Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6281605 times)

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15900 am: 11.12.2024 09:21 »

Und zumindest für die Besoldungsgesetzgeber scheint die bisherige Rechtsprechung noch nicht die notwendige Klarheit ergeben zu haben, dass nicht nur die familienbezogenen Bestandteile erhöht werden müssen und dürfen, sondern auch die familienneutralen Bestandteile.

Das sehe ich anders. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass den BesGesetzgebern sehr wohl die Rechtsprechung des BVerfG klar ist, jedoch sind die politischen Vorgaben und die selbstverschuldeten Haushaltszwaenge dermassen gravierend, dass sie unisono nicht umhin kommen solche BesGesetze zu kreieren wie sie es derzeit tun.
Die Juristen in den Ministerien sind sicher nicht zu bloed um die Urteile und Dogmatik des BVerfG, wie Sie Swen ja hier hinreichend dargelegt hat, zu durchdringen und zu verstehen.
Es fehlt schlicht der politische Wille die Rechtsprechung bzw die Verfassung einfach umzusetzen. Alle der Entscheidungstraeger wollen wiedergewaehlt werden. Eine verfassungsgemaesse Alimentation, wie sie hier hinreichend vorgerechnet und erlaeutert wurde, dient mit Sicherheit nicht dem Ziel als Politiker wiedergewaehlt zu werden.
Von daher sind die politischen Vorgaben das muss so "billig" wie moeglich und ohne grosse Presse abgearbeitet werden fuer mich aus deren Sicht nachvollziehbar.
Dieser Aspekt kommt fuer mich umsomehr zum tragen, als dass wir uns gerade in einer aeusserst schwierigen wirtschaftlichen Situation als Staat befinden.
Daher erwarte ich weiterhin massiven Widerstand seitens der Entscheidungstraeger eine verfassungsgemaesse Alimentation herzustellen. Selbst wenn das BVerfG weitere diesbezuegliche Urteile faellen wird, werden mit Sicherheit alle Hebel in Bewegung gesetzt um ja zu verhindern, dass die verfassungsgemaesse Alimentation in absehbarer Zeit gesetzlich verabschiedet wird.
Es ist doch schlicht und ergreifend so, dass wir Betroffenen uns einfach nicht wehren koennen. Ja uns steht der Rechtsweg offen, aber bei den Verfahrensdauern und selbst bei entsprechenden Urteilen erlebt nur ein Bruchteil sein ihm zu stehendes Recht.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15901 am: 11.12.2024 14:26 »
Da ich im Moment recht wenig Zeit habe, greife ich der Umstände halber einzelne Zitate heraus, da ich zu mehr nicht komme und - so hoffe ich - ich meine Position in meinen zumeist recht langen Beiträgen ja wiederholt dargelegt habe (es werden der Länge wegen, stelle ich nun fest, mal wieder zwei Teile werden):

Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

Ich lese die beiden Sätze jetzt mal im Zusammenhang, in diesem stehen sie m.E. nämlich:

Der Beamte muss die Familie (4K) nicht als Alleinverdiener - und zwar von seiner Grundbesoldung, die leistungsbezogen ist - unterhalten können. Soweit so gut.

Wie gestern schon Rentenonkel geschrieben, müssen wir zwischen der materiell-rechtlichen Norm, die die Legislative als i.d.R. Gesetz und die Exekutive bspw. als Verordnung erlässt, und dem indiziellen Prüf- und Kontrollverfahren unterscheiden, das sich als letzeres insbesondere an die Gerichte richtet und diese als bundesverfasungsgerichtliche Rechtsprechung gleichfalls bindet, letztlich also als Teil des formellen Rechts begriffen werden kann, wobei diese Unterscheidung zwischen materiellem und sachlichem Recht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht immer leicht zu erkennen ist und zum Teil auch nicht in einer solchen Polarität vollzogen wird.

In dem Zitat aus der aktuellen Entscheidung sehen wir nun folgende Aussagen (s. die eckige Klammer); zugleich nummeriere ich mal die Klammen durch, damit nachfolgend einfacher nachzuvollziehen ist, was ich sage - und was ich sage, hat in der Unterscheidung von materiellen und formellen Recht grundlegende Bedeutung:

"[1] Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann [eindeutige Aussage über das materielle Recht], [2] so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>) [eindeutige Aussage über formelles Recht]. [3] Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung [eindeutig formelles Recht]. [4] Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>) [eindeutig materielles Recht]. [5] Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können [offensichtlich materielles Recht]. [6] Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen. [materielles Recht]"

Auch in diesem Zitat finden wir nun eine präzise Darlegung der Rechtsprechung, die aber hier im Forum regelmäßig nicht hinreichend in den Blick genommen wird: Dazu habe ich ganz zu Beginn des Thema in meinen damaligen Diskussionen mit WasDennNun regelmäßig hingewiesen; es ist mir aber bis heute nicht gelungen, dass die Problematik weitgehender verstanden worden ist. Also versuche ich es noch einmal; denn versteht man die Aussage(n) der Rechtsprechung nicht hinreichend, muss man regelmäßig zu nicht sachgerechten Ergebnissen gelangen, die dann die weiteren Gedanken prägen, ohne diese dann noch sachgemäß machen zu können: Es geht also auch hier - wie Wittgenstein das so schön formuliert hat - um die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache. Es gilt, jener Verhexung gegenanzugehen.

[1] Materiell-rechtlich spricht das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht von der vierköpfigen Beamtenfamilie, sondern - siehe den Auftakt des Zitats - von der bis zu vierköpfigen Familie. Es gibt so verstanden die seit 2020 hier im Forum regelmäßig herumgeisternde polare Unterscheidung zwischen dem unverheirateten und kinderlosen Beamten und der vierköpfigen Beamtenfamilie in der Rechtsprechung über das materielle Recht des Bundesverfassungsgerichts nicht. Nicht umsonst wird hier über wesentlich Gleiche - also ausnahmslos über Beamte - gesprochen. [2] Erst ab dem dritten Kind erwächst den Beamten eine eigene alimentationsrechtliche Sonderbelastung, die eben eine entsprechende Regelung hinsichtlich des dritten und der weiteren Kinder verlangt. Hier hebt das Zitat im Anschluss einen entsprechenden eigenen Prüfrahmen hervor, macht also eine Aussage über formelles Recht.

[3] Nachdem es also materiell-rechtlich keine Unterscheidung zwischen Beamten, die verheiratet oder unverheiratet sind, die kein oder ein oder zwei Kinder haben, angestellt hat, führt es daraufhin seine formelle Betrachtung weiter, um nun den Prüfrahmen der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie als eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße ins Feld zu führen. Damit erfolgt materiell-rechtlich weiterhin keine Unterscheidung zwischen verheirateten oder unverheirateten Beamten ohne oder mit einem oder zwei Kinder, sondern die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist in der Vergangenheit als Bezugsgröße vom Bundesverfassungsgericht entwickelt worden, um so den alimentationsrechtliche Mehrbedarf ab dem dritten Kind in den Blick nehmen zu können. Eine materiell-rechtliche Aussage ist im Zitat damit weiterhin nicht verbunden. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist ein aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteter Kontrollmaßstab (vgl. in der Parallelentscheidung die Rn. 37; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html).

Aus einem formellen Kontrollmaßstab nun materiell-rechtliche Ableitungen treffen zu wollen, verkennt - worauf ich regelmäßig hinweise, wenn ich auch wiederkehrend das Gefühl nicht loswerde, dass das in den Wind gesprochene Worte sind -, dass die Parameter des Bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenhefts" weder dazu bestimmt noch geeignet sind, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist, verkennt also regelmäßig die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats. Zwar haben sich mittlerweile ggf. fleißige Mitleser aus verschiedenen Dienstrechtsministerien den Ansichten hier im Forum angeschlossen und sprechen also nun ebenfalls vom "Single-Beamten", wie das hier regelmäßig seit über vier Jahren im Forum angelegt worden ist (ein Begriff, der keinerlei juristische Fundierung aufweist und materiell-rechtlich keinen sachlichen Sinn ergibt); aber das macht die methodische Verkennung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechsprechung auch nicht richtiger. Denn beim "Single-Beamten" geht es offensichtlich rechtlich vielmehr um einen Menschen, der nicht verheiratet ist - damit ist er aber ggf. gar kein Single, da er durchaus nicht alleine leben muss und das zumeist auch nicht tut. Er befindet sich eben in einem anderen Rechtsverhältnis - so dass sich sein falsch postuliertes "Single"-Dasein aber allein schon hinsichtlich seiner Kinder so nicht mehr bewahrheitet. Entsprechend hebt Art. 6 Abs. 5 GG fest und ist also beachtlich: "Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern."

Die Polarität "Single-Beamter" vs. "verheirateter Beamter mit zwei Kindern" findet sich also materlell-rechtlich nicht in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, sondern materiell-rechtlich sind der unverheiratete Beamte ohne Kinder und der verheiratete Beamte mit zwei Kindern hinsichtlich ihres Amts gleichgestellt; sie befinden sich darüber hinaus hinsichtlich ihres Familienstatus in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen, die den Dienstherrn allerdings nur solange zu interessieren haben, wie er ggf. Sonderbelastungen nicht aus dem Blick verlieren darf, die aus den jeweiligen Familienverhältnissen seiner Bediensteten resultieren können. Alles andere verbleibt in der privaten Werteentscheidung des Beamten, die den Dienstherrn als solche nicht zu interessieren hat.

Entsprechend hat der Dienstherr zunächst einmal jedem Beamten unabhängig von seinem Familienstand amtsangemessen zu alimentieren, wobei der Bezugspunkt weiterhin das Amt ist, für das der Familienstand und die Kinderzahl - also sozialen Faktoren - keine unmittelbare Bedeutung haben. [4] Dabei - das führt das bundesverfassungsgerichtliche Zitat nun wieder in Hinblick auf materielles Recht aus - verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum, wobei hier weiterhin klar sein muss, dass der Senat hier weiterhin nicht vom Kontrollmaßstab spricht, sondern hier nun wie auch danach eine materiell-rechtliche Aussage zur Beamtenbesoldung macht. [5] Hier nun erfolgt - anders als hinsichtlich des formellen Kontrollmaßstabs - eine nicht verwunderliche Klarstellung, die seit jeher Teil der Rechtsprechung ist, nämlich dass Besoldungsgesetzgeber sich nicht gezwungen sieht, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können, dass der Besoldungsgesetzgeber also neben der Grundbesoldung soziale Komponenten gewähren kann. Denn mehr wird hier nicht ausgesagt. [6] Entsprechend  steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind - auch hier zeigt sich keine Unterscheidung zwischen den entsprechenden Beamten - stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

Damit aber wird weiterhin kein Bezug zur Mindestalimentation oder irgendwelchen mathematischen Konstrukten zur Berechnung einer amtsangemessenen Alimentation gesucht, da sich diese eben nicht mathematisch berechnen, sondern nur sachlich begründen lässt. Vielmehr wird nur gesagt, dass - sofern der Besoldungsgesetzgeber höhere familienbezogene Besoldungskomponenten als bisher gewähren wolle - er dazu berechtigt wäre, und zwar im Rahmen der tatsächlichen Lebensverhältnisse.

Und damit wären wir wieder bei bspw. der Düsseldorfer Tabelle, die Unterhaltssätze betrachtet und damit eben tatsächliche Lebensverhältnisse. Diese Unterhaltssätze, wie sie die Düsseldorfer Tabelle betrachtet, werden nicht als der einzige mögliche formelle Kontrollmaßstab anzusehen sein, um also festzustellen, welche Unterhaltssätze für Kinder zu betrachten wären, um daraus materiell-rechtliche Schlüsse für die verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Höhe kinderbezogener Besoldungskomponenten ziehen zu können; sie können aber - wie das der Senat bereits in der Vergangenheit festgestellt hat - als ein möglicher Maßstab der formellen Kontrolle angesehen werden, da sie vergleichbare Lebensverhältnisse abbilden, nämlich anhand eines Nettoeinkommens, das in den weit überwiegenden Fällen der gerichtlich Betroffenen aus einem Beschäftigungsverhältnis hervorgeht. Damit wird der Bezug zum Beamten als ebenfalls Beschäftigten hergestellt.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15902 am: 11.12.2024 14:27 »
Insofern kann ich Dir, Rentenonkel, in dem, was Du hier schreibst, bis auf ein Wort in allem zunächst einmal zustimmen:

Das, was das BVerfG klargestellt hat, ist in meinen Augen, dass eine 4K Beamtenfamilie nicht weniger haben darf als das soziale Existenzminimum zzgl 15 %.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Beamten und einer vergleichbaren Angestelltenfamilie ist daher die Tatsache, dass ein Angestellter, dessen Gehalt nicht ausreicht, um den Unterhalt seiner Familie zu decken, ergänzend Grundsicherung, Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen kann und muss, um genau das zu erreichen.

Da jedoch die Alimentation eines Beamten nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden darf, und der Beamte auch nicht an Dritte oder an andere Sozialleistungsträger verwiesen werden darf, sondern einen unmittelbaren Alimentationsanspruch für sich und seine Familie gegenüber dem Dienstherrn hat, hat der Besoldungsgesetzgeber jetzt die schwierige Aufgabe, im Rahmen der Besoldungsgesetzgebung diese Schlechterstellung abzuwenden.

Das Wort, an das ich mich störe, ist: "schwierig". Denn tatsächlich ist die Aufgabe, eine sachgerechte Höhe kinderbezogener Besoldungskomponenten der bis zu vierköpfigen Beamtenfamilie festzustellen und diese dann zu gewähren, gänzlich einfach. Denn nicht umsonst hat der Besoldungsgesetzgeber - in wessen Kompetenz in den letzten 75 Jahren auch immer - hier meines Wissens noch nie ein Problem erkannt. Wieso sollte das also nun auf einmal schwierig sein? Er wird sich - wie wir das in den letzten Tagen hier betrachtet haben - angelehnt bspw. an die Düsseldorfer Tabelle und in der Betrachtung der hier maßgeblichen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung an den Beträgen orientieren können, die wir hier ausgeführt haben. Was ist daran schwierig? "Schwierig" ist das Ganze nur dann wieder, wenn man methodisch sachwidrig von der Mindestalimentation ausgeht und nun erneut "mathematisierende" Betrachtungen anstellen will, die nicht weiterführen, da aus ihr eben nicht mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abgeleitet werden kann, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist.

Was der Besoldungsgesetzgeber nun offensichtlich allerdings nicht darf - und hier verstehst Du mich grundlegend falsch -, ist, eine Höhe familienbezogener Besoldungskomponenten zu gewähren, die eben nicht an tatsächlichen Lebensverhältnissen orientiert sind, sondern letztlich nur Schätzungen ins Blaue darstellen. So verstanden unterstellst Du mir nachfolgend eine Sicht auf die Dinge, die nicht meine ist:


Dabei dienen die Zuschläge in meinem Augen nicht dazu, eine Besserstellung der Beamtenkinder zu erreichen, sondern eine Schlechterstellung gegenüber anderen Kindern zu vermeiden. Auch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Familienzuschläge ähnlich wie das Kindergeld bei der Familienplanung nur eine untergeordnete Rolle spielen und die tatsächlichen Kosten nur teilweise abdecken. Eine Animation zum Kinderkriegen durch Familienzuschläge ist daher nach meinem Wissen bisher wissenschaftlich nicht zu belegen.


Zunächst einmal kann es keine Schlechterstellung von Beamtenkindern gegenüber anderen Kindern geben, solange das Grundgehalt so bemessen ist, dass es weiterhin einer gewissen Selbstverständlichkeit entspricht, dass bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. "familienneutralen" und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten (BVerfGE 44, 240 <274>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html). Denn unter einem solchen Fokus betrachtet, ist der Kindesunterhalt offensichtlich sachgerecht gesichert. Entsprechende Zuschläge sind also weitgehend nicht notwendig, um den Kindesunterhalt zu sichern, sondern erlauben es dem Besoldungsgesetzgeber nur, die Besoldung zur Kostenersparnis sachgerecht zu differenzieren.

Entsprechend ist es bislang in der Beamtenalimentation genauso gewesen, wie Du das aus eigener Erfahrung darstellst, nämlich dass die Familienzuschläge ähnlich wie das Kindergeld bei der Familienplanung nur eine untergeordnete Rolle spielen und die tatsächlichen Kosten nur teilweise abdecken. Das genau ist die Konsequenz aus der bisherigen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung.

Wenn man nun allerdings die Höhe kinderbezogener Besoldungskomponenten nicht an tatsächlichen Verhältnissen orientiert, sondern - wie ich das die Tage gezeigt habe - deutlich höhere entsprechende kinderbezogene Komponenten gewährt, die also erheblich über den möglichen Kontrollmaßstab der Düsseldrofer Tabelle hinausgehen, womit man sachlich nicht gerechtfertigt Schätzungen ins Blaue vollzieht, dann werden Beamte hinsichtlich des Unterhalts ihrer Kinder sachwidrig bessergestellt, werden diese Kinder also privilegiert. Das habe ich in den letzten Tagen dargelegt und ausgeführt - und das ist unabhängig zu sehen von meiner eigenen Meinung, sondern die offensichtliche Konsequenz der genannten Rechtsprechung. Insofern ist der Satz "Eine Animation zum Kinderkriegen durch Familienzuschläge ist daher nach meinem Wissen bisher wissenschaftlich nicht zu belegen" nach meinem Verständnis eine Polemik, da ich den Inhalt des Zitats nicht behauptet habe und weil es darum, was der Satz sagt, auch nicht geht. Es geht weiterhin - das habe ich in den letzten Tagen dargestellt - um die Forderungen, die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Und diese Forderungen lassen eine Privilegierung von Beamtenkindern nicht zu.

Entsprechend kann ich auch Deine Frage klar beantworten:

Verstehe ich dass richtig, dass Du denkst, dass der Single Beamte mindestens das Gleiche Einkommen haben muss, wie soziale Existenzminimum einer 4 K Familie zzgl 15 % und die familienbezogenen Bestandteile dann ggf. on Top dazu kommen dürfen? Jedenfalls liest es sich fast so ...

Du verstehst mich hier falsch, da ich ja regelmäßig feststelle, dass die Mindestalimentation keinerlei Aussagen über die amtsangemessene Alimentation ermöglicht. Insofern kann ich mit solchen "Mathematisierungen" nichts anfangen. Ich poche nur darauf, dass eben nicht wiederkehrend materiell-rechtliche und formelle Aussagen ineins gesetzt werden und dass also die Besoldungsgesetzgeber sich im Rahmen der Karlsruher Besoldungsdogmatik zu bewegen haben, an die sie sich gebunden sehen. Entsprechend bin ich hier wiederum mit dem ersten Satz Deiner Darlegungen d'accord:


Auch wenn das BVerfG sicherlich nicht von seiner bisherigen Praxis abweicht, wird es hoffentlich den Besoldungsgesetzgebern, die bisher fast ausschließlich lediglich die familienbezogenen Bestandteile angehoben haben, Einhalt gebieten und in irgendeiner Weise klarstellen, dass eine Anhebung der Grundbesoldung unvermeidlich ist. Hier wünsche ich mir einfach mehr Klarheit, wie genau die im Detail auch immer aussehen mag.

Und zumindest für die Besoldungsgesetzgeber scheint die bisherige Rechtsprechung noch nicht die notwendige Klarheit ergeben zu haben, dass nicht nur die familienbezogenen Bestandteile erhöht werden müssen und dürfen, sondern auch die familienneutralen Bestandteile.

Ich bezweifle aber, dass es die von Dir gewünschte Klarheit materiell-rechtlich geben wird, da damit - wie ich das ebenfalls in den letzten Tagen ausgeführt habe - der Senat m.E. unverhältnismäßig in den weiten Entscheidungsspielraum eingreifen würde, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt. Was ich mir formell vorstellen kann, ist, eine Methodik wie jene des Grundgehaltsäquivalents, um so also die Prüfung und Kontrolle reliabler zu gestalten.

Darüber hinaus gehe ich davon aus - und ich denke, Du gehst ebenfalls davon aus -, dass den 17 Besoldungsgesetzgebern gänzlich klar ist, jedenfalls nicht geringen Teilen derer Akteure, was die Stunde geschlagen hat. Deshalb schreibe ich ja regelmäßig vom wissentlichen und willentlichen Verfassungsbruch. Den zu unterbinden bzw. es den Besoldungsgesetzgebern noch einmal deutlich schwieriger zu machen, dieses Handeln gezielt weiter zu praktizieren, wird die Aufgabe der Entscheidungen über die "Pilotverfahren" sein. Letztlich ist es genauso, wie Bundi es schreibt.


Knecht

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« Antwort #15904 am: 11.12.2024 15:49 »
Hahhaaaaa! Neues Jahr neues Glück https://beamte.verdi.de/themen/beamtenpolitik_und_recht/++co++4ef48f04-b6ea-11ef-9d3b-99f4a84c0cb5

Richtigerweise darauf verweisen, dass das Rundschreiben keine Rechtsgrundlage ist und gleichzeitig vom Widerspruch abraten - spannend!

Davon abgesehen, dass der Entwurf ohnehin bekanntermaßen Müll und weit entfernt von verfassungsgemäß war.

Wohnen die Gewerkschaften eigentlich alle in der Villa Kunterbunt?

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15905 am: 11.12.2024 19:37 »
Wir gehen ins fünfte Jahr. 5 Jahre. Im Mai 2025 werden es 5 (Fünf) Jahre sein.

Ich würde vorschlagen, die Verantwortlichen sollen einfach ihre Fresse halten. Der Märchenonkel auch. Danke für die Wertschätzung. Einfach es nicht auszahlen ist das Eine, einem aber 5 Jahre lang ans Bein urinieren und gleichzeitig behaupten, es würde regnen, ist das Andere.

Ach ja.. Ich wünsche mir Tony Soprano.

Lichtstifter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15906 am: 12.12.2024 07:39 »
Zitat
Richtigerweise darauf verweisen, dass das Rundschreiben keine Rechtsgrundlage ist und gleichzeitig vom Widerspruch abraten - spannend!

Davon abgesehen, dass der Entwurf ohnehin bekanntermaßen Müll und weit entfernt von verfassungsgemäß war.

Da wir ja seit mind. 2009 der aA hinterherhinken könnte man die hier kolportierten Zahlen (die Differenz zwischen realen und eigentlich notwendigen Bezügen) mal 180 nehmen und diese Zahl dann auf zuviel geleisteten Dienst umstellen. Diese Überstunden dann durch Krankheit abgelten. Dann dürfte ich bei vollen Bezügen rund 5 Jahre daheim bleiben, wäre mehr für die Kinder da und spare mir obendrein noch die berufsbedingten Aufwendungen. Das wäre ein anständiges Sabbatical.

GentleGiant

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15907 am: 12.12.2024 11:13 »
Bei der Beamtentagung des kommunalen Bildungswerks in Berlin hat soeben Herr Dr. Hartung vom Bundesarbeitsgericht kurz zu unserem Thema gesprochen. Er meinte, dass aus Karlsruhe aufgrund der Vielzahl der anhängigen Verfahren definitiv in 2025 mit entsprechender Rechtsprechung zu rechnen ist. Zum Thema "fiktives Partnereinkommen" wird sehr sicher noch keine Einordnung des BVerfG erfolgen. Da dürfen wir ja gespannt sein.  :)

BEAliMenTER

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15908 am: 12.12.2024 17:00 »
Ist der Hartung nicht am Bundesverwaltungsgericht?

SwenTanortsch

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« Antwort #15909 am: 12.12.2024 17:23 »
Sofern es um Andreas Hartung gehen sollte, ist er Richter am Bundesverwaltungsgericht, und zwar im für das öffentliche Dienstrecht zuständigen Zweiten Senat.

PolareuD

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« Antwort #15910 am: 12.12.2024 17:29 »
Donnerstag, 12. Dezember 2024

09:10 Uhr.   Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beamtenrecht sowie des EGMR zum Beamtenstreikverbot Dr. Andreas Hartung

https://www.kbw.de/tagungen/beamtenrecht/2024

https://www.bverwg.de/de/pm/2009/83

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15911 am: 12.12.2024 17:40 »
...definitiv in 2025 mit entsprechender Rechtsprechung zu rechnen ist. Zum Thema "fiktives Partnereinkommen" wird sehr sicher noch keine Einordnung des BVerfG erfolgen.

Im Falle des "fiktiven Partnereinkommens" muss m.E. nicht einmal die Rechtsprechung fortentwickelt werden. Geprüft wird die Alimentation des klagenden Beamten anhand der bisherigen Prüfkriterien. Wenn im Besoldungsgesetz bei der Bemessung der Alimentation irgendwelche Partnereinkommen oder mögliche Lottogewinne einkalkuliert werden, ändert das am Prüfergebnis genau garnichts. Die Alimentation erreicht das gebotene Niveau schlicht nicht. Sachfremde Erwägung, Ende.

Die Frage, die ich mir stelle ist, ob sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas an der Wertigkeit der Ämter geändert hat. M.E. steigen die tatsächlichen Anforderungen eher, als dass sie abnehmen. Ich kann nicht erkennen, weshalb jemand in Besoldungsgruppe XY heute weniger wertige Aufgaben verrichtet, als noch vor 20 Jahren. Vielmehr muss er tendenziell immer mehr zusätzliche Pflichten aus immer neuen Rechtsnormen erfüllen. Gleichzeitig haben jedoch insbesondere obere und oberste Bundesbehörden massiv höherwertige Planstellen zugesprochen bekommen. Was kann eine A13 in einer Behörde mit hunderten A15ern wert sein?

Parallel hat eine Bildungsinflation eingesetzt. Niemand kommt mehr zum arbeiten rein, alle zum führen. Dem muss die Rechtsprechung nun gerecht werden. Eine nachvollziehbare Strategie der Dienstherrn kann ich nicht erkennen. Ergebnis ist, dass die Arbeitsebene ausblutet und man parallel haufenweise ahnlungslose (Hilfs-)Führungskräfte ohne Berufserfahrung besser bezahlt, als jemanden, der den Laden mit 15 Jahren Erfahrung zusammenhält.

Insbesondere der letzte Absatz kann natürlich keine Allgemeingültigkeit beanspruchen.

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15912 am: 12.12.2024 21:22 »
Hahhaaaaa! Neues Jahr neues Glück https://beamte.verdi.de/themen/beamtenpolitik_und_recht/++co++4ef48f04-b6ea-11ef-9d3b-99f4a84c0cb5

Richtigerweise darauf verweisen, dass das Rundschreiben keine Rechtsgrundlage ist und gleichzeitig vom Widerspruch abraten - spannend!

Davon abgesehen, dass der Entwurf ohnehin bekanntermaßen Müll und weit entfernt von verfassungsgemäß war.

Wohnen die Gewerkschaften eigentlich alle in der Villa Kunterbunt?

Naja, verdi rät vom Widerspruch für dieses Jahr ab, da das Rundschreiben für 2024 noch gültig ist. Es könnte aber, insofern der Verweis, dass es keine Rechtsgrundlage darstellt, von der neuen Hausleitung des BMI einkassiert werden. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bedeutet das aber nur, dass dann wieder Widersprüche, beispielsweise ab 2025 einzulegen wären.

SwenTanortsch

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« Antwort #15913 am: 12.12.2024 22:36 »
Ich denke, dass hier in den letzten Wochen alles zum Thema BMI-Rundschreiben ausführlich gesagt ist. Wer auf dessen Grundlage keinen Widerspruch einlegen möchte, weil er darauf vertraut, dass ein Rundschreiben ohne eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen ihm später auf Grundlage eines dann zu verabschiedenden Reparaturgesetzes eine amtsangemessene Nachzahlung garantieren wird, kann entsprechend darauf vertrauen und also keinen Widerspruch einlegen. Wer davon ausgeht, dass es sinnvoll sei, später mittels eines statthaften Rechtsbehelfs ggf. seine Rechte einklagen zu können, da er einem Akteur, der seit 2021 keine Veranlassung sieht, eine amtsangemessene Alimentation wieder herzustellen, jenes Vertrauen nicht entgegenbringen möchte, sollte einen sachgerechten Widerspruch einlegen. Da hier offensichtlich keine neuen Sachargumente zu erwarten sind, der Worte entsprechend genug gewechselt worden sein dürften, sollte hier meines Erachtens nicht die nächste Runde eingeläutet werden, da sie nur zur ewigen Wiederkehr des Gleichen führen dürfte.

Ich denke, nachdem das Thema hier ab dieser Seite wieder aufgegriffen worden ist, kann man sich durch einfaches Scrollen einen schnellen Überblick verschaffen, wenn man das möchte:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.15675.html

Was Ende 2025 sein wird, sollten wir - so schätze ich - da dann diskutieren. Bis dahin werden wir - davon darf man ausgehen - eine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung zu den angekündigten Berliner Pilotverfahren vorliegen haben. Ob bis dahin eine entsprechender weiterer Entwurf aus dem Haus des dann von wem auch immer geführten BMI vorliegen wird, wird sich dann zeigen. Meiner Meinung nach dürfen wir auch hier guten Mutes sein, da ja das BMI-Rundschreiben erst vor kurzer Zeit vor noch nicht einmal dreieinhalb Jahren am 14.06.2021 in der nun alsbald vorletzten Legislaturperiode festgehalten hat, dass die Herstellung einer amtsangemessenen Alimentation "einer neuen Gesetzesinitiative der Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode vorbehalten bleiben" müsse (https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_14062021_D3302009421.htm). Warum sollte also das, was dem 19. und 20. Deutschen Bundestag nicht gelungen ist, wenn wir nun endlich den 21. wählen, dem 26. oder 27. nicht gelingen? Mein Vertrauen darauf ist weiterhin ungebrochen. Wem der große EntWurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein...

Finanzer

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« Antwort #15914 am: 13.12.2024 06:20 »
Mein Vertrauen darauf ist weiterhin ungebrochen. Wem der große EntWurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein...

.... wer ein holdes Weib errungen, Mische seinen Jubel ein.
Im Hinblick auf die Entwicklungen beim Partnereinkommen auch nicht ganz falsch.