Der Senat führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation unter anderem auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Richtern, Staatsanwälten und Beamten zu berücksichtigen hat (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, Rn. 25;
https://www.bverfg.de/e/ls20200504_2bvl000418.html). Entsprechend nimmt er zunächst auf der ersten Prüfungsstufe im fünften Parameter einen Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder vor (Rn. 80 ff.), wobei bislang die familienbezogenen Besoldungskomponenten hier nicht betrachtet worden sind (Rn. 82). Denn sie hatten bis 2020 in allen Rechtskreisen keine Funktion als Nebenbesoldung, was sich seitdem allerdings grundlegend geändert hat, sodass es von Interesse sein dürfte, wie der Senat auf die seitdem vollzogenen exorbitanten Erhöhungsbeträge reagieren wird, wenn er über entsprechende Vorlagen zu entscheiden hat. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird er dann seine Prüfmethodik auf der ersten Prüfungsstufe nicht grundsätzlich ändern, sondern hier eine dem Fall angepasste Differenzierung vornehmen - denn neben der Verletzung des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG geht mit der den Rang einer Nebenbesoldung beanspruchenden Höhe familienbezogener Besoldungskomponenten dann offensichtlich ebenso eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG einher, weshalb eine Korrektur der Prüfmethodik und ihres Maßstabs offensichtlich nicht automatisch nötig sein dürfte.
Hierbei wären dann grundsätzlich zwei prinzipielle Fälle zu unterscheiden: einmal eine Nebenbesoldung innerhalb eines Alleinverdienermodells, welche ob ihrer Höhe, die sie als Nebenbesoldung auswiese, hier nicht gestattet ist; zum anderen eine Nebenbesoldung innerhalb eines Doppelverdienermodells, die als solche innerhalb eines solchen Modells als Nebenbesoldung gestattet wäre - denn sie wäre das begründete Ziel jenes Modells -, sofern es dem Gesetzgeber also gelänge, das Doppelverdienermodell in der sozialen Wirklichkeit des Rechtskreises sachgerecht zu begründen. Das ist allerdings bislang offensichtlich keinem der Gesetzgeber gelungen, die ein solches Modell eingeführt haben. Denn diese Systemwechsel haben bislang - gelinde gesagt - in allen entsprechenden Rechtskreisen eher Begründungen sachlich schlichter Qualität erfahren, wie das zuletzt am aktuellen hamburgischen Fall ausführlich nachgewiesen worden ist (vgl. S. 57 ff. unter
https://bdr-hamburg.de/wp-content/uploads/Gutachterliche-Stellungnahme-Besoldungsstrukturgesetz-Drs.-22-1272.pdf).
Solche sachlich bescheidenden Ausführungen dürften verhältnismäßig kaum hinreichen, um sachlich so weitreichende Konsequenzen zu legitimieren, wie sie mit einem Doppelverdienermodell einhergehen. Nicht umsonst hat der Senat hinsichtlich von Systemwechseln 2012 in aller gebotenen Deutlichkeit ausgeführt, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers grundsätzlich auch strukturelle Neuregelungen der Besoldung in Form von Systemwechseln abdeckt, welche die Bewertung eines Amtes und die damit einhergehende besoldungsrechtliche Einstufung betreffen. Allerdings muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass die besoldungsrechtliche Neubewertung eines Amtes immer noch den (unveränderten) Anforderungen des Amtes gerecht wird. Führt die gesetzgeberische Neubewertung zu einer deutlichen Verringerung der Besoldung, bedarf es hierfür sachlicher Gründe (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, Ls. 2;
https://www.bverfg.de/e/ls20120214_2bvl000410.html). Denn in der Begründung müsste gezeigt werden, dass es sich in dem Systemwechsel eben gerade nicht um eine verkappte Neubewertung des Amts handelte, als deren Folge es in allen bislang so vorgegangenen Rechtskreisen zu einer deutlichen Verringerung der Besoldung für unverheiratete bzw. kinderlose Beamte gekommen ist. Tatsächlich handelt es sich aber bislang um genau das: um eine verkappte Neubewertung des Amts, die entsprechend unbegründet vorgenommen worden ist.
Darüber hinaus sieht das bundesverfassungsgerichtliche Prüfungsheft auf der zweiten Prüfungsstufe eine erneute Prüfung der Attraktivität des Amts vor, indem es sich der qualitätssichernden Funktion der Alimentation und Besoldung zuwendet und also prüft, ob es in dem zu kontrollierenden Rechtskreis gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für die öffentlichen Dienstverhältnisse der betreffenden Ämter anzuwerben (Rn. 88). Zeigt sich hier im Prüfverfahren, dass das nicht gelingt, ist daraus der Rückschluss zu ziehen, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht erfüllt, womit ein weiteres Indiz dafür vorläge, dass das gewährte Alimentationsniveau nicht amtsangemessen ist.
Der langen Rede kurzer Sinn: Der Personalnotstand ist von den Gerichten gebührend zu berücksichtigen und als ein wichtige Indiz zu bewerten, dass die Attraktivität des Amts offensichtlichtlich nicht mehr gegeben ist, da die Höhe der Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllte - wobei hier in der Prüfung das jeweils konkrete Amt und die konkret mit ihm einhergehende Besoldungsgruppe zu betrachten sind. Denn wie gesagt, die Attraktivität des Amts ist auf beiden Prüfungsstufen nur einer von mehreren Parametern, um den amtsangemessenen Gehalt der gewährten Alimentation zu prüfen.