Das ist schön geschrieben, semper fi: Und Dir wie allen anderen auch ebenfalls einen guten Rutsch und alles Gute für das nun anbrechende 2022!
@ Opa
Was Du zur möglichen Detailtiefe der Mietkosten schreibst, ist richtig, trifft aber nur bedingt die Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet in der aktuellen Entscheidung - wie gestern betont - die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, als ein leicht zu handhabendes Kriterium, um entsprechende Besoldungsdifferenzierungen anhand von Ortszuschlägen vorzunehmen (vgl. in der akutellen Entscheidung unter der Rn. 61). Es zielt dabei bewusst auf keine weitere Detailierung ab, weil diese in der Gefahr stehen dürfte, dass sie sich nicht in allen Fällen vor Art 3 Abs. 1 GG, also dem allgemeinen Gleichheitssatz, rechtfertigen ließe (ebd.). Denn wenn in einer Straße, die eine bestimmte durchschnittliche Miete aufwiese, deutliche individuelle Unterschiede vorhanden wären, müssten diese ggf. berücksichtigt werden, um den aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Forderungen gerecht zu werden. Das müsste dann allerdings letztlich bedeuten, dass die Besoldung im Hinblick auf die Unterkunftskosten praktisch individualisiert werden müsste. Diese Möglichkeit ist dem Besoldungsgesetzgeber gestattet (vgl. ebd.). Eine solche Regelung würde aber mit einem gewaltigen Bürokratieaufwand verbunden sein - und zugleich stellte sich die Frage, ob dann nicht auch weitere Faktoren im Sinne einer solch individuell differenzierenden Regelung als Einzelfallentscheidung zu beachten wären (wenn man in einem Fall praktisch individualisiert vorginge, ließe sich in einem anderen Fall kaum rechtfertigen, dass man es dort nicht täte): so beispielsweise im Hinblick auf Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe, auf deren Erstattung Beamte kein Anrecht haben, die aber dennoch gegeben sind und ggf. dann ebenfalls stark indivudalisiert beachtet werden müssten, um den Forderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht zu werden, wenn man individualisiert die Wohnkosten berücksichtigte. Deshalb schreibt das Bundesverfassungsgericht keine Methodik vor, die stark individualisiert ist, sondern verweist den Besoldungsgesetzgeber darauf, dass eine an den Mietenstufen des WoGG orientierte Regelung, sofern sie sachgerecht vollzogen wird, statthaft ist.
@ micha77
Ich habe mir jetzt noch einmal die Datengrundlage des VGH angeschaut. Der VGH führt in Rn. 76 aus, dass er auf die entsprechend von der BfA zur Verfügung gestellten Daten zurückgreife, um dann weiter auszuführen (Hervorhebung durch mich): "Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft wird realitätsgerecht durch die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) erfasst. Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für Kosten der Unterkunft
und Heizung abgedeckt worden ist. Hierzu zählen die laufenden monatlichen Aufwendungen für die Kaltmiete (den Schuldzins bei Eigenheimen oder Tagessätze bei Heimunterkünften, Pensionen etc.), Heiz- und Betriebskosten (inklusive Nachzahlungen) sowie einmalige Kosten (Umzugskosten, Courtage, Kaution, Instandhaltungs- und Reparaturkosten)."
Damit verweist er aber auf eine offensichtlich fehlerhafte Betrachtung vonseiten der BfA, der ebenfalls auch das OVG Schleswig-Holstein in seiner akutellen Entscheidung vom 23.03.2021 - 2 LB 93/18 - in der Rn. 120 aufgesessen ist (
https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/or2/page/bsshoprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE210002492&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint). Dabei ist in beiden Fällen der BfA kein Vorwurf zu machen, da sie auf ihr statistisches Material entsprechend von gerichtlichen Anfragen zurückgreift, aber selbst keine Rechtsinstanz ist und deshalb von ihr nicht erwartet werden kann, dass ihr bekannt sein sollte, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG im SGB II die Höhe der angemessenen Heizkosten unabhängig von der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten zu betrachten ist, worin das BVerfG dem BSG in seiner aktuellen Entscheidung folgt (vgl. dort in Rn. 62).
Da nun ebenfalls auch der VGH diese Unterscheidung nicht vollzieht, bemisst er die Heizkosten nicht entsprechend der aktuellen BVerfG-Entscheidung separat anhand des bundesweiten Heizspiegels, sondern anhand der von der BfA zur Verfügung gestellten Daten des "95 %-Perzentils für Unterkunft und Heizung insgesamt" (s. im obigen Zitat). Diese betragen für Hessen laut der BfA-Statistik beispielsweise im Jahre 2016 monatlich 1.000,- € (jedenfalls nach der mir vorliegenden Statistik aus dem Februar 2019; die von der BfA zur Verfügung gestellte Aktualisierung kommt weiterhin zu keinem anderen Ergebnis, vgl. in der Rn. 93 der VGH-Entscheidung). Betrachtet man hingegen das entsprechend der aktuellen BVerfG-Entscheidung zu beachtende "95 %-Perzentil der laufenden Unterkunftskosten" in Höhe von 700,- € und addiert dazu entsprechend das "95 %-Perzentil der laufenden Betriebskosten" in Höhe von 250,- €, die die BfA-Statistik aus dem Februar 2019 nennt, dann kommt man auf kalte Unterkunfstkosten von 950,- €. Danach sind dann die realitätsgerechten Heizkosten in Höhe von 161,68 € für das Jahr 2016, wie sie sich für Hessen anhand des bundesweiten Heizspiegels ergeben, separat zu addieren. Die zu Grunde zu legenden warmen Unterkunftskosten betragen insofern 2016 nicht 1.000,- €, von dem der VGH in Rn. 93 ausgeht, sondern auf Grundlage der von der aktuellen BVerfG-Entscheidung vorgenommenen Methodik 1.111,68 €.
Der VGH müsste insofern um rund 11,2 % höhere Unterkunftskosten ansetzen. Das in der Rn. 93 für das Jahr 2016 zu beachtende Grundsicherungsniveau würden von daher dann nicht 28.037,52 € betragen, sondern 29.377,68 €. Die zu betrachtende Nettoalimentation läge insofern nicht um 4,2 %, sondern um 8,6 % unterhalb des Grundsicherungsniveaus und also nicht um 19,2 %, sondern um 23,6 % unterhalb der Mindestalimentation. Dabei ist weiterhin zu bedenken, dass es dem VGH genauso wie in der aktuellen Entscheidung auch dem BVerfG nicht möglich war, auf realitätsgerechte Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife zurückzugreifen, weshalb er nur auf die pauschalisierten Werte in Höhe von 893,52 € zurückgreifen kann (vgl. ebd., Rn. 77). Es ist davon auszugehen, dass eine realitätsgerechte Betrachtung, zu der der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Fehlbetrag noch einmal erhöhen wird, sodass sich der Prozentwert noch weiter erhöhte. Andererseits könnte man zugleich die vom VGH vorgenommene Bemessung der Nettoalimentation noch genauer unter die Lupe nehmen und berechtigt davon ausgehen, dass auch jene zu einem leicht zu geringen Ergebnis kommt (die PKV-Kosten werden in der Vorlage offensichtlich etwas zu hoch angesetzt).
Es ist davon auszugehen, dass das BVerfG den genannten Fehler hinsichtlich der Unterkunftskosten in seiner Entscheidung über den entsprechenden Vorlagebeschluss korrigieren wird. Der Fehlbetrag zwischen der vom Land gewährten Nettoalimentation und der zu gewährenden Mindestalimentation wird im Jahr 2016 deutlich mehr als 7.000,- € betragen.