In dem, worüber ihr hier gerade schreibt, geht es um zwei weitere Themen:
1. Thema: Bindungswirkung von bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen
Bis in den Winter des letzten Jahres war es einfachgesetzlich in § 31 Abs. 1 BVerfGG geregelt, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden, was auch als ein unausgesprochener Verfassungsgrundsatz betrachtet worden ist. Mit Art. 94 Abs. 4 Satz 1 GG ist die Bindungswirkung nun ein Verfassungsgut. Unumstritten ist darüber hinaus weiterhin, dass als Folge der Bindungswirkung sog. entscheidungstragende Gründe auch den Gesetzgeber binden. In der Rechtswissenschaft umstritten ist, was genau alles unter einen entscheidungstragenden Grund fällt. Unumstritten ist, dass die Leitsätze entscheidungstragend sind. Sie binden also alle Verfassungsorgane und damit auch die Gesetzgeber, die nicht unmittelbar der Entscheidung unterliegen. Deshalb werden entsprechende Leitsätze von Entscheidungen, die mit Gesetzeskraft gefällt worden sind, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Leitsätze der aktuellen Entscheidung finden sich bspw. hier:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html2. Kein schlichtes Normwiederholungsverbot
Sobald das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als nicht mit der Verfassung in Einklang stehend betrachtet, ist es entweder nichtig oder mit ihr unvereinbar. Daraus folgt allerdings nicht, dass der Gesetzgeber die identische Regelung nicht doch wieder unverändert, jedoch mit einer nun sachgerechten Begründung beschließen könnte. Sofern er das tut, sieht er sich der Gefahr ausgesetzt, dass er so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts missachtet. Das muss aber nicht automatisch der Fall sein, da bspw. neue Gründe für das Gesetz dazu führen können, dass es nun als sachgerecht betrachtet werden kann. Diese neuen Gründe müssen aber eben sachgerecht sein, dürfen also nicht gegen entscheidungstragende Gründe bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen verstoßen.
Von daher sieht sich der Gesetzgeber in der Regel veranlasst, ein nicht identisches Gesetz zu beschließen, das also das nichtige oder unvereinbare Gesetz ersetzt und den Regelungsgegenstand verfassungskonform regelt.
Bleibt er hingegen untätig oder zeigt nur ein Handeln, das der Untätigkeit gleichkommt, muss er damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren konkreten Normenkontrollverfahren darauf reagiert, am Ende ggf. mit der Ultima Ratio, nämlich der Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVErfGG, also die Bindungswirkung seiner Entscheidung im Rahmen seiner Möglichkeiten durchsetzt. Das ist im Besoldungsrecht bereit einmal der Fall gewesen, nämlich hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs kinderreicher Familien. Auch das habe ich hier in der Vergangenheit bereits dargelegt, sodass sich eine erneute Darlegung erübrigt, denke ich.