Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4331406 times)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7995 am: 02.09.2025 11:37 »
@SwenTanortsch: In einem anderen Thread wurde die Frage aufgetan, ob und wie das Partnereinkommen bei einer evtl demnächst zu erwartenden Entscheidung bereits Thema ist. Die Argumentation war, dass das Thema noch zu neu ist, so dass es hier noch nicht in die Entscheidung einfließen wird.

Ich habe ja die leise Hoffnung, dass hier ein *wirklich* allumfassendes Urteil gesprochen wird, und das Thema eben auch berücksichtigt wird.

Bayern hat das Gesetz zur Neuausrichtung der Besoldung mit Berücksichtigung des Partnereinkommens ja bereits Ende 2022 beschlossen und seitdem gab es ja schon einiges an Abhandlungen hierzu.

Hast du persönlich hier Hoffnung? Oder gibt es dann einen neuen Beschluss im Jahre 203X?

Danke für deine regelmäßigen und informativen Ausführungen!

Gern geschehen, SchrödingersKatze (ein sehr schöner Name, wie ich finde, der uns zu der Frage leiten könnte, ob die Alimentation bis zu ihrer weiteren Beobachtung eigentlich tot oder lebendig sei...), zum Thema habe ich hier https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,122470.1590.html unter der Nr. 4 meine Sichtweise dargelegt. In Kurzform: Es lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig ableiten, dass der Zugriff auf das privat-rechtliche Einkommen des Partners von Beamten in der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation aktiver Beamten dem Besoldungsgesetzgeber verboten ist.

Ich gehe davon aus, dass das vom Senat in den angekündigten Entscheidungen - ggf. im Rahmen eines Obiter Dictums - noch einmal in aller gebotenen Deutlichkeit klargestellt wird. Denn alles andere dürfte nur dazu führen, dass die 13 Besoldungsgesetzgeber, die heute entsprechend das Partnereinkommen bei der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation heranziehen, fröhlich weitermachten als wie zuvor und damit nach und nach weitere Fakten im Sinne der normativen Kraft des Faktischen schafften. Insofern - da der Fall klar ist und die Dimensionen des Verfassungsbruchs erheblich sind - bedarf es hier heute und nicht erst zu einem Zeitpunkt, da sich der Fall anhand einer Vorlage (bspw. anhand der beiden rheinland-pfälzischen) auch unmittelbar klären ließe, eines Handelns vonseiten des Senats, das für die gebotene Klarheit sorgt. Die Besoldungsgesetzgeber werden mit der Nase in der Sache unmissverständlich darauf gestupst werden müssen - ansonsten werden wir in den nächsten Gesetzgebungsverfahren ab dem kommenden Winter schöne zweckrationale Erörterungen in den Gesetzesbegründungen finden, die zu dem Ergebnis kommen sollten, dass sich der Senat ganz im Sinne der 13 Besoldungsgesetzgeber geäußert habe - und fänden sich gar keine Ausführungen zum Verbot, das Partnereinkommen bei der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation aktiver Beamter heranzuziehen, gingen das ganze mit der Betrachtung des Partnereinkommens angerichtete Chaos und der damit verbundene massive Schaden erst recht noch erheblich länger fröhlich weiter.

Ach, wäre das schön und so einfach, wenn sich das BVerfG so äußern würde, wie du es beschreibst:
Der Zugriff auf das privat-rechtliche Einkommen des Partners von Beamten in der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation aktiver Beamten ist dem Besoldungsgesetzgeber verboten.

Ich kann mich erinnern, dass sich das BVerfG zur Nichtheranziehung von Vermögen so eindeutig geäußert hat. Du schreibst, dass das aus einer eindeutigen Ableitung der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG bereits hervorgeht. Kannst du uns dazu schon näheres sagen?

Ich gehe davon aus, dass systematisch und deshalb auch verhältnismäßig umfangreich in der genannten Studie geschehen wird, die aus dem bekannten Erfurter Vortrag resultiert.

InternetistNeuland

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7996 am: 02.09.2025 21:49 »
Wir sollten uns keine Sorgen machen. Frau Bas hat doch heute in einem Interview bestätigt, dass wir:
"ein reiches Land sind."
"dass die Leistungen, die wir haben, nicht gekürzt werden"
„Diese Debatte gerade, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist – und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck – Bullshit.“

Geld ist also genug da!

Das müsste doch dazu führen, dass so ziemlich jedes Besoldungsgesetz unbegründet ist, da ja gekürzt (Pension, Beihilfe) bzw. Nullrunden ausgesprochen wurden, um Kosten zu sparen.

Verwalter

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7997 am: 03.09.2025 12:53 »
Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch vor Ihr stirbt aller Glaube!

Mal eine andere Frage an die rechtlich Bewanderten: "könnte das BVerfG theoretisch die Föderalisierung rückabwickeln um dem ganzen Zirkus eher Einhalt gebieten zu können?"

Wäre nur durch den Bundestag möglich mit 2/3 Mehrheit und dem Ziel die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung wieder beim Bund anzusiedeln. Hatten wir bereits Ende der 1960er Jahre. Die Geschichte wird sich in diesem Punkt wiederholen. Die Zwänge sind dieselben.
« Last Edit: 03.09.2025 12:59 von Verwalter »
BVerfG bestätigt, dass ich seit mehr als 10 Jahren verfassungswidrig unteralimentiert werden ... "ich bin arm aber sexy"

Unknown

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7998 am: 03.09.2025 13:46 »
Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch vor Ihr stirbt aller Glaube!

Mal eine andere Frage an die rechtlich Bewanderten: "könnte das BVerfG theoretisch die Föderalisierung rückabwickeln um dem ganzen Zirkus eher Einhalt gebieten zu können?"

Wäre nur durch den Bundestag möglich mit 2/3 Mehrheit und dem Ziel die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung wieder beim Bund anzusiedeln. Hatten wir bereits Ende der 1960er Jahre. Die Geschichte wird sich in diesem Punkt wiederholen. Die Zwänge sind dieselben.

Wenn der politische Wille da wäre...

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #7999 am: 03.09.2025 16:10 »
Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch vor Ihr stirbt aller Glaube!

Mal eine andere Frage an die rechtlich Bewanderten: "könnte das BVerfG theoretisch die Föderalisierung rückabwickeln um dem ganzen Zirkus eher Einhalt gebieten zu können?"

Wäre nur durch den Bundestag möglich mit 2/3 Mehrheit und dem Ziel die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung wieder beim Bund anzusiedeln. Hatten wir bereits Ende der 1960er Jahre. Die Geschichte wird sich in diesem Punkt wiederholen. Die Zwänge sind dieselben.

Da die verfassungsändernde Gesetzgebung in maßgebliche Kompetenzen der Länder als Dienstherr ihrer jeweiligen Beamten eingriffe, bedürfte es jeweils eine qualifzierterte Mehrheit im Bundestag und Bundesrat. Die im März 1971 geänderte Kompetenzordnung mit dem Ergebnis der konkurrierenden Gesetzgebung im Besoldungsrecht - der Bund regelte unter Zustimmung des Bundesrats die bundeseinheitliche Besoldung; die Länder konnten eigene Besoldungsregelungen nur erlassen, sofern das im BBesG so geregelt worden ist - hat einen rund vierjährigen Prozess nach sich gezogen, bis 1975 das Besoldungsrecht vereinheitlicht war.

Bis 1971 verfügten die Länder über eine eigene Gesetzgebungskompetenz im Besoldungsrecht, der Bund konnte nur Rahmenrichtlinien erlassen, die es ihm bspw. nicht gestatteten, den Ländern Höchst- oder Mindestbeträge vorzuschreiben; das war ihm nach einer 1969 erfolgten ersten Grundgesetzänderung bis zur weiteren Grundgesetzänderung von 1971 nur kurzzeitig möglich gewesen. Darüber hinaus haben die 1957 vom Bundesrat, 1963 von der Bundesregierung und 1965 von Bundesrat und Bundestag gemeinsam intiierten Intitiativen zur Änderung des Grundgesetzes mit insbesondere dem Ziel, dem Bund im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz ebenfalls die Kompetenz zuzuerkennen, den Ländern Mindest- und Höchsgrenzen vorschreiben zu können, am Ende keine notwendigen Mehrheiten gefunden.

Der langen Rede kurzer Sinn: Jenes Feld ist ein durchaus komplexes und regelmäßig eher langwieriges. Die Entwicklung wird unter verschiedenen Fragestellungen, wenn ich richtig informiert bin, verhältnismäßig ausführlich in der Studie dargestellt, die aus dem bekannten Erfurter Vortrag entspringt.


SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8001 am: 03.09.2025 21:37 »
Die Entscheidung ist darüber hinaus insbesondere wegen seiner besonderen Betrachtung der Rügeobliegenheiten im Einzelfall von Interesse (s. meine gerade gemachten Aussagen im Forum des Bunds).

maxg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8002 am: 03.09.2025 21:58 »
Die Entscheidung ist darüber hinaus insbesondere wegen seiner besonderen Betrachtung der Rügeobliegenheiten im Einzelfall von Interesse (s. meine gerade gemachten Aussagen im Forum des Bunds).
Ich habe mir den Vorlagebeschluss des VG-HH mit meinem Laienwissen auch durchgelesen und finde ihn ebenfalls bemerkenswert hinsichtlich der Ausführungen zur "zeitnahen Geltendmachung" und hier insbesondere zu den Begründungen, warum bei der von Hamburg geschaffenen Konstellation die jährlich wiederholte Beanstandung (Widerspruch) nicht zwingend sein dürfte.
In dieser Ausführlichkeit habe ich das noch nicht "beleuchtet" gefunden. Falls diese Würdigung sich beim BVerfG durchsetzen sollte, wäre das m.E. ein wichtiger Baustein für eine Durchsetzbarkeit in großer Breite (Anzahl Berechtigter) und Tiefe (Jahre...).
Was mir im genannten Beschluss leider völlig fehlt, ist die Betrachtung der niedrigsten Besoldungsgruppe und die daraus für den Kläger (A7 bzw. A8) abzuleitende nochmals höhere Anspruchsgrundlage.
Allein schon, dass selbst ein Beamter A8 im vierstelligen Euro-Bereich unter dem 115%-Wert der Mindestalimentation liegt, finde ich wiederum schockierend (wenn auch nicht wirklich überraschend).

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« Antwort #8003 am: 04.09.2025 13:41 »
Was mir im genannten Beschluss leider völlig fehlt, ist die Betrachtung der niedrigsten Besoldungsgruppe und die daraus für den Kläger (A7 bzw. A8) abzuleitende nochmals höhere Anspruchsgrundlage.

Der Grund ist ganz einfach: Da die Besoldung des Klägers (A8) unmittelbar das Mindestabstandsgebot verletzt hat, ist keinerlei Prüfung einer "höheren Anspruchsgrundlage" mehr nötig. 

Diesbezüglich interessanter sind zwei andere Urteile, ebenfalls aus Hamburg: Im Mai 2024 hat das VG dargelegt, dass und warum in seinen Augen die Besoldungen eines kinderlosen (!) A15 sowie eines ebenfalls kinderlosen R1 jeweils verfassungswidrig waren (unter anderem weil das Mindestabstandsgebot im untersuchten Zeitraum bis einschließlich A10 verletzt wurde).

Quelle: https://justiz.hamburg.de/gerichte/verwaltungsgericht-hamburg/impressum/hinweise-in-alimentationsverfahren-638028

Knarfe1000

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« Antwort #8004 am: 04.09.2025 14:15 »

Der Grund ist ganz einfach: Da die Besoldung des Klägers (A8) unmittelbar das Mindestabstandsgebot verletzt hat, ist keinerlei Prüfung einer "höheren Anspruchsgrundlage" mehr nötig.

Diesbezüglich interessanter sind zwei andere Urteile, ebenfalls aus Hamburg: Im Mai 2024 hat das VG dargelegt, dass und warum in seinen Augen die Besoldungen eines kinderlosen (!) A15 sowie eines ebenfalls kinderlosen R1 jeweils verfassungswidrig waren (unter anderem weil das Mindestabstandsgebot im untersuchten Zeitraum bis einschließlich A10 verletzt wurde).

Quelle: https://justiz.hamburg.de/gerichte/verwaltungsgericht-hamburg/impressum/hinweise-in-alimentationsverfahren-638028
Auch wenn es komisch klingt: je höher das Statusamt, desto stärker wird gegen die aA verstoßen.

maxg

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« Antwort #8005 am: 04.09.2025 15:16 »
Was mir im genannten Beschluss leider völlig fehlt, ist die Betrachtung der niedrigsten Besoldungsgruppe und die daraus für den Kläger (A7 bzw. A8) abzuleitende nochmals höhere Anspruchsgrundlage.
Der Grund ist ganz einfach: Da die Besoldung des Klägers (A8) unmittelbar das Mindestabstandsgebot verletzt hat, ist keinerlei Prüfung einer "höheren Anspruchsgrundlage" mehr nötig.

Diesbezüglich interessanter sind zwei andere Urteile, ebenfalls aus Hamburg: Im Mai 2024 hat das VG dargelegt, dass und warum in seinen Augen die Besoldungen eines kinderlosen (!) A15 sowie eines ebenfalls kinderlosen R1 jeweils verfassungswidrig waren (unter anderem weil das Mindestabstandsgebot im untersuchten Zeitraum bis einschließlich A10 verletzt wurde). (...)

Ich glaube, dass ich dein Argument verstehe und ich teile es auch. Aber ähnlich der aus der Feststellung, dass bis A10 das Mindestabstandsgebot verletzt wurde (und letztlich wird), gewonnenen Erkenntnis der Schwere des Grads an Verletzung der Ansprüche aus Art. 33 GG für A15 bzw. R1 wäre hier m.E. zumindest der Hinweis zu geben gewesen, dass sich die Betragshöhe der Unterzahlung hierdurch gegenüber den dargestellten Berechnungen noch einmal relvant steigert. Wenn auch der Verstoß an sich bereits dargelegt wurde, kommt es m.E. in der Bewertung auch auf die somit deutlich immensere Höhe an.
Dies gilt insbesondere für die Frage des Umgangs mit den getroffenen Feststellungen, also, ob das BVerfG es erneut bei einer bloßen Feststellung der Verfassungswidrigkeit belässt oder nun zum einem gröberen Keil greift ...

Knarfe1000

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« Antwort #8006 am: 04.09.2025 15:20 »
Ich denke und hoffe, dass die Geduld beim BVerfG zuende ist. Vielleicht auch deshalb die plötzliche "Hektik" beim Besoldungsgesetzgeber (Bund).

BVerfGBeliever

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« Antwort #8007 am: 04.09.2025 16:31 »
Ich glaube, dass ich dein Argument verstehe und ich teile es auch. Aber ähnlich der aus der Feststellung, dass bis A10 das Mindestabstandsgebot verletzt wurde (und letztlich wird), gewonnenen Erkenntnis der Schwere des Grads an Verletzung der Ansprüche aus Art. 33 GG für A15 bzw. R1 wäre hier m.E. zumindest der Hinweis zu geben gewesen, dass sich die Betragshöhe der Unterzahlung hierdurch gegenüber den dargestellten Berechnungen noch einmal relvant steigert. Wenn auch der Verstoß an sich bereits dargelegt wurde, kommt es m.E. in der Bewertung auch auf die somit deutlich immensere Höhe an.
Dies gilt insbesondere für die Frage des Umgangs mit den getroffenen Feststellungen, also, ob das BVerfG es erneut bei einer bloßen Feststellung der Verfassungswidrigkeit belässt oder nun zum einem gröberen Keil greift ...

Als Nichtjurist (der ich bin) kann ich deine Gedanken absolut nachvollziehen. Aber nach meiner bescheidenen Lektüre einiger Urteile scheint es in meinen Augen durchaus üblich zu sein, bestimmte Fragen bewusst nicht zu beleuchten (vielleicht weil sonst jedes Urteil grundsätzlich mehrere tausend Seiten lang wäre.. ;)).

Beliebiges Beispiel aus dem aktuellen Hamburger Urteil auf Seite 75: "Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob eine unmittelbare Verletzung des Mindestabstandsgebots für die konkret infrage stehenden Besoldungsgruppen überhaupt einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugänglich sein kann."
Bei der genannten verfassungsrechtlichen Rechtfertigung geht es in meiner laienhaften Interpretation vermutlich um die dritte Stufe im BVerfG-Prüfschema, in der untersucht wird, ob eine etwaige Unteralimentation "im Ausnahmefall" verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.


Auch wenn es komisch klingt: je höher das Statusamt, desto stärker wird gegen die aA verstoßen.

Angesichts der massiven und fortdauernden Abschmelzung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen in den letzten 130 Jahren (siehe aktuelle Diskussion im Bundes-Thread) bin ich sofort bei dir. Gibt es noch weitere Argumente?


Ich denke und hoffe, dass die Geduld beim BVerfG zuende ist. Vielleicht auch deshalb die plötzliche "Hektik" beim Besoldungsgesetzgeber (Bund).

Yep. Ich hatte ja auch schon geunkt, ob es eventuell kürzlich ein kleines Telefonat zwischen Karlsruhe und Berlin gab.. 8)

NordWest

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« Antwort #8008 am: 05.09.2025 00:59 »
Genau darin liegt eben auch ein systemischer Fehler. Die Gerichte können am Ende nur feststellen, ob ein Gesetz verfassungswidrig war oder nicht - und warum. Das BVerfG versucht sich dann ein bisschen daran, Leitplanken zu setzen, belässt aber auch immer einen großen Gestaltungsspielraum. Was an und für sich richtig ist (da die Legislative Gesetze machen soll, nicht die Judikative) führt im Kombination mit extremen Bearbeitungszeiten aber zu einer Nichtdurchsetzbarkeit von Recht.

Wenn das BVerfG dann mal wieder ein paar Leitplanken eingezogen hat, dauert es zwei Jahre bs zur nächsten Serie von Gesetzentwürfen mit wilden Dreistigkeiten (zuletzt u.a. die Heranziehung des Partnereinkommens), dann wieder etliche Jahre bis zum nächsten BVerfG-Urteil.

In der Zwischenzeit finden wir zu wenige und zu schlechte Bewerber für den öffentlichen Dienst wegen schlechter Bezahlung. In der Zwischenzeit leben Beamte an oder sogar unter der Armutsgrenze. In der Zwischenzeit haben Beamtenfamilien zu wenig Geld für Urlaub und die Wünsche ihrer Kinder. In der Zwischenzeit gehen Anspürüche verloren. Und in der Zwischenzeit sterben ganze Kohorten von Pensionären bevor sie ihr Recht bekommen.

Knarfe1000

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« Antwort #8009 am: 05.09.2025 07:20 »

Angesichts der massiven und fortdauernden Abschmelzung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen in den letzten 130 Jahren (siehe aktuelle Diskussion im Bundes-Thread) bin ich sofort bei dir. Gibt es noch weitere Argumente?


Das genau meinte ich, das Abstands- und Spreizungsgebot innerhalb der Laufbahnen wird seit Urzeiten nicht mehr beachtet. Und das ist auch ein wichtiges Prüfkriterium hinsichtlich einer aA. Hier gab es ja schon Rechenbeispiele, wie groß der Abstand zwischen A 3 und A 16 vor 50 Jahren war und wie es heute aussieht. Wobei die Streichung von A 1 bis A 4 (?) das Problem ja nur noch weiter verschärft hat.