Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6375720 times)

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16395 am: 08.03.2025 07:55 »
Und ein PS., weil ich mich gerade wieder in einem Länderfall damit beschäftige, wobei - da die Zahl der Bundesbeamten, die Klage erheben, stetig wächst - das auch für euch Bundesbeamten wichtig und im Einzelfall ggf. von überragender Bedeutung sein dürfte (weshalb ich die Nacht überlegt habe, ob ich das hier schreibe; denn ich will keine Pferde scheu machen):

Man kann nur allen Klägern - insbesondere jene, deren Verfahren noch nicht lange am Laufen ist - raten, das zu lesen, was Malkav gestern morgen um 7:40 Uhr geschrieben hat, und zwar es gründlich zu lesen, gerne mehrmals bzw. so lange, bis man sich wirklich sicher ist, dass man jene Zeilen tatsächlich verstanden hat:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.16365.html

Solange man seine Klage noch nicht eingereicht hat, ist man noch Herr über das zukünftige Verfahren; dieser noch unschuldige Ausgangspunkt ist der wertvollste, den man gemeinhin im Verfahren hat, so jedenfalls ist meine Erfahrung. Denn in dem Moment, wo man seine Klage einreicht, ist man das nicht mehr, sondern ist das dann das jeweils zuständige Gericht. Mit dem ersten Schuss sind zwar alle Pläne hinfällig, wirkt aber die eingangs eingenommene Strategie fort, die man zu Beginn ggf. noch korrigieren kann, was aber mit zunehmender Dauer in der Regel immer schwieriger werden dürfte.

Vor Gericht kann danach ggf. in glücklichen Umständen noch Taktik weiterhelfen, wenn sicherlich auch eher in Ausnahmefällen. Vor dem abschließend Vorlagen prüfenden Verfassungsorgan hilft alle Taktik nichts mehr und wird schneller welk als jeder Koalitionsvertrag, also in der Regel rasend schnell. Von daher ist es - das ist wie gesagt eine meiner grundlegenden Erfahrungen, die ich im Verlauf der letzten mittlerweile über sechs Jahren gemacht habe - meines Erachtens von herausragender Bedeutung oder kann es zumindest werden, eine möglichst präzise Klageschrift der Klage zugrundezulegen und damit von Anfang an dem Herrn im Verfahren Wege vorzugeben oder zumindest zu weisen und den regelmäßig Mitreisenden, also jenen, die einem die ganze Zeit in der Kutsche als Gegenpartei gegenübersitzen, Wege zu verbauen, auch wenn man als Konsequenz dann mit ihnen im Klageverfahren manchen nicht geplanten Umweg fahren darf, der die Reise kaum abkürzen dürfte: Hier kommt's allerdings eher nicht auf Zeit, sondern den Erfolg an.

Das - also mit möglichst größter Substanz in das Verfahren einzutreten und sich dabei im Vorfeld ggf. auch nicht von seinem Rechtsbeistand überzeugen zu lassen, dass es noch immer gut gegangen sei (was es weit überwiegend nicht ist; dazu gleich mehr) - habe ich hier im Forum schon häufiger geschrieben und sage das auch regelmäßig Klägern, die sich an mich wenden, ggf. auch Anwälten, wenn sie in Kontakt mit mir treten, wobei ich überwiegend die Erfahrung mache oder bislang gemacht habe, dass diese meine Worte in den Wind gesprochen sind (was eine allgemeine Lehrererfahrung ist, mit der man sich irgendwann abfinden sollte, weil man Reisende nicht aufhalten soll, was übersetzt wohl meint, dass jede und jeder von uns ihren und seinen eigenen Weg gehen muss, weil man nur so aus Erfahrung klug wird; ich gehe entsprechend davon aus, dass auch diese meine Worte wie die allermeisten meiner Worte (nicht nur) hier im Forum in den allermeisten Fällen in den Wind gesprochen sind; that's life und hat auch was für sich).

Denn - das ist eine weitere Erfahrung, die ich gemacht habe - was sich die allermeisten Kläger nicht vorstellen können und ebenso - wenn ich das ebenfalls richtig sehen sollte - nicht wenige Anwälte nicht sehen - letztere, weil auch sie hier über zumeist keinerlei Erfahrungsraum verfügen -, ist, dass sie es am Ende, wenn sie Glück haben (die allermeisten haben dieses Glück nicht; dazu wie gesagt gleich mehr), mit einem Verfassungsorgan zu tun bekommen werden, weshalb ich diesen Satz, man sollte ihn also lesen, nun absichtlich - das ist Methode - so (und nicht anders) formuliere, wie ich ihn - denn er ist für Kläger (derzeitige und auch künftige) ggf. der wichtigste (nämlich, wenn sie den Subtext verstehen, den ich mit ihm ausdrücken möchte), der hier von mir in diesem Jahr hier im Forum geschrieben werden wird - eben hier nun am formulieren bin, und zwar so, wie ich ihn formuliere, sodass es reine Freundlichkeit ist (die Verfassungsorgane nicht kennen, weil sie sie nicht kennen können, anders als ich, wenn auch höchstwahrscheinlich nicht immer), dass ich hier nun einen Doppelpunkt setze, um durch dieses Stilmittel klarzumachen (zumindest für die, die - der Satz ist offensichtlich so verschachtelt formuliert, wie Gerichtsverfahren es eben ebenfalls, nicht zuletzt im Hinblick auf ein Verfassungsorgan, weit überwiegend sind - bis hierhin mit dem Lesen des Satzes gekommen sind und also gelesen haben, weshalb ich ihn so formuliere, wie ich ihn formuliere), dass das verrückte Haus deshalb verrückt ist, weil das, was verrückt ist, sich zumeist nicht an der Stelle wiederfindet, wo es zuvor gestanden hat, als man es also noch nicht verrückt hatte (also noch keine Klage eingereicht hatte; nun also der Doppelpunkt): Vor Gericht und auf See befindet man sich in Gottes Hand.

Und nun also zur Zahl und dem Glück, von denen ich im letzten Satz offensichtlich gesprochen habe:

Die Zahl von über 60 in Karlsruhe anhängigen Normenkontrollverfahren ist offensichtlich groß, weshalb sie mit und im zunehmenden Maße hier nachvollziehbaren Unmut ausgelöst hat und das auch weiterhin tut, wobei nun diese meine Aussage an einer Stelle, nämlich der entscheidenden, falsch ist: Sie ist es nicht (die Zahl, von der ich gestern, eventuell den Kopf benutzend, wiederkehrend gesprochen habe), sie ist vielmehr verschwindend klein.

Denn für uns ist diese Zahl von über 60 anhängigen besoldungsrechtlichen Verfahren groß. Für ein Verfassungsorgan, das auf Äonen gebaut ist, ist sie es nicht (auch wenn der einzelne BVR die Zahl als Mensch ebenfalls ggf. als groß empfinden könnte oder gar dürfte und jeder der acht BVR Respekt vor ihr haben wird, weil sie fruchteinflößend sein dürfte), ist sie hingegen eigentlich verschwinden klein, und zwar nicht nur, weil eben jenes Verfassungsorgan auf Äonen gebaut ist, sondern vielmehr auch deshalb, weil die Zahl all der Verfahren (und damit, das sollte für derzeitige und zukünftige Kläger von Interesse sein:) und auch der Kläger, die es in besoldungsrechtlichen Verfahren der letzten, sagen wir: dreißig Jahr niemals bis Karlsruhe gebracht haben und es ggf. in den nächsten fünf Jahren nicht nach Karlsruhe bringen werden erheblich (um nicht zu sagen: gewaltig) größer ist. Nur erfährt man von ihnen zumeist nicht, weil eine nicht minder unerhebliche Zahl von ihnen es gar nicht bis zur Zulässigkeit schaffen, sodass von ihnen ggf. niemals Bericht nach draußen dringt, oder weil die deutlich größere Zahl der Klage, die sich als zulässig erweisen, als unbegründet niedergeschlagen werden, sodass man auch von ihnen zumeist nicht erfährt, weil das wiederkehrend keiner Nachricht wert ist.

Ergo ist die Zahl von über sechzig in Karlsruhe anhängigen besoldungsrechlichen Normenkontrollverfahren so besehen klein: Vielmehr säumen Karteileichen ihren Weg, die allesamt einst mit meist großen Hoffnungen gestartet sind (denn ohne Hoffnung startet man einen solchen Weg nicht).

Und damit wären wir nach der Zahl beim Glück:

Das VG Hamburg hätte sich sicherlich mit manchen jener Themen, die es nun unglücklicherweise glücklich (allerdings nicht für uns) nach Karlsruhe schaffen, gar nicht so umfassend beschäftigen müssen, wenn der oder die Kläger von Beginn an das Glück gehabt hätte(n), dass die Klagevertretung die Klage so substantiiert hätte, dass der Kammer schlagende Argumente an die Hand gegeben worden wären, sodass sie sich anders mit ihnen hätte beschäftigen können, als das nun geschehen ist (Malkav hat gestern von den auf der Kutschbank Gegenübersitzenden gesprochen). Denn auch ein Verwaltungsgericht prüft den besoldungsrechtlichen Fall wegen des Ermittlungsgrundsatzes zwar aus sich selbst heraus, ist dabei aber gehalten, die Argumente beider Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu wägen, also zu einer abwägenden Entscheidung zu gelangen, womit wir im Idealfall (der wie gesagt regelmäßig eine geringe Zahl beschreibt) beim Verfassungsorgan wären, also oben beim Flaschenhals (wenn man es so despektierlich nennen möchte) angekommen.

Das Bundesverfassungsgericht prüft nun im konkreten Normenkontrollverfahren den Fall nicht, sondern die Entscheidung des vorlegenden Gerichts, das also davon ausgeht, dass eine gesetzliche Grundlage nicht mit der Verfassung in Einklang steht und dass es das hinreichend dargelegt hat (würde es nicht davon ausgehen, würde es seine Entscheidungsbegründung anders formulieren; davon muss man zumindest ausgehen). Während die Verwaltungsgerichtsbarkeit ggf. die von den Parteien gegebenen Ausführungen prüft und auch so ggf. zu der Entscheidung gelangt, dass die Klage hinreichend substantiiert und also begründet ist, prüft Karlsruhe ebenfalls die Begründung: nur eben die des vorlegenden Verwaltungsgerichts. An dieser späten Stelle des Verfahrens erhalten die Parteien nur noch die Möglichkeit zur Stellungnahme, die aber wenig Aussicht hat, den Erfolg zu wenden, wenn die Vorlage zu wenig Substanz abwirft (und die, die Möglichkeit zur Stellungnahme, Verfahren noch einmal gehörig in die Länge ziehen kann, wie in den angekündigten "Pilotverfahren" der Fall).

Und damit wären wir wieder beim Anfang und weiterhin beim Glück (eben Kopf oder Zahl):

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - erweist er sich aber als Budenzauber, also als unbegründet, ist's mit ihm auch schon wieder, wenn man als Kläger Glück hat, schnell vorbei. Hat man Pech, erweist er sich also nicht als Budenzauber, aber eben doch nur als Zauber, ist es eben spätestens dann erst vorbei, wenn Karlsruhe klarmacht, dass Hogwarts ein anderes Thema ist, dass man also vom vorlegenden Gericht bis in die möglichst kleinste Verästelung Substanz und das meint: Rationalität erwartet (wen's weiterhin interessiert, sollte die Rn. 97 der aktuellen Entscheidung lesen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html), es mit Zauber nicht getan ist, da der vor einem Verfassungsorgan - jedenfalls vor diesem - nicht wirkt. Abrakadabra sollte einst Fieber stillen und hat schon da eher nichts gebracht.

Damit aber ist der Anfang, also die möglichst von Anfang an so substantiiert wie möglich vorgenommene Klagebegründung, meiner Meinung nach von überragender Bedeutung, da die Klagebegründung den gerichtlichen Weg in eine Richtung lenkt, der vor allem dann, wenn es ideal und damit glücklich läuft, sich meist deutlich komplexer darstellt als die einfache Darlegung, die ich im längsten der hier gerade produzierten Absätze formuliert habe. Genau deshalb würde ich mir immer einen Anwalt suchen, um mich beraten zu können - wenn man dann noch auf einen Anwalt stößt, der tatsächlich die Zeit zur Beratung aufbringt, ist es nur umso besser. Aber auch das dürfte in nicht geringem Maße vom Glück abhängen.

Handfest wird es also dieses Jahr werden: Wollen wir also hoffen, dass die Hand nach Auffassung Karlsruhes fest war, die die angekündigten Entscheidungen in der Vorlage begründet hat. Jede aufgerufene Entscheidung ist eine Nussschale auf einem Meer von Unwägbarkeiten. Spiel, Satz und Sieg ist eher eine andere Sportart.

Und jetzt gehe ich weiterhin davon aus, dass auch diese Worte sicherlich weit überwiegend in den Wind gesprochen sein werden, was sich ggf. resignativ anhören könnte, so aber nicht gemeint ist, sondern eher als eine Tatsachenbehauptung, die auf regelmäßiger Erfahrung beruht: "Um sich auf einen Menschen zu verlassen, tut man gut, sich auf ihn zu setzen; man ist dann wenigstens für diese Zeit sicher, dass er nicht davonläuft."
« Last Edit: 08.03.2025 08:04 von SwenTanortsch »

lotsch

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,049
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16396 am: 08.03.2025 09:07 »
Ist es nicht so, dass das Verwaltungsgericht sich einen Grund der Verfassungswidrigkeit heraussucht, und dann die weiteren Gründe der Verfassungswidrigkeit gar nicht mehr prüft und im Vorlagebeschluss ausführt? Wie verhält sich das BVerfG in solchen Vorlagebeschlüssen?

siehe Auszüge von PolareuD, da kommt oft die Aussage des VG, kann dahinstehen:
Randnummer107

Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].

Randnummer108

aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].

Randnummer109

bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.

Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,348
  • Bundesbeamter
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16397 am: 08.03.2025 10:03 »
Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.

Grundsätzlich ja, aber in Rn. 234 wird angerissen, dass man Zweifel hat, dass derartige Regelungen (Zweiverdienermodell) überhaupt zulässig sind.

„Es ist schon zweifelhaft, ob die Zweiverdienerfamilie als besoldungsrechtliche Bezugsgröße überhaupt eine belastende Rechtsnorm darstellt oder sonst an den Maßstäben für die Rückwirkung von Gesetzen zu messen ist.
[…]“

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16398 am: 08.03.2025 11:29 »
Ist es nicht so, dass das Verwaltungsgericht sich einen Grund der Verfassungswidrigkeit heraussucht, und dann die weiteren Gründe der Verfassungswidrigkeit gar nicht mehr prüft und im Vorlagebeschluss ausführt? Wie verhält sich das BVerfG in solchen Vorlagebeschlüssen?

Nein, ein solches Vorgehen wäre offensichtlich mindestens fahrlässig.

Sofern ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, ist das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz GG auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Das Gericht hat dann nach § 80 Abs. 1 BVerfGG unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Entsprechend fasst es nun einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss als Voraussetzung des so beim Bundesverfassungsgericht anhängig werdenden konkreten Normenkontrollverfahrens. Es setzt also das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus und begründet seine Entscheidung in einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, die deshalb auch Richtervorlage genannt wird; denn ein Dritter - also insbesondere auch die Verfahrensbeteiligten - sind nicht zur Vorlage berechtigt. Wie alle gerichtlichen Entscheidungen muss nun auch diese schriftlich begründet werden. Diese Begründung - und nicht den Fall selbst! - prüft das Bundesverfassungsgericht und entscheidet dabei nach § 81 BVerfGG auch in diesem Fall nur über die Rechtsfrage, die da lautet, ob das betreffende Gesetz, auf dessen Gültigkeit es in dem ausgesetzten Verfahren ankommt, mit der Verfassung in Einklang steht oder nicht.

Entsprechend wäre es also mindestens fahrlässig, wenn das vorlegende Gericht seine Prüfung nicht umfassend und erschöpfend vollziehen, sondern sich ausschließlich auf nur einen Grund kaprizieren würde. Denn nicht umsonst sieht es sich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu der Angabe veranlasst, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist, um gleichfalls nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ebenso die Akten beizufügen. Seine Begründung hat nun also das vorlegende Gericht erschöpfend vorzunehmen, sodass sie umfassend zu erfolgen hat. Es hat also zumindest die für die Entscheidung, ob das Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung im ausgesetzten Verfahren ankommt, maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, ggf. weitere Entscheidungen der Rechtsprechung und auch die für die Entscheidung relevante wissenschaftliche Literatur heranzuziehen, kann sich also nicht so ohne Weiteres auf nur einen Grund zurückziehen, solange es nicht evident ist, dass dieser eine Grund, sofern er gegeben ist, unmittelbar hinreichte, um ein Gesetz verfassungswidrig zu machen. Solch ein hinreichender Grund ist in unserem Fall die unmittelbare Verletzung des Mindestabstandsgebots, weshalb bspw. der VGH Hessen 2021 und unlängst das OVG Rheinland-Pfalz und VG Koblenz in Richtervorlagen nur eine solche Prüfung vorgenommen und als hinreichend betrachtet haben.

Auch die Kammer geht nun davon aus, dass sich das Mindestabstandsgebot für die Kläger als unmittelbar verletzt darstellt, weshalb sie nicht das gesamte "Pflichtenheft" mit seinen drei Prüfungstufen heranzieht, sondern nur begründet, weshalb sie zu der Überzeugung gelangt, dass das Mindestabstandsgebot sich für die Besoldungsgruppen (in dem von mir gestern betrachteten Fall die Besoldungsgruppe A 10) als unmittelbar verletzt darstellt (vgl. dort die Rn. 284). Hierin liegt prozessökonomisch der Grund dafür, dass nicht auch noch das weitere "Pflichtenheft" (mit Ausnahme der dritten Prüfungsstufe, die die Kammer im Anschluss betrachtet) betrachtet wird. Die zuvor erstellte Begründung erfüllt nun aber zunächst einmal die Anforderungen an eine Richtervorlage: Sie greift erschöpfend auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, greift weitere Entscheidungen der Rechtsprechung zur Klärung der Frage auf und zieht auch die für die Entscheidung relevante wissenschaftliche Literatur heran. Formell ist ihr damit auf den ersten Blick kein Vorwurf zu machen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun, da es über das Verwerfungsmonopol für Parlamentsgesetze verfügt, prüfen, ob die Entscheidung der Kammer begründet ist. Ist das der Fall, wird es die von der Kammer betrachtete gesetzliche Grundlage als mit der Verfassung unvereinbar betrachten. Ist das nicht der Fall, ist sie mit der Verfassung im Einklang. Je nachdem, zu welcher Entscheidung das Bundesverfassungsgericht kommt, wird im Anschluss auch die Kammer zu einer je unterschiedlichen Entscheidung in der ausgesetzten Entscheidung kommen. So stellt sich der generelle Weg in einem konkreten Normenkontrollverfahren dar.

Die hier angerissene Komplexität eines konkreten Normenkontrollverfahrens ist der Hauptgrund für deren regelmäßig eher beträchtliche Länge. Die methodische Komplexität eines weiterhin sich im Fluss befindenden Rechtsprechungswandels mitsamt der Entwicklung einer neuen Dogmatik im Besoldungsrecht hat - wie in der Vergangenheit dargestellt - offensichtlich eine ebenfalls sachlich nachvollziehbare Wirkung. Darüber hinaus - auch das habe ich ja in der Vergangenheit wiederholt dargestellt - unterliegen die Entscheidungen in den angekündigten "Pilotverfahren" offensichtlich in einem augenscheinlich nicht unerherblichen Ausmaß einer (bundesverfassungs-)gerichtlichen Pragmatik, die spätestens in der Ende 2023 vorgenommenen Umentscheidung auf nun ausgewählte anhängige Berliner Verfahren als "Pilotverfahren" (und nicht wie noch Anfang 2023 auf niedersächsische und schleswig-holsteinische) ihren Anfang genommen hat. Die damit einhergehenden Pflichten, hinreichend Möglichkeiten zur Stellungnahme zu geben, hat hauptsächlich dazu geführt, dass man nun erst seit geraumer Zeit wohl in die Beratung eingetreten sein wird.

Wer also glaubt, Dienstreisen nach Kenia oder an andere Orte würden verantwortlich für Entscheidungsverzögerungen sein, und wer darüber hinaus glaubte, hier würde eine gezielte Verschleppung erfolgen, kann regelmäßig weder erklären, wieso der Senat seit 2012 dann den entsprechenden Rechtsprechungswandel vollzogen und zuletzt das Mindestabstandsgebot in der heute vorliegenden Form für Recht erkannt hat, noch selbst mal anhand verschiedener konkreter Begründungen darlegen, wie nun sachliche Ausführungen in den anhängigen konkreten Normenkontrollverfahren aussehen sollten, um endlich dem Alimentationsprinzip in der Bundesrepublik wieder Geltung zu verschaffen. Das Warten ist nervig und kann frustrieren - aber genau das ist das typische Phänomen im Kontakt mit der rechtsprechenden Gewalt. Deren Mühlen mahlen seit jeher - zumindest in einem Rechtsstaat - langsam. Das kann man bedauern, aber nur mit ändern helfen, indem man versucht, Grundlagen zu erstellen, die für Beschleunigungen sorgen können.
« Last Edit: 08.03.2025 11:36 von SwenTanortsch »

emdy

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 696
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16399 am: 08.03.2025 11:59 »
Neben dem sehr wichtigen Aspekt, den PolareuD zitiert hat, Dank an Swen für den ebenso wichtigen Hinweis, dass unsere Verfahren vor den VG allesamt keine Selbstläufer sind. Dennoch ist die Großwetterlage doch so wie du Swen sie auch selbst schon unzählige Male wiedergegeben hast: Rechtsprechungswandel seit 2012 mit dem wesentlichen Gehalt, dass das Besoldungsniveau insgesamt zu niedrig ist und im Wesentlichen durch das Grundgehalt geleistet werden muss.

Zuletzt wurde in Hamburg für Recht erkannt, dass die Besoldung eines kinderlosen A15ers (vorbehaltlich BVerfG) zu niedrig war. Ebenso hält das Bundesverwaltungsgericht die verfassungskonforme Alimentation in Deutschland nicht mehr für den Regelfall.

Die Warnung, dass die Verwaltungsgerichte jetzt in begründeten Klagen geradezu nach der Unbegründetheit suchen könnten, halte ich für nicht ganz nachvollziehbar. Meine persönliche Erfahrung ist im Übrigen, dass sich mein VG der Thematik in atemberaubender Geschwindigkeit angenommen hat.

Der Vollständigkeit halber: In meiner Klägergruppe bin ich der Mahner und Bremser der Erwartungen.

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16400 am: 08.03.2025 12:44 »
Ich weiß, dass Du zum Glück ein Mahner und Bremser bist, emdy. "Zum Glück" deshalb, weil ich in verschiedenen Verfahren der letzten Zeit zunehmend wahrnehme, dass die sich erhöhende Zahl an Klägern (sei es gezwungener Maßen bspw. in Hamburg, sei es aus freien Stücken und mit ausnahmslos eigener Motivation) nicht auf eine in den letzten Jahren höher werdende Zahl an sich hinreichend auskennenden Rechtsbeiständen trifft, was mich durchaus mit Sorge erfüllt. Denn gesetzt dem Fall, dass der Senat im Verlauf des Jahres seine Entscheidungen in den angekündigten "Pilotverfahren" treffen und danach zu einer beschleunigten Abarbeitung der anhängigen Verfahren schreitet wird, was ich beides für wahrscheinlich erachte ("beschleunigte Abarbeitung" hieße in Anbetracht der Zahl an anhängigen Verfahren, dass auch das in Anbetracht des Aufwands, den konkrete Normenkontrollverfahren mit sich bringen, hier noch eine recht lange Zeit in einer gewissen Regelmäßigkeit vom Senat vollzogen werden wird), sollte das insgesamt dazu führen, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit die Zahl an Klägern eher steigen wird. Das wird die Beliebtheit entsprechender Verfahren bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Anbetracht der allüberall herrschenden Personalnot nicht unendlich steigern, sodass es für Kammern durchaus im Sinne eigener Notlagen sinnvoll erscheinen könnte, Klagen möglichst rasch als nicht hinreichend substantiiert zu betrachten. Ermittlungsgrundsatz hin oder her, seine sachgerechte Erfüllung ist ein dehnbares Feld - und wenn man nicht den zeitaufwändigen Anspruch hat, eine Vorlage zu begründen, kann man die notwendige Zeit bis zu einer Entscheidung gerichtlicherseits deutlich abkürzen (um es so auszudrücken).

Insofern bin ich mir nicht so sicher wie Du, dass sich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nun so ohne Weiteres die Großwetterlage ändern wird. Vielmehr nehme ich seit 2020 eine überwiegend hervorragende verwaltungsgerichtliche Großwetterlage im Allgemeinen wahr, da die meisten Gerichte, deren entsprechende Arbeit ich verfolge, mit hohem Engagement und beträchtlichen Zeitaufwand in die Verfahren einsteigen.

Ob das aber zwangsläufig so bleiben wird, sofern sich die Fallzahl an Klagen deutlich erhöhen sollte, wäre ich mir (oder bin ich mir) nicht so sicher. Denn dazu säuft die Justiz allenthalben zunehmend mehr ab.

Entsprechend zeigen verschiedene Verfahren vor unterschiedlichen Verwaltungsgerichtsbarkeiten durchaus schon heute eine auch inhaltliche (Über-)Forderung der Kammern, was zum einen an der Komplexität des dreistufigen "Pflichtenhefts" mitsamt des damit im Zusammenhang stehenden Zeitaufwands liegt, zum anderen an der sachlichen Schwierigkeit und damit nicht minder großen Komplexität, die Viefalt neuer Besoldungsregelung in der gerichtlichen Kontrolle sachgerecht zu betrachten. Nicht umsonst hat die Kammer viereinhalb Monate benötigt - und ich kann nur meinen Hut ziehen, dass sie das in Anbetracht der Komplexität der vorgenommenen Entscheidungsbegründung so schnell hat vollziehen können -, um nun diese Vorlagen fertiggestellt haben zu können. Ich möchte nicht wissen, wie viel Arbeit und zeitlichen Aufwand der Berichterstatter in diese Fälle gesteckt haben wird (und er brauchte wiederkehrend "nur" das Mindestabstandsgebot prüfen, was die Sache deutlich abgekürzt hat).

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich gehe davon aus, dass sich der Entscheidungsstau anhängiger Verfahren in Karlsruhe nach und nach verkleinern wird (je nachdem zumindest, was im selben Zeitraum von getroffenen Entscheidungen an neuen Vorlagen wieder auf dem Karlsruher Tisch landet). Hier sehe ich erheblich gelassener in die Zukunft als die meisten derer, die hier regelmäßig schreiben. Hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit und auch der Zahl hinreichende Kenntnis mitbringender Rechtsbeistände bin ich da eher weniger optimistisch.

Denn um es mal so auszudrücken, ich habe längere Zeit benötigt, um zu verstehen, wie wenig ich bis dahin verstanden hatte, und dann noch einmal eine gehörige Zeit, um das abzustellen, mich also so auszukennen, dass ich mir in einer hohen Zahl an möglichen Fragen zutraue, sagen zu können, was der Fall ist. Diese Zeit muss man erst einmal aufbringen - und eine volljuristische Vorbildung wird manchen Umweg, den ich gehen musste, deutlich abkürzen, aber dennoch noch immer einen hohen Aufwand mit sich bringen, um eine sachgerechte, soll heißen hinreichend konkrete Kenntnis zu erlangen. Und dabei ist noch nicht eingerechnet, dass wir davon ausgehen dürfen, dass die angekündigten Entscheidungen in den "Pilotverfahren" uns mit einiger Wahrscheinlichkeit eher noch mehr sachliche Komplexität und einen noch höheren Zeitaufwand bringen werden, um klägerseitig dahin zu kommen, wohin man als Kläger nach Möglichkeit kommen sollte.

Ich freue mich sehr über eure Graswurzelinitiative im Bund, da ich ja nicht minder eine Art Graswurzler bin - nichtsdestotrotz erfüllt es mich teilweise durchaus mit Sorge, was passieren kann, wenn einzelne Klagen nicht auf eine verständige Justiz treffen. Denn es ist eben nicht Auufgabe der Justiz verständig zu sein, sondern formal Recht zu sprechen. Und das kann für Normunterworfene recht schmerzhaft sein, und zwar ggf. von Anfang an, und zwar mit und ohne Rechtsbeistand.

bebolus

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 504
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16401 am: 08.03.2025 16:48 »
Sven, kein Richter dieser Erde wird den Bundesbeamten das geben, was ihnen zusteht. Ich danke Dir für Deine Mühen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ich erinnere mich an das Dienstrechtsneuordungsgesetz seinerzeit. Da schien vor dem Eugh alles klar und trotzdem wurden wir nach Strich und Faden verarscht. Und diese Verarsche wird auch zu dieser Thematik kommen.

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16402 am: 08.03.2025 17:46 »
Sven, kein Richter dieser Erde wird den Bundesbeamten das geben, was ihnen zusteht. Ich danke Dir für Deine Mühen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ich erinnere mich an das Dienstrechtsneuordungsgesetz seinerzeit. Da schien vor dem Eugh alles klar und trotzdem wurden wir nach Strich und Faden verarscht. Und diese Verarsche wird auch zu dieser Thematik kommen.

Das wird definitiv nicht passieren (also dass nichts passiert), bebolus - es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der erste Rechtskreis gezwungenermaßen veranlasst sehen wird, Grundgehaltssätze anzuheben. Das wird zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als erstes der Bund sein. Aber kommen wird es.

Im Sommer 2020 ist verschiedentlich vermutet worden, dass die aktuelle Entscheidung zur Richterbesoldung II zu keinerlei Änderungen führen würde. Diese Sicht auf die Dinge war nachvollziehbar, da ohne größere Kenntnis der Materie kaum anderes zu erwarten war. Im Gefolge jener Entscheidung haben bis heute mit Ausnahme des Bunds, Hessen und der Saarlands alle anderen Besoldungsgesetzgeber das Besoldungsniveau in den unter(st)en Besoldungsgruppen vierköpfiger Beamtenfamilien in einem erheblichen Maß angehoben. Damit haben sie zwar gezielt die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung missachtet und also Entscheidungen getroffen, die sich sachlich nicht rechtfertigen lassen. Aber eines können sie nun nicht mehr: zurück zum Besoldungsniveau von 2019.

Um es an einem Beispiel, nämlich dem ersten im Alphabet, festzumachen:

In Baden-Württemberg finden wir heute in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe A 7 eine Bruttobesoldung anhand der Familienalimentation einer vierköpfigen Beamtenfamilie von 4.271,35 € vor (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue&g=A_7&s=0&f=3&fstand=v&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&fz=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=0). 2019 hatte es noch 2.864,98 € betragen (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2019&g=A_7&s=0&f=3&z=100&fz=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2025&stkl=1&r=0&zkf=0&pvk=0). Das Besoldungsniveau ist hier folglich seitdem um 49 % angehoben worden.

2019 hatte das Besoldungsniveau des vergleichbaren Beamten in der Besoldungsgruppe A 16 6352,51 € betragen (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2019&g=A_16&s=0&f=3&z=100&fz=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2025&stkl=1&r=0&zkf=0&pvk=0). Heute beträgt es 7.054,47 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2024&g=A_16&s=2&f=3&fstand=v&z=100&fz=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2025&stkl=1&r=0&zkf=0&pvk=0). Damit ist es im selben Zeitraum um rund 11 % angehoben worden (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bw?id=beamte-bawue-2024&g=A_16&s=2&f=3&fstand=v&z=100&fz=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2025&stkl=1&r=0&zkf=0&pvk=0).

Im Unterschied der Anhebungen zeigt sich die Wirkung der aktuellen Entscheidung, die gänzlich unzureichend umgesetzt worden ist, die aber wie gesagt in den unter(st)en Besoldungsgruppen für vierköpfige Beamtenfamilien regelmäßig gewaltige Besoldungssteigerungen mit sich gebracht hat. Nun wird mit der aktuellen Entscheidung - so gilt es, begründet zu vermuten - Berlin die Daumenschraube angelegt werden. Und danach werden nach und nach die weiteren anhängigen Entscheidungen aus elf weiteren Rechtskreisen drankommen. Es wird folglich genauso wie nach 2020 Veränderungen im Verhalten der Besoldungsgesetzgeber geben. Je stärker die konkreten Daumenschrauben, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass nach und nach Grundgehaltssätze angehoben werden. So, wie nach 2020 in und zwischen den Rechtskreisen intern wie öffentlich die Diskussionen losgegangen sind, wird das auch nun wieder so geschehen. Sobald ein Besoldungsgesetzgeber aus dem seit 2020 aufgeführten Konzert ausscheren wird (was nur durch ein erhebliches Druckpotenzial geschehen wird, also m.E. nur als Folge einer Vollstreckungsanordnung), werden wir auch nun komplexe Veränderungen erleben. Wie sie konkret aussehen werden, wird sich zeigen.

Da wir mit einiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren in vielfacher Hinsicht beschleunigte Prüf- und Genehmigungsverfahren brauchen werden, was ggf. eher mehr Personal beanspruchen wird als weniger, und weil durch die nun sich anbahnende Neubetrachtung der (Wirkung der) Schuldenbremse komplexe Neujustierungen notwendig und möglich werden werden, werden wir auch hier eine neue Situation vorfinden, die wir uns heute allesamt noch nicht vorstellen können, da die Geschichte offen ist. Schauen wir also mal, was in dem Jahr nach der Entscheidung der angekündigten "Pilotverfahren" geschehen wird. Und schauen wir zuvor mal, wie diese konkret aussehen wird.

Dem Narrativ "Es ändert sich eh nix" habe ich weder 2020 geglaubt, noch glaube ich ihm heute. Die bis heute fast 1.100 Seiten hier zum Thema sowie die knapp 500 im Parallelforum der Länder und auch die vielen weiteren Seiten zu mit der Besoldungsthematik verbundenen Themen sprechen eine klare Sprache. Vor 2020 war das Thema Besoldung hier ein Nischenthema. Seitdem ist mit weitem Abstand in den Mittelpunkt gerückt. Das wäre nicht geschehen, wenn sich nix geändert hätte. Mit den angekündigten Entscheidungen gehen wir nun in eine neue Runde - und zuvor schauen wir mal, ob es in der Jahresvorschau Kopf oder Zahl gibt.

Die nächsten fünf Jahre nach der angekündigten Entscheidung über die "Pilotverfahren" werden sich ebenfalls, was unser Thema betrifft,  ereignisreich und nach und nach für eine größere Zahl als bislang erfreulicher erweisen, als es die letzten fünf bis heute waren.

bebolus

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 504
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16403 am: 08.03.2025 17:52 »
Das werden wir sehen..

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16404 am: 08.03.2025 17:57 »
Eben.

Ozymandias

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,214
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16405 am: 08.03.2025 18:04 »
Im höheren Dienst ist bislang gar nichts durch die ganzen Klagen angekommen.
Nur die normalen Tarifsteigerungen.

Bundi

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 655
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16406 am: 08.03.2025 20:19 »
@Sven

Wieder mal danke für deine Ausführungen. Ich bewundere zu tiefst deinen offensichtlich unerschütterlichen Optimismus in unser aller Bestreben einer amtsangemessenen Alimentation. Sicher ist dieser Rechtsstaat am Ende und unsere Demokratie verloren, wenn wir nicht mehr an unsere Gerichtsbarkeit glauben bzw dieser zutrauen Recht zu sprechen. Angesichts der Verfahrensdauer und dem konzertierten Verfassungsbruch unserer Dienstherrn und der gesetzgebenden Verfassungsorgane ist zumindest bei mir nahezu nichts mehr vorhanden an Optimismus das in absehbarer Zukunft entsprechend Recht gesprochen werden wird. Allen anderen wünsche ich an dieser Stelle, dass sie sich ihr Vertrauen in unser System erhalten mögen.

SwenTanortsch

  • Moderator
  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,602
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16407 am: 08.03.2025 22:36 »
Ich kann keinen Optimismus bei mir erkennen, Bundi. Woran machst Du diese Empfindung fest? Ich beschreibe doch nur, was der Fall ist, und kann als der Historiker, der ich eigentlich bin, seit jeher weder viel mit aktueller German Angst anfangen, mit der ich in unserem schönen Land leben, seitdem ich brabbeln kann, noch mit erfundenen Erinnerungen, wonach früher alles besser gewesen sein solle. Meine bisherige Lebenserfahrung hat mich bislang dahin geführt, dass für die permanente German Angst eigentlich nie irgendein realer Anlass bestand hat, denn tatsächlich ist et solange, wie ich mich erinnern kann, immer noch jot jejange, obwohl die German Angst regelmäßig das Gegenteil prophezeit hat, und gucke ich darüber hinaus in die langen Blutspuren zurück, die sich nicht nur durch unsere nationale Vergangenheit ziehen, sondern die zu einem großen Teil die Geschichte und Geschicke der Menschheit zu vielen Zeiten in der Welt bis heute verkrusten, dann würde ich am liebsten weg sein und bleibe am liebsten hier: https://www.youtube.com/watch?v=-T63Hhlkw2o

Wenn ich auf mittlerweile über 75 Jahre bundesdeutsche Besoldungsrechtsgeschichte zurückschaue - ein, wie ich finde, sehr interessantes Sujet -, dann war's eigentlich, egal in welcher der drei grundlegenden Kompetenzordnungen, die die Beamtenschaft seitdem erlebt hat, weitgehend immer dasselbe wie bei Aldi, und zwar unabhängig davon, ob bei Aldi Süd oder Nord: An der Nachbarkasse zu der einen Hand wurden die Kunden immer besser bedient und die Preise waren da auch viel besser und die Kasse zur anderen Hand war natürlich geschlossen. Milch und Honig gab's weiterhin im hintern Teil des Ladens und den Weg bis dahin versperrten nun genau die, denen es noch schlechter ging, weil sie hinter einem standen. Hätte man sich doch eher Gedanken gemacht, als der Weg noch frei war. Ich würde sagen, mal wieder auf's falsche Pferd gesetzt. Aber wäre es anders tatsächlich besser gewesen? https://www.youtube.com/watch?v=v0TZ-aOOgMc

Ryan

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 39
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16408 am: 10.03.2025 14:56 »
Dahingegen geht die Kammer davon aus, dass - sofern alle Besoldungsgruppen im gleichen Maße einen Anspruch auf einen BEZ haben könnten, also wesentlich Gleiche auch wesentlich gleich behandelt werden würden - sich dieser BEZ prinzipiell rechtfertigen lassen könnte. Damit aber werden weitere Bedingungen deutlich:

Da es in der Familienalimentation in der besonderen Regelung des BEZ um den Ehe- bzw. Lebenspartner des Beamten und nicht um die von beiden betreuten Kindern geht - der Dienstherr betrachtet den Ehe- oder Lebenspartner und also ggf. sein Einkommen und nicht die Kinder -, hat der Besoldungsgesetzgeber den Ehe- oder Lebenspartner zu betrachten. Dabei kann es nicht, wie die Kammer hervorhebt, um die Betrachtung des Einkommens jenes Ehe- oder Lebenspartners gehen, sondern um seinen Bedarf (vgl. Rn. 209 der genannten Entscheidung). Da aber der Besoldungsgesetzgeber das Einkommen des Ehe- oder Lebenspartners betrachtet, handelt er hier in erneuter Art und Weise evident sachwidrig, weshalb sich eine solche Regelung nicht sachlich begründen lässt. Entsprechend ist sie als verfassungswidrig zu betrachten.

Sachlich begründen ließe sich nach Auffassung der Kammer aber prinzipiell eine Regelung, die sich konkret an den tatsächlichen Bedarfen des Ehe- oder Lebenspartners orientieren würde. Entsprechend führt die Kammer am Ende der gerade genannten Randnummer aus:

"Ein Abstellen auf den Bedarf des Ehegatten hätte dagegen bedeutet, entsprechend dem Prüfprogramm des Bundesverfassungsgerichts bei sog. kinderreichen Familien (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 6/17, BVerfGE 155, 77, juris Rn. 30 ff.), den (Mehr-)Bedarf des Ehegatten konkret zu berechnen (und in dem Vergleich als Negativposten zu berücksichtigen). Ein solches Vorgehen ist in der Entwurfsbegründung nicht dokumentiert."

Inwiefern werden hier vom VG Hamburg Bedingungen verdeutlicht?

Nach meinem Verständnis hat Rn. 209 hier lediglich klarstellenden Charakter. Das VG grenzt zwei mögliche Ausprägungen des Zweiverdienermodells voneinander ab (die Einkommensanrechnung von der Bedarfsabgrenzung) und stellt klar, dass das zu betrachtende Gesetz eine Einkommensanrechnung vorsieht und das VG ebendiese im Folgenden betrachten wird.

Die nachfolgenden Randnummern beziehen sich entsprechend auf die Einkommensanrechnung, einschließlich der Aussage in Rn. 214, dass es mit dem Alimentationsprinzip vereinbar sei, das Ehegatteneinkommen in die Betrachtung des Mindestabstands zur Grundsicherung einzubeziehen.

Insofern wird die Bedarfsabgrenzung hier nicht als Bedingung formuliert, sondern die Einkommensanrechnung für sich genommen als prinzipiell mit dem Alimentationsprinzip vereinbar erklärt. Dass es infolge der konkreten Ausgestaltung des BEZ, vor allem dessen Einkommensabhängigkeit, zur Verletzungen des Abstandsgebots kommt, ist für diese grundsätzliche Betrachtung erstmal unerheblich. Ich kann bislang nicht erkennen, dass eine Einkommensanrechnung aus Sicht des VG prinzipiell nicht in Frage käme.

Bei der Vergleichsberechnung zum Mindestabstandsgebot bezieht das VG das Partnereinkommen auch tatsächlich mit ein. Das Mindestabstandsgebot wird trotz Anrechnung des Partnereinkommens verletzt.



Der Elefant im Raum ist m. E., dass das VG Hamburg trotz umfangreicher Auseinandersetzung mit der Einkommensanrechnung bei der Vergleichsberechnung zum Mindestabstandsgebot einen von di Fabio im NRW-Gutachten aufgeworfenen Punkt vernachlässigt, nämlich dass ein Partnereinkommen tatsächlich kein Alimentationsbestandteil ist und deshalb nicht ohne weiteres bei der Überprüfung des Mindestabstandsgebots einbezogen werden kann.

Der bei der Überprüfung des Mindestabstandsgebots zugrunde zu legende 15%-ige Abstand soll den qualitativen Unterschied zwischen staatlich gewährter Alimentation und ebenfalls staatlich gewährter Grundsicherung darstellen. So verstanden ist das Partnereinkommen ein Fremdkörper in der Vergleichsberechnung. Es hat schlicht und einfach nichts mit dem qualitativen Unterschied zweier staatlicher Leistungen zu tun. Externes Einkommen kann den qualitativen Unterschied nicht zum Ausdruck bringen.

Das VG Hamburg hingegen betrachtet vor allem, ob die Gewährleistung rechtlicher und wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit als Zweck des Alimentationsprinzips durch den Einbezug von Partnereinkommen gefährdet ist. Es sieht schließlich keine Gefährdung und folgert daraus, dass das Partnereinkommen bei der Betrachtung des Mindestabstandsgebots einbezogen werden kann (Rn. 214). Die Frage, wo das Geld herkommt wird dabei ausgeblendet, obwohl der Vergleichsmaßstab gerade auf die Herkunft der Leistungen abzielt.

di Fabios Ausführungen werfen letztlich die Frage auf, ob sich Veränderungen auf Seiten der Beamtenfamilie durch Einbezug nicht-staatlicher Bezüge nicht entsprechend sachgerecht im auch im Vergleichsmaßstab widerspiegeln müssten. Lediglich exemplarisch nennt er im NRW-Kontext (Minijob) einen vergleichbaren Hinzuverdienst bei Grundsicherungsempfängern. 


infabi

  • Newbie
  • *
  • Beiträge: 14
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16409 am: 10.03.2025 17:37 »
Das große Problem ist, dass die Materie so komplex und schwer nachzuvollziehen ist. Die entscheidende Feststellung ist doch letztendlich die Tatsache, dass das VG Hamburg das Leistungsprinzip mit seiner Entscheidung völlig missachtet hat, um es mal etwas drastischer auszudrücken. Auf Wiedersehen, lieber Rechtsstaat...