Autor Thema: Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion  (Read 1034881 times)

Zinc

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5160 am: 21.11.2023 08:22 »
Finanzminister Christian Lindner zieht die Voll-Notbremse für den Staatshaushalt:  Er verhängt einen Ausgaben-Stopp für ALLE Bundesministerien, für alle Ausgaben, die in die nächsten Jahre – einschließlich 2024 – reichen!

Ich bin gespannt, was noch so kommen wird  ::) ;D

MoinMoin

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5161 am: 21.11.2023 08:32 »
Guten Morgen an alle.

Nun auch Mal etwas Senf von mir zum Thema.

Ein kleiner Einblick in die arbeitswissenschaftliche Forschung zum Thema Arbeitszeit und 4-Tage-Woche.

Derzeit wird an einem neuen Arbeitszeitgesetz gearbeitet, dass eine Öffnung der derzeit starren Strukturen in den Arbeitszeitregelungen vorsehen wird. Die Tendenz geht hier klar zur Vertrauensarbeitszeit und weg von irgendwelchen 30, 35 oder 40 h Wochen. Man will und muss einfach flexibler werden, um beiden Seiten AN und AG in ihren Anforderungen einer dynamisierten Arbeits- und Wettbewerbswelt Rechnung tragen zu können. Gerade im produzierenden Gewerbe sind die Auftragslagen so schwankend, dass starre Arbeitszeitregelungen dieses nicht mehr abbilden können. Die Auftragslage erfordert MA, die an einem Tag einmal 12 h arbeiten und am anderen dann vielleicht nur 5. Dies alles gibt das Arbeitszeitgesetz derzeit nur bedingt her.
Nicht?
Was hindert denn gesetzlich jemanden daran 12 x 60h pro Woche zu arbeiten und es dann mit 20h Wochen abzubummeln?
Evtl. die angesprochene schwankende Auftragslage. Der Ausgleichszeitraum ist derzeit gesetzlich ja eher eng vorgegeben und wenn gerade dann die Auftragslage weiterhin 60h Wochen erfordern würde...
...ist schlecht planbar und damit unpraktikabel.
Ist das dein Ernst? Wenn die unplanbare Auftragslage es bedingt, dass jemand länger als 4 Monate 60h pro Woche arbeiten muss und ich dann nicht mein Personal aufstocke kann um diese Auftragslage her zu werden, dann hat das doch nichts mit schlecht planbar bzlg. Arbeitszeitgesetz zu tun, sondern einfach nur Planlosigkeit, dass man alle Aufträge annimmt ohne Personal nachzuhalten.
Und bitte schön, der AN bedankt sich wenn er monatelang so ein Pensum abreißen muss.
Dem AG stehen quasi 1152 Arbeitsstunden pro 24 Wochen frei zur Verteilung zur Verfügung. Da könnte er einen An 19 Wochen 6 Tage a 10h arbeiten lassen und müsste ihn dann 5 Monate frei stellen, oder geht das derzeitig nicht? Und ansonsten geht da doch mit tariflichlicher Regelung eine Menge mehr (als 12 statt 10h etc.)? Oder nicht.

Lukas31

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5162 am: 21.11.2023 08:38 »
Zitat der BILD-Zeitung: "Fest zugesagte Zahlungen des Bundes für dieses Jahr dürfen weiter gezahlt werden – alles, was ins kommende oder folgende Jahre reicht, nicht. Beispiel Neueinstellungen: Unterschriebene Arbeitsverträge etwa ab dem 1. Dezember gelten. Neue, fest eingeplante Arbeitsverträge dürfen aber derzeit nicht ohne Sonder-Stempel des Finanzministeriums geschlossen werden."

Bedeutet, das ab 01.01.24 niemand mehr neues im öffentlichen Dienst eingestellt wird?

TV-Ler

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5163 am: 21.11.2023 08:45 »
Bedeutet, das ab 01.01.24 niemand mehr neues im öffentlichen Dienst eingestellt wird?
Nein. Zum einen gilt das nur für den öffentlichen Dienst des Bundes und zu anderen ist das lediglich ein Genehmigungsvorbehalt.

TV-Ler

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5164 am: 21.11.2023 08:56 »
...
Und bitte schön, der AN bedankt sich wenn er monatelang so ein Pensum abreißen muss.
...
Eben. Bevor das Stammpersonal damit behelligt (und verärgert) wird, greift man auf Zeitarbeitspersonal zurück...

Warnstreik

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5165 am: 21.11.2023 09:25 »
Zumindest wird dieser Haushaltsstop aber ein Arguemt sein, welches die Arbeitgeberinnen aufs Tableau bringen.

Wenn ich das richtig verstehe war ja nur die Umwidmung problematisch: Hätte man sich so ein Sondervermögen (ich kann das Wort aber auch nicht mehr hören) zum Thema Klima-/Energieumbau beschlossen, dann wäre alles prima gewesen, oder?

EDV Sachverständiger

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5166 am: 21.11.2023 09:56 »
Zitat von: Warnstreik
Zumindest wird dieser Haushaltsstop aber ein Arguemt sein, welches die Arbeitgeberinnen aufs Tableau bringen...
Warum? Hier geht es doch um die Länder. Dass der Bund einen Ausgabenstopp verhängt hat mag ja gut und richtig sein. Die Länder haben es zumindest bis jetzt noch nicht getan.

Der Tarifabschluss wird aber ungefähr der des TVÖD-Bund entsprechen. Wie man sich höhere Beträge auch als Land aus den Rippen leiern soll bleibt mir rätselhaft. 

Schmitti

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« Antwort #5167 am: 21.11.2023 09:58 »
- aus 60 Milliarden werden "260 Milliarden" klingt natürlich viel Besser!
Am besten klingt eigentlich, dass das Kreditermächtigungen für die kommenden vier Jahre sind, also wären wir praktisch bei 15Mrd pro Jahr. Der Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 sieht Ausgaben von 445,69 Milliarden Euro vor, also reden wir über irgendwas in einer Größenordnung von 3,3% des jährlichen Ausgabevolumens. Egal welche Farbe man liebt und welches Parteiprogramm man betet, der Hype den gerade alle um diese Größenordnung veranstalten zeigt nur, wie albern Politik heutzutage arbeitet.

Aber losgelöst davon: Selbst die Haushaltskenntnisse von Kühnert und DerabgesägteAst zusammen dürften immer noch größer sein, als die Anzahl der TV-L-Beschäftigten beim Bund ;-)

Warnstreik

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5168 am: 21.11.2023 10:09 »
Warum? Hier geht es doch um die Länder.

In der ersten Runde wurde die ungenügende Unterstützung des Bundes bei verschiedenen Aufgaben als Argument gebracht. Dann kam ja die Einigung bzgl. der Unterstützung des Bundes - hier muss man schauen, was davon wieder fällt durch den Stop.

DerabgesägteAst

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5169 am: 21.11.2023 10:18 »
- aus 60 Milliarden werden "260 Milliarden" klingt natürlich viel Besser!

Aber losgelöst davon: Selbst die Haushaltskenntnisse von Kühnert und DerabgesägteAst zusammen dürften immer noch größer sein, als die Anzahl der TV-L-Beschäftigten beim Bund ;-)

Außer den 60 Milliarden für den tollen Transformationsfond stehen laut Habeck weitere 200 Milliarden zur Überprüfung, die die Finanzierung der Abgabenlast für Leute wie Sie und mich übernehmen sollen.
Im Gegensatz zu klein Kevin würde ich nicht im Sozialismus das rettende Ufer sehen aber lassen wir das, ist für Sie vermutlich eh Gossip weil Geld kommt aus Leitung an Wand.

Schmitti

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5170 am: 21.11.2023 10:31 »
Auch da wird man feststellen, dass eine Kreditermächtigung etwas anderes ist wie tatsächlich aufgenommene/aufzunehmende Kredite. Und man wird feststellen (hat man hier und da auch schon, kapiert nur noch nicht jeder), dass in 2023 gar keine 200 Mrd. der Gesamtsumme zu überprüfen sind, sondern die tatsächlich in Anspruch genommenen 32 Mrd., und aus den Vorjahren auch noch was.
Auch das wird unterm Strich nicht dazu führen, dass Lindner seine zweite Insolvenz durchlebt, wobei das mit Habeck im Schlepptau echt Unterhaltungswert haben könnte.
Wenn es aber dazu führt, dass man sich mal wieder etwas mehr auf Haushaltsregeln besinnt, und weniger mit Sondervermögen und Wumms-Bezeichnungen arbeitet, ja bitte, dann überprüft mal alle fleißig.

Aber auch an dieser Prüfung wird der TV-L eher nicht beteiligt sein.

Oliver1976

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Antw:Tarifrunde TV-L 2023 - Diskussion
« Antwort #5171 am: 21.11.2023 10:44 »
Guten Morgen an alle.

Nun auch Mal etwas Senf von mir zum Thema.

Ein kleiner Einblick in die arbeitswissenschaftliche Forschung zum Thema Arbeitszeit und 4-Tage-Woche.

Derzeit wird an einem neuen Arbeitszeitgesetz gearbeitet, dass eine Öffnung der derzeit starren Strukturen in den Arbeitszeitregelungen vorsehen wird. Die Tendenz geht hier klar zur Vertrauensarbeitszeit und weg von irgendwelchen 30, 35 oder 40 h Wochen. Man will und muss einfach flexibler werden, um beiden Seiten AN und AG in ihren Anforderungen einer dynamisierten Arbeits- und Wettbewerbswelt Rechnung tragen zu können. Gerade im produzierenden Gewerbe sind die Auftragslagen so schwankend, dass starre Arbeitszeitregelungen dieses nicht mehr abbilden können. Die Auftragslage erfordert MA, die an einem Tag einmal 12 h arbeiten und am anderen dann vielleicht nur 5. Dies alles gibt das Arbeitszeitgesetz derzeit nur bedingt her.
Nicht?
Was hindert denn gesetzlich jemanden daran 12 x 60h pro Woche zu arbeiten und es dann mit 20h Wochen abzubummeln?
Evtl. die angesprochene schwankende Auftragslage. Der Ausgleichszeitraum ist derzeit gesetzlich ja eher eng vorgegeben und wenn gerade dann die Auftragslage weiterhin 60h Wochen erfordern würde...
...ist schlecht planbar und damit unpraktikabel.
Ist das dein Ernst? Wenn die unplanbare Auftragslage es bedingt, dass jemand länger als 4 Monate 60h pro Woche arbeiten muss und ich dann nicht mein Personal aufstocke kann um diese Auftragslage her zu werden, dann hat das doch nichts mit schlecht planbar bzlg. Arbeitszeitgesetz zu tun, sondern einfach nur Planlosigkeit, dass man alle Aufträge annimmt ohne Personal nachzuhalten.
Und bitte schön, der AN bedankt sich wenn er monatelang so ein Pensum abreißen muss.
Dem AG stehen quasi 1152 Arbeitsstunden pro 24 Wochen frei zur Verteilung zur Verfügung. Da könnte er einen An 19 Wochen 6 Tage a 10h arbeiten lassen und müsste ihn dann 5 Monate frei stellen, oder geht das derzeitig nicht? Und ansonsten geht da doch mit tariflichlicher Regelung eine Menge mehr (als 12 statt 10h etc.)? Oder nicht.

Ich kann und will hier nicht ins Detail gehen, das dauert einfach zu lange. Ca. 8 Vorlesungseinheiten á 90 min befassen sich mit dieser Problematik und zudem haben wir ein Projekt mit dem BMAS zu einer neuen möglichen Gesetzgebung. Das derzeitige ArbZG wird es in absehbarer Zeit (absehbar beim Gesetzgeber in den kommenden 10 Jahren), so nicht mehr geben.

troubleshooting

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« Antwort #5172 am: 21.11.2023 10:47 »


Ich bin mir da ziemlich sicher, weil die Arbeitgeber, die sie testweise eingeführt haben (sogar in -laut Arbeitgeberverbänden-  achso unmöglichen Branchen wie im Bau) bisher fast durchweg positive Erfahrungen vermelden konnten und die Maßnahme verlängert haben bzw das wollen. Die Erfahrungen bezogen sich auf Mitarbeitermotivation und -selbstorganisation, Effizienz und Prozessoptimierung ("wenn wir an Mitarbeiter selber mitdenken, kommen wir locker mit der Zeit für die Arbeit klar, die wir vorher doch eher vertrödelt haben") sowie massiv verbesserten Krankenständen. Gerade Letzteres wird von den Rückwärtsdenkern regelmäßig außer Acht gelassen, obwohl es relativ einfach zu messen ist.

 

Nur, dass wir aus dem ÖD kaum die Chance haben, am 5. Tag unsere dienstliche Tätigkeit privat auszuüben   ;)

Ja, was bei mir aber nur daran lag, dass mein Ex-AG alles geblockt hat. Den SV-Lehrgang machen? Ja, aber nebenher als SV arbeiten, bitte nicht bzw. Auflage, dass jeder einzelne Auftrag vorher geprüft und freigegeben werden müsste. Da war noch mehr, hab ich auch alles schön dokumentiert vorgebracht, als sie angeblich nicht verstanden, warum ich weg gehe.

Beim neuen AG hab ich das dann explizit vorgebracht und war keine Problem. Einfach mal ein wenig über den Tellerrand schauen.

Schmitti

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« Antwort #5173 am: 21.11.2023 10:51 »
Das derzeitige ArbZG wird es in absehbarer Zeit (absehbar beim Gesetzgeber in den kommenden 10 Jahren), so nicht mehr geben.
Das glaube ich direkt. Welche Partei(en) das aber umsetzen würde(n), z.B. auch den AG im Rahmen einer grundsätzlichen Vertrauensarbeitszeit zu ermöglichen, bedarfsweise mehrere (~)60-Stunden-Wochen hintereinander festzusetzen, dafür fehlt mir die Phantasie.

Oliver1976

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« Antwort #5174 am: 21.11.2023 10:57 »
Ich kann da leider auch nicht in die Glaskugel schauen...