Gisela Färber hat hierzu im aktuellen ZBR-Beitrag alles, was notwendig ist, aus fundierter ökonomischer Perspektive hervorgehoben und mit umfangereichen Zahlenmaterial belegt:
[...]
Aus ökonomischer Sicht ist es sehr schwer verständlich, wie sich die Tarifpartner vor allem in dem noch bis Ende 2025 laufenden TV-L vorgestellt haben können, auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen statt in eine Unteralimentation abzurutschen." (S. 20)
Der Satz von Frau Färber ist allerdings echter Quatsch: Sie unterstellt damit einen natürlichen 1:1-Gleichschritt zwischen TVL-Entwicklung und Beamtenbesoldung, der zwar zuletzt häufig ähnlich zustande kam, aber alles andere als gottgegeben (oder rechtlich vorgeschrieben) ist. Da es diesen 1:1-Gleichschritt nicht geben muss, ist es für keinen Teilnehmer der TVL-Verhandlungen überhaupt auch nur ein Ziel, "auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen". Und wenn es dieses Ziel gar nicht erst gibt, muss man sich auch nicht wundern, dass es nicht erreicht wird.
Färbers Annahme, dass während der Verhandlungen schon die Vorstellung über eine verfassungskonforme Besoldungsentwicklung geherrscht haben müsse, ist so praxisfremd, dass ich mir eher die Frage stelle, wie qualifiziert ihre anderen Äußerungen eigentlich sind, wenn sie hier so einen Stuss schreibt....
Du charakterisierst den Satz von Gisela Färber:
"Aus ökonomischer Sicht ist es sehr schwer verständlich, wie sich die Tarifpartner vor allem in dem noch bis Ende 2025 laufenden TV-L vorgestellt haben können, auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen statt in eine Unteralimentation abzurutschen",
als "echte[n] Quatsch" und unterlegst ihr dann eine Aussage, die sie nirgends gemacht hat, nämlich:
"Sie unterstellt damit einen natürlichen 1:1-Gleichschritt zwischen TVL-Entwicklung und Beamtenbesoldung, der zwar zuletzt häufig ähnlich zustande kam, aber alles andere als gottgegeben (oder rechtlich vorgeschrieben) ist."
Denn die in Deiner Interpretation ihrer Aussage angestellten Darlegungen sind ihrer Aussage offensichtlich nicht zu entnehmen. Weder unterstellt sie in der Aussage "einen natürlichen 1:1-Gleichschritt zwischen TV-L-Entwicklung und Beamtenbesoldung", noch geht sie davon aus, dass ein solcher Gleichschritt "gottgegeben (oder rechtlich vorgeschrieben)" sei. Nicht sie unterstellt also die von Dir so wahrgenommene Aussage, sondern Du unterstellst sie ihr, um danach etwas zu kritisieren, was sie nirgends sagt.
Insofern wird ihre Kritik an den Tarifpartnern, die nun in dem Zitat unmissverständlich geäußert wird, in einen anderen Kontext gerückt, um sie dann am Ende als praxisfremd zu betrachten und ihr letztlich die Qualifikation abzusprechen, sich auch an anderen Stellen sachgemäß zu äußern.
Wie gesagt, dass Postulat, "dass es eine Tariferhöhung geben müsste, um eine Besoldungserhöhung zu ermöglichen", stellt sie nicht auf, sondern sie reißt nur den Grundsatz "Besoldung folgt Tarif" an, den die Tarifpartner den Tarifverhandlungen mal direkt
als Grundsatz im Eingungspapier festhalten, mal nicht direkt als Grundsatz im Einigungspapier festhalten, der aber regelmäßig von Gewerkschaftsseite als fortgesetzt betrachtet wird, und kritisiert auch auf dieser Basis das offensichtlich unzureichende Tarifergebnis, das es nun offensichtlich nicht nur in ihrer Vorstellung, sondern auf Basis der ökonomischen Empirie, die sie erstellt, auch in der Realität gewesen ist.
Insofern findet hier eine sachlich begründete Aussage statt. Denn insbesondere die wiederkehrende Vereinbarung von Einmalzahlungen kritisiert sie scharf, indem sie zuvor die Grundlage und Folgen dieser Kritik erstellt, also begründend vorgeht - und genau in diesem Kontext ist das Zitat von der Seite 20 zu verstehen. Nicht umsonst hebt sie bspw. mit derselben Stoßrichtung auf der Seite 15 (wie ich das hier ebenfalls schon zitiert habe) hervor:
"Die realen Einkommensverluste seit 2020 sind bei allen Dienstherrn dramatisch: Zwar sinkt die reale [= verbraucherpreisbereinigte; ST.] Besoldung 2024 gegenüber 2009 nur im Saarland und in Nordrhein-Westfalen unter das Niveau von 2009, jedoch betragen die realen Verluste gegenüber 2020 praktisch überall mehr als 10 Prozentpunkte. Auch die relativ hohe Besoldungsanpassung von 5,5 % zum 1.2.2025 kompensiert die realen Verluste nicht, sondern vermindert diese nur marginal.
Eine der Ursachen dieser für die Beschäftigten enttäuschenden Entwicklung ist, dass die Einmalzahlungen 2022 und 2023/24 das Ausgangsniveau für die prozentuale Erhöhung nicht verändert haben, sondern das Besoldungsniveau während der Zeit hoher Inflation nominal 'eingefroren' haben." (S. 15; Hervorhebungen durch ST.)
In diesem Kontext ist nun das Zitat der Seite 20 einzuordnen, das eben als Teil der hier nun vorgenommenen Zuammenfassung und Schlussfolgerungen, wie sie die Autorin im Abschnitt VI vollzieht, zu betrachten ist. Nicht umsonst präzisiert die Autorin ihre gerade zitierte Kritik auf der Seite 19 weiterhin, indem sie ausführt (Hervorhebungen durch ST.):
"Die Mehrzahl der Länder hat ebenfalls den TV-L ohne den Mindesterhöhungsbetrag von 140 Euro zum 1.2.2025 vollständig übernommen; einige Länder haben allerdings die prozentualen Erhöhungen z.T. vorgezogen oder höher angesetzt. Gemeinsam ist allen - auch Hessen mit eigenem Tarifvertrag und Besoldungsrunde -, dass die Laufzeit des vorherigen Besoldungsfüges
zum zweiten Mal gegen die Gewährung von Einmalzahlungen gestreckt wurde, mithin die Basis für die nachfolgende prozentuale Erhöhung niedrig blieb, welche dann selbst weder beim Bund noch bei den Ländern die realen Einkommensverluste in irgendeiner Weise ausgleiche konnte. Vielmehr gibt es 2024 außerdem in fast allen Ländern sogar nominal geringere Jahresbezüge als 2023! Die reale Einkommenssituation des gesamten öffentlichen Diensts -
d.h. nicht nur der Beamten, sondern auch der Tarifbeschäftigten - hat sich seit 2020 massiv - in vielen Fällen um mehr als 10 Prozentpunkte! - verschlechtert."
Insofern leiten die auf den Seiten 15 und 19 begründet erstellten Aussagen auf die Schlussbetrachtung auf der Seite 20 hin, die Du nun wiederum aus ihren Kontext reißt, um sie dann zugleich nicht sachgerecht wiederzugeben. Auch deshalb empfehle ich, zunächst einmal den gesamten Beitrag zu lesen, um den Gesamtkontext, den sie betrachtet, in den Blick zu nehmen und nicht nur den kleinen Ausschnitt, den ich zitiere. Denn das wird ihrer nicht nur an diesen Stellen ihrer weiterführenden Erarbeitung nicht gerecht und stellt sie darüber hinaus in ein Licht, in das sie ganz sicherlich nicht gerückt werden sollte.
Darüber hinaus bezog sich meine Aussage, die Du eingangs Deines Posts von 15:46 h zitierst, gar nicht auf Gisela Färbers Betrachtungen, sondern diese meine von Dir zitierte Aussage beschreibt ein offensichtlich allgemeines Phänomen in der rechtswissenschaftlichen Literatur, wie diese sich mir darstellt. Während wir vor 2020 wiederkehrend Zustimmung zu dem zwangsläufigen "Ziehharmonika-Effekt", wie ihn Martin Stuttmann in den 2010er Jahren dargelegt hat, in der rechtswissenschaftlichen Literatur gefunden haben, finden wir sie nun im Gefolge der aktuellen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, die gleichfalls mögliche weitere Folgen über die Anhebung der Grundgehaltssätze hinaus aufzeigt, die aus dem weiten Spielraum resultieren, über den auch der Besoldungsgesetzgeber verfügt, und sicherlich auch als Folge der spezifischen Gesetzgebungspraxis, wie wir sie seit Anfang 2021 vorfinden, nicht mehr - eben auch nicht mehr bei Martin Stuttmann. Darauf wollte ich mit meiner Aussage, die Du zitierst, hinweisen.
Schließlich bleiben mir - im Gegensatz zu den differenziert begründeten Aussagen von Gisela Färber - solche Postulate wie
"Wenn Frustration zu Veränderung führen würde, hätte es längst Änderungen an Tarif UND Besoldung geben müssen. Tatsächlich verändert ich aber nur das, wo die Gesetzgeber unmitelbarem verfassungsrechtlichem Zwang unterliegen - und selbst dort versuchen sie sich herumzuwinden"
eher unklar. Ich finde weiterhin, dass man, wenn man einen Beitrag, der offensichtlich differenziert genug ist, dass er das peer review Verfahren mitsamt seinen hohen Standards anstandslos durchlaufen hat, kritisieren will, das dann zumindest sachlich und also präzise tun sollte. Ansonsten diskutiert man am Ende nur über Sachverhalte, die von Autoren und Autorinnen tatsächlich gar nicht gemacht werden - so wie das hier der Fall ist, weshalb man sich die ganze Diskussion hier sparen kann.