@ Rentenonkel
Ich bin zurzeit etwas in Eile, deshalb nur kurz (ich denke, wir sind in den wesentlichen Punkten einer Meinung):
Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die vierköpfige Beamtenfamilie als eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, mit der hinsichtlich des Mindestabstandsgebots ein Vergleichsparameter geschaffen wird, um die Grenze zur Unteralimentation zu bemessen (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 47;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Prinzipiell ähnlich geschieht das auch für den alimentativrechtlichen Mehrbedarf ab dem dritten Kind, wobei hier also gleichfalls ein Mindestbedarf bemessen wird (vgl. in der aktuellen Parallelentscheidung ab der Rn. 63
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html).
Allerdings ist trotz dieser prinzipiellen Parallelität in Rechnung zu stellen, dass der Mindestbedarf des alimentationrechtlichen Mehrbedarfs explizit jeweils
einer Person zugeordnet wird (nämlich dem jeweils dritten, vierte, fünften ... Kind), während das so hinsichtlich der Beamtenalimentation der bis zu vierköpfigen Beamtenfamilien
nicht der Fall ist und auch prinzipiell nicht der Fall sein kann: Hier wird als Prüfmaßstab die vierköpfige Beamtenfamilien als aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße betrachtet und deshalb keine Betrachtung der jeweils konkreten Bedarfe jeder der einzelen Personen vollzogen. Was also hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs notwendig ist, da alles andere als eine entsprechende Art der Individualisierung nicht sachgerecht sein könnten, ist hinsichtlich der Familienalimentation nicht möglich, da ansonsten das Beamtenrecht zunehmend wie das Sozialrecht zu betrachten wäre, was wegen des genannten qualitativen Unterschieds verfassungsrechtlich nicht darstellbar wäre.
Entsprechend muss man trotz der offensichtlichen Parallelität der Bemessung einer jeweiligen Untergrenze diese prinzipielle Unterscheidung im Blick behalten. Nicht umsonst hebt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs hervor, dass hier nicht das 95 %-Perzentil zur Betrachtung der Unterkunftskosten des minderjährigen Grundsicherungsempfänger herangezogen werden kann, da es in 50 €-Schritten bemessen wird und diese 50 €-Schritte hinsichtlich der zu bemessenen Untergrenze des Mehrbedarfs zu grob sein würden, sodass hier methodisch eine an den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes orientierte Bemessung zu erfolgen habe (vgl. ab der Rn. 49 in der Parallelentscheidung; auch hier folgt also ein Abwägung zur Betrachtung einer sachgerechten Methodik). So verstanden kann nicht ohne Weiteres von der einen auf die andere Methodik geschlossen werden, da eben der prinzipelle Unterschied einer zwangsläufig konkret auf eine Person ausgerichteten Bemessung hinsichtlich der Untergrenze des alimentationsrechtlicher Mehrbedarf und der auf die vierköpfige Beamtenfamilie ausgerichteten Mindestalimentation als Grenze zur generellen Unteralimentation gegeben ist (nebenbei: Das 95 %-Perzentil wird seit 2021/22 nun gleichfalls auf den € genau bemessen, sodass es nun ebenfalls offensichtlich zur Bemessung der Untergrenze des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs herangezogen werden kann, was zu noch einmal höheren entsprechenden Mindestbeträgen führen muss).
@ BVerfGBeliever
Ich befürchte, dass die Komplexität der jeweiligen Bemessungsmethodiken sowie darüber hinaus die beamten- und sozialrechtlichen Grundlagen im Kontext des Unterschieds zwischen materiell-rechtlichen und indiziellen Bedingungen der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln sind, da die Sachlage eben komplex ist. Nichtdestotrotz sollte man das wiederkehrend versuchen, denke ich, wenn auch die im Einzelfall sicherlich gegebene Erfolgsaussicht hinsichtlich der Allgemeinheit eher gering sein dürfte. Insofern sollte man versuchen, denke ich, das Thema für die Öffentlichkeit so einfach wie möglich und dabei so genau wie nötig herunterzubrechen, was allerdings sachlich nicht ganz einfach ist - und selbst, wenn einem das gelingt, wird man in den meisten Einzelfällen nicht wenig Zeit und Kraft aufwenden müssen, um die notwendigen Voraussetzungen des Beamtenrechts, nicht zuletzt die Folgen des Dienstverhältnisses als Sonderstatusverhältnis und des Treueprinzips, hinreichend verständlich zu machen. Eventuell wird die normative Kraft des Faktischen, die aus den angekündigten Pilotentscheidungen erwachsen sollte, hier bessere Chancen bieten, als das heute der Fall ist. Denn es ist zu erwarten, dass die Pilotentscheidungen mit ihrer Veröffentlichung auf eine deutlich stärkere gesellschaftliche Ressonanz treffen werden, als das in den aktuellen Entscheidungen der Fall war und auch weiterhin ist.
@ NordWest
Genauso, wie Du es darstellst, ist es: In Konsequenz wird das beamtenrechtlich geklärte Alimentationsprinzip in eine nicht rechtlich darstellbare neue Form überführt, die sich also vor dem Alimentations- und Leistungsprinzip sachlich nicht rechtfertigen lässt. Dazu wird in knapp zwei Monaten ein recht umfangreicher Beitrag im ersten Heft des Jahres 2025 der Zeitschrift für Beamtenrecht erscheinen, der die Sachwidrigkeit der seit 2021/22 in mehr und mehr Rechtskreisen vollzogenen Neuregelungen systematisch anhand einer dort ausgeführten Rechtskategorie betrachtet und - denke ich - auch nachweist. Das Heft dürfte auch darüber hinaus insgesamt interessant werden, denke ich.