Aus Antworten aus aktuellen Anfragen verschiedener Akteure an das Bundesverfassungsgericht, die die bis in den Sommer ergangenen Darlegungen ergänzen und ggf. im Einzelnen auch differenzieren, kann man schließen, dass mit einer Entscheidung in den sog. Pilotverfahren in der ersten Jahreshälfte des kommenden Jahres gerechnet werden darf - da die Beratungen des Bundesverfassungsgerichts dem Beratungsgeheimnis unterliegen, wird es allerdings unmöglich sein, ihren konkreten Fortschritt zu ermessen. Der Weg zur Entscheidung ist aber vorgezeichnet:
Zur Vorbereitung der Beratung des Senats erstellt der Berichterstatter mitsamt seines Dezernats die Vorlage eines Votums, die den jeweiligen Fall inklusive seiner Vorgeschichte und der vom Bundesverfassungsgericht eingeholten Stellungnahmen darstellt, ihn ggf. ausführlich in die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einordnet, dabei auch die Probleme weiterer Rechtsgebiete referiert, sofern das notwendig ist (was in unserem Fall ggf. bspw. mindestens hinsichtlich des Sozialrechts, ggf. auch hinsichtlich des Familienrechts der Fall sein könnte), zugleich die Darlegungen der Rechtswissenschaft und zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen weiterer Gerichte betrachtet und einordnet, sofern sich das als ebenfalls notwendig darstellt (was sicherlich eher regelmäßig der Fall sein sollte), um mit einem Entscheidungsvorschlag zu enden. Diese Vorlage eines Votums ist noch kein Urteilsentwurf, wenn auch sicherlich in der Regel Teile von ihm in die spätere Urteilsbegründung mit einfließen (können).
Auf der Basis dieses verbindlich vorgelegten und zumeist umfangreichen Berichterstattervotums berät daraufhin der Senat in geheimer Beratung, was in der Regel ausführlich geschieht. Sofern sich die Beratung als kontrovers darstellt, kann es ggf. zu weiteren und dann auch eventuell umfangreicheren Verschriftlichungen kommen. Sofern das nicht der Fall ist, wird dennoch in der Regel eine ausführliche Beratung vollzogen, in der die Informationen des Berichterstattervotums abgewogen werden, um am Ende zu einer Entscheidung zu gelangen. Mit der Abstimmung endet die Beratung über die Entscheidung.
Im Anschluss erstellt der Bericherstatter auf Basis der Beratung einen Entscheidungsentwurf, der in einem weiteren geheimen Beratungsschritt - der sog. Leseberatung, d.h. zunächst in der Regel im Umlaufverfahren und am Ende mit der sog. "konsolidierten Fassung" von Angesicht zu Angesicht - beraten, dabei sicherlich, falls nötig, mindestens streckenweise Satz für Satz diskutiert (das höchstwahrscheinlich wohl eher im ersten Teil der Leseberatung, also schriftlich, auf den Weg hin zur konsolidierten Fassung) und entsprechend inhaltlich oder sprachlich verändert wird. In beiden Beratungsprozessen ist von Beginn an das Ziel, nach Möglichkeit zu einer für alle tragfähigen gemeinsamen Entscheidung zu gelangen; nach den Berichten ehemaliger BVR kommt es innerhalb der Beratung nicht selten auf Basis weiterer Argumente zur Änderung ursprünglicher Ansichten. Argumente werden dabei regelmäßig ausführlich abgewogen, sofern sich das als notwendig darstellt, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass man nach Möglichkeit in beiden Beratungsschritten zu einer von allen getragenen Entscheidung gelangen kann. Am Ende wird ebenso über den Entscheidungsentwurf abgestimmt; im Anschluss erfolgt alsbald die Veröffentlichung auf der Internetseite des Bundesverfasungsgerichts, sofern die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht als von hinreichendem öffentlichen Interesse betrachtet wird, hinsichtlich maßgeblicher Entscheidungen zum Besoldungsrecht zugleich verbunden mit einer Pressemitteilung.
Wie kontrovers die Ansichten heute im Zweiten Senat sind, kann nicht abgeschätzt werden. Rechtsdogmatisch ist die seit 2012 ergangene Rechtsprechung weitgehend eindeutig, sollte also eine Kontinuität auch in den nun aufgerufenen sog. Pilotentscheidungen zu erwarten sein, da die bislang seit 2012 erstellte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht bereits recht weitgehende "Leitplanken" aufgestellt hat, die man nun kaum wieder umfangreicher entfernen könnte, ohne damit in sachlichem Widerspruch zur eigenen Argumentation zu geraten - zugleich muss aber ebenso in Rechnung gestellt werden, dass von den acht BVR, die 2017 und 2018 sowie 2020 an der aktuellen Entscheidung mitgewirkt haben (und von denen 2015 sieben an jenen beiden Entscheidungen mitgewirkt hatten), mittlerweile nur noch drei übrig sind, wir also die von 2015 bis 2020 herrschende Personenkontinuität heute weitgehend nicht mehr vorfinden; auch ist die aktuelle Rechtsprechung in einer Zeit gefallen, da die aktuellen wirtschaftlichen und haushälterischen Probleme sich noch weitgehend anders und also deutlich geringer gezeigt hatten. So verstanden können auch ggf. negative Überraschungen nicht ausgeschlossen werden - wären aber aus der bislang seit 2012 neu entwickelten Besoldungsdogmatik eher nicht zu erwarten, da eine Entscheidung sachgerecht im Rahmen insbesondere der bisherigen Rechtsprechung zu ergehen hat. Entsprechend stellt der Heidelberger Kommentar in der gebotenen Klarheit fest:
"Eine die genannten Funktionen erfüllende Entscheidungsbegründung muss neben der Wahrung der methodischen und dogmatischen Vorgaben [Anm.] ihrerseits schlüssig, möglichst auch im Gesamtkontext der Rechtsprechung des Gerichts widerspruchsfrei und wissenschaftlich redlich [Anm.] sein.
Begründungsdefizite können dabei als Indiz dafür gelten, dass das BVerfG den Bereich des Rechtlichen zugunsten des Politischen verlassen hat. Gleiches gilt für Inkonsistenzen innerhalb der Rechtsprechung, zumal dann, wenn diese Inkonsistenzen und Rechtsprechungsänderungen nicht offen gelegt oder nicht plausibel begründet werden. [Anm.] Die Begründungspflicht erfüllt ihre Funktion dann, wenn das BVerfG die Begründungspflicht auch inhaltlich überzeugend ausfüllt." (
Christian Burkiczak, Ders. Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2022, § 30 Rn. 23; Hervorhebung wie im Original)
Dabei sollte gleichfalls in Rechnung zu stellen sein, dass das Bundesverfassungsgericht mit der von ihm selbst so vorgenommenen Betrachtung als "Pilotverfahren" heute weiterhin in Aussicht stellt, dass mit ihrem Abschluss auch die bislang ergangene neue Besoldungsdogmatik im gewissen Sinne zum Abschluss kommt, sodass auf dieser Basis dann die mittlerweile 64 anhängigen Normenkontrollverfahren aus zwölf Bundesländern nach und nach schneller einer jeweiligen Entscheidung zugeführt werden können sollen (vgl. nicht zuletzt die letztjährige Entscheidung vom 21. Dezember 2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 11 ff.). Wie das möglich sein sollte, sofern nun eine seit 2012 kontinuierte (und seit den 2000er Jahren vorbereitete) neue Dogmatik zum Besoldungsrecht nun nicht ohne größere Widersprüchlichkeiten fortgeführt werden sollte, würde ggf. in den Sternen stehen. Insofern verweisen insbesondere die vom Berichterstatter ausgeführte Begrifflichkeit der "Pilotverfahren" sowie seine entsprechende Betrachtung dafür, dass eher eine fortgeführte Kontinuität zu erwarten sein sollte:
"Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen." (Rn. 8 )
Betrachtet man also die zeitliche Dimension und vermittelt sie mit den aktuellen Darlegungen zum Verfahrensstand der Pilotverfahren, gehe ich davon aus, dass eine Entscheidung im ersten Halbjahr 2025 vorliegen sollte - nicht umsonst sieht sich der Senat als Folge der gerade genannten Entscheidung in der Pflicht, den anhängigen und zu einem nicht geringen Teil (über-)langen Verfahrensdauern Abhilfe zu verschaffen. Wenn es keine kontroversen Ansichten im Senat geben sollte, sollte eventuell noch eine Entscheidung im ersten Quartal 2025 - wenn auch eher an dessen Ende - möglich sein, denke ich. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Senate in der Regel alle zwei bis drei Wochen an jeweils ein bis drei Tage zur Beratung zusammenkommen. Sollte sich der Senat also dazu veranlasst sehen, eine längere Beratungsdauer in einem der beiden Beratungsschritte vollziehen zu müssen, sollte eine Entscheidung im Verlauf des zweiten Quartals 2025 wahrscheinlich sein, vermute ich. Sollten sich beide Beratungen kontrovers gestalten, wäre ihr Ende nicht absehbar, allerdings nichtsdestotrotz dann für die zweite Jahreshälfte 2025 erwartbar.
Denn wie gesagt, der Senat sieht sich hinsichtlich der hohen Zahl an Vorlagen und deren nicht selten langen und auch in Teilen offensichtlich überlangen Verfahrensdauern in der Pflicht, so wie das die Beschwerdekammer in der gerade genannten Entscheidung ausgeführt hat, zu einer sichtbaren Beschleunigung der Rechtsprechung zu schreiten. Nicht umsonst sind zwischen der genannten Verzögerungsbeschwerde und heute über elf Monate vergangen, ohne dass die dort in Ausssicht gestellten Pilotverfahren bislang zu einem Abschluss gekommen wären. Irgendwann in nicht mehr allzu weiter Zukunft - davon sollte man ausgehen - sollten sich die genannten Verfahrenslängen nicht mehr sachlich rechtfertigen lassen. Nicht umsonst sind die bspw. die aufgerufenen bremischen Normenkontrollverfahren seit mittlerweile deutlich über acht Jahren in Karlsruhe anhängig und dürften vor ihrer Entscheidung entsprechend das neunte Jahr überschreiten. Das sachlich zu rechtfertigen, sollte Monat für Monat eher nicht einfacher werden, ist zu vermuten.