Brosius-Gersdorf ist "ultra-links" und Robert Seegmüller ist ein "Asyl-Kritiker"
Bei Herrn Seegmüller habe keinen Aufschrei hier im Forum gehört...
Ich glaube beide Seiten (Linke wie Konservative) nehmen sich hier nichts...das gehört zum (schmutzigen) politischen Geschäft und ist insofern nicht außergewöhnlich...
Der Fall der abgeschlossenen Verhinderung Robert Seegmüllers liegt insgesamt etwas anders als der Fall der weiterhin versuchten Verhinderung Frauke Brosius-Gersdorf, was als solches weniger in der Person liegt - beide sind streitbare Persönlichkeiten und hervorragende Juristen -, als in der Struktur der in einem Fall bereits erfolgten und im anderen der weiterhin versuchten Verhinderung, insofern ist es wenig verwunderlich, dass es hier keinen Aufschrei im Forum gab: Denn die Verhinderung Seegmüllers erfolgte weitgehend geräuschlos und irgendwann zu einer Zeit, von der wir bis heute nicht genau wissen, wann sie gekommen war, wie sich zeigen lässt:
Die Union hat ihn zunächst - zeitlich höchstwahrscheinlich nicht unendlich glücklich - mitten im Wahlkampf im letzten Winter als ihren möglichen Kandidaten platziert, nachdem er sich unionsintern in Konkurrenz zu Angelika Allgayer durchgesetzt hatte, der dort offensichtlich aus sachlichen Gründen zunächst die besseren Chancen eingeräumt worden waren (
https://www.lto.de/recht/justiz/j/bverfg-nachfolger-kandidat-vorschlag-richter-union-cdu-christ-allgayer). Am Ende ist die Wahl allerdings, maßgeblich vom damaligen Kanzlerkandidaten durchgesetzt, auf Robert Seegmüller gefallen (
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/neuer-richter-bundesverfassungsgericht-robert-seegmueller-portrait). Das dürfte - man sollte nicht vergessen, dass die Union heute lange nicht so geeint ist, wie das noch spätestens in der zweiten Hälfte der Merkelzeit gewesen ist, nachdem sie die CDU (nicht aber die CSU) weitgehend geschlossen hinter sich geeint hatte, wozu dem Kanzler Merz allein aus Zeitgründen bislang keine Gelegenheit gegeben war - ganz im Interesse des konservativen Teils der Fraktion gewesen sein, da Seegmüller offensichtlich eindeutig ihm zuzurechnen ist. Gegen ihn gab es aber von Beginn nicht nur in Teilen der Sozialdemokratie Vorbehalte, die sicherlich auch (aber nicht nur) dem Wahlkampf geschuldet waren. Insbesondere die Bündnisgrünen stellten sich von Beginn an kritisch zu Seegmüller. Am Ende dürfte er endgültig keine Chance mehr gehabt haben, nachdem im Januar die Union gemeinsam mit der AfD gestimmt hatte. Denn obgleich die Union gemeinsam mit der SPD und der FDP noch über eine qualifizierte Mehrheit verfügt hätte - wenn auch nur knapp -, ist sein Wahlververfahren nun nicht mehr vollzogen worden (
https://www.lto.de/recht/justiz/j/bverfg-richter-cdu-vorschlag-robert-seegmueller-gruene-wahl-bundestag). Ein Abrücken der Union von Seegmüller ist zu jener Zeit aber noch nicht explizit geschehen. Insofern konnte es hier kaum einen Aufschrei im Forum geben, unanhängig davon, dass - wie Du selbst schreibst - der gesamte Vorgang weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzogen worden ist.
Im weiteren Verlauf haben sich die Regierungsparteien bis in die letzte Woche hinein auf die dort präsentierte Dreierlösung Günter Spinner, Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold geeinigt, die dann entsprechend so vorgestellt worden sind (
https://www.lto.de/recht/justiz/j/verfassungsrichter-wahlen-im-bundestag-bverfg-union-spd-linke-spinner-brosius-gersdorf-kaufhold). Im Anschluss begann nun umgehend die Kampagne gegen Brosius-Gersdorf, die man gleichfalls
auch als eine unionsinterne Kampagne gegen die eigene Parteiführung lesen kann. Denn es war am Ende die Parteiführung selbst, die von Seegmüller abgerückt ist, höchstwahrscheinlich weil klar war, dass er niemals von der Linken gewählt worden wäre. Entsprechend ist seine Wahl von der Unionsführung zurückgestellt worden und wurde von der Union nun Günter Spinner als der Erstvorschlag von der Vorschlagsliste des BVerfG als Kandidat ausgewählt, sicherlich auch, um so die Linke ohne vorherige gemeinsame Gespräche, auf die jene bislang weiterhin besteht, zur Wahl zu bewegen. Das dürfte kaum zur Freude aller Abgeordneten der Union geschehen sein, hatte zwar mit Brosius-Gersdorf nichts zu tun, kann aber kaum an Günter Spinner ausgelassen werden.
Wie und ob diese Dilemmata der Unionsspitze - die Wahl eines eigenen Kandidaten zu gewährleisten, ohne nach Möglichkeit ins Gespräch mit der Linken treten zu müssen; offensichtlich enttäuschte und/oder frustrierte Teile im konservativen Lager nach Möglichkeit einzubinden, sie auf jeden Fall nicht noch mehr Schaden anrichten zu lassen - heute oder in den nächsten Tagen aufgelöst werden können, wird sich zeigen. Das Vorgehen der Unionsspitze - also Seegmüller nicht mehr als eigenen Kadidaten zu präsentieren, wie das in der letzten Woche nun geschehen ist - ist bislang folglich pragmatisch motiviert und dürfte auch die Folge eine Risikoabwägung gewesen sein, die offensichtlich aber nicht bei allen Parteifreunden auf ungeteilte Zustimmung gestoßen sein dürfte, nicht zuletzt, weil sie bereits einige der pragmatischen Regierungsentscheidungen - insbesondere hinsichtlich der Schuldenbremse - kaum goutieren und jener Pragmatismus sie eher an die Merkeljahre erinnert, die sie hinter der Union lassen wollen. Das erklärt die Kampagne, wie sie aus den Reihen der Union gegen Brosius-Gersdorf derzeit geführt wird, mit, die als solche also offensichtlich
auch eine unionsinterne Ursache haben dürfte.
Das erklärt aber offensichtlich
nicht, wieso nun NZZ, FAZ und die Welt bzw. im größeren Rahmen die Springerpresse den unionsinternen Twist, auch aus dem heraus der Schmutz über Brosius-Gersdorf ausgeschüttet worden ist, so begierig aufgegriffen haben. Denn dass die betreffenden Akteure in Zeiten der Werteerosion und der offensichtlich nicht kleiner werdenden Angriffe auf die Autorität von Gerichten als solche und der Verfassungsgerichtsbarkeit im Besonderen sich entsprechend hier wie politische Idioten aufführen, sagt ja nicht, dass sie auch ansonsten politische Dummköpfe wären. Denn das sind sie ja offensichtlich nicht. Also dürften hier Interessen verfolgt werden, die nicht darin liegen, das Bundesverfassungsgericht zu beschädigen, die aber auch dessen Beschädigung in Kauf nehmen.
Die Frage bleibt also, was sie hier eigentlich neben der bei ihnen sicherlich vorhandenen Abneigung gegen Brosius-Gersdorf noch leitet. Auch deshalb habe ich die ungenannten Unionsabgeordneten als doppelte Heckenschützen genannt. Denn offensichtlich geht es bei ihnen nicht nur gegen die Person Brosius-Gersdorf, sondern will man - so liegt es auf der Hand - auch ein klares Signal an die eigene Partei- und Regierungsführung senden, nämlich dass man unzufrieden ist mit verschiedenen Kursrichtungen. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich Saskia Ludwig, die sich in gewisser Hinsicht ja als die maßgebliche Oppositon in der CDU wahrnimmt, als erste auch mit Namen aus der Deckung gewagt hat. Entsprechend kann man die Kampagne also als zu einem nicht geringen Teil als Folge unionsinterner Auseinandersetzungen lesen, die von Teilen der konservativ-liberalen Leitmedien gerne aufgenommen und zugespitzt werden, da so eine sowieso hier wenig beliebte Kandidatin gleich mit beschädigt werden kann. Zugleich dürften diese Teile der konservativ-liberalen Leitmedien - also die jeweiligen Journalisten, die entsprechend so handeln - hier ihre eigene Agenda verfolgen, indem sie die Unionsspitze gemeinsam mit den ungenannten Unionsabgeordneten in die Zange nehmen.
Folge der Kampagne und eines offensichtlich wichtigen Teils ihrer Ursache dürfte sein, dass die Unionsspitze sich nun nur umso mehr getrieben sehen wird, gerade nicht mit der Linken ins Gespräche zu treten, wie nun eigentlich die Wahl der drei Richter vollzogen werden sollte. Denn das - das Führen entsprechender Gespräche und die weitere Aufweichung des Unvereinbarungsentschlusses - dürfte gerade bei denen, die die Kampagne mit losgetreten haben, kaum dazu führen, dass sie ihr gegen die Linie der Parteiführung gerichtetes Handeln aufgeben würden. Vielmehr dürfte dann das Gegenteil der Fall sein. Entsprechend droht neben der Beschädigung der drei vorzüglichen Kandidaten und des Bundesverfassungsgerichts selbst, das ein weiteres Mal zum Anlass genommen wird, um politischen Schlammschlachten zu führen, auch die der Unionsführung, die sich also im Moment offensichtlich eingeklemmt sieht zwischen den Absprachen mit der SPD (und ggf. den Bündnisgrünen) und der Unzufriedenheit in Teilen ihrer Abgeordnetenschaft. Mal schauen, wie sich das bis heute am Abend entwickelt haben wird.
@ Finanzer
Gefahren, die Du darlegst oder andeutest, sehe ich gleichfalls, das ist einer der Gründe, wieso ich mich so ins Thema reinhänge: Der Rechtsstaat will verteidigt werden - und wenn nicht von uns Beamten, von wem denn sonst?