Da ich im Moment recht wenig Zeit habe, greife ich der Umstände halber einzelne Zitate heraus, da ich zu mehr nicht komme und - so hoffe ich - ich meine Position in meinen zumeist recht langen Beiträgen ja wiederholt dargelegt habe (es werden der Länge wegen, stelle ich nun fest, mal wieder zwei Teile werden):
Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
Ich lese die beiden Sätze jetzt mal im Zusammenhang, in diesem stehen sie m.E. nämlich:
Der Beamte muss die Familie (4K) nicht als Alleinverdiener - und zwar von seiner Grundbesoldung, die leistungsbezogen ist - unterhalten können. Soweit so gut.
Wie gestern schon Rentenonkel geschrieben, müssen wir zwischen der materiell-rechtlichen Norm, die die Legislative als i.d.R. Gesetz und die Exekutive bspw. als Verordnung erlässt, und dem indiziellen Prüf- und Kontrollverfahren unterscheiden, das sich als letzeres insbesondere an die Gerichte richtet und diese als bundesverfasungsgerichtliche Rechtsprechung gleichfalls bindet, letztlich also als Teil des formellen Rechts begriffen werden kann, wobei diese Unterscheidung zwischen materiellem und sachlichem Recht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht immer leicht zu erkennen ist und zum Teil auch nicht in einer solchen Polarität vollzogen wird.
In dem Zitat aus der aktuellen Entscheidung sehen wir nun folgende Aussagen (s. die eckige Klammer); zugleich nummeriere ich mal die Klammen durch, damit nachfolgend einfacher nachzuvollziehen ist, was ich sage - und was ich sage, hat in der Unterscheidung von materiellen und formellen Recht grundlegende Bedeutung:
"
[1] Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann
[eindeutige Aussage über das materielle Recht],
[2] so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>)
[eindeutige Aussage über formelles Recht].
[3] Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung
[eindeutig formelles Recht].
[4] Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>)
[eindeutig materielles Recht].
[5] Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können
[offensichtlich materielles Recht]. [6] Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
[materielles Recht]"
Auch in diesem Zitat finden wir nun eine präzise Darlegung der Rechtsprechung, die aber hier im Forum regelmäßig nicht hinreichend in den Blick genommen wird: Dazu habe ich ganz zu Beginn des Thema in meinen damaligen Diskussionen mit WasDennNun regelmäßig hingewiesen; es ist mir aber bis heute nicht gelungen, dass die Problematik weitgehender verstanden worden ist. Also versuche ich es noch einmal; denn versteht man die Aussage(n) der Rechtsprechung nicht hinreichend, muss man regelmäßig zu nicht sachgerechten Ergebnissen gelangen, die dann die weiteren Gedanken prägen, ohne diese dann noch sachgemäß machen zu können: Es geht also auch hier - wie Wittgenstein das so schön formuliert hat - um die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache. Es gilt, jener Verhexung gegenanzugehen.
[1] Materiell-rechtlich spricht das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich
nicht von der vierköpfigen Beamtenfamilie, sondern - siehe den Auftakt des Zitats -
von der bis zu vierköpfigen Familie. Es gibt so verstanden die seit 2020 hier im Forum regelmäßig herumgeisternde polare Unterscheidung zwischen dem unverheirateten und kinderlosen Beamten und der vierköpfigen Beamtenfamilie in der Rechtsprechung über das materielle Recht des Bundesverfassungsgerichts nicht. Nicht umsonst wird hier über wesentlich Gleiche - also ausnahmslos über Beamte - gesprochen.
[2] Erst ab dem dritten Kind erwächst den Beamten eine eigene alimentationsrechtliche Sonderbelastung, die eben eine entsprechende Regelung hinsichtlich des dritten und der weiteren Kinder verlangt. Hier hebt das Zitat im Anschluss einen entsprechenden eigenen Prüfrahmen hervor, macht also eine Aussage über formelles Recht.
[3] Nachdem es also materiell-rechtlich keine Unterscheidung zwischen Beamten, die verheiratet oder unverheiratet sind, die kein oder ein oder zwei Kinder haben, angestellt hat, führt es daraufhin seine formelle Betrachtung weiter, um nun den Prüfrahmen der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie als eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße ins Feld zu führen. Damit erfolgt materiell-rechtlich weiterhin keine Unterscheidung zwischen verheirateten oder unverheirateten Beamten ohne oder mit einem oder zwei Kinder, sondern die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist in der Vergangenheit als Bezugsgröße vom Bundesverfassungsgericht entwickelt worden, um so den alimentationsrechtliche Mehrbedarf ab dem dritten Kind in den Blick nehmen zu können. Eine materiell-rechtliche Aussage ist im Zitat damit weiterhin nicht verbunden. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist ein aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteter Kontrollmaßstab (vgl. in der Parallelentscheidung die Rn. 37;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html).
Aus einem formellen Kontrollmaßstab nun materiell-rechtliche Ableitungen treffen zu wollen, verkennt - worauf ich regelmäßig hinweise, wenn ich auch wiederkehrend das Gefühl nicht loswerde, dass das in den Wind gesprochene Worte sind -, dass die Parameter des Bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenhefts" weder dazu bestimmt noch geeignet sind, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist, verkennt also regelmäßig die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats. Zwar haben sich mittlerweile ggf. fleißige Mitleser aus verschiedenen Dienstrechtsministerien den Ansichten hier im Forum angeschlossen und sprechen also nun ebenfalls vom "Single-Beamten", wie das hier regelmäßig seit über vier Jahren im Forum angelegt worden ist (ein Begriff, der keinerlei juristische Fundierung aufweist und materiell-rechtlich keinen sachlichen Sinn ergibt); aber das macht die methodische Verkennung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechsprechung auch nicht richtiger. Denn beim "Single-Beamten" geht es offensichtlich rechtlich vielmehr um einen Menschen, der nicht verheiratet ist - damit ist er aber ggf. gar kein Single, da er durchaus nicht alleine leben muss und das zumeist auch nicht tut. Er befindet sich eben in einem anderen Rechtsverhältnis - so dass sich sein falsch postuliertes "Single"-Dasein aber allein schon hinsichtlich seiner Kinder so nicht mehr bewahrheitet. Entsprechend hebt Art. 6 Abs. 5 GG fest und ist also beachtlich: "Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern."
Die Polarität "Single-Beamter" vs. "verheirateter Beamter mit zwei Kindern" findet sich also materlell-rechtlich
nicht in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, sondern materiell-rechtlich sind der unverheiratete Beamte ohne Kinder und der verheiratete Beamte mit zwei Kindern hinsichtlich ihres Amts gleichgestellt; sie befinden sich darüber hinaus hinsichtlich ihres Familienstatus in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen, die den Dienstherrn allerdings nur solange zu interessieren haben, wie er ggf. Sonderbelastungen nicht aus dem Blick verlieren darf, die aus den jeweiligen Familienverhältnissen seiner Bediensteten resultieren können. Alles andere verbleibt in der privaten Werteentscheidung des Beamten, die den Dienstherrn als solche nicht zu interessieren hat.
Entsprechend hat der Dienstherr zunächst einmal
jedem Beamten unabhängig von seinem Familienstand amtsangemessen zu alimentieren, wobei der Bezugspunkt weiterhin das Amt ist, für das der Familienstand und die Kinderzahl - also sozialen Faktoren - keine unmittelbare Bedeutung haben.
[4] Dabei - das führt das bundesverfassungsgerichtliche Zitat nun wieder in Hinblick auf materielles Recht aus - verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum, wobei hier weiterhin klar sein muss, dass der Senat hier weiterhin nicht vom Kontrollmaßstab spricht, sondern hier nun wie auch danach eine materiell-rechtliche Aussage zur Beamtenbesoldung macht.
[5] Hier nun erfolgt - anders als hinsichtlich des formellen Kontrollmaßstabs - eine nicht verwunderliche Klarstellung, die seit jeher Teil der Rechtsprechung ist, nämlich dass Besoldungsgesetzgeber sich nicht gezwungen sieht, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können, dass der Besoldungsgesetzgeber also neben der Grundbesoldung soziale Komponenten gewähren kann. Denn mehr wird hier nicht ausgesagt.
[6] Entsprechend steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind - auch hier zeigt sich keine Unterscheidung zwischen den entsprechenden Beamten - stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
Damit aber wird weiterhin kein Bezug zur Mindestalimentation oder irgendwelchen mathematischen Konstrukten zur Berechnung einer amtsangemessenen Alimentation gesucht, da sich diese eben nicht mathematisch berechnen, sondern nur sachlich begründen lässt. Vielmehr wird nur gesagt, dass - sofern der Besoldungsgesetzgeber höhere familienbezogene Besoldungskomponenten als bisher gewähren wolle - er dazu berechtigt wäre, und zwar im Rahmen der tatsächlichen Lebensverhältnisse.
Und damit wären wir wieder bei bspw. der Düsseldorfer Tabelle, die Unterhaltssätze betrachtet und damit eben tatsächliche Lebensverhältnisse. Diese Unterhaltssätze, wie sie die Düsseldorfer Tabelle betrachtet, werden nicht als der einzige mögliche
formelle Kontrollmaßstab anzusehen sein, um also festzustellen, welche Unterhaltssätze für Kinder zu betrachten wären, um daraus materiell-rechtliche Schlüsse für die verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Höhe kinderbezogener Besoldungskomponenten ziehen zu können; sie können aber - wie das der Senat bereits in der Vergangenheit festgestellt hat - als ein möglicher Maßstab der formellen Kontrolle angesehen werden, da sie vergleichbare Lebensverhältnisse abbilden, nämlich anhand eines Nettoeinkommens, das in den weit überwiegenden Fällen der gerichtlich Betroffenen aus einem Beschäftigungsverhältnis hervorgeht. Damit wird der Bezug zum Beamten als ebenfalls Beschäftigten hergestellt.