Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Mindestabstandsgebot als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums verfassungsrechtlich festgelegt, dass der 15 %ige Abstand zum Grundsicherungsniveau die Grenze zur Unteralimentation darstellt und diese anhand der Mindestalimentation indiziert - dabei sollte man sich klar machen, dass die Mindestalimentation zuvörderst ein Parameter innerhalb des dreistufigen "Pflichtenheft" ist und eigentlich auch nicht mehr, da wir ja verfassungsrechtlich weiterhin nach Art. 20 Abs. 3 GG davon ausgehen müssen, dass der Gesetzgeber regelmäßig eine amtsangemessene Alimentation gesetzliche regelt, sodass die gewährte Alimentation in allen Fällen
regelmäßig das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß einer amtsangemessenen Alimentation übersteigt und so im Einklang mit dem Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG steht.
Das ist die verfassungsrechtliche Ausgangslage, die allenthalben gerne vergessen wird, weil sie - wie nun ebenfalls das Bundesverwaltungsgericht in seiner aktuellen Rechtsprechung als Rechtsprechungswandel feststellt - nicht mehr
regelmäßig vorausgesetzt werden kann. Nichtsdestotrotz bleibt sie die zugrunde gelegte verfassungstheoretische Ausgangslage, weshalb das Bundesverfassungsgericht u.a. nicht davon wird abweichen können, dass der gerichtliche Kontrollauftrag sich ausnahmslos darauf beschränkt, eine
evident sachwidrige von einer (ggf. gerade noch eben) als sachgerecht zu betrachtenden Alimentation zu unterscheiden, nicht aber zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Denn eine solche Prüfung bleibt in unserer Verfassungsordnung der legislativen in ihrem Spannungsfeld zur exekutiven Gewalt vorbehalten, ist also keine juristische, sondern eine politsiche Frage. Entsprechend der Gewaltenteilung wird das Bundesverfassungsgericht also von dem je eigenen Verfassungauftrag, der sich den Gewalten stellt, nicht abweichen können, da es damit seine Kompetenz überschreiten müsste - Ausnahme bleibt als Ultima Ratio die Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG, die aber eben nur einen letzten Sonderfall regelt und damit nicht als
regelmäßiger verfassungsmäßiger Gang im Verhältnis der drei Gewalten betrachtet werden kann.
So verstanden kommt die "Zwitterfunktion" der Mindestalimentation nur deshalb zustande, weil seit geraumer Zeit ein verfassungsrechtlich nicht vorgesehener Ausnahmezustand im Besoldungsrecht zu verzeichnen ist, erhält also die Mindestalimentation als eigentlich indizieller Parameter innerhalb des gerichtlichen Kontrollverfahrens mittlerweile regelmäßig eine in der Praxis weitgehend auch materiell-rechtliche Bedeutung, die sie aber verfassungsrechtlich
regelmäßig an sich gar nicht haben kann, da ja davon auszugehen ist, dass auch der Besoldungsgesetzgeber sich regelmäßig im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung bewegt.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die Hoffnung, die hier viele haben, dass das Bundesverfassungsgericht am Ende eine Art "mathematisiertes" Besoldungsgesetzgebungsverfahren wird fördern werden, ist trügerisch und wird sich nicht erfüllen. Denn dazu hat das Bundesverfassungsgericht regelmäßig das verfassungsrechtlich Notwendige gesagt und es in der aktuellen Entscheidung in der Rn. 30 ein für allemal klipp und klar festgehalten: "Die Parameter sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen." (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)
Es ist folglich nicht die Aufgabe des Bundesverfassungegerichts, das so eng zu tun, was Du Dir erhoffst, Rentenonkel, und es wäre zugleich ggf. bereits eine verfassungsrechtliche Übergriffigkeit, so zu verfahren. Denn das Bundesverfassungsgericht hat verfassungsrechtlich nicht die Aufgabe, zu einer Art "Ersatzbesoldungsgesetzgeber" zu werden und kann also eine solche Funktion innerhalb des ihm zugewiesenen Kompetenzrahmens nicht ausfüllen, ohne damit seinen Auftrag als Hüter der Verfassung zu verletzen, also eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle zu vollziehen.
Die Besoldungsgesetzgeber allein werden am Ende wieder zu einer verfassungsrechtlich sachgerechten Besoldung und Alimentation als Regelfall zurückkehren müssen und damit zeigen, dass sie auch im Besoldungsrecht auf dem Boden der Verfassung stehen; diesen verfassungsrechtlichen Auftrag kann ihnen keiner abnehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann hingegen nur auf Basis der überkommenen Besoldungsdogmatik, die seit 2012 durch den damals eingeleiteten (und seit Mitte der 2000er Jahre vorbereiteten) Rechtsprechungswandel eine umfassende Erweiterung erfahren hat, "nur" seinen Kontrollauftrag nachkommen, was es tun wird und tun muss, da zurzeit 64 anhängige Normenkontrollverfahren aus zwölf Bundesländern anhängig sind und davon auszugehen ist, dass in der nächsten Zeit beständig weitere hinzukommen werden.
Innerhalb dieses Rahmens heißt also Rückkehr in den Rahmen der Verfassung für den Besoldungsgesetzgeber: sachgerecht seine Entscheidungen zu begründen - das aber ist kein mathematisches Verfahren, sondern eine prozdurale Anforderung. Die exorbitanten familienbezogenen neuen Besoldungskomponenten lassen sich dabei weder vor dem Alimentationsprinzip noch vor dem Leistungsgrundsatz rechtfertigen, wie das der im nächsten Heft der ZBR erscheinende Beitrag - ich hoffe - zur Genüge zeigen sollte.
Es bedarf dafür also keine Erweiterung der heute vorliegenden bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Besoldungsrecht. Denn anhand dieser lässt sich m.E. zweifelsfrei der evident sachwidrige Gehalt der heute in allen 17 Rechtskreisen gewährten Besoldung und Alimentation nachweisen. Wir haben also kein Problem nicht hinreichender Rechtsprechung, sondern ein Problem der Umsetzung dieser Rechtsprechung. Dieses Problem kann aber am Ende nicht Karlsruhe aus der Welt schaffen, sondern können nur die 17 Besoldungsgesetzgeber lösen, indem sie das tun, wofür sie in unserer Rechtsordnung gewählt werden: die verfassungsmäßige Ordnung zu garantieren und damit den Rechtsstaat zu erhalten, was bedeutet, die Besoldungsgesetzgebung im Rahmen des heute ausformulierten Verfassungsrechts sachgerecht zu vollziehen oder eben die verfassungsrechtliche Rechtsordnung im Rahmen der ihnen gegebenen Kompetenzen so zu ändern, dass dann ebenfalls wieder eine amtsangemessene Alimentation gewährt wird, was letztlich auf dasselbe hinausläuft, nämlich auf die Anwendung der ihnen gegebenen Gesetzgebungskompetenz, sei es mit einfacher oder mit qualifizierter Mehrheit.