Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6101623 times)

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15435 am: 03.11.2024 12:15 »
Und wenn der so genannte Mist ein Ende findet was dann ? Neuwahlen okay und dann ? Was unsere Thema angeht wird das sicher nichts ändern so meine Einschätzung. Merz hat sich ja schon was den ÖD angeht geäußert und dasselbe gilt auch für Herrn Linnemann. Ih fürchte mal losgelöst von der verfassungsgemäßen Alimentation word da noch viel mehr auf die Beamten zu Rollen als uns lieb sein dürfte.
Es bleibt der Kerzenschein am Ende des Tunnels aus Karlsruhe.

Ich bin an einem Punkt an dem es mir ehrlich gesagt fast egal ist, Hauptsache ich muss die Gesichter nicht mehr sehen und ich hoffe einfach, dass etwas Besseres nach kommt.

Wenn es so kommt, kommt zumindest auch dieser Murksentwurf nicht und die Chancen erhöhen sich, dass Karlsruhe irgendwann mal aktiv wird bevor es einen neuen Murks gibt. Aber die Frage ist mir was die Regierung angeht aktuell eher Zweitrangig.

PS: im Übrigen bin auch ich der Meinung, dass man den Beamtenapparat deutlich verschlanken könnte und sollte (kein Lehrer muss Beamter sein, zB) und vor allem deutlich effektiver machen könnte und sollte. Dann hätte man den Fachkräftemangel an vielen Stellen recht schnell gelöst, könnte Kapazitäten da hin schieben, wo sie wirklich gebraucht werden (Polizei, etc.) und die dann ordentlich bezahlen.

Ja, das sehe ich ähnlich. Mir ist eigentlich egal wer da kommen mag. Und eigentlich kennen wir die Gesichter schon von denen, die da kommen.

Auch mit der Verschlankung des Beamtentums gebe ich dir recht. Die Definition der Direktion von hoheitlichen Aufgaben ist eh schon sehr aufgeweicht. In den Kommunen sind die Beamten seit langer Zeit in der Minderheit. Und den klassischen Verwaltungen sind sie auch entbehrlich. Es bleibt für mich ein Kernbereich von Polizei und Feuerwehr. Und natürlich die Gruppen der Soldaten und Richter. Alle anderen Tätigkeiten müssten nicht zwingend durch Beamte wahrgenommen werden. Das Streikrecht als Gegenargument anzuführen, wie es meistens getan wird, ist auch nur eine Halbwahrheit. Zum Streik gehört ein entsprechender Organisationsgrad der Gewerkschaften. Der ist schon lange nicht mehr gegeben. In vielen Verwaltungen kommen die Gewerkschaften nicht mehr auf 30%. Und ohne Streikgeld wird kaum einer streiken gehen.

Nur mit "Polizei und Feuerwehr" ist es in meinen Augen sicherlich nicht getan!
Was ist mit großen Teilen der Zollverwaltung, welche polizeivollzugsdienstliche Aufgaben wahrnimmt??? Was ist mit den sowieso schon ausgebluteten Staatsanwaltschaften? Soll die Strafverfolgung in Zukunft streiken dürfen? Wie steht es bei den Finanzämtern? Lehrer müssen mmn sicherlich auch nicht mehr im Amt sein, sind sie doch auch schon teilweise in Arbeitsverhältnissen....jedoch: wir haben doch jetzt schon einen Mangel an Lehrern und wie soll man denn neue Leute "locken" wenn es diese Option nicht mehr gibt???

Versteht mich nicht falsch. Ich glaube auch, dass wir sicherlich zu viele Beamte haben und diese dann noch schlecht verteilt sind,
aber ich warne vor einem all zu radikalen Schnitt

Alle Vollzugsaufgaben und ähnliches müssen natürlich Beamte leisten - den überbordenen Papierkram könnte man aber bspw. zum Großteil abschaffen und die Dinge schlicht nicht immer komplizierter machen. Den restlichen Papierkram könnten oft auch Tarifbeschäftigte bearbeiten, wenn es keine besonders sensiblen Inhalte betrifft.

Und das Beamtentum sollte eigentlich kein Lockmittel sein - man müsste nur die Probleme an den Schulen halt mal lösen und die Abgaben nicht ständig erhöhen, sondern die Löhne.

... was man nicht alles müsste... nun sind wir aber wirklich weit weg vom Thema und quasi in der Utopie angekommen.

Tarifgeist

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15436 am: 03.11.2024 12:59 »
Und wenn der so genannte Mist ein Ende findet was dann ? Neuwahlen okay und dann ? Was unsere Thema angeht wird das sicher nichts ändern so meine Einschätzung. Merz hat sich ja schon was den ÖD angeht geäußert und dasselbe gilt auch für Herrn Linnemann. Ih fürchte mal losgelöst von der verfassungsgemäßen Alimentation word da noch viel mehr auf die Beamten zu Rollen als uns lieb sein dürfte.
Es bleibt der Kerzenschein am Ende des Tunnels aus Karlsruhe.

Ich bin an einem Punkt an dem es mir ehrlich gesagt fast egal ist, Hauptsache ich muss die Gesichter nicht mehr sehen und ich hoffe einfach, dass etwas Besseres nach kommt.

Wenn es so kommt, kommt zumindest auch dieser Murksentwurf nicht und die Chancen erhöhen sich, dass Karlsruhe irgendwann mal aktiv wird bevor es einen neuen Murks gibt. Aber die Frage ist mir was die Regierung angeht aktuell eher Zweitrangig.

PS: im Übrigen bin auch ich der Meinung, dass man den Beamtenapparat deutlich verschlanken könnte und sollte (kein Lehrer muss Beamter sein, zB) und vor allem deutlich effektiver machen könnte und sollte. Dann hätte man den Fachkräftemangel an vielen Stellen recht schnell gelöst, könnte Kapazitäten da hin schieben, wo sie wirklich gebraucht werden (Polizei, etc.) und die dann ordentlich bezahlen.

Ja, das sehe ich ähnlich. Mir ist eigentlich egal wer da kommen mag. Und eigentlich kennen wir die Gesichter schon von denen, die da kommen.

Auch mit der Verschlankung des Beamtentums gebe ich dir recht. Die Definition der Direktion von hoheitlichen Aufgaben ist eh schon sehr aufgeweicht. In den Kommunen sind die Beamten seit langer Zeit in der Minderheit. Und den klassischen Verwaltungen sind sie auch entbehrlich. Es bleibt für mich ein Kernbereich von Polizei und Feuerwehr. Und natürlich die Gruppen der Soldaten und Richter. Alle anderen Tätigkeiten müssten nicht zwingend durch Beamte wahrgenommen werden. Das Streikrecht als Gegenargument anzuführen, wie es meistens getan wird, ist auch nur eine Halbwahrheit. Zum Streik gehört ein entsprechender Organisationsgrad der Gewerkschaften. Der ist schon lange nicht mehr gegeben. In vielen Verwaltungen kommen die Gewerkschaften nicht mehr auf 30%. Und ohne Streikgeld wird kaum einer streiken gehen.

Nur mit "Polizei und Feuerwehr" ist es in meinen Augen sicherlich nicht getan!
Was ist mit großen Teilen der Zollverwaltung, welche polizeivollzugsdienstliche Aufgaben wahrnimmt??? Was ist mit den sowieso schon ausgebluteten Staatsanwaltschaften? Soll die Strafverfolgung in Zukunft streiken dürfen? Wie steht es bei den Finanzämtern? Lehrer müssen mmn sicherlich auch nicht mehr im Amt sein, sind sie doch auch schon teilweise in Arbeitsverhältnissen....jedoch: wir haben doch jetzt schon einen Mangel an Lehrern und wie soll man denn neue Leute "locken" wenn es diese Option nicht mehr gibt???

Versteht mich nicht falsch. Ich glaube auch, dass wir sicherlich zu viele Beamte haben und diese dann noch schlecht verteilt sind,
aber ich warne vor einem all zu radikalen Schnitt

Alle Vollzugsaufgaben und ähnliches müssen natürlich Beamte leisten - den überbordenen Papierkram könnte man aber bspw. zum Großteil abschaffen und die Dinge schlicht nicht immer komplizierter machen. Den restlichen Papierkram könnten oft auch Tarifbeschäftigte bearbeiten, wenn es keine besonders sensiblen Inhalte betrifft.

Und das Beamtentum sollte eigentlich kein Lockmittel sein - man müsste nur die Probleme an den Schulen halt mal lösen und die Abgaben nicht ständig erhöhen, sondern die Löhne.

... was man nicht alles müsste... nun sind wir aber wirklich weit weg vom Thema und quasi in der Utopie angekommen.

Natürlich wirkt das Beamtentum auf viele lockend, ob es das soll oder nicht spielt da keine Rolle. Auf was du aufführst (Vollzugsaufgaben für Beamte, "Papierkram" für TB) macht zwar irgendwo Sinn, sorgt aber auch dafür, dass sich eventuell der ein oder andere TB wünschen mag auch ins Beamtenverhältnis zu wechseln, anstatt sein darsein als Schreiberling zu fristen. Hinzu kommt das oftmals an den Tag gelegte Selbstverständnis, dass "Wir Beamten" immer irgendwo über den TB zu stehen haben (so selbst erlebt bei einem LKA, sowie in der Zollverwaltung). So musste beim LKA stets ein polizeivollzugsbeamter Teamleiter, Arbeitsgebietsleiter etc. Sein....
Zunächst MUSS hier aus der beamtenschaft ein massives umdenken erfolgen, dann muss die Tarifbeschäftigung immens aufgewertet werden, erst dann glaube ich kann so eine Koexistenz irgendwie funktionieren....ist aber nur meine Meinung

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15437 am: 03.11.2024 14:16 »
Ich denke, dass man das, was ihr hinsichtlich der Verschlankung des Beamtenapparats schreibt, Knecht und Julian (und zwischenzeitlich mehrere Weitere, de ich nun nicht einzeln beim Namen nenne), nicht so sehen muss, aber so sehen kann. Da in den Ländern insbesonde Lehrkräfte einen hohen Anteil an der Beamtenschaft haben, stellt sich für uns hier also durchaus die Frage, ob Lehrkräfte eigentlich verbeamtet werden müssen, sodass auch diesbezüglich die Sicht Karlsruhes auf diese Sachfrage von Bedeutung ist. Hierbe ist mal wieder insbesondere auf die Streikverbotsentscheidung vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rs20180612_2bvr173812.html = BVerfGE 148, 296, abzustellen (I.), um dann die Folgen abzuwägen, sofern der Beamtenapparat tatsächlich verschlankt werden kann (II.). Beides kann hier nur angerissen werden, weil ein umfassendere Betrachtung den Rahmen sprengen müsste

I. Zum Verhältnis von Beamtenstatus und Tarifbeschäftigung

Art. 33 Abs. 4 GG und Art. 33 Abs. 5 GG formulieren gemeinsam die sog. institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums in der Bundesrepublik. Sie stellen also klar, dass es die Instititution Berufsbeamtentum als Regelfall des öffentlichen Diensts gibt. Denn dem Berufsbeamtentum ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe als Regelfall zu übertragen, da in der öffentlichen Verwaltung ausschließlich Berufsbeamte in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen (Art. 33 Abs. 4 GG). Als Folge des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln (Art. 33 Abs. 5 GG).

Entsprechend finden wir die Parallelität des Berufsbeamtentums als Regelfall des Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst (der nur deshalb öffentlicher Dienst heißen kann); darüber hinaus sind weitere Beschäftigungsverhältnisse möglich, die jedoch nicht der Regelfall sind. Dabei hebt Karlsruhe in der genannten Entscheidung aber hervor, dass der Regelfall heute tatsächlich den deutlich geringeren Anteil der in der öffentlichen Verwaltung Beschäftigten darstellt:

"Schon in rechtstatsächlicher Hinsicht stellen Beamtinnen und Beamte, die gemäß Art. 33 Abs. 4 GG in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, im Vergleich zu Angestellten aber den geringeren Teil des Personals des zweispurig organisierten öffentlichen Dienstes in Deutschland dar. Zum 30. Juni 2016 befanden sich von knapp 4,7 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst nur etwa 1,7 Millionen Personen in einem Beamten- oder Richterverhältnis (vgl. Statistisches Bundesamt [Destatis], Personal des öffentlichen Dienstes, abrufbar unter: https://www.destatis.de)." (Rn. 187)

Damit fanden wir 2016 nur ein gutes Drittel aller im öffentlichen Dienst Beschäftigten in einem öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis (36,2 %), während knapp zwei Drittel Angestellte waren (63,8 %). Rechtstatsächlich stellt der Regelfall also weitgehend eher die Ausnahme dar. Eine weitere Verschlankung des Beamtenapparats wäre ggf. also möglich, sollte aber sicherlich ab einem bestimmten quantitativ Verhältnis erklärungsbedürftig sein. Das dürfte eventuell insbesondere dann der Fall sein, wenn Lehrkräfte nicht mehr verbeamtet werden würden; denn ihre Zahl stellt in der öffentlichen Verwaltung der Länder - insbesondere, aber nicht nur in den westdeutschen Ländern - ein gehörigen Anteil der Beamtenschaft. Sofern also Lehrkräfte an öffentlichen Schulen zukünftig nicht mehr weit überwiegend verbeamtet werden würden, sollte das zukünftig beträchlich zur Verschlankung des Beamtenapparats beitragen, müsste aber zugleich das gerade genannte quantitative Verhältnis mit jedem weiteren Jahr noch einmal zunehmend deutlich zugunsten der Angestellten verschieben - zunehmend deutlich deshalb, weil eine Neueinstellung von Lehrkräften weit überwiegend oder ausschließlich im Angestelltenverhältnis am Bestandsschutz der heute verbeamteten Lehrkräfte nichts änderte, sodass wir zunächst weiterhin eine hohe Zahl an verbeamtete Lehrkräfte vorfänden, die mit jedem Jahr allerdings dann wegen der Pensionierung verbeamteter und Neueinstellung angestellter Lehrkräfte geringer werden würde.

Darüber hinaus hat Karlsruhe in der genannten Entscheidung erneut klargestellt, dass Lehrkräfte in der Regel nicht schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben wahrnehmen, weshalb Art. 33 Abs. 4 GG einer Beschäftigung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis nicht entgegensteht, die in Deutschland – abhängig von dem betroffenen Land – in unterschiedlicher Intensität auch praktiziert wird (Rn. 188). Allerdings führt der Senat ebenso aus, dass die Dienstherrn zur Begründung des Streikverbots ausgeführt haben, dass jenes zur Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages und eines funktionierenden Schulwesens (Art. 7 Abs. 1 GG) notwendig sei und so der Aufrechterhaltung der Ordnung diene; das Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte verfolge ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK (Rn. 178; Hervorhebung durch ST.).

Damit haben sie hervorgehoben, dass ein Streikverbot von verbeamteten Lehrkräften notwendig sei, um den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und ein funktionierendes Schulwesen zu gewährleisten, und also der Aufrechterhaltung der Ordnung diene. Es dürfte ihnen so nun aber auf der anderen Seite kaum möglich sein, ab einem bestimmten Zeitpunkt weitgehend keine bis gar keine Lehrkräfte mehr zu verbeamten, da angestellte Lehrkräfte über ein Streikrecht verfügen, womit als Folge der gerade skizzierten Argumentation ab einem bestimmten Zeitpunkt offensichtlich der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag und ein funktionierendes Schulwesen nicht mehr so ohne Weiteres zu gewährleisten sein dürften, der wegen der durch den Bestandschutz vorhandenen verbeamteten Lehrkräfte zwar erst in der Zukunft liegen sollte; allerdings sollte eine entsprechende Maßnahme sich als nicht nachhaltig erweisen und damit ggf. der nachwachsenden Generation ein zunehmend größer werdendes Problem überlassen, was nach der neueren bundesverfassungsrichtlichen Rechtsprechung zur Klimapolitik mit einiger Wahrscheinlichkeit so nicht verfassungskonform vollzogen werden könnte.

Denn hier führt der Senat aus, dass die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 20a GG im Sinne praktischer Konkordanz keinen unbedingten Vorrang vor anderen Verfassungsgütern haben (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html = BVerfGE 157, 30, Ls. 2a), dass aber die dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht einschließt, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen (Ls. 2b). Im Sinne praktischer Konkordanz dürfen wir darauf schließen, dass das ebenso hinsichtlich Art. 7 Abs. 1 GG gelten sollte, wenn auch ggf. nicht identisch, aber in Anbetracht der Relevanz des Grundrechts auf Bildung - sowohl hinsichtlich der individuellen Relevanz als auch für das Gemeinwesen als Ganzes - doch zumindest dem Grundsatz nach.

Dabei führt der genannte Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK aus, dass das hohe Gut der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung rechtmäßig eingeschränkt werden kann (https://dejure.org/gesetze/MRK/11.html). Entsprechend würde nun im Sinne der gerade genannten Argumentation der Dienstherrn die Berufung auf Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK die von mir zuvor skizzierte Problematik offensichtlich noch vergrößern. Denn der Senat hat nun im Sinne jener Argumentation ebenso festgehalten:

"In die nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK vorzunehmende Interessenabwägung mit den Rechten und Freiheiten anderer ist zudem einzustellen, dass im Falle des Beschwerdeführers zu I. und der Beschwerdeführerinnen zu II. bis IV. [allesamt verbeamtete Lehrkräfte; ST.] das Streikverbot dem Recht auf Bildung und damit dem Schutz eines in Art. 2 ZP 1 EMRK und anderen völkerrechtlichen Verträgen verankerten Menschenrechts dient (vgl. Pollin, Das Streikverbot für verbeamtete Lehrer, 2015, S. 262 ff., 283 ff.; Greiner, DÖV 2013, S. 623 <627>)." (Rn. 182)

Da nun also die Dienstherrn aus den genannten Gründen den Fortbestand eines Streikverbots für verbeamtete Lehrkräfte gefordert und das unter anderem mit der Gewährleistung des Grundrechts auf Bildung begründet haben, hat der Senat im gerade ausgeführten Zitat gefolgert, dass dieses Streikverbot dem Recht auf Bildung und damit dem Schutz eines in Art. 2 ZP 1 EMRK und anderen völkerrechtlichen Verträgen verankerten Menschenrechts dient. Damit aber müssten die Dienstherrn heute als Folge ihrer dargelegten Argumentation mit einer neuen Einstellungspraxis über kurz oder lang eine im europäischen Kontext menschenrechts- und auf dem Boden der Bundesrepublik grundrechtsverletztende Politik vollziehen, die sich so dann ebenfalls sachlich kaum rechtfertigen lassen dürfte.  Denn wenn das Streikverbot von verbeamteten Lehrkräften notwendig sei, um den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und ein funktionierendes Schulwesen nach Art. 7 Abs. 1 GG aufrechterhalten zu können, dann kann die Lösung zur Garantie des Grundsrechts auf Bildung nicht darin liegen, ab zukünftig vor allem oder ausschließlich Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis einzustellen, die über ein Streikrecht verfügen. In diesem Sinne hat der Senat nun hinsichtlich verbeamteter Lehrkräfte fesrtgehalten: "Nach Auffassung des Senats sind beamtete Lehrerinnen und Lehrer als Angehörige der Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK anzusehen" (Rn. 187).

Der langen Rede kurzer Sinn: Den Dienstherrn wird es auch zukünftig gestattet sein, Lehrkräfte nicht ausschließlich als Beamte einzustellen. Sie dürften sich dabei aber veranlasst sehen, im Sinne der eigenen Argumentation aus der Vergangenheit ab einem bestimmten Verhältnis von nicht mehr weitgehend regelmäßig im Beamtenverhältnis neu eingestellten Lehrkräfte zu begründen, wie sie so damit zukünftig das Recht auf Bildung nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wollten - eine regelmäßig weit überwiegende bis ausschließlich Übernahme vom Lehrkräften im Angestelltenverhältnis dürfte also über kurz oder lang seit spätestens 2018 auf Dauer kaum mehr begründbar sein, denke ich. Unabhängig von der genannten Karlsruher Entscheidung hat insbesondere Sachsen, das zuvor Lehrkräfte ausschließlich im Angestelltenverhältnis eingestellt hatte, bereits in deren Vorfeld am 9. März 2018 beschlossen, dass zum Januar 2019 neu einzustellende Lehrkräfte mit vollständiger Ausbildung verbeamtet werden können.


II. Was wären die Folgen einer Verschlankung des Beamtenapparats?

Wie bereits ausgeführt, stellt sich im Verhältnis von Berufsbeamten und Angestellten der Beamtenapparat im öffentlichen Dienst heute bereits als recht verschlankt dar, und zwar das nur umso mehr, als dass ja wie gezeigt das Dienst- und Treueverhältnis verfassungsrechtlich der Regelfall, das Angestelltenverhältnis hingegen die Ausnahme sein muss. Wie gerade gezeigt, findet dabei die quantitative Begrenzung der Beamtenverhältnisse für Angehörige der Streitkräfte und der Polizei, aber sicherlich auch in der Justiz hinsichtlich von Richtern und Staatsanwälten ihre verfassungsrechtliche Einschränkung, da hier hoheitliche Aufgaben zu vollziehen sind. Polizeiangestellte kann es geben. jedoch nur in einem Rahmen, der hier nicht weiter ausgeführt werden braucht. Allerdings - wie gerade am Beispiel von Lehrkräften gezeigt - sollte ein zukünftiger Verzicht auf die Verbeamtung in der Staatsverwaltung selbst dann nicht so ohne Weiteres und in allen Segmenten des öffentlchen Diensts möglich sein, auch wenn davon auszugehen wäre, dass hier keine hoheitliche Aufgaben vollzogen werden würden. Denn sofern der Dienstherr zukünftig in Segmenten der öffentlichen Verwaltung weit überwiegend oder ausschließlich nur noch Angestellte einstellen würde, hätte er damit zu gewährleisten, dass so weiterhin der Grundrechtsschutz der Staatsbürger gesichert werden kann, so wie ich das gerade am Beispiel des Rechts auf Bildung anhand der genannten Rechtsprechung exemplifiziert habe. Von der Bestallung von Beamten dürfte auch in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung wie bspw. in Teilen des Gesundheitswesen nicht so ohne Weiteres vollständig oder in großen Teolen abgesehen werden können, vermute ich. Auch der Gesundheitsschutz ist mit Art. 2 Abs. 2 GG gewichtiger Teil des Grundrechtskatalogs.

Darüber hinaus müsste - selbst wenn es gelingen würde, das genannte quantitative Verhältnis von Beamten und Angestellten in einem verfassungskonformen Rahmen noch einmal deutlich zugunsten der Angestellten zu verschieben - nichtsdestotrotz sichergestellt werden, dass die amtsangemessene Alimentation allen Beamten gewährt werden muss, und zwar unabhängig von ihrer Zahl. Als Folge werden die Dienstherrn über kurz oder lang in allen Rechtskreisen die Grundgehaltssätze signifikant zu erhöhen haben. Diese Erhöhung wird bspw. in Sachsen geringer ausfallen müssen als in Bayern oder dem Bund. Sie wird aber über kurz oder lang kommen: "Über kurz oder lang" wird dabei als Zeitangabe auch davon abhängen, wie die angekündigten Entscheidungen über die Berliner Pilotverfahren begründet werden werden und in welchem Zeitrahmen nun über die mittlerweile über 60 Normenkontrollverfahren aus zwölf Bundesländern entschieden werden wird. Karlsruhe wird sich dabei als Folge der Stellungnahme, die der Berichterstatter in der Entscheidung der der Beschwerdekammer vom 21. Dezember 2023 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8, abgegeben hat, veranlasst sehen, ein deutlich höheres Tempo an den Tag zu legen, als das seit dem Mai 2020 geschehen ist. Denn alles ander ließe sich sachlich zunehmend schwieriger bis irgendwann gar nicht mehr sachlich rechtfertigen, um also den effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.

Unabhängig also von der Anzahl von Beamten, denen am Ende allesamt wieder eine amtsangemessene Alimentation zu gewährleisten ist und die - die Anzahl - in nächster Zeit kaum signifikant geringer werden dürfte (ab 2026 wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter, ausgehend vom ersten Jahrgang und dann über die Jahre hochwachsend, zu gewährleisten sein, was zu einer beständig steigenden Zahl an Lehrkräften führen wird, die bekanntlich in den Ländern einen großen Anteil der Beamtenschaft ausmachen), werden also die Beamtengehälter und darin die Grundgehaltssätze signifikant steigen, was mehr oder minder zwangsläufig dazu führen dürfte, dass ebenso die Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst nach und nach angehoben werden muss, um hier nun nicht nur konkurrzenfähig zu bleiben oder wieder zu werden, sondern auch, dem berechtigten Gerechtigkeitsempfinden der deutlichen Mehrzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten nachzukommen.

Darüber hinaus - das ist meine Meinung, die ich hier nur als Schlagwort anfüge, um den Beitrag nicht noch länger zu machen - wird das Schlagwort der Digitalisierung regelmäßig ins Feld geführt, um so sowohl Effizenzgewinne und eine geringere Anzahl an Personal im öffentlichen Dienst prognostizieren zu können. Faktisch betrachte ich diese Verlautbarungen allerdings eben weitgehend nur als Schlagwörter, auf die sich politisch alle Beteiligten einigen können, und zwar deshalb, weil sie als Schlagwörter im Ungefähren bleiben können, sich schön anhören und in der Bevölkerung kaum auf Gegenstimmen stoßen. Eine tatsächlich entsprechende Wirkung kann ich jedoch weiterhin seit Jahr und Tag nicht erkennen, auch keine konkreten Schritte, die mit Ausnahme des allgemeinen Umbaus auf Glasfaserkabel, der allerdings eben ein allgemeines Phänomen ist, von dem auch die öffentliche Verwaltung wird profitieren können, der aber nicht vorrangig für sie gemacht wird, irgendwie darauf hindeuten könnten, dass uns eine solche Digitalisierung tatsächlich alsbald umfassend ins Haus stände.

Ergo: Der öffentliche Dienst, der personell auf absehbare Zeit nicht in größeren Teilen verschlankt werden kann, sondern tendenziell eher noch anwachsen dürfte in Anbetracht von gleichfalls weiterhin in hoher Zahl unbesetzten Stellen, wird zukünftig deutlich teurer werden und das auch müssen, um in Anbetracht des demographischen Wandels konkurrenzfähig zu bleiben oder wohl zunehmend: es wieder zu werden. Alle anderen Träumereien von Dienstherrn und öffentlichen Arbeitgebern werden sich nicht bewahrheiten, sondern sich allenfalls noch solange im Schlaf der Vernunft halten können, bis wir wieder hinsichtlich des Alimentationsprinzips einen effektiven Rdchtsschutz vorfinden werden, der diesen Namen verdient. Dafür wird es nun langsam Zeit und in dieser Pflicht sieht sich das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung, und zwar nach den Erfahrungen allein der letzten rund zwei bis drei Jahren nur umso mehr.
« Last Edit: 03.11.2024 14:31 von SwenTanortsch »

Hauruck

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15438 am: 03.11.2024 15:10 »
Hat hier jemand mal versucht, in der Arztpraxis auf Rechnung behandelt zu werden ohne die Angabe "Ich bin in der PKV" ?
Wäre die Arztrechnung dann höher oder niedriger?
Kann sich das rechnen für die Menschen, die eh kaum/nie beim Arzt sind und auch keine Rechnungen einreichen, weil sie auf die Beitragsrückerstattung Richtung Herbst spekulieren?

Zumindest diese Rückerstattung steigt mit dem höheren monatl. Beitrag dann ja auch wieder an. Ist das für irgendwen ein Trostpflaster?

Tarifgeist

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15439 am: 03.11.2024 19:22 »
Hat hier jemand mal versucht, in der Arztpraxis auf Rechnung behandelt zu werden ohne die Angabe "Ich bin in der PKV" ?
Wäre die Arztrechnung dann höher oder niedriger?
Kann sich das rechnen für die Menschen, die eh kaum/nie beim Arzt sind und auch keine Rechnungen einreichen, weil sie auf die Beitragsrückerstattung Richtung Herbst spekulieren?

Zumindest diese Rückerstattung steigt mit dem höheren monatl. Beitrag dann ja auch wieder an. Ist das für irgendwen ein Trostpflaster?
Ist bei uns in der Behörde durchaus Usus. Ich selbst rechne eigentlich auch immer grob gegen, was pekunär mehr Sinn ergibt

InternetistNeuland

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15440 am: 03.11.2024 19:55 »
Ich denke Lehrer nicht zu verbeamten macht nur Sinn, wenn diese durch die Gesundheitsprüfung gefallen sind. Solche Lehrkräfte kann man dann zumindest als angestellte Lehrer übernehmen.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15441 am: 03.11.2024 20:51 »
@Tarifgeist, ich gönne mir schon viel Jahre professionelle Zahnreinigungen, im Übrigen eine der ganz wenigen Igel-Leistungen, die Sinn machen. Meine letzte Zahnreinigung als gesetzlich Versicherter kostete in 2016 irgendetwas zwischen 70 und 80 Euro, meine erste als privat Versicherter kosteten gleich 20 Euro mehr.

Tarifgeist

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15442 am: 04.11.2024 09:32 »
@Tarifgeist, ich gönne mir schon viel Jahre professionelle Zahnreinigungen, im Übrigen eine der ganz wenigen Igel-Leistungen, die Sinn machen. Meine letzte Zahnreinigung als gesetzlich Versicherter kostete in 2016 irgendetwas zwischen 70 und 80 Euro, meine erste als privat Versicherter kosteten gleich 20 Euro mehr.
Da habe ich keine Erfahrungswerte. Dann lasse die PZR doch in einer anderen Praxis machen (also NUR die PZR!). Soweit ich weiß bekommt man bei einer solchen den ZA ja sowieso nicht zu Gesicht...

Dunkelbunter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15443 am: 04.11.2024 09:37 »
Bitte mal das Offtopic sein lassen.

DrStrange

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15444 am: 04.11.2024 16:54 »

Darüber hinaus hat Karlsruhe in der genannten Entscheidung erneut klargestellt, dass Lehrkräfte in der Regel nicht schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben wahrnehmen, weshalb Art. 33 Abs. 4 GG einer Beschäftigung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis nicht entgegensteht, die in Deutschland – abhängig von dem betroffenen Land – in unterschiedlicher Intensität auch praktiziert wird (Rn. 188). Allerdings führt der Senat ebenso aus, dass die Dienstherrn zur Begründung des Streikverbots ausgeführt haben, dass jenes zur Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages und eines funktionierenden Schulwesens (Art. 7 Abs. 1 GG) notwendig sei und so der Aufrechterhaltung der Ordnung diene; das Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte verfolge ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK (Rn. 178; Hervorhebung durch ST.).


Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages.. das passiert ja jetzt noch kaum bei den vielen Ausfallstunden.
Ein Streikverbot gibt es im übertragenen Sinne im Gesundheitswesen. Dort muss bei Streik eine Mindeststärke für die Patienten da sein.
Das geht als auch bei Angestellten. Also Lehrer müssten schonmal nicht verbeamtet werden.

DrStrange

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15445 am: 04.11.2024 16:56 »
für die der Job nur Mittel zum Zweck ist.

Überleben, reich werden, Spaß haben... Der Job ist immer Mittel zum Zweck. Außer als Tagelöhner scheinbar..

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« Antwort #15446 am: 04.11.2024 18:02 »
für die der Job nur Mittel zum Zweck ist.
Überleben, reich werden, Spaß haben... Der Job ist immer Mittel zum Zweck. Außer als Tagelöhner scheinbar..

Der Job ist immer auch Mittel zum Zweck. Allerdings dürfte jedem klar sein, dass wir als Gesellschaft am Ende sind, wenn niemand mehr weiß, was er tut weil der Job eben nur Mittel zum Zweck ist. Wenn niemand mehr etwas leistet und niemand etwas erwartet. Und der öD ist mit seiner Leistungsfeindlichkeit an dieser Stelle ein echtes Negativbeispiel.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15447 am: 04.11.2024 18:25 »

Darüber hinaus hat Karlsruhe in der genannten Entscheidung erneut klargestellt, dass Lehrkräfte in der Regel nicht schwerpunktmäßig hoheitlich geprägte Aufgaben wahrnehmen, weshalb Art. 33 Abs. 4 GG einer Beschäftigung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis nicht entgegensteht, die in Deutschland – abhängig von dem betroffenen Land – in unterschiedlicher Intensität auch praktiziert wird (Rn. 188). Allerdings führt der Senat ebenso aus, dass die Dienstherrn zur Begründung des Streikverbots ausgeführt haben, dass jenes zur Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages und eines funktionierenden Schulwesens (Art. 7 Abs. 1 GG) notwendig sei und so der Aufrechterhaltung der Ordnung diene; das Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte verfolge ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK (Rn. 178; Hervorhebung durch ST.).


Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages.. das passiert ja jetzt noch kaum bei den vielen Ausfallstunden.
Ein Streikverbot gibt es im übertragenen Sinne im Gesundheitswesen. Dort muss bei Streik eine Mindeststärke für die Patienten da sein.
Das geht als auch bei Angestellten. Also Lehrer müssten schonmal nicht verbeamtet werden.

Hier irrst Du, Dottore: Denn der Senat hat in der genannten Entscheidung an der in meinem letzten Beitrag genannten Stelle festgestellt, dass nach Meinung der Dienstherrn ein Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte notwendig sei, um den staatlichen Bildungsauftrag und damit die Gewährleistung des Grundrechts auf Bildung aufrechterhalten zu können. So hat die niedersächsische Landesregierung zunächst darauf hingewiesen, dass verbeamte Lehrkräfte Teil der Staatsverwaltung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK seien und dass deshalb ihre Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt werden könne, worin ihr der Senat wie gezeigt gefolgt ist. Sie hat weiterhin ausgeführt, dass das Schulwesen sich als obligatorische Staatsaufgabe darstelle und den Kernbereich der Staatstätigkeit betreffe. Streiks würden nicht nur Art. 7 Abs. 1 GG, sondern auch die Grundrechte der Schüler betreffen (Rn. 92). Auch darin ist der Senat ihr gefolgt, um am Ende festzustellen:

"Bei länger andauernden Arbeitskämpfen und der Beteiligung von Inhabern schulischer Funktionsstellen ließe sich zudem der – ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte – staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 47, 46 <71>; 93, 1 <21>; 98, 218 <244>), kurz ein funktionierendes Schulsystem (vgl. BVerfGE 138, 1 <29 Rn. 80>), nicht mehr durchgängig sicherstellen. Dass es in der Vergangenheit selbst in Ländern mit einem überwiegenden Anteil an tarifbeschäftigten Lehrkräften nicht zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Schulbetriebes gekommen ist, stellt das Beeinträchtigungspotential von Arbeitskämpfen im schulischen Bereich nicht grundsätzlich in Frage. Denn zum einen handelte es sich nach Auskunft der Vertreter des Freistaates Sachsen in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2018 in der Vergangenheit dort regelmäßig um kurze Streikmaßnahmen ohne Beteiligung der (beamteten) Schulleiter und ihrer Stellvertreter. Zum anderen ist es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme, auf den jeweiligen Gegenspieler Druck in Gestalt der Zufügung von Nachteilen ausüben zu können, um zu einem Tarifabschluss zu gelangen. Daher wären mit der Gewährung eines Streikrechts für Beamte im vorgenannten Sinne ebenfalls erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Schulwesens zu besorgen." (Rn. 160; Hervorhebungen durch ST.)

Auf dieser Grundlage ist es letztlich unerheblich, ob wir nun in Analogie zu anderen Aufgabenbereichen staatlichen Handelns der Meinung sind, dass selbst mit einer weit überwiegenden Zahl an angestellten Lehrkräften der staatliche Bildungsauftrag regelmäßig uneingeschränkt aufrechterhalten werden könnte oder nicht. Denn der Senat hat festgestellt, dass die Aufrechterhaltung des staatlichen Bildungsauftrags den Kernbereich der Staatstätigkeit betreffe. Die Dienstherrn haben entsprechend sicherzustellen, dass insbesondere eine hinreichende Zahl von verbeamteten Inhabern schulischer Funktionsstellen gegeben sein muss, um den regelmäßig weitgehend uneingeschränkten staatlichen Bildungsauftrag aufrechterhalten zu können. Als Folge von Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 1 GG sowie Art. 33 Abs. 2 GG zeigt sich zugleich, dass nicht das Amt, sondern die Qualifikation der Bewerber ausschlaggebend für die Besetzung von Funktionsstellen ist. Verbeamtete Lehrkräften können folglich angestellten Lehrkräften in der Besetzung von Funktionsstellen nicht vorgezogen werden. Es muss also offensichtlich eine genügend hohe Zahl an verbeamteten Lehrkräften im allgemeinbildenden Bereich gegeben sein, um zu gewährleisten, dass am Ende eine genügende Zahl an verbeamteten Lehrkräften Funktionsstellen besetzen, um im Falle eines Streiks den regelmäßig weitgehend uneingeschränkten staatlichen Bildungsauftrag aufrechterhalten zu können.

Die regelmäßig und kontinuierliche Einstellung von weit überwiegend bis ausschließlich angestellte Lehrkräfte könnte also als Folge der Streikverbotsentscheidung nicht mit der Verfassung in Einklang stehen. Darüber hinaus würde sich eine solche Praxis als Folge der dargestellten Argumentation der Dienstherrn als eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende "Rosinenpickerei" herausstellen: Denn man kann nicht einerseits ein Streikverbot von verbeamteten Lehrkräften als zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig betrachten, um dann weit überweigend bis ausschließlich angestellte Lehrkräfte einzustellen, denen das Streikrecht gegeben ist.

Man kann also als Privatmeinung die Ansicht vertreten - die ich gut nachvollziehen kann, weil ich das ähnlich sehe -, dass Lehrkräfte nicht verbeamtet werden müssten. Aber wie gehabt spielt unsere Privatmeinung keine Rolle, sofern sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15448 am: 04.11.2024 21:31 »
@Tarifgeist, ich gönne mir schon viel Jahre professionelle Zahnreinigungen, im Übrigen eine der ganz wenigen Igel-Leistungen, die Sinn machen. Meine letzte Zahnreinigung als gesetzlich Versicherter kostete in 2016 irgendetwas zwischen 70 und 80 Euro, meine erste als privat Versicherter kosteten gleich 20 Euro mehr.

Das war noch günstig. Mir wurden nach Wechsel in die PKV gleich mal +80% drauf gehauen.

LehrerBW

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15449 am: 04.11.2024 22:05 »

Gewährleistung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages.. das passiert ja jetzt noch kaum bei den vielen Ausfallstunden.
Ein Streikverbot gibt es im übertragenen Sinne im Gesundheitswesen. Dort muss bei Streik eine Mindeststärke für die Patienten da sein.
Das geht als auch bei Angestellten. Also Lehrer müssten schonmal nicht verbeamtet werden.

Historisch gesehen waren Lehrer, seit es die Schulpflicht gibt und das Schulwesen von der Kirche auf den Staat überging, eigentlich immer Beamte.
Vor allem nach dem Krieg legte man höchsten Wert auf Verbeamtung und politische Zuverlässigkeit. Lediglich in der DDR und in einigen neuen Bundesländern wurden Lehrer nicht verbeamtet.

Wie soll ein Systemwechsel auch funktionieren? Dann gäbe es ja eine Kluft zwischen den alteingesessenen auf Lebenszeit verbeamteten und neuen tariflich bezahlten Kollegen. Zumal eine Schule auch zuverlässig die Unterrichtsversorgung planen muss, was nicht möglich wär wenn ständig einer die Flatter machen könnte.
Und wenn alle Lehrer streiken dürften…über mehrere Wochen. Dann wär aber allesim Land im Stillstand begriffen weil dann sämtliche Eltern daheim bleiben müssten.

Entweder man möchte einen zuverlässigen (auch politisch zuverlässigen) Schuldienst auf den die Kinder ein verfassungsgemäßes Anrecht haben und dann verbeamtet man halt oder man entscheidet sich für bildungspolitisches Chaos.


Es ist ja eigentlich eher so, dass zunehmend verbeamtet wird, auch von den Ländern, die vorher nur eingestellt haben, weil ihnen eben die Lehrer dann gefehlt haben. Darf ja auch jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochen da Bildungspolitik Ländersache ist.
« Last Edit: 04.11.2024 22:12 von LehrerBW »