Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7241751 times)

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18300 am: 11.09.2025 16:59 »
Und der A3ler macht eigentlich nichts anderes als Türen auf und zu und vllt Stuben putzen.  :(
Single Richter bekommen oftmals weniger als 5200 Euro Brutto. Naja, vielleicht können sich die Richter bald wieder Stadtvillen, Pferde und mehrere Haushaltshilfen leisten.  ;)
Bleibt spannend was Karlsruhe mit dem Besoldungsgefüge macht.

Leider gibt es in Deutschland weiterhin viele Realitätsverweigerer, die den enormen Wohlstandsverlust nicht wahrhaben wollen. Betrifft nämlich nicht nur Beamte.

Wäre vielleicht auch mal interessant, den Vergleich mit der EU und den USA zu machen. Denn Deutschland war vor 15 Jahren mal fast gleich auf mit den USA in Hinsicht auf BIP pro Kopf. Heute haben die Amis ein deutlich höheres.

https://en.wikipedia.org/wiki/General_Schedule_(US_civil_service_pay_scale)#Salary_calculation
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/02/US_Government_Employees_Pay_Comparison.png

Lese im Internet öfter von verletzten Soldaten mit Ende 30 Anfang 40, die teilweise 9000 Dollar Pension im Monat bekommen, nebenher noch arbeiten (bis zu 200k+) und teilweise noch Millionendepots haben.

tinytoon

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18301 am: 11.09.2025 17:24 »
Ich denke, dass man das nicht kurz erklären kann. Ich versuche es trotzdem ganz kurz..

Das BVerfG hat die 4k Familie im Rahmen einer Alleinverdienerkonstellation als Bezugsgröße mit 115% definiert. In dem alten Entwurf hat der Besoldungsgeber versucht daraus eine Berechnung mit absoluten Zahlen zu generieren, in der er versucht hat den untersten noch zulässigen Bereich durch eben dieses fiktive Partnereinkommen nach oben schönzurechnen.

Du kannst ja spaßeshalber den Entwurfnehmen und es ohne Partnereinkommen durchrechnen.

Btw: die Posts dazu finden sich kurz nach Veröffentlichung des alten Entwurfs.

Erstmal Danke für die Hinweise.
Als Ingenieur durchdringe ich Rechtsprechungen nicht ausreichend, jedoch irritieren mich diverse Ausführungen im Hamburger Urteil 21 B 150/24.

Dort heißt es:
„Die besoldungsrechtliche Bezugsgröße der Zweiverdienerfamilie ist grundsätzlich mit dem Alimentationsprinzip vereinbar.“

und

„Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht mit diesen Ausführungen aufgezeigt, dass eine Orientierung der Besoldung auch an einem anderen Modell als dem einer Alleinverdienerfamilie möglich ist (vgl. zu diesem Verständnis auch OVG Koblenz, Beschl. v. 25.9.2024, 2 A 11745/17.OVG, juris Rn. 137).“

sowie

„Dass in den Fällen einer Zweiverdienerfamilie das Ehegatteneinkommen in die Betrachtung des Mindestabstands zur Grundsicherung einbezogen wird, ist vor diesem Hintergrund mit dem Alimentationsprinzip vereinbar. Denn die mit der Alimentation bezweckte Gewährleistung rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten wird dennoch erreicht. In dieser Situation wird der Lebensunterhalt der Familie auch durch die Erwerbstätigkeit der Ehegatten gesichert. Die Beamtinnen und Beamten sind nicht allein für die wirtschaftliche Sicherheit der Familie verantwortlich, so dass auch die Unabhängigkeit der Amtsführung nicht gefährdet ist.“

Ich versuche mal die genannten Passagen hier im Faden zu finden.

bebolus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18302 am: 11.09.2025 17:32 »
Sicherlich würde das BVerfG bei der Annahme einer Zweiverdienerfamilie dann aber nicht mehr die 115% als Untergrenze definieren, sondern vielleicht 130%, 140% oder mehr.

Mal abgesehen davon, dass die Vergangenheit dadurch nicht geheilt wird.

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18303 am: 11.09.2025 17:46 »
Ich denke, dass man das nicht kurz erklären kann. Ich versuche es trotzdem ganz kurz..

Das BVerfG hat die 4k Familie im Rahmen einer Alleinverdienerkonstellation als Bezugsgröße mit 115% definiert. In dem alten Entwurf hat der Besoldungsgeber versucht daraus eine Berechnung mit absoluten Zahlen zu generieren, in der er versucht hat den untersten noch zulässigen Bereich durch eben dieses fiktive Partnereinkommen nach oben schönzurechnen.

Du kannst ja spaßeshalber den Entwurfnehmen und es ohne Partnereinkommen durchrechnen.

Btw: die Posts dazu finden sich kurz nach Veröffentlichung des alten Entwurfs.

Erstmal Danke für die Hinweise.
Als Ingenieur durchdringe ich Rechtsprechungen nicht ausreichend, jedoch irritieren mich diverse Ausführungen im Hamburger Urteil 21 B 150/24.

Dort heißt es:
„Die besoldungsrechtliche Bezugsgröße der Zweiverdienerfamilie ist grundsätzlich mit dem Alimentationsprinzip vereinbar.“

und

„Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht mit diesen Ausführungen aufgezeigt, dass eine Orientierung der Besoldung auch an einem anderen Modell als dem einer Alleinverdienerfamilie möglich ist (vgl. zu diesem Verständnis auch OVG Koblenz, Beschl. v. 25.9.2024, 2 A 11745/17.OVG, juris Rn. 137).“

sowie

„Dass in den Fällen einer Zweiverdienerfamilie das Ehegatteneinkommen in die Betrachtung des Mindestabstands zur Grundsicherung einbezogen wird, ist vor diesem Hintergrund mit dem Alimentationsprinzip vereinbar. Denn die mit der Alimentation bezweckte Gewährleistung rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten wird dennoch erreicht. In dieser Situation wird der Lebensunterhalt der Familie auch durch die Erwerbstätigkeit der Ehegatten gesichert. Die Beamtinnen und Beamten sind nicht allein für die wirtschaftliche Sicherheit der Familie verantwortlich, so dass auch die Unabhängigkeit der Amtsführung nicht gefährdet ist.“

Ich versuche mal die genannten Passagen hier im Faden zu finden.

Derzeit gilt der 4-Personen Haushalt als Bezugsgröße. Der DH hat einen weiten Gestaltungsspielraum, dies für die Zukunft zu ändern (natürlich wieder unter Verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten).

Solange er dies aber nicht gemacht hat, ist es egal was er machen könnte. Solange gilt s. o.

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18304 am: 11.09.2025 17:48 »
Und der A3ler macht eigentlich nichts anderes als Türen auf und zu und vllt Stuben putzen.  :(
Single Richter bekommen oftmals weniger als 5200 Euro Brutto. Naja, vielleicht können sich die Richter bald wieder Stadtvillen, Pferde und mehrere Haushaltshilfen leisten.  ;)
Bleibt spannend was Karlsruhe mit dem Besoldungsgefüge macht.

Leider gibt es in Deutschland weiterhin viele Realitätsverweigerer, die den enormen Wohlstandsverlust nicht wahrhaben wollen. Betrifft nämlich nicht nur Beamte.

Wäre vielleicht auch mal interessant, den Vergleich mit der EU und den USA zu machen. Denn Deutschland war vor 15 Jahren mal fast gleich auf mit den USA in Hinsicht auf BIP pro Kopf. Heute haben die Amis ein deutlich höheres.

https://en.wikipedia.org/wiki/General_Schedule_(US_civil_service_pay_scale)#Salary_calculation
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/02/US_Government_Employees_Pay_Comparison.png

Lese im Internet öfter von verletzten Soldaten mit Ende 30 Anfang 40, die teilweise 9000 Dollar Pension im Monat bekommen, nebenher noch arbeiten (bis zu 200k+) und teilweise noch Millionendepots haben.

Hat die EU nicht in Bezug auf die Besoldung der Richter vor vielen Monden mal was geschrieben?

GoodBye

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18305 am: 11.09.2025 17:51 »
„Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>). Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.„


Ich finde, man sollte immer noch einmal die entsprechende Passage danebenlegen.

Das sog. Zweiverdienermodell ist komplett aus dem Textzusammenhang gerissen.

tinytoon

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18306 am: 11.09.2025 18:07 »
Ich habe diese Auszüge deshalb gewählt, weil ich, wie in meiner ursprünglichen Frage geschildert, noch nicht verstanden habe, wieso die derzeitige Umsetzung mit Anrechnung von Partnereinkommen bei diversen GG als völlig abwegig betrachtet wird. Ungeachtet der im Detail zu definierenden Umsetzung einer solchen Betrachtung, scheint diese zumindest dem Grunde nach möglich zu sein.

Aber wie ich auch schon schrieb, dafür habe ich mich weder ausreichend tiefgehend beschäftigt, noch bin ich fachlich qualifiziert. Ich habe einfach Sorge, dass mit dieser Methodik doch noch eine Möglichkeit geschaffen wird, die Besoldungen niedrig rechnen zu können.


tinytoon

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18308 am: 11.09.2025 18:27 »
Super, danke. Ach ja, auch danke für die Ausführungen zum Widerspruch.

Edit:
Beim ersten Querlesen bestätigt das doch zumindest, dass hier nicht die Tatsache falsch war, dass sich NRW für ein Mehrverdienermodell entschieden hat, sondern wie sie das umgesetzt haben (Antragsbedingung, Abstandsgebot).
« Last Edit: 11.09.2025 18:38 von tinytoon »

BWBoy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18309 am: 11.09.2025 18:27 »
So wie ich das in Erinnerung habe, dürfte der DH theoretisch vom Alleinverdienermodell un der 4K-Familie abrücken, aber er muss es sachlich begründen warum er dies tut.

Das tut er jedoch nicht und die Begründung "Weil es die billigste Lösung ist" dürfte wie auch beim Wegstreichen unterer Besoldungsgruppen nicht ziehen. Insgesamt werden nämlich dadurch rein aus Kostengründen die Wertigkeiten der einzelnen Besoldungsgruppen immer näher ans Bürgergeld geschoben. Hatte früher noch ein ungelernter A3 in der Theorie 15% Abstand von der Grundsicherung, so ist es bei Streichung der unteren Gruppen dann bereits nur noch der Facharbeiter A5 der trotz Vollzeit und Ausbildung nur 15% darüber liegt.

Berechnet man nun das Partnereinkommen mit ein, dann schiebt sich das noch wieder weiter Richtung Grundsicherung, was die Arbeit im öffentlichen Dienst dem DH noch wert ist. Es würde also immer weiter entwertet werden. Und machen wir uns nichts vor, so lange da rechtlich kein Riegel vorgeschoben wird, wird der DH das immer weiter so treiben.

JimmyCola

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18310 am: 11.09.2025 19:20 »
Bestimmt wurde es schon irgendwo beantwortet. Falls ja, vielleicht kann mir jemand einen link zum Beitrag geben oder es kurz erklären.

Ich habe noch nicht richtig verstanden, wieso die Anrechnung des Partnerschaftseinkommens hier als gesichert verfassungswidrig eingeordnet wird. Damit meine ich nicht die Anrechnung eines fiktiven Wertes, sondern wieso ist die Abkehr vom Alleinverdienermodell problematisch.

Ich frage dies, weil ich es gerne verstehen möchte, nicht, weil ich diese Herangehensweise in irgendeiner Form befürworte.


Ließ dir einfach auf der Seites des BMI beim Gesetzentwurf aus November 2024 die Stellungnahme vom Deutschen Richterbund durch. Da wird es sehr gut begründet.

Rollo83

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18311 am: 11.09.2025 19:29 »
Das kann ich bestätigen. Höchstens 20 % der Kollegen und Kolleginnen haben überhaupt schon mal was von der offenkundig seit Jahren verfassungswidrigen Alimentation gehört. Noch weniger beschäftigen sich wirklich intensiv mit dem Thema (10 % vielleicht).

Das liegt für hiesigen Bereich mit Sicherheit auch an der extrem schlechten Rolle der Gewerkschaften. Das letzte Infoschreiben ist schon fast drei Jahre her. Und das hatte sogar inhaltliche Fehler und zudem kaum konkrete Hinweise, was man als betroffener Beamter tun kann und sollte. Man hat den Eindruck, dass die Gewerkschaften das als "heißes Eisen" ansehen und nicht groß aktiv werden wollen. Dabei sehe ich das als Kernauftrag der Gewerkschaften an. Sehr enttäuschend!

Volle Zustimmung. Und nur noch mal kurz zur Erinnerung, worüber wir eigentlich reden (wie auch schon von @PolareuD erwähnt):
 
1.) Der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie lag letztes Jahr bei bis zu 3.860 € (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Daraus ergab sich für eine vierköpfige Beamtenfamilie aufgrund des Mindestabstandsgebots eine entsprechende Netto-Mindestalimentation von rund 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten entsprach dies einer äquivalenten Netto-Besoldung von rund 4.600 €.
4.) Nach Addition der zu zahlenden Steuern kam man somit auf ein Brutto-Besoldungsäquivalent von gut 5.200 €.

Mit anderen Worten: Ein verheirateter A3/1-Beamter mit zwei Kindern hätte letztes Jahr eigentlich eine Bruttobesoldung von mindestens 5.200 € bekommen müssen. Stattdessen waren es jedoch nur rund 3.200 € (2.700 € Grundgehalt plus 18,3% Familienzuschläge). Also ein Fehlbetrag von 2.000 €! Und das jeden Monat!!
 

Schaut man genauer auf das Verhältnis zwischen Zuschlägen und Grundgehalt, lässt sich Folgendes konstatieren:
- Unter Beibehaltung des bisherigen Quotienten (18,3%) hätten sich die genannten 5.200 € aus knapp 4.400 € Grundgehalt und gut 800 € Zuschlägen zusammengesetzt.
- Hätte man dem Gesetzgeber zugestanden, den Quotienten auf 30% (!) zu erhöhen, wären es rund 4.000 € Grundgehalt und 1.200 € Zuschläge gewesen.
- Ein noch höherer Quotient würde der Vorgabe des BVerfG widersprechen, dass die Alimentation der ersten beiden Kinder "ganz überwiegend" aus dem Grundgehalt erfolgt sowie die Ämterwertigkeit (als einem der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums) verletzen.
 

Fazit: Statt bei 2.700 € hätte die A3/1-Grundbesoldung bei mindestens 4.000 € liegen müssen. Und aufgrund des Binnenabstandsgebots (ein weiterer hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums) hätten natürlich auch alle anderen Besoldungsgruppen entsprechend höher vergütet werden müssen.

Somit finde ich es ebenfalls skandalös, wie sich (mit wenigen zaghaften Ausnahmen) "unsere" Gewerkschaften diesbezüglich in den letzten Jahren geäußert und positioniert haben..

Ernst gemeinte Frage, glaubst du denn wirklich das dann mit der aA bei allen Beamten die Dienstbezüge um mehrere 1.000€ pro Monat erhöht werden? Das muss ja dann zwingend passieren wenn ich deinen Ausführungen folge, alleine schon wegen dem Abstandsgebot.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18312 am: 11.09.2025 19:35 »
Wenn ich es richtig sehe, gehen in der Diskussion drei streng voneinander zu trennende Kategorien durcheinander, die aber gänzlich unterschiedlichen Kontexten entnommen sind, was zu sachlich falschen Vorstellungen führen muss.

Zum einen gibt es ein Leitbild, das der Gesetzgeber zu beachten hat und in unserem Fall das  des deutschen Berufsbeamtentums als das eines hauptberuflichen, fachlich qualifizierten, der Rechtsstaatlichkeit und der parteipolitisch neutralen Amtsführung verpflichteten öffentlichen Diensts.

Darüber hinaus ist ein Kontrollmaßstab ein juristisches Mittel zur gerichtlichen Prüfung eines Sachverhalts. Der Kontrollmaßstab ist in unserem Fall vom Bundesverfassungsgericht festgelegt und bindet entsprechend auch die Fachgerichtsbarkeit. Es ist in unserem Fall in der Betrachtung des Mindestabstandsgebot die vierköpfiger Alleinverdienerfamilie. Solange das Bundesverfassungsgericht den Kontrollmaßstab nicht ändert, sieht sich die Fachgerichtsbarkeit an ihm in der Prüfung des Mindestabstandsgebot gebunden.

Schließlich gibt es unterschiedliche Familienmodelle, die allerdings hinsichtlich des Besoldungsrechts nicht verfassungsrechtlich festgeschrieben sind. Der Gesetzgeber kann entsprechend in der Typisierung von Regelfällen unterschiedliche Familienmodelle als sachgerecht betrachten, so wie das bspw. in den 2010er Jahren Brandenbrug und Rheinland-Pfalz getan haben, um am Ende kostenneutral zu rechtfertigen, dass der ehebezogene Familienzuschlag in Rheinland-Pfalz halbiert und in Brandenburg ganz gestrichen worden ist. Solange der Gesetzgeber dabei beachtet, dass die Alimentation als Ganze auch danach noch amtsangemessen ist, kann er das - sachgerecht begründet - tun.

Wenn ich richtig informiert bin, hat das Manuskript zur Studie zur neueren Entwicklung der Gesetzgebung mittlerweile rund 340 Seiten errreicht und wird sich insbesondere mit jenen drei Begriffen eingehend beschäftigen.

Rheini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18313 am: 11.09.2025 19:56 »
Das kann ich bestätigen. Höchstens 20 % der Kollegen und Kolleginnen haben überhaupt schon mal was von der offenkundig seit Jahren verfassungswidrigen Alimentation gehört. Noch weniger beschäftigen sich wirklich intensiv mit dem Thema (10 % vielleicht).

Das liegt für hiesigen Bereich mit Sicherheit auch an der extrem schlechten Rolle der Gewerkschaften. Das letzte Infoschreiben ist schon fast drei Jahre her. Und das hatte sogar inhaltliche Fehler und zudem kaum konkrete Hinweise, was man als betroffener Beamter tun kann und sollte. Man hat den Eindruck, dass die Gewerkschaften das als "heißes Eisen" ansehen und nicht groß aktiv werden wollen. Dabei sehe ich das als Kernauftrag der Gewerkschaften an. Sehr enttäuschend!

Volle Zustimmung. Und nur noch mal kurz zur Erinnerung, worüber wir eigentlich reden (wie auch schon von @PolareuD erwähnt):
 
1.) Der Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Bürgergeldfamilie lag letztes Jahr bei bis zu 3.860 € (Regelbedarf 1.850 €, Unterkunftskosten 1.550 €, Heizkosten 240 €, Bildung/Teilhabe 80 €, Sozialtarife 140 €).
2.) Daraus ergab sich für eine vierköpfige Beamtenfamilie aufgrund des Mindestabstandsgebots eine entsprechende Netto-Mindestalimentation von rund 4.440 €.
3.) Abzüglich 500 € Kindergeld und zuzüglich 660 € PKV-Kosten entsprach dies einer äquivalenten Netto-Besoldung von rund 4.600 €.
4.) Nach Addition der zu zahlenden Steuern kam man somit auf ein Brutto-Besoldungsäquivalent von gut 5.200 €.

Mit anderen Worten: Ein verheirateter A3/1-Beamter mit zwei Kindern hätte letztes Jahr eigentlich eine Bruttobesoldung von mindestens 5.200 € bekommen müssen. Stattdessen waren es jedoch nur rund 3.200 € (2.700 € Grundgehalt plus 18,3% Familienzuschläge). Also ein Fehlbetrag von 2.000 €! Und das jeden Monat!!
 

Schaut man genauer auf das Verhältnis zwischen Zuschlägen und Grundgehalt, lässt sich Folgendes konstatieren:
- Unter Beibehaltung des bisherigen Quotienten (18,3%) hätten sich die genannten 5.200 € aus knapp 4.400 € Grundgehalt und gut 800 € Zuschlägen zusammengesetzt.
- Hätte man dem Gesetzgeber zugestanden, den Quotienten auf 30% (!) zu erhöhen, wären es rund 4.000 € Grundgehalt und 1.200 € Zuschläge gewesen.
- Ein noch höherer Quotient würde der Vorgabe des BVerfG widersprechen, dass die Alimentation der ersten beiden Kinder "ganz überwiegend" aus dem Grundgehalt erfolgt sowie die Ämterwertigkeit (als einem der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums) verletzen.
 

Fazit: Statt bei 2.700 € hätte die A3/1-Grundbesoldung bei mindestens 4.000 € liegen müssen. Und aufgrund des Binnenabstandsgebots (ein weiterer hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums) hätten natürlich auch alle anderen Besoldungsgruppen entsprechend höher vergütet werden müssen.

Somit finde ich es ebenfalls skandalös, wie sich (mit wenigen zaghaften Ausnahmen) "unsere" Gewerkschaften diesbezüglich in den letzten Jahren geäußert und positioniert haben..

Ernst gemeinte Frage, glaubst du denn wirklich das dann mit der aA bei allen Beamten die Dienstbezüge um mehrere 1.000€ pro Monat erhöht werden? Das muss ja dann zwingend passieren wenn ich deinen Ausführungen folge, alleine schon wegen dem Abstandsgebot.


Was er tun muss, wird Ihm hoffentlich das BVerfG aufschreiben. Manche Sachen hat der DH sich ja in den letzten Jahren selbst aufgebürdet, Stichwort z. B. "Verbeamtung statt Angestellte". Möge er die Verantwortlichen dazu befragen, was diese sich gedacht haben.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18314 am: 11.09.2025 20:18 »
Ernst gemeinte Frage, glaubst du denn wirklich das dann mit der aA bei allen Beamten die Dienstbezüge um mehrere 1.000€ pro Monat erhöht werden? Das muss ja dann zwingend passieren wenn ich deinen Ausführungen folge, alleine schon wegen dem Abstandsgebot.

Was ich persönlich "glaube", ist nicht spielentscheidend. Fakt ist hingegen, dass ein kleinster Beamter mit zwei Kindern wie vorgerechnet zurzeit massiv verfassungswidrig unterbesoldet ist (solange der von Swen genannte Kontrollmaßstab Gültigkeit besitzt). Und auch bei der Aufteilung in leistungsbezogene und leistungslose Besoldungskomponenten haben die Gesetzgeber wie erwähnt zwar einen gewissen, aber keinesfalls einen grenzenlosen Spielraum (Stichwort "Wertigkeit des Amtes", etc.).
 
Aber bald gibt es ja diesbezüglich wie angekündigt neuen Lesestoff, das "Mindestseitengebot" liegt schließlich schon bei 340 Seiten. :)

Und aus Karlsruhe kommt ja demnächst hoffentlich auch noch ein kleines (Weihnachts?-)Geschenk..