Autor Thema: Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion  (Read 1034812 times)

cyrix42

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2010 am: 07.09.2023 17:24 »
Eine angemessene Bezahlung aller Entgeltgruppen wäre notwendig, nicht das Streichen besonders schlecht bezahlter Tätigkeiten.

Nun, Tätigkeiten sind meist deshalb schlecht bezahlt, weil es dafür keine größere Qualifikation benötigt, sondern viel aus Routine-Tätigkeiten besteht. Und die kann man gut automatisieren. Insofern wird es in Zukunft durchaus dazu kommen, dass der Niedriglohnsektor immer kleiner wird. Da die Bevölkerung deshalb nicht automatisch einen höheren Bildungs- und Kreativitätsgrad besitzt, wird das dazu führen, dass relevante Teile der Bevölkerung keiner Lohnarbeit mehr nachgehen können, da ihre Aufgaben billiger durch automatisierte Systeme übernommen werden können. Ergo muss die Allgemeinheit diese dann auffangen, was andere hier wieder als "Soziale Hängematte" bezeichnen würden.

Insofern sehe ich durchaus es als Lauf der Dinge, dass verschiedene einfache Tätigkeiten aus sich heraus zukünftig nicht ausreichen werden, dass die Person sich -- und ggf. als Alleinverdiener_in eine 4K-Familie -- über Wasser halten kann. Und je mehr die Automatisierung diese Tätigkeiten übernimmt, desto weniger wird es sich lohnen, da menschliches Personal dafür einzusetzen, desto weniger Lohn wird für diese Tätigkeiten gezahlt, bis dieses Berufsfeld ganz ausgestorben ist.

Also ja, ich sehe durchaus, dass langfristig die einfacheren Tätigkeiten (und damit im Tarif-Gefüge die unteren Entgeltgruppen) Auslaufmodelle sind...

btw: Nicht einmal mehr 1 Promille der VZÄ im öffentlichen Dienst der Länder ist derzeit noch in der EG 1 angestellt. Die wegzurationalisieren dürfte also recht einfach sein. (In der EG 2 sind es etwa 1% der VZÄ.)
« Last Edit: 07.09.2023 17:41 von cyrix42 »

cyrix42

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2011 am: 07.09.2023 17:27 »
rechnet mit einem Streik um Nikolaus herum…

Das ist dann kurz vor der dritten Verhandlungsrunde 7.-9. Dezember. Insofern keine große Kunst, da Warnstreiks vorherzusehen.

Zitat
er schätzte die Forderungen deutlich höher ein als im ÖD… das lässt hoffen.

Nu, in anderthalb Monaten wissen wir auch offiziell mehr. Dann kann man ja sehen, was im Vergleich zum TVöD Anfang es Jahres gefordert wird.

MoinMoin

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2012 am: 07.09.2023 19:25 »
So heute mal mit unserem Personalrat gesprochen… er geht von sehr harten Verhandlungen aus und rechnet mit einem Streik um Nikolaus herum… er schätzte die Forderungen deutlich höher ein als im ÖD… das lässt hoffen.

Der Mann ist extrem gut vernetzt…
;D ;D ;D ;D ;D

teclis22

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2013 am: 07.09.2023 19:47 »
ich hoffe ja immer noch das "stufengleiche höhergruppierung" da irgendwie mit rein kommt :/

cyrix42

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2014 am: 07.09.2023 19:49 »
Wäre für mich perspektivisch auch interessant, würde ich aber für unwahrscheinlich halten, dass das kommt. Das wäre eine strukturelle Verbesserung, die von den Gewerkschaften gefordert werden müsste (die AG-Seite scheint ja mit dem derzeitigen Verfahren zufrieden zu sein). Doch die werden das nicht einbringen, weil nur eine Minderheit der Beschäftigten von dieser Frage überhaupt tangiert wird...

btw: Gemäß dieser (zugegebener Maßen nur begrenzt vertrauenserweckenden) Quelle sind wohl durch die Gewerkschaften nur die Entgelttabellen gekündigt worden, d.h., es wird ausschließlich über die Tabellenentgelte verhandelt werden, während alle sonstigen Regelungen des TV-L weiterhin intakt bleiben.

MoinMoin

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2015 am: 07.09.2023 19:57 »
Nun, Tätigkeiten sind meist deshalb schlecht bezahlt, weil es dafür keine größere Qualifikation benötigt, sondern viel aus Routine-Tätigkeiten besteht. Und die kann man gut automatisieren. Insofern wird es in Zukunft durchaus dazu kommen, dass der Niedriglohnsektor immer kleiner wird. Da die Bevölkerung deshalb nicht automatisch einen höheren Bildungs- und Kreativitätsgrad besitzt, wird das dazu führen, dass relevante Teile der Bevölkerung keiner Lohnarbeit mehr nachgehen können, da ihre Aufgaben billiger durch automatisierte Systeme übernommen werden können. Ergo muss die Allgemeinheit diese dann auffangen, was andere hier wieder als "Soziale Hängematte" bezeichnen würden.
Sorry, nö, glaube ich absolut nicht!
Wir werden weiterhin für viele Menschen, die keine größere Qualifikation oder als die als Übergang, bis sie die benötigten sprachlichen Fähigkeiten erworben haben, Unmengen an niedrig bezahlten einfache Jobs haben.
Uber und Co
Scooter Akkuaustauscher
Flink die Chips und das Bier an die Tür Bringer.
Hunde Gassiführer
Hecke schneider
Amazon verpacker
Hundekacke aufsammler
Ach was hat die Digitale Welt und der Wunsch nach Dienstleistungen für jeden schiss, doch für Möglichkeiten eröffnet, Kunde und Dienstleister zueinander zu bringen.

Und dann die angelernten Menschen die PV Anlagen anschrauben, Pflaster verlegen.....also klassische Zupfleger wie sie früher genannt wurden.

Also vor Jahren habe ich auch gedacht, upps, was machen wir nur mit den "einfachen" Arbeiter, die werden ja alle überflüssig-Inzwischen glaube ich an der Stelle an den Einfallsreichtum und die Kraft des Marktes.
und die Bequemlichkeit derjenigen, die das Geld über haben und dienstleistungsorientierter Leben.

Wo viel Wegrationalisiert (oder umstrukturiert) wird in naher Zukunft ist in sowas wie Buchhaltung, BPM Dinge, die noch halbmanuell stattfinden...Aber auch für die wird es andere Dinge geben.

Zitat
Insofern sehe ich durchaus es als Lauf der Dinge, dass verschiedene einfache Tätigkeiten aus sich heraus zukünftig nicht ausreichen werden, dass die Person sich -- und ggf. als Alleinverdiener_in eine 4K-Familie -- über Wasser halten kann. Und je mehr die Automatisierung diese Tätigkeiten übernimmt, desto weniger wird es sich lohnen, da menschliches Personal dafür einzusetzen, desto weniger Lohn wird für diese Tätigkeiten gezahlt, bis dieses Berufsfeld ganz ausgestorben ist.
Stimmt der Umbruch ist immer einer der hart sein kann.
Hatten wir immer schon (da fällt mir spontan Hauptmann und "Die Weber" ein)
Was man gerne vergisst, ist, dass diese Errungenschaft, dass ein "Jedermann" als Alleinverdiener eine mehrköpfige Familie durchbringen kann, nur etwas ist (oder war), was von relativ kurzer Zeit und eng begrenzten sozialen Schichten gelebt werden kann oder konnte.

Das heutzutage jemand mit dem Durchschnittseinkommen und 4K Familie in einigen Gegenden ein Bürgergeldanrecht hat ist halt ein Teil dieser Entwicklung.
Der Gedanke, dass das Bürgergeld zu hoch ist, ist die Reaktion von dem einem.
Der Andere sieht zu viel Steuern und andere Abgaben als den Schuldigen.
Der Dritte den zu geringen Lohn (und einige wettern gleichzeitig, dass der Mindestlohn zu hoch ist)Und dann wird


Zitat
Also ja, ich sehe durchaus, dass langfristig die einfacheren Tätigkeiten (und damit im Tarif-Gefüge die unteren Entgeltgruppen) Auslaufmodelle sind...
Im öD auf alle Fälle, weil Firmen günstiger sind, das habe ich schon zu genüge erlebt, dass die sogenannte Unkündbarkeit dort als Seifenblase blubb machte.

MoinMoin

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2016 am: 07.09.2023 19:58 »
ich hoffe ja immer noch das "stufengleiche höhergruppierung" da irgendwie mit rein kommt :/
Wahrscheinlich als Angebot vom AG
(so wie seinerzeit die Stufe 6)

cyrix42

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« Antwort #2017 am: 07.09.2023 20:27 »
Ich habe mal in §39 TV-L nachgelesen, was jetzt eigentlich zum 30.09. gekündigt werden kann. Und das sind tatsächlich i.W. die Entgelttabellen. Kündigungsfrist ist 1 Monat, sodass diese Kündigung nun schon erfolgt sein müsste.

Hinzu kommt §6 Absatz (1) zur Wochenarbeitszeit (wurde wohl nicht gekündigt?), §23 Absatz (2) zum Jubiläumsgeld, §§6--11 als Bündel (Arbeitszeit, Teilzeit, ...), §§12--14 inkl. Entgeltordnung (Eingruppierung; allerdings mit Kündigungsfrist 3 Monaten) und §23 Absatz (1) zu vwL. Ich habe nirgends gesehen, dass einer dieser Paragraphen durch Gewerkschafts- oder Arbeitgeberseite gekündigt wurde.

Heißt, zumindest können in den Verhandlungen keine einseitigen Forderungen zu Punkten abseits der Entgelttabellen gestellt werden. (Das Thema "Arbeitsvorgang" dürfte also nicht erneut aufs Tapet gebracht werden, da die Entgeltordnung wohl weiterhin ungekündigt ist.)

Iunius

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2018 am: 07.09.2023 22:07 »

Nun, Tätigkeiten sind meist deshalb schlecht bezahlt, weil es dafür keine größere Qualifikation benötigt, sondern viel aus Routine-Tätigkeiten besteht. Und die kann man gut automatisieren. Insofern wird es in Zukunft durchaus dazu kommen, dass der Niedriglohnsektor immer kleiner wird. Da die Bevölkerung deshalb nicht automatisch einen höheren Bildungs- und Kreativitätsgrad besitzt, wird das dazu führen, dass relevante Teile der Bevölkerung keiner Lohnarbeit mehr nachgehen können, da ihre Aufgaben billiger durch automatisierte Systeme übernommen werden können. Ergo muss die Allgemeinheit diese dann auffangen, was andere hier wieder als "Soziale Hängematte" bezeichnen würden.


Ich glaube und sehe vor Ort, dass sich eher die Aufgaben des "mittleren Segments" automatisieren lassen.
E5 - E9
Buchung, Abrechnungen, Zahlstellentätigkeiten, Sekretariate, Terminplanungen, Organisation.

Kochen
Spühlen
Putzen
Hausmeistertätigkeiten (auch einfache)
sonstige Hilfstätigkeiten die abstraktes Denken erfordern
Schreiner
Gärtner

Da wird nix zu automatisieren sein und hier im Krankenhaus brauchst du sowas (dringend).
In Ermangelung von Bewerbern haben wir, notgedrungen, viel automatisiert was Verwaltung angeht, aber das Essen bringen die KIs eben nicht ins Zimmer.

Aktienprimus

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« Antwort #2019 am: 08.09.2023 06:42 »
Aus eigenem Blickwinkel betrachtet: Insbesondere im Bereich der Verwaltung besteht bei uns hier erheblich Potential für KI, Digitalisierung und Automatisierung. Trifft laut Studien künftig gerade derartige Dinge, die ohnehin eher personell gut ausgestattet und bei Stellenausschreibungen ohne großen Aufwand (hinreichend geeignete Bewerber) zu besetzen sind. Gilt künftig auch mehr und mehr für Stellen mit SAP-Anforderungen. Hier mangelt es uns nicht an Bewerbern, vermutlich weil der Schwierigkeitsgrad im Rahmen bzw. durch kurzweilige Schulungen zu wuppen ist.

Im MINT Bereich hingegen sieht es völlig düster aus mit Bewerbern. Die wenigen Bewerber haben erhebliche Defizite und wären früher sofort aussortiert worden. Heute gibt es ein Vorstellungsgespräch -wenn die Leute nicht abspringen- um dann festzustellen,  dass selbst Grundlagen trotz formaler Qualifikation nicht sitzen.

Der reflexartige Verweis der Länder auf klamme Kassen reicht nicht mehr. Mindestens 1:1 Übernahme der TVöD Tabelle einschließlich JSZ. Gleiche Laufzeit. Sonst geht zumindest bei uns wegen MINT-Kündigungswelle nicht mehr viel....

VaPi

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2020 am: 08.09.2023 06:59 »
Zitat
Der reflexartige Verweis der Länder auf klamme Kassen reicht nicht mehr. Mindestens 1:1 Übernahme der TVöD Tabelle einschließlich JSZ. Gleiche Laufzeit. Sonst geht zumindest bei uns wegen MINT-Kündigungswelle nicht mehr viel....

Und auch wenn dieser Punkt in jedem 2. Post geschrieben wird. Es wird wieder kein Thema sein. Weder auf der einen, noch der anderen Seite. Es wird darum gehen, dass der E5er gut über die Runden kommt und der Haushalt der Länder nicht überläuft. Alles anderes ist egal. Der Laden wird schon irgendwie laufen.

MoinMoin

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #2021 am: 08.09.2023 07:01 »
Im Bereich MINT wird es im öD wenig Probleme geben, es gibt genug Firmen, die Ihre Dienstleistungen für das vielfache eines eigenem AN anbieten.
Und da sind dann klamme Kassen kein Thema mehr.

Aktienprimus

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« Antwort #2022 am: 08.09.2023 07:30 »
Wir bekommen bei entsprechenden Ausschreibungen häufig keine Angebote mehr. Die Firmen sind überlastet und kämpfen längst selbst mit Fachkräftemangel bei MINT. Außerdem gibt es speziellere Aufgaben die sich nicht so ohne weiteres per Outsourcing lösen lassen....

Knarfe1000

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« Antwort #2023 am: 08.09.2023 07:37 »
So heute mal mit unserem Personalrat gesprochen… er geht von sehr harten Verhandlungen aus und rechnet mit einem Streik um Nikolaus herum… er schätzte die Forderungen deutlich höher ein als im ÖD… das lässt hoffen.

Würde mich positiv überraschen. Etwas höher sicher, aber deutlich? Ein paar Wochen werden wir uns noch gedulden müssen.

Warnstreik

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« Antwort #2024 am: 08.09.2023 08:21 »
Ich habe mal in §39 TV-L nachgelesen, was jetzt eigentlich zum 30.09. gekündigt werden kann. Und das sind tatsächlich i.W. die Entgelttabellen. Kündigungsfrist ist 1 Monat, sodass diese Kündigung nun schon erfolgt sein müsste.

Hinzu kommt §6 Absatz (1) zur Wochenarbeitszeit (wurde wohl nicht gekündigt?), §23 Absatz (2) zum Jubiläumsgeld, §§6--11 als Bündel (Arbeitszeit, Teilzeit, ...), §§12--14 inkl. Entgeltordnung (Eingruppierung; allerdings mit Kündigungsfrist 3 Monaten) und §23 Absatz (1) zu vwL. Ich habe nirgends gesehen, dass einer dieser Paragraphen durch Gewerkschafts- oder Arbeitgeberseite gekündigt wurde.

Heißt, zumindest können in den Verhandlungen keine einseitigen Forderungen zu Punkten abseits der Entgelttabellen gestellt werden. (Das Thema "Arbeitsvorgang" dürfte also nicht erneut aufs Tapet gebracht werden, da die Entgeltordnung wohl weiterhin ungekündigt ist.)

Genau das "einseitig" ist der Punkt. In die Verhandlung können als Masse am Ende alle Punkte (auch welche über die es noch garkeinen Tarifvertrag gibt) geworfen und aufgenommen werden.

Was ich z.B. im IGM-Tarifvertrag super finde ist das Transformationsgeld, welches man in bestimmten Lebenssituationen in Sonderurlaub wandeln kann. Vielleicht eine Möglichkeit um Geld und Flexibilität zu bekommen.