@ BVerfGBeliever
Die jeweilige Direktive mit ihrer jeweiligen Folge muss man jeweils einzelne betrachten, denke ich, wobei wir ja zugleich davon ausgehen dürfen, dass sich durch die angekündigten Entscheidungen zunächst einmal nichts an der Interessenslage der 17 Besoldungsgesetzgeber ändern wird, weiterhin durch Aufrechterhaltung des von Ulrich Battis' beschriebenen konzertierten Verfassungsbruchs möglichst hohe Personalkosten einzusparen. Da sich neben BVR Maidowski mindestens auch seine vier Wissenschaftlichen Mitarbeiter umfassend mit der Gesetzgebung insbesondere der elf Rechtskreise beschäftigt haben werden und weiterhin regelmäßig beschäftigen (worauf er ja unlängst mit seinem entsprechenden Verweis auf die Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts explizit hingewiesen hat), für die Richtervorlagen anhängig sind, darf man davon ausgehen, dass man in Karlsruhe über die Interessenslage und jeweiligen Mittel zu deren Durchsetzung recht genau im Bilde ist, worauf ja auch Peter Müller mit seinen Worten durchaus eindringlich hinweist. Da nun aber diese hervorragenden Juristen darin geschult sind, sachliche Probleme präzise zu analysieren, dürfen wir davon ausgehen, dass mit den angekündigten Entscheidungen ein abgewogenes Programm an Direktiven und deren Begründungen Verfassungswirklichkeit werden wird, mit dem der Senat das Ziel verfolgt, sowohl möglichst alle 17 Besoldungsgesetzgeber nach Möglichkeit umgehend wieder in den Rahmen des Grundgesetzes zurückzubewegen als auch den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, für dessen zukünftige Maßnahmen offenzuhalten. Darauf weist offensichtlich
auch die Pragmatik verschiedener Entscheidungen der letzten Zeit hin (
https://www.berliner-besoldung.de/begruenden-heisst-befolgen-zur-pragmatik-der-bundesverfassungsgerichtlichen-entscheidung-zum-zweiten-nachtragshaushaltsgesetz-2021/). Von daher liegt es auf der Hand, dass insbesondere die Begründungspflichten, die bereits 2012 und 2018 jeweils deutlich ausgeweitet worden sind, noch einmal präzisiert werden. Ebenso scheint es Teil der Pragmatik zu sein, nun eine Art verfassungsrechtliches "Faustpfand" mindestens für Niedersachsen zurückzuhalten, was wie gesagt dann gehörigen Druck insbesondere auf den niedersächsischen Gesetzgeber ausüben dürfte.
Insgesamt hat ja BVR Maidowski die Besoldungsgesetzgeber auf die Zielsetzung jenes Programms in gleichfalls aller gebotenen Deutlichkeit hingewiesen:
"Eine dem Rechtsschutzauftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werdende Bearbeitung dieser hohen Anzahl von Verfahren hat u.a. folgenden Aspekten Rechnung zu tragen: Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen." (Beschluss v. 21.12. - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -; Rn. 8;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html)
Wie ich ja hier in der Vergangenheit schon mehrfach darlegt habe, darf man damit rechnen, dass die angekündigten Entscheidungen als "Leitverfahren" (ebd.) die seit 2012 entwickelte neue Besoldungsdogmatik weitgehend abschließen werden, was ein zentraler Grund für die Dauer ihrer Bearbeitung ist. Damit gilt es in den angekündigten Entscheidungen durch die "möglichst viele[n] der zur Entscheidung gestellten Probleme" insbesondere "seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen
erneut zu hinterfragen". Mit der im Zitat von mir vorgenommenen Hervorhebung wird zum einen die Kontinuität der eigenen Rechtsprechung angezeigt und zugleich deren weitere Präzisierung durch "seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen" angekündigt, was insofern von Interesse ist, als dass sich der
unmittelbare Prüfauftrag jener Entscheidungen auf den Zeitraum 2013 und 2014 hinsichtlich der bremischen Gesetzeslage, 2007 der schleswig-holsteinischen und 2005 bis 2012 sowie 2014 bis 2016 der niedersächsischen erstreckt. Der
unmittelbare Charakter kann sich also nur auf den Zeitraum vor den letzten drei maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erstrecken, die 2017, 2018 und 2020 ergangen sind. Ergo werden hier mit dem in eine Frage gekleideten Halbsatz: "ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen", mehr oder minder deutlich gemacht, dass neben dem unmittelbaren Kontrollauftrag auch ein mittelbarer verfolgt werden wird, also den Zeitraum ab August 2020 betreffend, eben die seitdem "eingetretene[n] Entwicklungen" im Blick habend. Wäre ich Teil der Gesetzgebung oder der Regierung mindestes in einem der drei Rechtskreise, würde ich nun eher hellhörig auf die Deutlichkeit der zitierten Aussage reagieren.
Denn mit ihr wird eben mehr oder minder deutlich formuliert, dass am Ende zwar "nur" eine Entscheidung mit Gesetzeskraft für die verfahrensgegenständlichen Jahre ergehen kann und wird - das damit aber offensichtlich ebenfalls eine darüber hinausgehende Botschaft für die Jahre ab 2020 verbunden werden wird. Wir werden also bspw. - wie vorhin dargelegt - kaum unmittelbare Aussagen zur Streichung von unteren Besoldungsgruppen und der Zugrundelegung eines Doppelverdienermodells finden. Aber das, was wir finden werden, wird auch dafür eine Relevanz haben. Anders lässt es sich m.E. nicht interpretieren, dass man offensichtlich die eigene Judikatur auch "im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen" habe.
Am Ende soll dann - so lässt sich die von BVR Maidowski ausgeführte Programmatik weiter lesen - auf der Basis der im Anschluss der Veröffentlichung der "Leitverfahren" weitgehend abgeschlossenen neuen Dogmatik (eine Dogmatik ist dabei nie völlig abgeschlossen, jedenfalls solange sie Geltung beanspruchen kann) die "rechtfertigungsbedürftig[e]" (ebd.) Entscheidungsdauer in Angriff genommen werden, weshalb - durchaus ungewöhnlich - ein zweiter Berichterstatter mit dem Ziel installiert worden ist, eine "deutlich schnellere Bearbeitung der [anhängigen] Verfahren erreichen [zu] können" (ebd.). Das wird dann darüber hinaus - nicht minder ungewöhnlich - "durch Beschäftigung eines zusätzlichen Wissenschaftlichen Mitarbeiters" ab diesem Jahr 2024 flankiert werden, damit so "eine noch intensivere Förderung der Normenkontrollvorlagen erleichtert werden" könne.
Ergo dürfen wir im Anschluss an die "Leitverfahren" mit einer Beschleunigung der Verfahrensdauer rechnen, sodass dann offensichtlich regelmäßiger über die dann noch immer über 40 Richtervorlagen zu dann noch zehn Rechtskreisen entschieden werden dürfte, was gleichfalls den Druck auf die Besoldungsgesetzgeber erhöhen wird. Dabei darf dann neben Niedersachsen mindestens noch Sachsen damit rechnen, dass es hier nicht mehr allzu lange bis zu einer Vollstreckungsanordnung dauern dürfte, wenn man in Karlsruhe nach Abschluss dieser "Leitverfahren" womöglich dann noch immer zu dem Ergebnis kommen sollte, dass "Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen".
Nach der letzten Grundsatzentscheidung aus dem Mai 2020 kommen nun also mit den "Leitverfahren" offensichtlich weitere auf uns zu, sodass das zeitliche Nadelöhr, durch das wir in den letzten rund dreieinhalb Jahren durch mussten, nun deutlich geweitet werden dürfte, was einigen Schwung ins Besoldungsrecht bringen wird. Ich möchte dabei nicht unbedingt in der Haut mancher Verantwortungsträger stecken, die nun weiterhin meinen, sich folgenlos vom Boden des Grundgesetzes absentieren zu dürfen. Diese Zeit wird sich nun mehr und mehr trotz des zu erwartenden Widerstands vonseiten mancher Verantwortungsträger dem Ende entgegenbewegen, weshalb ich hier wiederkehrend hervorgehoben habe, dass es keine zehn Jahre mehr dauern wird, bis wir wieder zu einer verfassungskonformen Gesetzeslage zurückgekehrt sein werden. Die anstehenden "Leitverfahren" werden gehörigen Druck insbesondere auf Niedersachsen und wohl auch kaum minder auf Schleswig-Holstein ausüben. Im Anschluss an die Veröffentlichung werden wir dann in vielfacher Hinsicht klarer sehen (können), wohin die Reise gehen wird. Die Entscheidung vom 15. November 2023 über das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 hat dabei gezeigt, was alle wissen: Reisen bildet.