Ich kann Deine Empörung gut nachvollziehen, Bundi, und ich möchte sie Dir mit den nachfolgenden Worten nicht absprechen, da sie ja Folge des konzertierten Verfassungsbruchs ist, von dem Ulrich Battis begründet spricht, der in der aktuellen Form seit mindestens rund drei Jahren so, wie er sich heute darstellt, wirkt, und der also nun dazu führt, dass Alexia Tepke und Andreas Becker gleichfalls begründet davon ausgehen, dass heute keine Beamter mehr rechtssicher sagen könne, ob er noch amtsangemessen alimentiert werden würde. In einem Rechtsstaat ist es empörend, dass so mit dem Individualrecht amtsangemessener Alimentation umgegangen wird - und zwar nicht nur für den einzelnen Beamten selbst, dem entsprechend sein Recht vorenthalten wird, sondern auch für das Gemeinwesen als Ganzes, für das es nicht ohne Folge bleiben kann, dass die öffentliche Verwaltung hinsichtlich ihres Einkommens in weiten Teilen oder als Ganze faktisch rechtlos gestellt wird.
Dennoch gehe ich eher davon aus, dass Karlsruhe nicht die von Dir anvisierten Folgerungen zieht: Denn letztlich kann es rechtsstaatlich nicht sein, dass das konzertierte Handeln der Dienstherrn mitsamt der Beschädigung des Rechts dazu führt, das öffentliche Dienstrecht nun auch von judikativer Seite abzubauen. Vielmehr wird sich Karlsruhe veranlasst sehen müssen, das öffentliche Dienstrecht im Rahmen seiner gesetzlichen Ausformung wieder zu stärken, um so dem einzelnen Bediensteten zu seinem Recht im Sinne des effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zu verhelfen.
Dabei bleibt unter anderem weiterhin handlungsleitend, dass der Beamte aus seiner Bindung an das geltende Recht nicht nur die Pflicht zur Remonstration gegen ihm gegebene Anweisungen hat, sofern er sich sicher ist, dass diese Anweisung gegen geltendes Recht verstößt, sondern dass er bereits schon dann zu remonstrieren hat, wenn er sich unsicher ist, ob die Anweisung mit geltendem Recht in Einklang steht. Damit wird der Vorgesetzten, der sich nicht minder qua Amt und Eid an das geltende Recht gebunden sieht und so übergeordnet die staatliche Gewalt in der Bundesrepublik zur Wahrung der demokratischen Ordnung in die Pflicht genommen, die Anweisung zu prüfen. Dazu sind beide in ihren Dienstgeschäften verpflichtet.
Als weitgehend nichts anderes stellt sich nun der Widerspruch gegen die dem Beamten gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze dar, den er aus vor allem haushaltsrechtlichen Gründen regelmäßig zeitnah zu führen hat: Der Beamte hat nicht nur dann Widerspruch gegen die ihm gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze zu führen, wenn er sich sicher ist, dass er nicht amtsangemessen alimentiert wird, sondern auch schon dann, wenn er sich unsicher ist, ob er amtsangemessen alimentiert wird; es ist so verstanden beamtenrechtlich unerheblich, ob er sich nicht mehr in der Lage sieht, die Höhe der ihm gewährten Alimentation selbst als amtsangemessen betrachten zu können oder nicht (unabhängig davon, dass es rechtsstaatlich zumindest im höchsten Maße irrtierend sein sollte, dass dem so sei). Denn mit seinem Widerspruch gibt er der öffentlichen Verwaltung die von jener dann zwingend durchzuführende Möglichkeit, festzustellen, ob sie sich mit der Alimentierung des jeweiligen Bediensteten im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt oder nicht, kommt also im Zuge dessen ihrer rechtsstaatlichen Pflicht nach.
Daran wird sich allein schon deshalb nichts ändern - denke ich -, weil das Haushaltsrecht sich aus anderen Rechtsquellen speist als das Beamtenrecht und sich dieses Beamtenrecht wiederum hinsichtlich von Verwaltungsakten kaum anders darstellen kann als das Verwaltungsrecht insgesamt, soll heißen, der Beamte kann verwaltungsrechtlich offensichtlich kaum besser gestellt werden als die anderen Normunterworfenen, ohne privilegiert zu werden - und zwar unabhängig davon, ob nun der Dienstherr in Gestalt des Gesetzgebers regelmäßig im Besoldungsrecht die Verfassung bricht oder nicht; denn verfassungsrechtlich kann ein solcher Bruch nur die nicht vorgesehene Ausnahme von der Regel sein.
Genau deshalb bahnt sich nun allerdings in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein fundamentaler Rechtsprechungswandel an, wenn es im Urteil vom 21. März 2024 - 5 C 5.22 -,
https://www.bverwg.de/de/210324U5C5.22.0, Rn. 14 ausführt (Hervorhebung durch ST.), dass angesichts erfolgreicher Klagen von Beamten auf Feststellung mangelnder Amtsangemessenheit ihrer Alimentation nicht mehr selbstverständlich davon ausgegangen werden könne, die Alimentation übersteige
regelmäßig das nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 5 GG gebotene Besoldungsniveau.
Denn damit wird ein möglicher Zustand angezeigt, der im Besoldungsrecht alsbald ggf. als ein verfassungsrechtlicher Ausnahmezustand interpretiert werden könnte - und das nun dürften dann juristisch nicht ohne Folgen bleiben können. Entsprechend finden wir zurzeit noch einen Dissens zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht, das bislang regelmäßig ausgeführt:
"
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf" (vgl. nur in der aktuellen Entscheidung die Rn. 47; Hervorhebungen durch ST.)
Es wird interessant werden, ob Karlsruhe in Anbetracht von heute 64 Vorlagen aus zwölf Bundesländern nun weiterhin davon ausgeht, dass es an gegenteiligen Anhaltspunkt mangle, die also hinreichend darauf hindeuteten - denn genau das tun offensichtlich Anhaltspunkte -, dass die verfassungsrechtlich zu erwartende Regelhaftigkeit heute nicht mehr hinreichend gegeben sei. Kommt Karlsruhe nun nicht zu diesem Schluss, schließt sich also der sich nun abzeichnenden Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts an, dürfte das dann nicht ohne Folgen für seine Rechtsprechung bleiben können - und ließe der Senat den sich abzeichnenden Dissens zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen, dürften wir damit rechnen, dass Leipzig seine Sicht auf die Dinge zukünftig weiter ausführen würde, um sie so zu begründen. Der Dissens dürfte sich dann also sukzessive vergrößern, wobei wir dann davon ausgehen können dürften - denke ich -, dass hier das Bundesverwaltungsgericht mit jeder weiteren hinzukommenden Vorlage die schlagenderen Argumente auf seiner Seite haben dürfte: Das Bundesverfassungsgericht müsste sich dann also mindestens dazu aufgefordert sehen, zukünftig schnellere Entscheidungen zu treffen, um die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu entkräften - auch hier sehen wir folglich im Dissens den effektiven Rechtsschutz walten, der jedoch als Mühle der Justiz langsam mahlt.
Ergo: Auch (und gerade hier) liegt ein interessantes Feld vor uns, nach dem man in der schriftlichen Begründung der angekündigten Entscheidung fahnden kann (und sollte), wenn sie denn dann vorliegt.