vergleich zur Industrie unterirdisch, gerade für Ingenieure.
Je nach Berufsgruppe hast du recht. Geisteswisenschaftler sind mit E13 typischerweise ganz gut bedient (haben aber typischerweise auch keine Doktorandenstellen...), während es im MINT-Bereich (oder auch bei den Wirtschaftswissenschaften) anders ausschaut.
- Durch die idr. nur kurzen befristeten Verträge hat man natürlich auch keine Chance auf Verbeamtung, weil es diese Stellen gar nicht gibt. Schon jetzt haben wir Probleme Stellen für wirklich spannende und industrierelevante Projekte zu besetzen
Die Befristungs-Thematik ist im Mittelbau ja *das* prägende Thema überhaupt. Hier werden Daueraufgaben durch befristetes Personal übernommen, was außerhalb des Wissenschaftsbereichs ein NoGo im deutschen Arbeitsrecht wäre. Abre es gibt ja das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, was genau dies zulässt... Das ist zwar gerade in Überarbeitung, aber als im Sommer der Referentenentwurf dazu veröffentlicht wurde, wurde dieser in der Luft zerrissen, die Ministerin musste ihn wieder einkassieren und hat eine badige Überarbeitung versprochen. Bis jetzt ist davon nichts zu sehen, und das Jahr ist fast rum.
Die präkere Beschäftigungssituation zwischen Studienabschluss und Übernahme Professur mit immer auf wenige Jahre befristeten Stellen, dem Zwang, ständig umzuziehen und der Ungewissheit, ob man eine Anschlussstelle bekommt, ist ja auch ein nicht zu unterschätzender Grund, warum gerade Frauen weniger häufig diesen ungewissen weil unplanbaren Weg einschlagen -- wenn einem gerade in der Phase der potentiellen Familiengründung möglichst viele Steine in den Weg gelegt werden. Und dann wundert man sich, warum die Frauenquote immer weiter abnimmt, je höher das Qualifikationsniveau ist...
btw: Lebenszeitverbeamtungen gehen natürlich nur auf unbefristet zur Verfügung stehenden Stellen. Wenn man die Aufgaben im Hochschuldienst als solche betrachtet, die von Beamten durchgeführt werden können und sollten, dann muss man zuerst überhaupt an die Entfristung gehen.
Ich selbst habe das große Glück, auf einer unbefristeten Mittelbaustelle zu sitzen. Erkauft habe ich mir das dadurch, dass ich eigentlich nur für die Lehre beschäftigt bin; das Forschen mache ich in meiner Freizeit...
In Forschung und Entwicklung ist der TVL Dienst sowohl für Dokotranden als auch für Post-Docs unglaublich unattraktiv und wird es von Tag zu Tag mehr.
Die großen Unternehmen zahlen mehr, jep. Andererseits habe ich auch schon in der Industrie gearbeitet -- und zumindest dort habe ich auch viele unbezahlte Überstunden geleistet. ("Etwaige Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.") Da hat sich also nicht viel verändert -- mit der Ausnahme, dass ich jetzt in meiner Freizeit zumindest an Dingen arbeite, die mich interessieren, und nicht dafür, dass die Gesellschafter der Firma, für die ich arbeite, mehr Gewinn erhalten...