Da die Höhe des Kindergelds zwangsläufig an die Anzahl der Kinder gebunden ist - so wie das Ryan in seinem letzten Beitrag ausführt -, bleibt sie eine soziale Komponente, Rentenonkel, die als eine Sozialleistung, die allen Eltern gewährt wird, bei der Betrachtung der Nettoalimentation als Ganzer im Hinblick auf das Mindestabstandsgebot zu beachten ist; sie bleibt dabei auch deshalb eine soziale Komponente, da sie in keinem inneren Zusammenhang mit dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG steht.
Darüber hinaus hat sie keine weitere
unmittelbare Bedeutung für die Höhe der gewährten Bruttobesoldung, da das Kindergeld nicht Teil des gewährten Besoldungsniveaus ist. Die Höhe des Kindergelds muss aber bei der Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse eine
mittelbare Beachtung finden, eben weil es Teil der tatsächlichen Verhältnisse ist, dass Eltern in Deutschland als Sozialleistung ein Kindergeld gewährt wird. Entsprechend kann vonseiten des Besoldungsgesetzgebers bei der Betrachtung der sozialen Besoldungskomponenten - also insbesondere der ehe- und kinderbezogenen Gehaltsbestandteile - nicht ausgeklammert werden, dass ein Teil des tatsächlichen Bedarfs, der aus der (steigenden) Kinderzahl erwächst, durch das Kindergeld gedeckt wird.
Darüber hinaus muss weiterhin beachtet werden, dass es sich beim dem um 15 % erhöhten Grundsicherungsniveau nur um die Untergrenze der Besoldung handelt, in die als Kontrollmaßstab zur Unteralimentation keine Einschnitte möglich sind. Die Mindestalimentation umfasst also nur den Betrag der dem Beamten zu gewährenden Nettoalimentation, der materiell-rechtlich vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist. Mit der Höhe der amtsangemessenen Besoldung und Alimentation hat die Mindestalimentation entsprechend nichts zu tun, sodass aus ihr nicht in einem maßgeblich mathematisierenden Verfahren auf die Höhe einzelner Besoldungskomponenten geschlossen werden könnte. Entsprechend hebt der Senat in der Rn. 30 der aktuellen Entscheidung hervor:
"Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe; ST.] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)
Dahingegen sieht sich der Besoldungsgesetzgeber gezwungen, Richtern, Staatsanwälten und Beamten einen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und
des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. dort den ersten Leitsatz als ständige Rechtsprechung). Teil des allgemeinen Lebensstandards von Eltern ist das ihnen gewährte Kindergeld, da mit ihm wie im letzten Absatz ausgeführt der Eltern erwachsene tatsächliche Bedarf zu einem Teil ausgeglichen wird. Entsprechend ist es zu verstehen, wenn der Senat in der dritten der mittlerweile vier maßgeblichen Entscheidungen über den alimentationrechtlichen Mehrbedarf von kinderreichen Beamten vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1998/11/ls19981124_2bvl002691.html, in der Rn. 37 ausführt:
"Ob die Dienstbezüge des Beamten amtsangemessen sind, beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen. Daher steht es dem Gesetzgeber frei, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge zu erreichen, die Beamten an einem allgemein gewährten Kindergeld teilhaben zu lassen, steuerrechtlich die durch den Kindesunterhalt verminderte Leistungsfähigkeit auszugleichen oder diese Möglichkeiten miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>)."
An der abschließend angeführten Stelle heißt es dabei in der zweiten der vier maßgeblichen Entscheidungen insbesondere:
"Ob die Dienstbezüge des Beamten einschließlich der Alters- und Hinterbliebenenversorgung amtsangemessen sind, beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen. Daher steht es dem Gesetzgeber frei, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge oder dadurch zu erreichen, daß er die Beamten an einem allgemein gewährten Kindergeld teilhaben läßt, steuerrechtlich die durch den Kindesunterhalt verminderte Leistungsfähigkeit beachtet oder diese Möglichkeiten miteinander verbindet. Die Gewährung eines allgemeinen Kindergeldes ist Bestandteil eines gesetzlichen Leistungsprogramms, das für alle Unterhaltspflichtigen - und nicht nur für die Beamten - familienbedingte Mehrbelastungen verringern soll." (
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv081363.html)
In der dargestellten Art und Weise ist es also zu verstehen, wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten der vier maßgeblichen Entscheidungen BVerfGE 44, 249 <274 f.> (
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html) ausführt (Hervorhebungen durch ST.):
"Legt man etwa das gegenwärtige System der Besoldungsstruktur zugrunde, das, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht festgeschrieben ist, so entspricht es bei natürlicher Betrachtung einer gewissen Selbstverständlichkeit, daß bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. 'familienneutralen' und insoweit auch ausreichenden (BVerfGE 44, 240 <274>, BVerfGE 44, 240 <275>) Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten. In diesem Fall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen,
wenn dieser Betrag in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden."
Entsprechend sieht sich der Besoldungsgesetzgeber weiterhin an die skizzierte Rechtsprechung gebunden; denn wie gesagt, eine Ableitung deutlich höherer sozialer Besoldungskomponenten aus dem Mindestabstandsgebot ist nicht möglich, da die Mindestalimentation allein keine Aussage über die Höhe der amtsangemessenen Alimentation zulässt. Vielmehr hat der Besoldungsgesetzgeber die Höhe der familienbezogenen Besoldungskomponenten sachgerecht und das bedeutet ebenso unter Beachtung des Leistungsprinzips zu begründen.
Unter diesen Prämissen betrachtet, lassen sich die seit 2021/22 in fast allen Besoldungsrechtskreisen erheblich angehobenen sozialen Besoldungskomponenten weder in ihrer Form noch nach ihrer Höhe rechtfertigen, da sie sich nicht an den tatsächlichen Verhältnissen begründen lassen. Da das Verhältnis der familienbezogenen Besoldungskomponenten zum Grundgehaltssatz des Musterbeamtens in den 16 Rechtskreisen der Ländern mit Ausnahme von Brandenburg 2019 zwischen 16,7 und 21,5 % betrug, kann man zugleich davon ausgehen, dass signifikant höhere soziale Besoldungskomponenten sich kaum mehr vor der Verfassung rechtfertigen lassen sollten, da sie sich ab einer bestimmten Höhe als ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Beamtenprivileg darstellen müssten.
Nicht umsonst wurde 2019 dem sächsischen Musterbeamten 483,32 € familienbezogene Besoldungskomponenten gewährt (
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/sn/a?id=beamte-sachsen-2019&g=A_4&s=1&f=3&z=100&fz=100&zulage=&stj=2024&stkl=1&r=0&zkf=2&pvk=2u), von denen 340,72 € kinderbezogen waren (
https://www.gew-sachsen.de/fileadmin/media/publikationen/sn/Beamte/Besoldungstabellen.pdf), was sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen dürfte. Das Kindergeld für zwei Kinder hatte 2019 398,- € betragen (
https://www.haufe.de/finance/haufe-finance-office-premium/kindergeld-17-hoehe-des-kindergelds-und-anderer-leistungen_idesk_PI20354_HI9294074.html). Nach der Düsseldorfer Tabelle lag der Betrag des Kindesunterhalts des betreffenden Beamten für zwei Kinder bei 907,33 € (
https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/Tabelle-2019/Duesseldorfer-Tabelle-2019.pdf). Die kinderbezogenen Besoldungsbestandteile und das Kindergeld ergeben in Summe 738,72 €, was entsprechend 81,4 % des anhand der Düsseldorfer Tabelle veranschlagten Unterhaltbedarfs abgedeckt hat.
Ein solches Verhältnis dürfte sich noch mit der skizzierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang bringen lassen. Noch einmal deutlich höhere kinderbezogene Besoldungskomponenten hätten sich dahingegen offensichtlich kaum noch sachlich rechtfertigen lassen, da die Differenz des Unterhaltsbedarfs nach der Düsseldorfer Tabelle und der Summe aus Kindergeld und kinderbezogenen Besoldungsbestandteilen bei noch 168,61 € gelegten hat.
Die heute in den Rechtskreisen gewährten kinderbezogenen Besoldungskomponenten dürften hingegen gemeinsam mit dem Kindergeld den Unterhaltsbedarf des jeweiligen Musterbeamten nach der Düsseldorfer Tabelle in nicht wenigen Rechtskreisen - zum Teil erheblich - überschreiten (das habe ich vor geraumer Zeit an einem Beispiel exemplifiziert, ohne mich hier noch genau daran zu erinnern, welches es war), ohne dass sich dafür eine sachliche Rechtfertigung erkennen ließe. Auch deshalb dürften die beiden ddb-Beamtenrechtler Alexia Tepke und Andreas Becker 2022 in der ZBR als Titel ihres Beitrags die hinsichtlich der Familienalimentation letztlich weitgehend rhetorische Frage gestellt haben: "Goldene Besoldungszeiten nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2020 zur Mindest- und Familienalimentation?"