Autor Thema: [BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern  (Read 506995 times)

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #255 am: 20.09.2022 14:30 »
Ich finde den auch nirgends

Der Gesetzentwurf müsste, wo er nun vom Kabinett beschlossen und auf dem Weg gebracht wurde, eigentlich jederzeit bzw demnächst entweder auf der Seite vom Finanzministerium oder unter den Drucksachen des Bayerischen Landtages auftauchen.

algo86

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #256 am: 20.09.2022 15:16 »
vielleicht sind wir nächste Woche Dienstag nach der Plenarsitzung schlauer.
Leider gibt es noch keine Tagesordnung.

boysetsfire

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #257 am: 20.09.2022 15:46 »
Dort ist der Entwurf nicht zu finden.

Ooops, kann ja auch nicht, weil ich "Entwurf" mit "Stellungnahme" gedanklich in einen Topf geschmissen habe... sorry.

Beamter

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #258 am: 20.09.2022 22:29 »
Gibt es diesen Entwurf irgendwo zu lesen?
Auf der Homepage des Bayerischen Richtervereins. www.bayrv.de

Fragt eure Gewerkschaft. BBB, ver.di, wie auch immer. Denen liegt er schon länger vor. Und dafür sind sie erschreckend ruhig. Daher spannend, dass der BRV deren Aufgabe übernimmt.

Allerdings hat die wichtigen Punkte der Forist (Name gerade nicht mehr im
Kopf), der ales erstes dazu hier gepostet hat, bereits veröffentlich. Entspricht dem Entwurf wie er mir auch unter die Augen gekommen ist.

InVinoVeritas

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #259 am: 21.09.2022 00:00 »
Ich habe mal ein bisschen auf der Seite des BRV gestöbert und festgestellt, dass bereits zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Anpassung der Bezüge 2019/2020/2021 am 03.08.2020 eine entsprechende Stellungnahme veröffentlicht wurde:

https://www.bayrv.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/1519

Zitat
Die nachfolgende Stellungnahme in Besoldungsangelegenheiten ergeht anlässlich der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2020 (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18; im Folgenden: Beschluss I; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17; im Folgenden: Beschluss II), veröffentlicht am 28. und 29. Juli 2020.

1. Ausgangssachverhalt

Das BVerfG hat im Verfahren einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) die Verfassungswidrigkeit der Richterbesoldung im Land Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 (Beschluss I) sowie im Verfahren einer konkreten Normenkontrolle die Verfassungswidrigkeit der Alimentation von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten im Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss II) festgestellt.

In beiden Entscheidungen hat das BVerfG seine bereits mit Urteil vom 05.05.2015 (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u. a. –; im Folgenden: Urteil) aufgestellten Grundsätze zur fachgerichtlichen Überprüfung des Besoldungsniveaus der Richter und Staatsanwälte – und ebenso der Beamten – bestätigt, vertieft und erweitert.

Als auch für das Besoldungsniveau im Freistaat Bayern beachtliche Novation kann zunächst festgehalten werden, dass nach der neueren Rechtsprechung bereits die „Verletzung“ von selbst nur einem der insgesamt fünf „volkswirtschaftlich orientierten“ Parameter der sogenannte ersten Stufe ausreichen kann, um in einer weitergehende Prüfung des Vorliegens einer evident verfassungswidrig (zu) niedrigen Besoldung einzutreten (vgl. insb. LS 6 Beschluss I).

Hinzu tritt, dass der bislang in Bayern vernachlässigbare vierte Parameter, der systeminterne Besoldungsvergleich, eine weitere Ausprägung erfahren hat. Bei diesem ist nunmehr nicht mehr nur zu prüfen, ob das Besoldungsgefüge, namentlich unter Wahrung des besoldungsrechtlichen Abstandsgebots, „in sich“ stimmig ist. Vielmehr ist auch zu prüfen, ob das „unterste“ Besoldungsniveau dem Alimentationsanspruch gerecht wird und namentlich einen hinreichenden Abstand zur sozialrechtlichen Grundsicherung wahrt (vgl. insb. LS 5 Beschluss I).

Darüber hinaus sind, sofern auch nur ein Parameter eine Vermutung verfassungswidrig zu niedriger Besoldung indiziert, auf der zweiten Prüfungsstufe die alimentationsrelevanten Kriterien, hier insbesondere die qualitätssichernde Funktion des Besoldungsniveaus, zu überprüfen (vgl. LS 6 Beschluss I).

Daneben ist bei kinderreichen Richtern und Staatsanwälten – zusätzlich – in den Blick zu nehmen, ob deren Alimentation angesichts der Unterhaltspflicht für drei, vier oder noch mehr Kinder verfassungskonform ausgestaltet ist. Hieran fehlt es, wenn der verfassungsrechtlich gebotene Mindestabstand zu einer vergleichbaren sozialrechtlichen Grundsicherung fehlt (vgl. insb. LS 2 Beschluss II).

2. Bewertung

Die neue Rechtsprechung darf als Reaktion auf die Bemühungen zahlreicher Landesregierungen und Haushaltsgesetzgeber angesehen werden, die im Urteil von 2015 gezogenen „absoluten roten Linien“ möglichst haarscharf – also „gerade noch so“ – einzuhalten. Im Zuge verschiedener Sitzungen der Besoldungskommission des DRB wie auch Treffen der Besoldungsexperten der Landesverbände wurde deutlich, dass verschiedentlich „bis auf den letzten Cent“ Bemühungen unternommen worden sind, sich bis auf die zweite Nachkommastelle an die vorgegebenen Grenzen „heranzurechnen“. Das oft gefallene Schlagwort vom „Wettlauf der Schäbigkeit“ dürfte zutreffen.

Die „Idee“ der Konstruktion eines absoluten Mindestbesoldungsniveaus war bereits bei den Beratungen zum Urteil 2015 „in der Welt“. Seinerzeit stieß die Implementierung eines solchen Kriteriums am BVerfG auf Vorbehalte, weil damit allenfalls – wie jetzt auch geschehen – eine „Mindestbesoldung“ auf „niedrigster Stufe“, nämlich dem denkbaren niedrigsten Eingangsamt – im Freistaat Bayern derzeit A3 – möglich gewesen wäre und jetzt auch ist.

In der Erwartung auf eine gewisse „Organtreue“ des Bundes und der Länder war, auch vor dem Hintergrund des unverändert eröffneten Einschätzungsspielraums des Besoldungs- und Haushaltsgesetzgebers im Bund sowie in den Ländern, von einer solchen „Notmaßnahme“ Abstand genommen worden. Ausdrücklich überlassen beide Entscheidungen es konsequenterweise auch unverändert dem Besoldungsgesetzgeber, bei Feststellung einer evident verfassungswidrigen Unteralimentation mit Blick auf den nicht gewahrten Abstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau entsprechende Konsequenzen im Hinblick auf die vom „Tabellenfuß“ ausgehenden notwendigen Erhöhungen, sowohl „horizontal“ in den früheren Dienstalters- und heutigen Erfahrungsstufen als auch „vertikal“ in den „darüber liegenden“ höheren Besoldungsgruppen zu ziehen.

Insgesamt eröffnet die neue Rechtsprechung indessen einen deutlich früheren Einstieg in eine umfassende und namentlich nicht schon auf der (Vor-)Stufe rein volkswirtschaftlicher Prüfung „stehen bleibende“ Gesamtwürdigung, bei der ausdrücklich unter anderem auch in etwaiger Rückgang im Bewerbungs- und Einstellungsniveau, ausgehend von den Ergebnissen aller eingestellten Bewerber in den beiden Staatsprüfungen, Berücksichtigung zu finden hat (vgl. Beschluss I, Rn. 88: „<...> wenn in größerem Umfang Bewerber zum Zuge kommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen <„vollbefriedigend“ oder besser> erreicht haben.“).

3. Konsequenzen für den Freistaat Bayern

Bereits im Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Anpassung der Bezüge 2019/2020/2021 vom 14.05.2019 (LT-Drs. 18/4986, S. 55 f.) musste die bayerische Staatsregierung einräumen, dass jedenfalls einer der – damaligen – fünf Parameter in Bayern ganz eindeutig „gerissen“ ist, nämlich die Konvergenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Nominallohnentwicklung über die vergangenen 15 %. Diese hat sich um 6,57 % zu Lasten der Richter, Staatsanwälte und Beamten auseinanderentwickelt. Ähnliches, aber unter der relevanten 5,0 %-Schwelle, gilt für die Konvergenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der öffentlichen Tariflohnentwicklung, hier hat die Beamtenbesoldung 1,27 % „verloren“.

Durch die dem letzten Tarifabschluss entsprechenden Besoldungserhöhungen per 01.01.2019 (+ 3,2 %) sowie per 01.01.2020 (+ 3,2 %) wie auch durch die derzeit noch kommende weitere Erhöhung per 01.01.2021 (+ 1,4 %) einerseits als auch durch den Anstieg des Nominallohnniveaus 2019 (+ 2,6 %) hat und wird sich an beiden Parameterbewertungen nichts, insbesondere nichts Signifikantes, ändern.

Es darf insoweit festgestellt werden, dass auch nach bisheriger Rechtsprechung immerhin ein „Besoldungs-Parameter“ für die Vermutung einer verfassungswidrig niedrigen Besoldung auch in Bayern spricht.

Nach der neuen Rechtsprechung kann dies nun auch für den bislang vernachlässigbaren vierten Parameter festgestellt werden: Die verfassungsrechtlich gebotene Mindestalimentation am „Tabellenfuß“, A3 Erfahrungsstufe 2, liegt – deutlich – unter dem sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau in der Betrachtung des BVerfG. Selbst auf dem Besoldungsniveau 2020 ließe sich ein Erreichen des von Verfassungs wegen geforderten Mindestniveaus dieser „Eingangsbesoldung“ im Jahre 2015 nicht positiv feststellen.

Das Gleiche gilt für die Alimentation kinderreicher Familien, nachdem hier der gegenwärtige „Zuschlag“ in Gestalt des Familienzuschlags der Stufen 4 (drei Kinder) und 5 (vier Kinder) nicht dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestniveau über der sozialrechtlichen Grundsicherung besteh.

Bei der vor diesem Hintergrund gebotenen Gesamtwürdigung, auch des einzig für den Freistaat Bayern „positiven“ fünften Parameters, des Vergleichs mit der durchschnittlichen Besoldung im Bund und den übrigen Ländern, sofern deren Besoldungsniveau nicht ihrerseits evident verfassungswidrig ist, ergibt sich angesichts der auch im Freistaat Bayern in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunkenen Einstellungsvoraussetzungen meines Erachtens eine hinreichend berechtigte Annahme, dass – auch – im Freistaat Bayern ein evident verfassungswidriges Besoldungsniveau vermutet werden kann.

Die in beiden Entscheidungen betonte (nur) ausnahmsweise Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer vorübergehenden Unteralimentation vermag ich gegenwärtig nicht zu erkennen, nachdem hierfür der Nachweis für gleichheitsgerecht erwirtschafteten Einsparungen seitens der bayerischen Staatsregierung erforderlich wäre (vgl. insb. Beschluss I, Rn. 179).

4. Conclusio

Zusammenfassend erlaube ich mir als Referent für das Dienstrecht und Besoldungswesen gegenüber dem Landesvorstand im Zuge der vorliegenden Stellungnahme die Empfehlung auszusprechen, alle Mitglieder des Bayerischen Richtervereins über die aktuelle Entwicklung in der vorgenannten Rechtsprechung zu informieren.

Zur Durchsetzung und Wahrung etwaig individuell zu verfolgen beabsichtigter Ansprüche wäre meines Erachtens die (zeitnahe) Stellung eines Antrags auf verfassungskonforme Besoldung, gegebenenfalls auch unter ausdrücklicher Erweiterung auf verfassungskonforme Alimentation kinderreicher Familien, zu stellen (vgl. insoweit auch Beschluss I, Rn. 183; Beschluss II, Rn. 95).

In der Vergangenheit waren „Widersprüche“ gegen die (letzte) Bezügemitteilung von Amts wegen in entsprechende Anträge umgedeutet – und anschlieI end als solche zurückgewiesen – worden. Aufgrund der gegenwärtigen Praxis, mit jeder Bezügemitteilung eine Art „negative“ Rechtsbehelfsbelehrung zu übersenden, aus der hervorgeht, dass jedenfalls die Landesverwaltung in der Bezügemitteilung nur eine informatorische Unterrichtung erblickt, besteht die Möglichkeit, dass erneute „Widersprüche“ entweder ignoriert oder schlichtweg formlos „zurückgewiesen“ werden.

Ob und inwieweit dies vor dem Hintergrund, dass insbesondere im zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren, dessen Normenkontrollvorlage zum Ergehen des Beschlusses I geführt hat, im Land Berlin „Widersprüche“ und anschlieI end sodann Anfechtungs- und Feststellungsklagen erhoben worden sind (Verfahrensgang: VG Berlin, Urt. v. 21.11.2012 – 26 K 255.09 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.10.2016 – OVG 4 B 37.12 – juris; – jeweils Klageabweisung –; sodann BVerwG, Vorlagebeschluss v. 22.09.2017 – 2 C 56/16 u. a. –, juris) haltbar wäre, vermag ich gegenwärtig nicht abschlieI end zu beurteilen.

Die bayerische Verwaltungsgerichtsrechtsprechung tendiert aber offenbar dazu, die richtige Klageart für das Begehren auf angemessene Besoldung die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) als – einzig – statthafte Klageart anzusehen (so BayVGH, Urt. v. 23.10.20218 – 3 BV 16.382 –, juris, Rn. 15), was gegen die Statthaftigkeit eines regelmäI ig zur Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) führenden Widerspruchs spricht.

Richter am Landgericht Dr. Dirk Diehm
Oberlandesgericht Bamberg

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #260 am: 21.09.2022 08:22 »
Die Stellungnahme zeigt ein weiteres Mal, dass der BRV anders als bspw. der BBB die Rechtsprechung und Gesetzeslage kontinuierlich im Blick hatte, was ihn von vielen Gewerkschaften und anderen Verbänden in Deutschland unterscheidet, und weist zugleich ebenso auf dessen Lernfähigkeit hin, die thematisch ebenfalls entscheidend ist, um in nächster Zeit einen Besoldungsgesetzentwurf in Deutschland vor dessen Verabschiedung sachlich zu kippen. Denn in den Darlegungen von 2020 wird zunächst noch die Kategorie der Mindestalimentation sachlich nicht ganz korrekt, nämlich dort als "Mindestbesoldung" bezeichnet, begriffen, auch hatte der BRV noch nicht darauf hingewiesen, dass Bayern bis dahin regelmäßig gar keine Bemessungen zur Mindest- und gewährten Nettoalimentation durchgeführt hatte, und schließlich fehlte noch der Verweis auf die Prozeduralisierung als "zweite Säule" des Alimentationsprinzips, deren unzureichende Aufrichtung zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt. All das ist in der aktuellen Stellungnahme korrigiert worden; jene bietet sachlich gute Voraussetzungen, um nun auch in Bayern den nötigen Kampf gegen die Windmühlen anzugehen.

Bayern wäre und wird, sofern dort die Gewerkschaften und Verbände plietsch sind, nun als nächstes Bundesland neben Bremen und Hessen ein idealer Standort für die entsprechende Kontrolle der legislativen und exekutiven Gewalt werden, da in allen drei Ländern Landtagswahlen stattfinden. Denn wie in diesem Jahr die Beispiele Schleswig-Holstein und Niedersachsen gezeigt haben, kann man zu Landtagswahlen tiefe Breschen in die sachlich unzureichenden Begründungen schlagen, um den materiell nicht hinreichenden Gehalt der Alimentation nachzuweisen, soll heißen, den verfassungswidrigen Gehalt der geplanten Gesetzgebung nachzuweisen. Auf diese Vorarbeiten sowie die des TBB in Thüringen, dem es ebenso gelungen ist, dass sich der Landtag schließlich ebenso gezwungen sah, dessen Wissenschaftlichen Dienst einzuschalten, kann man nun in Bayern, Bremen und Hessen systematisch zurückgreifen, wenn man vonseiten der Gewerkschaften und Verbände im Sinne der eigenen Auftragsstellung, für die Rechte und Belange seiner Mitglieder zu streiten, handeln möchte. In Bremen wird man ggf. noch den Rückenwind der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nutzen können und in Hessen ist die Bresche durch die bereits politisch ausgefochtenen Auseinandersetzungen im Zuge der VGH-Entscheidung beträchtlich groß.

Sobald es gelingt, sachlich präzise Kritik an dem Gesetzentwurf zu üben, sodass sich die politischen Akteure gezwungen sehen, den Wissenschaftlichen Dienst auch öffentlich sichtbar in den Gesetzgebungsprozess einschalten zu müssen, die eigenen Mitglieder zu aktivieren und schließlich die Medien auf das Thema aufmerksam zu machen, wird es nicht (mehr) ganz so einfach werden, vor Landtagswahlen ohne Weiteres verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden. Das zeigt aktuell erneut das niedersächsische Beispiel, das ebenso wie zuvor Thüringen und Schleswig-Holstein die nächste Bresche in die Phalanx derer geschlagen hat, die nach Möglichkeit eine geschlossene Zustimmung in den Parteien anstreben. Hier in Niedersachsen hat sich nun mit der FDP eine Partei zur Ablehnung entschieden und werden die Grünen immerhin nicht (mehr) zustimmen. Das war in Schleswig-Holstein noch anders; denn dort gab es entsprechend keine Ablehnung. Es kann also gelingen, insbesondere demokratischen Parteien, denen in Landtagswahlen deutlich wird, dass ihre Chance auf eine Regierungsbeteiligung nach der Wahl gering bis gen Null tendierend sein wird, entsprechend zu aktivieren, womit die Auseinandersetzung ins Parlament getragen werden kann, was die Wahrscheinlichkeit der Aktivierung der Medien erhöht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Wenn die Gewerkschaften und Verbände in den drei genannten Ländern ab jetzt politisch klug handeln, wird es für die Exekutive immer schwieriger, die Bedingungen für eine geplant geräuschlose Verabschiedung durch die Legislative zu bereiten. Schauen wir also mal, ob die Gewerkschaften und Verbände auch in Bayern, Bremen und Hessen nun anfangen, strategisch zu denken. Für jede der drei Länder sind die Bedingungen nun besser - und würden mit jeder weiteren Auseinandersetzung nur umso besser - als zuvor erst in Thüringen, danach noch in Schleswig-Holstein und derzeit noch in Niedersachsen. In allen drei Ländern sind allerdings die Breschen nacheinander immer größer geworden. Gewerkschaften und Verbänden, die analytisch vorgehen, dürfte das nicht verborgen bleiben, denke ich.
« Last Edit: 21.09.2022 08:32 von SwenTanortsch »

Rentenonkel

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #261 am: 21.09.2022 11:48 »
Ehrlicherweise habe ich den Glauben daran verloren, dass eine Wahl irgendetwas ändert. Es ist erschreckend, wie sich die Argumente in den Parlamenten der 17 Besoldungsgesetzgeber ähneln und doch die Protagonisten ein jeweils anderes Parteibuch haben.

Es ist egal, welche Parteien an der Macht sind: Die Regierungsparteien streben eine möglichst kostengünstige Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG an, während die Opposition immer die Verfassungsmäßigkeit der vorgeschlagenen Regelung hinterfragt. Dieses Hinterfragen verstummt allerdings, sobald die bisherige Oppostionspartei auf einmal in der Regierungsverantwortung steht. Dann auf einmal erscheint der Gesetzesvorschlag dann doch verfassungsgemäß, weil man andernfalls teure Wahlversprechen nicht einhalten könnte. Auch ist erstaunlich, dass Parteikollegen ein und derselben Partei, die in einem Bundesland in der Verantwortung und in einem anderen in der Opposition stehen, die notwendigen Änderungen bei der Beamtenbesoldung völlig unterschiedlich bewerten.

Es gibt meines Wissens leider nur eine einzige Partei, die in mehreren Parlamenten vertreten ist und sich über alle Landesgrenzen hinweg immer für eine verfassungsgemäße Alimentation einsetzt.

Diese Partei würde ich persönlich jedoch niemals wählen. Zum einen, weil ich bezweifel, dass sie tatsächlich mit beiden Beinen auf dem Grundgesetz steht und zum anderen, weil ich glaube, dass auch diese Partei ihre Meinung ändern würde, wenn sie tatsächlich Regierungsverantwortung tragen müsste. Daher ist sie für mich zumindest keine wirkliche Alternative.

Meine Hoffnung liegt eher in der Judikative, deren Geduld sich nun dem Ende zu neigen scheint. Ich glaube nicht, dass sich die Politik mit der Rechtsprechung anlegen möchte. Falls doch, wird auch die Richterschaft hoffentlich daran interessiert sein, die Verfahren gegen die Besoldung viel zügiger als üblich zum Abschluss zu bringen.
« Last Edit: 21.09.2022 11:59 von Rentenonkel »

SwenTanortsch

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #262 am: 21.09.2022 12:32 »
Ich kann nicht zuletzt auch das, was Du im ersten Absatz schreibst, Rentenonkel, gut verstehen - und doch hat sich hier in Niedersachsen bereits schon etwas mehr getan, da es unter anderem gelungen ist, dass es nun morgen im Landtag Gegenstimmen geben und zuvor eine kontroverse Debatte geben wird. Offensichtliches Ziel der Landesregierung war es ursprünglich, so wie bspw. letztes Jahr in Berlin, über eine Einstimmigkeit die Debatte im Parlament zu umgehen. Das wird nun auch hier in Niedersachsen nicht (mehr) der Fall sein; dieses Ziel haben die Regierungsparteien nicht erreicht. In Hessen zeigt sich wiederum, dass, wenn das Thema erst einmal kontrovers im Landtag war/ist, die Wahrscheinlichkeit sich deutlich erhöht, dass es auch medial betrachtet wird. Die mediale Öffentlichkeit macht es wiederum den Parteien schwieriger, das Thema möglichst geräuschlos abzuräumen. Deswegen kann man auch die Anfragen unter abgeordnetenwatch.de hier in Niedersachsen durchaus als einen Erfolg betrachten. Denn auch das hat mit dazu geführt, dass in Teilen der Parteien interne Gespräche vollzogen wurden (also insbesondere zwischen Abgeordneten).

Mit jedem Gesetzgebungsverfahren, das eben nicht geräuschlos vollzogen werden kann, wird es für die Parteien auch in anderen Besoldungsrechtskreisen schwieriger, ihr entsprechendes Handeln verfassungskonform erscheinen zu lassen. Irgendwann wird es einer Regierung nicht mehr gelingen, den Schein so weit zu wahren, dass nicht erste Kompromisse nötig werden - das Beispiel Hessen zeigt das bereits. Deswegen muss sich nicht wieder der Glaube an die Politik herstellen. Aber ohne Engagement von unten wird sich eher noch weniger ändern. Zugleich gehen Vorlagen, die es in die parlamentarische Arbeit schaffen, am Ende ebenso mit nach Karlsruhe. Es ist dabei, denke ich, zu bezweifeln, dass es am Ende ohne entsprechenden Druck von außen zu einem solchen schriftlichen Bericht wie nun hier in Niedersachsen gekommen wäre, der deutlich macht, dass hier letztlich kaum von einem verfassungskonformen Gesetz ausgegangen werden kann: https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen%5F18%5F12500/11501-12000/18-11738.pdf Das wird man auch in Karlsruhe entsprechend lesen - und die Antwort des Autors jener Zeilen zeigt gleichfalls noch einmal, dass wissentlich und willentlich gegen die zwingend vom Gesetzgeber zu erfüllenden prozeduralen Anforderungen verstoßen worden ist: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/eike-holsten/fragen-antworten/welcher-grundsicherungsbetrag-wird-im-gesetzesentwurf-zur-amtsangemessenen-alimentation-drs-18/11498-als Da der Gesetzgeber wiederholt darauf hingewiesen worden ist und zugleich gewissenhaft die prozeduralen Anforderungen den Abgeordneten dargelegt worden sind, kann er kaum sagen, er habe von nichts gewusst.

Leider haben wir es hier in Niedersachsen nicht geschafft, über den Rundblick hinaus noch weitere Medien für das Thema zu interessieren - sicherlich auch, weil es der Regierung zunächst noch gelungen ist, dass die Erste Lesung im Parlament nicht stattfinden musste. Aber am Ende ist der instrumentelle Charakter des Gesetzgebungsverfahren genauso wie die Verfassungswidrigkeit des Entwurfs in den letzten Wochen mehr als deutlich nachgewiesen worden. Und all das wird nun als Teil des Gesetzgebungsverfahrens ebenso nach Karlsruhe gehen und dort sicherlich mit Interesse zur Kenntnis genommen werden. Die Dekonstruierung der politischen Interessen im Gesetzgebungsverfahren werden entsprechend auch, da auch sie, die Interessen, als Teil der gerichtlichen Kontrolle in der Prüfung des Gesetzes nun betrachtbar sind, in Karlsruhe ruhig und gewissenhaft geprüft werden. Entsprechend greifen die politische und juristische Arbeit gegen verfassungswidrige Gesetze Hand in Hand. Deswegen habe ich vorhin geschrieben, ohne strategisches Handeln vonseiten der Gewerkschaften und Verbände wird sich nichts bewegen. Findet sich ein strategisches Handeln, wird eines der drei Gesetzgebungsverfahren in Bayern oder Bremen oder Hessen im nächsten Jahr kippen. Schauen wir also mal, ob man dort die Gesetzgebungsverfahren insbesondere in Thüringen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen analysieren wird.

domi1972

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #263 am: 21.09.2022 14:20 »
Der Gesetzentwurf zur Reform des Familienzuschlags wird demnächst veröffentlicht. Trotz mehrerer Interventionen gab es zwischenzeitlich keine beachtlichen Änderungen. Hier meine persönliche Interpretation des Gesetzentwurfs:

Die Forderungen des BVerfG will die Staatsregierung wie folgt umsetzen: Bezugsgröße der Alimentation (Besoldung und Versorgung) ist nicht mehr der alleinverdienende Beamte (der eine vierköpfige Familie ernähren können muss), sondern die pauschale Unterstellung, dass der Partner des Beamten über eigenes Einkommen verfügt.

Während andere Bundesländer bereits ähnliche Wege eingeschlagen haben, gab es dort wenigstens noch Verbesserungen bei niedriger Besoldung (z.B. durch Streichung der ersten Stufe, durch Abschaffung der Besoldungsgruppen A3 bis A5 oder sogar durch prozentuale Anhebung der gesamten Besoldungstabelle). Bayern hingegen verabschiedet sich als selbst gepriesener Spitzenreiter, indem es bewusst Verschlechterungen für künftige Beamte vornimmt.

Finanzielle Gewinner:
- Empfänger des Kinderzuschlags (in mittleren Mietenstufen tendenziell mehr als in oberen und unteren)
- in Mietenstufe VII ledige Beamte ab A10 Stufe 9
- Beamten-Ehepaare (außer in Mietenstufe VII unterhalb von A10 Stufe 9)
- in Mietenstufe VII ab 2023 pensionierte ledige Beamte

Finanzielle Verlierer:
- ab 2023 heiratende und „verwitwende“ Beamte (besonders stark in Mietenstufe VII)
- ledige und verheiratete Neuzugänge in Gemeinden des „Verdichtungsraums München“ unterhalb der Mietenstufe VII

Übergangene Gruppen:
- Ledige und Verheiratete unter A10 Stufe 9 (besonders in Mietenstufe VII)
- bestehende Versorgungsempfänger in Mietenstufe VII

Die unten stehenden Rechenbeispiele vergleichen die ab 12/2022 gültigen Beträge mit den geplanten Zuschlägen ab 01/2023.

Die Änderungen werden auf Versorgungsempfänger übertragen. Dabei wird die neue Stufe L (bisherige Ballungsraumzulage) ruhegehaltfähig; dies gilt allerdings erst für Pensionierungen ab 2023, wodurch eine Ungleichheit gegenüber den vorher eintretenden bzw. eingetretenen Versorgungsfällen entsteht.

Eine Bestandsregelung ermöglicht, dass Verschlechterungen bei vorhandenen Beamten ausgeglichen werden (ebenso bei Versorgungsempfängern). Ihnen wird die Differenz zum bisher höheren Familienzuschlag weitergezahlt; dieser eingefrorene Betrag wird bei Besoldungsanpassungen allerdings nicht mehr angehoben und somit von der Inflation aufgezehrt.

* * *

Stufe L (bisherige Ballungsraumzulage)
= Ledige, Verwitwete und Geschiedene (ohne Kindergeldberechtigung)

Dieser Personenkreis bekommt 136,21, allerdings nur in Mietenstufe VII.

Verbesserung:
Die bisherige Ballungsraumzulage wurde nur bis zu einem Grenzbetrag gezahlt (also nicht mehr in höheren Besoldungsgruppen). Die neue Stufe L hingegen wird ohne Grenzbetrag gezahlt. Davon profitieren in Mietenstufe VII ledige Beamte ab A10 Stufe 9 aufwärts (hier werden sogar Nachzahlungen ab 2020 erfolgen, die verfassungsrechtlich gar nicht erforderlich sind).

In diesem Zusammenhang ist aber eine fehlende Verbesserung für Ledige und Verheiratete (ohne Kindergeldberechtigung) in unteren Besoldungsgruppen zu bemängeln.

Verschlechterung:
Die bisherige Ballungsraumzulage basierte auf einem Wohnsitz im "Verdichtungsraum München". Die neue Stufe L hingegen ergibt sich aus der Mietenstufe des Wohnsitzes. In folgenden Gemeinden, die zwar zum "Verdichtungsraum München" gehören, die aber zu einer niedrigeren Mietenstufe als VII gehören, führt dies bei Neuzugängen zum Wegfall der Berechtigung (bei vorhandenen Beamten wird der Wegfall durch die Bestandsregelung ausgeglichen):

Alling, Anzing, Berg, Ebersberg, Eching, Eichenau, Emmering, Erding, Feldafing, Feldkirchen, Forstern, Forstinning, Freising, Garching, Grafrath, Hallbergmoos, Hebertshausen, Herrsching, Kottgeisering, Krailling, Maisach, Mammendorf, Oberschweinbach, Olching, Ottenhofen, Pliening, Pöcking, Röhrmoos, Schöngeising, Seefeld, Taufkirchen, Türkenfeld, Tutzing, Vierkirchen, Weßling, Wörth, Wörthsee, Zorneding

Gerade in Rathäusern der o.g. Kommunen wird dies zu Ungleichheiten führen: Angestellte erhalten die Ballungsraumzulage wie bisher (laut Tarifvertrag im "Verdichtungsraum München") und verbeamtete Neuzugänge haben wegen der niedrigeren Mietenstufe keinen Anspruch.

Ähnliche Verwerfungen gibt es bereits, weil manche Kommunen die Ballungsraumzulage für Angestellte verdoppelt haben (wohingegen Beamte wegen des Gesetzesvorbehalts leer ausgehen mussten). In diesem Zusammenhang wurde die Chance zur Anhebung der bisherigen Ballungsraumzulage vertan (obwohl dringend nötig). Die Ungleichheit zwischen Beamten und Angestellten in den betroffenen Kommunen bleibt somit bestehen. Nicht zuletzt kann die Höhe der Stufe L die tatsächlichen Mehrbedarfe in Mietenstufe VII nicht abdecken.

* * *

Stufe V (bisher Stufe 1)
= Verheiratete (inkl. LPartG) und in eigener Wohnung Pflegende (ohne Kindergeldberechtigung)

20,85 in Mietenstufe I-IV
34,05 in Mietenstufe V
68,11 in Mietenstufe VI
136,21 in Mietenstufe VII

(bisher: 142,52 bzw. 149,64 einheitlich)

Verbesserung:
Wenn beide Ehepartner Anspruch auf den Verheirateten-Zuschlag haben (beide Beamte), wird nicht mehr halbiert (unterhalb der Mietenstufe VII sowie in der Mietenstufe VII ab A10 Stufe 9 werden sogar Nachzahlungen ab 2020 erfolgen, die verfassungsrechtlich gar nicht erforderlich sind).

Verschlechterungen:
- wer ab 2023 heiratet, bekommt einen geringeren Zuschlag als zuvor
- ein Wohnort mit niedrigerer Mietenstufe verringert den Verheirateten-Zuschlag (bisher war der Zuschlag unabhängig vom Wohnort gleich hoch)
- Verwitwete und Geschiedene mit Unterhaltsverpflichtung bekommen die Stufe nicht mehr
- in Mietenstufe VII wird nur noch Stufe V gezahlt (136,21); zuvor bekam der Personenkreis Stufe 1 plus Ballungsraumzulage (= 271,14 bzw. 278,06)
- in Mietenstufe VII bekommen Ledige und Verheiratete nurmehr den gleichen Zuschlag

* * *

Stufe 1 (bisher Stufe 2)
= Gesamtbetrag für ein Kind (egal ob verheiratet/ledig usw.)

277,58 in Mietenstufe I-III
296,57 in Mietenstufe IV
315,56 in Mietenstufe V
334,55 in Mietenstufe VI
436,84 in Mietenstufe VII - hier entfällt aber die bisherige Ballungsraumzulage!

A3-A10 bekommen einen Erhöhungsbetrag (gestaffelt nach Mietenstufe) zwischen 7,30 bis 48,95

(bisher: 276,65 bzw. 270,46 bzw. 277,58)

Beispiel 1:
Verheiratet, A8, 1 Kind, Mietenstufe III
bisher: 270,46 (Stufe 2)
nunmehr: 299,25 (Stufe 1 + Erhöhungsbetrag) = 28,79 mehr!

Beispiel 2:
Verheiratet, A8, 1 Kind, Mietenstufe V
bisher: 270,46 (Stufe 2)
nunmehr: 342,01 (Stufe 1 + Erhöhungsbetrag) = 71,55 mehr!

Beispiel 3:
Verheiratet, A8, 1 Kind, Mietenstufe VII
bisher: 443,00 (Stufe 2 + Ballungsraumzulage mit Erhöhungsbetrag)
nunmehr: 468,43 (Stufe 1 + Erhöhungsbetrag) = 25,43 mehr!

* * *

Stufe 2 (bisher Stufe 3)
= Gesamtbetrag für zwei Kinder (egal ob verheiratet/ledig usw.)

405,52 in Mietenstufe I-II
434,05 in Mietenstufe III
462,58 in Mietenstufe IV
491,11 in Mietenstufe V
554,41 in Mietenstufe VI
627,87 in Mietenstufe VII - hier entfällt aber die bisherige Ballungsraumzulage!

A3-A10 bekommen einen Erhöhungsbetrag (gestaffelt nach Mietenstufe) zwischen 7,30 bis 48,95 (pro Kind!)

(bisher: 398,40 bzw. 405,52 plus Erhöhungsbeträge in A3-A5)

Beispiel 1:
Verheiratet, A8, 2 Kinder, Mietenstufe III
bisher: 398,40 (Stufe 3)
nunmehr: 477,39 (Stufe 2 + Erhöhungsbetrag) = 78,99 mehr!

Beispiel 2:
Verheiratet, A8, 2 Kinder, Mietenstufe V
bisher: 398,40 (Stufe 3)
nunmehr: 544,01 (Stufe 2 + Erhöhungsbetrag) = 145,61 mehr!

Beispiel 3:
Verheiratet, A8, 2 Kinder, Mietenstufe VII
bisher: 607,27 (Stufe 3 + Ballungsraumzulage mit Erhöhungsbetrag)
nunmehr: 691,05 (Stufe 2 + Erhöhungsbetrag) = 83,78 mehr!

* * *

Stufe 3 (bisher Stufe 4)
= Erhöhungsbetrag für das dritte Kind (egal ob verheiratet/ledig usw.)

405,52 (Stufe 2) + 396,51 (drittes Kind) = 802,03 in Mietenstufe I-II
434,05 (Stufe 2) + 408,41 (drittes Kind) = 842,46 in Mietenstufe III
462,58 (Stufe 2) + 420,66 (drittes Kind) = 883,24 in Mietenstufe IV
491,11 (Stufe 2) + 433,28 (drittes Kind) = 924,39 in Mietenstufe V
554,41 (Stufe 2) + 446,28 (drittes Kind) = 1000,69 in Mietenstufe VI
627,87 (Stufe 2) + 459,66 (drittes Kind) = 1087,53 in Mietenstufe VII - hier entfällt aber die bisherige Ballungsraumzulage!

A3-A10 bekommen einen Erhöhungsbetrag (gestaffelt nach Mietenstufe) zwischen 7,30 bis 48,95 (pro Kind!)

(bisher: 794,91 bzw. 802,03 plus Erhöhungsbeträge in A3-A5)

* * *

Stufe 4 ff. (bisher Stufe 5 ff.)
= Erhöhungsbetrag für das vierte Kind und weitere Kinder (egal ob verheiratet/ledig usw.)

405,52 (Stufe 2) + 396,51 (Stufe 3) + 474,69 (pro weiteres Kind) = 1276,72 in Mietenstufe I-II
434,05 (Stufe 2) + 408,41 (Stufe 3) + 512,64 (pro weiteres Kind) = 1355,10 in Mietenstufe III
462,58 (Stufe 2) + 420,66 (Stufe 3) + 550,96 (pro weiteres Kind) = 1434,20 in Mietenstufe IV
491,11 (Stufe 2) + 433,28 (Stufe 3) + 589,64 (pro weiteres Kind) = 1514,03 in Mietenstufe V
554,41 (Stufe 2) + 446,28 (Stufe 3) + 628,69 (pro weiteres Kind) = 1629,38 in Mietenstufe VI
627,87 (Stufe 2) + 459,66 (Stufe 3) + 668,14 (pro weiteres Kind) = 1755,67 in Mietenstufe VII - hier entfällt aber die bisherige Ballungsraumzulage!

A3-A10 bekommen einen Erhöhungsbetrag (gestaffelt nach Mietenstufe) zwischen 7,30 bis 48,95 (pro Kind!)

(bisher: 1191,42 bzw. 1198,54 plus Erhöhungsbeträge in A3-A5)

domi1972

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #264 am: 21.09.2022 14:22 »
Nachtrag: Sich ergebende Nachzahlungen erfolgen rückwirkend ab 2020 (auch ohne Widerspruch oder Klage; bei Versorgungsempfängern nur für den Kinderzuschlag). Dabei wird der alte Familienzuschlag (inkl. Ballungsraumzulage) mit dem neuen Ortszuschlag verglichen; wenn Letzteres das Erstere übersteigt, wird der Unterschiedsbetrag nachgezahlt. Ansprüche aus 2019 und früher werden nur nachgezahlt, wenn über Widerspruch bzw. Klage bezüglich der Alimentation eines dritten bzw. weiteren Kindes noch nicht entschieden worden ist.

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #265 am: 21.09.2022 14:30 »
Die Verwaltungsrichter in Bayern freuen sich bestimmt schon auf die kommenden Jahre.  ;D ;D

domi1972

  • Gast
Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #266 am: 21.09.2022 14:32 »
Aus den Einwendungen:

Vor dem Hintergrund, die Alimentation kinderreicher Familien verbessern zu wollen, erscheinen die darüber hinaus gehenden Verbesserungen für Beamten-Ehepaare und Ledige ab A10 Stufe 9 geradezu wahllos, solange es andere Gruppen gibt, die ebenfalls faktische Mehrbedarfe nachweisen können (Ledige und Verheiratete unter A10 Stufe 9, besonders in Mietenstufe VII, sowie Versorgungsempfänger in Mietenstufe VII). Wenn die Reform auf „tatsächliche Bedarfe“ abstellen will, muss sie begründen, warum in vergleichbaren Fällen trotzdem nur einzelne Gruppen begünstigt werden.

In diesem Zusammenhang muss gefragt werden, ob die Nachzahlungen unter den Maßgaben des neu einzuführenden Mehrverdiener-Prinzips (mit Wirkung für die Zukunft) überhaupt ausreichend sein können, eine reparierende Rückwirkung auf die bisher verfassungswidrige Alimentation bzw. auf das bisherige Alleinverdiener-Prinzip zu haben. Das neue Mehrverdiener-Prinzip kann zwar für die Zukunft eingeführt werden; für die Vergangenheit gelten aber weiterhin die bisherigen Bedingungen, die sich als verfassungswidrig herausgestellt haben.

Bei der vorliegenden Reform geht der Gesetzgeber ausdrücklich von einem eigenen Einkommen bei allen Beamten-Ehepartnern aus, das pauschal auf einen fünfstelligen Betrag gemünzt wurde. Davon abweichende Fälle, die z.B. über ein deutlich geringeres oder gar kein Einkommen verfügen (z.B. bei Kinderbetreuung, Haushaltsführung, Arbeitslosigkeit, Krankheit), werden vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Wenn der Gesetzgeber vom Alleinverdiener-Prinzip abrücken will, muss er zwangsläufig eine individualisierte Berücksichtigung des Partner-Einkommens vornehmen, um nicht Ungleichheiten und Benachteiligungen zu schaffen; dies könnte einzelfallbezogen oder durch mehrere Staffelungen erfolgen (z.B. durch mehrere Grenzbeträge für das Partner-Einkommen). Wenn der Gesetzgeber dann auf die staatliche Grundsicherung für den Partner verweist, müsste er dies folglich auch bei den Kindern anstellen: Muss der Partner notfalls auf das Sozialsystem zurückgreifen, gäbe es keinen Grund, dies nicht auch von den Kindern zu erwarten und letztlich jegliche familienbezogenen Bestandteile der Besoldung aufzugeben; dies würde allerdings die Wettbewerbsfähigkeit des Beamtentums nochmals deutlich verschlechtern. Eine völlige Abkehr vom Alleinverdiener-Prinzip wird also verfassungswidrig sein, wenn abstrakt jedem Partner ein ausreichend hohes Einkommen unterstellt und keine Differenzierung nach Bedürftigkeit des Partners vorgenommen wird.

domi1972

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Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #267 am: 21.09.2022 14:35 »
Aus der Gesetzesbegründung, erster Teil:

Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, die familien- und fortan wieder ortsbezogenen Besoldungs-bestandteile den aktuellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechend neu auszu-richten. Die Besoldung der Beamten und Beamtinnen sowie Richter und Richterinnen soll dafür künftig wieder stärker von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig gemacht werden. Einerseits soll dabei eine ortsbezogene Besoldungskomponente (wieder) eingeführt werden, um den mittlerweile örtlich wieder deutlich stärker differierenden Lebenshaltungskosten (v. a. Wohnkosten) Rechnung zu tragen. Andererseits soll eine Abkehr von dem Familienbild der Alleinverdiener-Familie als Bezugsgröße der Besoldung hin zur Mehrverdiener-Familie als zeitgemäßer und die gesellschaftliche Realität deutlich besser widerspiegelnder Bezugsgröße erfolgen. Die Neuausrichtung soll auf die Versorgungsempfänger und Versorgungsempfänge-rinnen übertragen werden.

Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist eine systematische Neuausrichtung der an die familiären und fortan auch wieder an die örtlichen Verhältnisse anknüpfenden Besoldungsbe-standteile. Hierfür werden die bisherigen Regelungen des Familienzuschlags durch Ergänzung einer Ortskomponente und einer neuen Stufe L für ledige Beamte und Beamtinnen sowie Rich-ter und Richterinnen zu einem Orts- und Familienzuschlag erweitert und künftig wieder stärker an den tatsächlichen Lebensverhältnissen der Beamten und Beamtinnen sowie Richtern und Richterinnen ausgerichtet.

Die zu gewährenden Beträge werden entsprechend neu bemessen. Die Beträge orientieren sich dabei künftig an der Mehrverdiener-Familie als neuer und v. a. die tatsächlichen Verhältnisse in der modernen Gesellschaft widerspiegelnder Bezugsgröße für die Bestimmung der orts- und familienbezogenen Besoldungsbestandteile.

Die Tabelle des Orts- und Familienzuschlags wird mit einer aufsteigenden Staffelung versehen, welche der mit steigender Familiengröße überproportional ansteigenden Belastung durch Wohn- und Lebenshaltungskosten Rechnung trägt. Außerdem werden die bisher für die Besol-dungsgruppen A 3 bis A 5 gewährten Kindererhöhungsbeträge angehoben und fortan bis ein-schließlich Besoldungsgruppe A 10 gewährt, um die überproportionale Belastung von Familien mit unteren und mittleren Einkommen durch Wohn- und Lebenshaltungskosten zu berücksich-tigen.

Im Zuge dieser systematischen Neuausrichtung werden die familien- und künftig auch wieder ortsbezogenen Bezügebestandteile insgesamt umfassend modernisiert und das bisherige Sys-tem des Familienzuschlags prinzipiell vereinfacht, wobei sowohl Regelungen im Hinblick auf den Verwaltungsvollzug vereinfacht wie auch nicht mehr zeitgemäße Regelungen aufgegeben werden.

Ausgehend vom Grundsatz der Akzessorietät von Besoldung und Versorgung und angesichts dessen, dass das Alimentationsprinzip auch für Versorgungsberechtigte uneingeschränkt gilt, wird die Neuausrichtung des bisherigen Familienzuschlages zu einem Orts- und Familienzu-schlag auf die Versorgungsempfänger übertragen.

domi1972

  • Gast
Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #268 am: 21.09.2022 14:37 »
Aus der Gesetzesbegründung, zweiter Teil:

In Umsetzung der vorstehend geschilderten verfassungsrechtlichen Anforderungen des Min-destabstands zur Grundsicherung werden die an die familiären Verhältnisse anknüpfenden Be-zügebestandteile systematisch neu – namentlich künftig wieder stärker an die tatsächlichen Le-bensverhältnisse der Beamten und Beamtinnen sowie Richter und Richterinnen und dazu v.a. auch wieder an die örtlichen Verhältnisse anknüpfend – ausgerichtet.
Hierfür werden die bisherigen Regelungen des Familienzuschlags durch Ergänzung einer Orts-komponente und einer neuen Stufe L für ledige Beamte und Beamtinnen sowie Richter und Richterinnen zu einem Orts- und Familienzuschlag erweitert.

Die Beträge des Familienzuschlags werden entsprechend erhöht. Die Beträge orientieren sich dabei künftig an der Mehrverdiener-Familie als neuer und vor allem die tatsächlichen Verhält-nisse in der heutigen Zeit widerspiegelnder Bezugsgröße für die Bestimmung orts- und fami-lienbezogener Besoldungsbestandteile.

Die Tabelle des Orts- und Familienzuschlags wird mit einer aufsteigenden Staffelung versehen, welche der mit steigender Familiengröße überproportional ansteigenden Belastung durch Wohn- und bei Familien mit Kindern auch insgesamt mit Lebenshaltungskosten Rechnung trägt. Die Stufen L und V dienen künftig dazu, bei Beamten und Beamtinnen sowie Richtern oder Richterinnen ohne Kinder die Belastung durch hohe Wohnkosten in sehr teuren Wohnla-gen abzumildern, weshalb nur noch Beträge in der obersten Ortsklasse (Stufe L) bzw. Beträge in den jeweiligen Ortsklassen mit entsprechend abgestuften Beträgen (Stufe V) ausgewiesen werden. Der Orts- und Familienzuschlag ab der Stufe 1 dient hingegen dazu, die gesteigerten Belastungen von Familien mit Kindern insgesamt entsprechend zu berücksichtigen. Generell erfolgt damit insgesamt eine stärkere Fokussierung auf Familien mit Kindern. Im Sinne des vorstehend geschilderten Regelungsziels wird außerdem der Kreis der Berechtigten enger ge-fasst.

Des Weiteren werden die bereits vorhandenen Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 3 bis A 5, die mit dem Vierten Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2466) zum 1. Januar 1986 mit gleicher, sozialer Zielrichtung eingeführt wurden (ausschlaggebend war seinerzeit die politische Diskussion über die Nähe des einfachen Dienstes zur Sozialhilfe), angehoben und fortan bis einschließlich Besoldungsgruppe A 10 gewährt, um die sich in jüngster Vergangenheit gerade durch die Entwicklung der Wohn-kosten wieder verstärkende überproportionale Belastung von Familien mit unteren und mittle-ren Einkommen durch Wohn- und Lebenshaltungskosten entsprechend zu berücksichtigen.

domi1972

  • Gast
Antw:[BY] Besoldungsrunde 2021-2023 Bayern
« Antwort #269 am: 21.09.2022 14:41 »
Aus der Gesetzesbegründung, dritter Teil:

In jüngster Vergangenheit haben sich die Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland v.a. im Hinblick auf die Wohnkosten allerdings regional wieder deutlich ausei-nanderentwickelt. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den seitens des Bundesgesetzgebers als Re-aktion auf diese Entwicklungen vorgenommenen Anpassungen im Wohngeldrecht, wie etwa die mit Wirkung vom 1. Januar 2020 erfolgte deutliche Anhebung der Wohngeldsätze, der Ein-führung einer neuen Mietenstufe VII durch Art. 1 und 1b des Wohngeld-CO2-Bepreisungsent-lastungsgesetzes vom 15. Mai 2020 (BGBl. I 1015) sowie der fortan regelmäßig vorgesehenen Anpassung der Wohngeldsätze. Auch der Freistaat Bayern ist als Flächenstaat mit großer regi-onaler Diversität von diesen unterschiedlichen Entwicklungen der Lebenshaltungskosten (v.a. der Wohnkosten) betroffen.

Entsprechend der in den Beschlüssen vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18 u. 2 BvL 6/17 u. a.) aufge-stellten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das einerseits bei der Vergleichsrechnung zur Wahrung des Mindestabstandsgebots zur Grundsicherung hinsichtlich der Wohnkosten ei-nen Ansatz verlangt, der auch in Kommunen mit höheren Unterkunftskosten gewährleistet, dass das Grundsicherungsniveau nicht unterschritten wird, andererseits allerdings darauf hinweist, dass die Besoldungsgesetzgeber nicht verpflichtet seien, die Mindestbesoldung auch für Be-amte und Beamtinnen sowie Richter und Richterinnen an regionalen Höchstwerten auszurich-ten, wenn dieser oder diese hiervon gar nicht betroffen sind, sondern es vielmehr freistehe, Besoldungsbestandteile auch an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, wird daher der bisherige Familienzuschlag wieder um eine Ortskomponente erweitert. Er trägt künftig die Bezeichnung „Orts- und Familienzuschlag“. Die (wieder)eingeführte Ortskomponente wird sich dabei künftig entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts an den Mie-tenstufen des Wohngeldgesetzes orientieren.

Bisheriger Bezugspunkt für die Bemessung der Besoldung ist – wie auch das Bundesverfas-sungsgericht in seinen Entscheidungen vom 4. Mai 2020 darlegt1 – die sogenannte Alleinver-diener-Familie. Das Bundesverfassungsgericht führt dabei zum Familienbild aus, dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach wie vor davon auszugehen sei, dass die Besoldungsgesetzge-ber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlä-gen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsan-gemessen unterhalten werden könne (weshalb es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl [erst] ab dem dritten Kind bedürfe). Die vierköpfige Alleinverdiener-Familie sei demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, jedoch nicht das Leitbild der Beamtenbesoldung, wie das Bundesverfassungsgericht weiter in seinen Entscheidungen vom 4. Mai 2020 klarstellt.

Tatsächlich sind Familienbilder in der heutigen Gesellschaft genauso wie Erwerbsbiographien deutlich vielschichtiger geworden und haben sich – vor allem in jüngster Vergangenheit – stark gewandelt.

In tatsächlicher Hinsicht teilen Eltern sich die Betreuung gemeinsamer Kinder in der heutigen Gesellschaft zunehmend auf, und immer weiter verbesserte Kinderbetreuungsangebote verbun-den mit einem sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf alte Rollenbilder ermöglichen es gerade auch Frauen, Familie und Berufsleben erheblich besser zu vereinbaren als noch vor wenigen Jahren. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die Entwicklung der Erwerbstäti-genquote von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland, die in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Schub erfahren hat und zwischen 1991 und 2020 von ca. 57 % auf knapp 72 % angestiegen ist, sich mithin der Erwerbstätigenquote von Männern nahezu angenähert hat, wel-che im gleichen Zeitraum unverändert bei etwa 79 % lag.2 Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist damit heute der Regelfall und dies unabhängig vom Familienstand und der Familiensituation. Auch wenn die Gründung einer Familie in der Zeit unmittelbar nach der Geburt weiterhin oft-mals zu einer vorübergehenden Verminderung der Erwerbstätigkeit eines Elternteils führt, sor-gen mittlerweile staatliche Leistungen wie das Elterngeld dafür, dass auch in dieser Zeit beide Elternteile zum Familienunterhalt beitragen können.

Flankierend hierzu hat auch der Gesetzgeber im Beamtenrecht eine Reihe von Regelungen ge-troffen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern sollen, wie beispielsweise weit-reichende Regelungen im Bereich der Arbeitszeit (Einführung der Teilzeitbeschäftigung und in jüngster Zeit die Ausweitung besonderer Arbeitsformen wie das mobile Arbeiten oder das Ar-beiten im Home-Office).

Seit der Reform des Ehe- und Familienrechts im Jahr 1977 hat sich das Besoldungsrecht dem-zufolge nicht nur nahezu vollständig vom Familien-Leitbild des bürgerlichen Rechts abgekop-pelt, sondern auch die rein tatsächlichen gesellschaftlichen Veränderungen diesbezüglich nicht mehr nachvollzogen.

Auch fließen in die Ermittlung der sozialrechtlichen Grundsicherung beim Vergleich mit der Besoldung Komponenten ein, die ihren Entstehungsgrund in dem geschilderten Wertewandel haben. So dürfen beispielsweise seit 1. August 2019 von Grundsicherungsempfängern und Grundsicherungsempfängerinnen keine Beiträge mehr für die Förderung von Kindern in Ta-geseinrichtungen erhoben werden. Einen solchen Bedarf zur Kinderbetreuung in Tageseinrich-tungen hat es in früheren Dekaden, als die Alleinverdiener-Familie noch das weit überwiegend praktizierte Familienmodell war, nicht gegeben. Er ist erst durch die weitgehende Berufstätig-keit beider Elternteile und die daraus abgeleitete (und erfüllte) politische Forderung, durch die Schaffung solcher Tageseinrichtungen eine bessere Vereinbarkeit von beruflichen und famili-ären Verpflichtungen zu ermöglichen, entstanden. Diese soziale Verbesserung für Grundsiche-rungsempfänger und Grundsicherungsempfängerinnen ist wegen des vom Bundesverfassungs-gericht vorgegebenen Mindestabstandsgebots bei der Ermittlung der Mindestalimentation zu berücksichtigen. Konsequenterweise sind insofern nicht nur die durch die Beiträge für die Kin-derbetreuung entstehenden zusätzlichen Kosten in die Vergleichsberechnungen aufzunehmen, sondern auch die durch die Kinderbetreuung erst ermöglichte und tatsächlich praktizierte Be-rufstätigkeit ist bei der Bestimmung des typisierend zugrunde zu legenden Familienbilds zu berücksichtigen.

Auch die Entwicklung der seitens des Freistaats als Dienstherr gewährten Beihilfeleistungen bestätigen den vorstehend geschilderten Trend in doppelter Hinsicht: Zum einen beläuft sich der Anteil der beihilfefähigen Aufwendungen, die auf Ehegatten entfallen, mittlerweile auf rund vier Prozent, was für eine entsprechende eigene, wirtschaftliche Absicherung durch entspre-chende Einkünfte der ganz überwiegenden Mehrzahl der berücksichtigungsfähigen Ehegatten spricht. Zum anderen fällt dieser Anteil bei den aktiven Beamten und Beamtinnen sowie Rich-tern und Richterinnen in erheblichem Maße niedriger aus, als bei den Versorgungsempfängern und Versorgungsempfängerinnen, was den Wandel der Familien- und Rollenbilder weiter un-terstreicht.

Die Alleinverdiener-Familie mit zwei Kindern, die über viele Dekaden hinweg Bezugsgröße und damit Grundlage für die Bemessung der Besoldung der Beamten und Beamtinnen sowie Richter und Richterinnen war, bildet insofern die tatsächlichen Familienverhältnisse der mo-dernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht mehr realitätsgerecht ab. Sie ist daher auch als Bezugsgröße für die Bemessung familienbezogener Besoldungsbestandteile nicht mehr zwin-gend.

Im Hinblick auf den von diesen Entwicklungen getragenen, zeitgemäßen Leitgedanken der Be-soldung, dass in der modernen Gesellschaft grundsätzlich beide Elternteile zum Familienunter-halt beitragen, bilden die Tabellenbeträge der Anlage 5, die Grundlage der Bemessung des Orts- und Familienzuschlags sind, künftig die Bedarfe einer sog. Mehrverdiener-Familie ab. Die für den Familienunterhalt erforderlichen orts- und familienbezogenen Bezügebestandteile werden diesem Leitbild folgend künftig in einer Höhe gewährt, die berücksichtigt, dass regelmäßig auch von dem anderen Elternteil ein Beitrag zum Familieneinkommen zu erwarten ist. Als Größe wird dabei in Anlehnung an den bereits im Bereich der Beihilfe mit ähnlicher Zielrich-tung bewährten Betrag ein Einkommen i. H. v. 20.000,- € p.a. zugrunde gelegt.

Um die mit steigender Familiengröße im Hinblick auf den Aufwand zur Betreuung von Kindern mit immer größeren Herausforderungen verbundene Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit abzumil-dern, wird der Orts- und Familienzuschlag ab dem vierten Kind um einen nach den Ortsklassen gestaffelten Zuschlag erhöht.

Bezugspunkt des Wechsels zu dem Leitbild der Mehrverdiener-Familie sind die orts- und fa-milienbezogenen Besoldungsbestandteile. Die Grundbesoldung bleibt unberührt und soll auch weiterhin entsprechend der Stellung des Freistaats Bayern im Spitzenbereich des Besoldungs-gefüges von Bund und Ländern weiterentwickelt werden.

Im Hinblick auf die Familiengröße eignet sich die Familie mit zwei Kindern hingegen weiterhin als Bezugsgröße. Während Beamtenfamilien mit drei oder mehr Kindern auch in der aktuellen Personalstruktur weiterhin die Ausnahme darstellen, gibt es in der Gesamtheit der Beamtenfa-milien mit bis zu zwei Kindern in etwa 1,7-mal so viele Familien mit zwei Kindern wie mit nur einem Kind.