@SwenTarnotsch: Vielen Dank für Deine ausführlichen Ergänzungen.
Bei der von mir aufgezeigten Alternative 1 handelt es sich um den Ist-Zustand, bei der Alternative 2 lediglich um ein Gedankenspiel über eine mögliche Änderung im Rahmen des Spielraumes des Besoldungsgesetzgebers. So hat das BVerfG ausgeführt, dass das 4 K Modell nicht in Stein gemeißelt ist und es den Gesetzgeber freigestellt ist, dieses Modell abzuändern. Ich zitiere mal aus Rn. 47:
"Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen."
Daher ist es grundsätzlich auch denkbar, die amtsangemessene Besoldung für Beamtenfamilien mit Kindern ALLEINE über die Familienzuschläge für die Angehörigen des Beamten zu erwirken. Dann müsste allerdings auch das sauber begründet werden und die Familienzuschläge für das erste und zweite Kind würden deutlich stärker auf dem Niveau von Kind 3 bis x steigen müssen.
Das von Dir angegebene Zitat sagt aus, dass in einem verfassungskonformen Rahmen auch die Familienzuschläge angemessen erhöht werden können - es lässt aber nur theoretisch die Möglichkeit für den Schluss, den Du dem Zitat entnimmst, dass es also möglich sei, die amtsangemessene Besoldung von Beamten mit bis zu zwei Kindern "ALLEINE über die Familienzuschläge für die Angehörigen des Beamten zu erwirken". Auch dazu ist hier in der Vergangenheit bereits recht viel geschrieben worden. Ein solches Vorgehen wäre aus einigen Gründen nicht möglich, die ich hier nicht noch einmal alle wiederholen möchte (wen es interessiert, der lese hier
https://www.berliner-besoldung.de/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/ ab der S. 37 ff.). Verknappt auf den Punkt gebracht wird es durch das gerade erst von mir erneut eingeführte Zitat, das ich hier noch etwas erweitere:
"Die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit stellt, wenn auch in ihren einzelnen Ausgestaltungen unterschiedliche, so doch im Hinblick
auf die in Frage kommenden globalen Größenordnungen insgesamt aussagefähige Maßstäbe dafür zur Verfügung, wie die wirtschaftliche Belastung zu veranschlagen ist, die sich aus der Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung, Erziehung und Betreuung von Kindern ergibt. [...] Legt man etwa das gegenwärtige System der Besoldungsstruktur zugrunde, das, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht festgeschrieben ist, so entspricht es bei natürlicher Betrachtung einer gewissen Selbstverständlichkeit, daß bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. 'familienneutralen' und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten. In diesem Fall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser Betrag in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden." (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 30. März 1977 – 2 BvR 1039/75 –, Rn. 64 f.; Hervorhebungen durch mich).
Eine massive Steigerung der Familienzuschläge für die ersten beiden Kindern würde jene zu einer Art Nebenbesoldung machen, sodass die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile nicht mehr ergänzend hinzutreten würden (hier wären wir dann beim "Fertilitätsprinzip"). Dabei ist darüber hinaus zu beachten, dass das BVerfG mit der aktuellen Entscheidung mittels der Mindestalimentation eine verfassungsrechtlich gebotene
absolute Untergrenze für die zu gewährende Nettoalimentation direktiv eingezogen hat, die der Besoldungsgesetzgeber in keinem Fall unterschreiten darf und die nun also zum ersten Mal präzise berechnet werden kann. Nehmen Besoldungsgesetzgeber jenen Wert nun mathematisierend zur Grundlage, um die Grundgehaltssätze nicht anzuheben, jedoch die Familienzuschläge so deutlich anzuheben, dass bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend nicht mehr aus den allgemeinen, d. h. "familienneutralen" und insoweit dann auch nicht mehr ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann, sodass die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile nicht mehr ergänzend hinzutreten, sondern unmittelbar zum Bestreiten des täglichen Bedarfs vonnöten wären, dann widerspräche das offensichtlich dem gerade zitierten direktiven Gehalt der bundesverrassungsgerichtlichen Besoldungsrechtsprechung. Die Familienzuschläge als "Detailregelung" können im Hinblick auf die in Frage kommenden globalen Größenordnungen der aus den Kindern herrührenden wirtschaftlichen Belastung nur eine begrenzte Wirkung haben, um mit zum amtsangemessenen Gehalt beizutragen. Wird ihre Höhe überdehnt, steht das im Widerspruch zur bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung mit dem Ergebnis, dass das nicht sachgerecht sein kann, weshalb es eben prinzipiell nicht ausreichend begründet werden könnte.
Das zeigen unlängst wieder die Beispiele Berlin und Thüringen, denen es beiden nicht einmal in gröberem Maße gelungen ist, die deutlich erhöhten Familienzuschläge sachgerecht zu begründen. Am Ende blieb immer nur das nicht hinreichende Ziel, Personalkosten zu sparen. Denn die höheren Familienzuschläge erbringen den Beamten mit bis zu zwei Kindern keinen monetären Vorteil, da zugleich im identischen Rahmen ihr Grundgehaltssatz nicht erhöht wurde, womit wir bei der genannten Mathematisierung wären, die zugleich auch prozdural nicht zulässig ist: "Die Parameter [der ersten Prüfungsstufe] sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (vgl. die Rn. 30 in der aktuellen Entscheidung) Wenn also die Familienzuschläge, ausgehend von der Mindestalimentation, exakt so stark angehoben werden, dass sie eine Steigerung des Grundgehaltssatzes
scheinbar nicht nötig machten, dann führt das nicht dazu, dass Beamte mit zwei Kindern eine Besserstellung erfahren (denn das monetäre Ergebnis bliebe in beiden Fällen identisch), sondern dass Beamte mit weniger als zwei Kinder schlechter gestellt werden (da ihr Grundgehaltssatz ebenfalls nicht angehoben wird), was das offensichtliche Ziel einer solchen Regelung ist - und eben als unmittelbares Ziel ausschließlich die Personalkosteneinsparung im Blick hat, was als alleinige Begründung nicht hinreichend ist.