Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6374785 times)

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16020 am: 04.01.2025 08:35 »
Hallo Swen, Du schreibst, dass in Reparaturgesetzen die unteren Besoldungsgruppen evtl. mit höheren Nachzahlungen zu rechnen hätten. Wie verhält sich das denn mit der Ämterwertigkeit? Ein Krtikpunkt der bisherigen Reparaturgesetze mit Ergänzungszuschlägen war ja die Kritik, dass die Ämter eingeebnet würden.

Weißt Du, ob die Richter und Staatsanwälte in Berlin, das dortige Reparaturgesetz als nicht ausreichend empfinden und daher klagen? Und wurde dort auch für die Jahre nach 2015 etwas geregelt?


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16021 am: 04.01.2025 10:47 »
Hallo Swen, Du schreibst, dass in Reparaturgesetzen die unteren Besoldungsgruppen evtl. mit höheren Nachzahlungen zu rechnen hätten. [1] Wie verhält sich das denn mit der Ämterwertigkeit? [4[ Ein Krtikpunkt der bisherigen Reparaturgesetze mit Ergänzungszuschlägen war ja die Kritik, dass die Ämter eingeebnet würden.

[3] Weißt Du, ob die Richter und Staatsanwälte in Berlin, das dortige Reparaturgesetz als nicht ausreichend empfinden und daher klagen? [2] Und wurde dort auch für die Jahre nach 2015 etwas geregelt?

[1] Das Problem ist wie schon gesagt, dass es bislang keine bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich von Nachzahlungsansprüchen im Gefolge eines Reparaturgesetz gibt, clarion. Es verbleibt also bis auf Weiteres im weiten Entscheidungsspielraum, wie der Besoldungsgesetzgeber sachgerecht darauf reagiert, sofern ihm eine in Teilen oder als Ganzes verfassungswidrige Unteralimentation rechtskräftig attestiert worden ist.

[2] Das Land Berlin hat 2021 auf die aktuelle Entscheidung reagiert, indem es ausschließlich die R-Besoldung in den von jener Entscheidung unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen für den streitgegenständlichen Zeitraum neu geregelt hat, also in 2009 bis 2015 hinsichtlich der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 sowie 2015 hinsichtlich der Besoldungsgruppe R 3. SenFin hat zugleich ausgeführt, dass man die auch hinsichtlich der Besoldungsordnung A eingestanden verfassungswidrige Besoldung erst nach der zwischenzeitlich angekündigten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht heilen wolle, was dem Land nun hoffentlich vor die Füße fallen wird. Denn es darf begründet vermutet werden, dass sich der Zweite Senat nun dieser Sicht auf die Dinge und den damit verbundenen Entscheidungen des Abgeordnetenhauses von Berlin im Nachklang der aktuellen Entscheidungen annehmen und darauf entsprechend reagieren wird (vgl. bspw. unter: https://www.berliner-besoldung.de/bverfg-fordert-stellungnahmen-ein-hpr-kann-liefern/).

Darüber hinaus hat das Land ebenfalls keine Reparatur der weiteren Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung R vorgenommen, obgleich aus der Entscheidung - wie gestern bereits zusammengefasst - zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Grad der Unteralimentation in den höheren Besoldungsgruppen kontinuierlich zunimmt. Auch hier stellt sich folglich die Frage, ob hier unmittelbar gegen die mit Gesetzeskraft erlassene Entscheidung verstoßen worden ist. Ebenso ist der Entscheidung unzweifelhaft zu entnehmen - wenn das hier auch offensichtlich nur mittelbar der Fall ist -, dass sich die Besoldungsordnung R auch über das Jahr 2015 hinweg als verfassungswidrig darstellt (ebenso wie auch die Besoldungsordnung A), was zwischenzeitlich von der 26. Kammer des VG Berlins entsprechend bestätigt worden ist, weshalb nun mit den Verfahren 2 BvL 16/23 bis 2 Bvl 18/23, den Zeitraum 2016 und 2017 und die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 betreffend, seit anderthalb Jahren weitere Vorlagen anhängig sind. Es darf vermutet werden, dass sich der Zweite Senat entsprechend spätestens in diesen Entscheidungen hinreichend zu den von mir hier nun aufgeworfenen Fragen äußern wird.

[3] Die Berliner Richter sind nach 2021 vom Landesverband des DRB aufgefordert worden, auch gegen die auf Grundlage des Reparaturgesetzes gewährten Nachzahlungen und damit weiterhin gegen die 2009 bis 2015 gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze Widerspruch einzulegen. Das Land hat darauf unter anderem bspw. Ende des vorletzten Jahres entsprechend erwartbar reagiert und auf Erledigungserklärungen gedrängt, vor deren Abgabe der DRB deutlich gewarnt hat, vgl. nur https://www.drb-berlin.de/themen-und-positionen/besoldung-und-beihilfe/widerspruch-und-klage/widerspruch-und-klage/news/warnung-vor-erledigungserklaerungen-land-berlin-versucht-verfah-rensbeendigung Es ist also in Berlin wie gehabt alles so, wie es eben in Berlin ist: Der Besoldungsgesetzgeber verhält sich im Besoldungsrecht seit langer Zeit regelmäßig wissentlich und willentlich, also zielgerichtet und in Anbetracht jeglicher Kenntnis über den entsprechenden Gehalt seines Handelns, verfassungswidrig und versucht zugleich, über spezifisches Handeln die zukünftig zu erwartenden Kosten aus den ebenfalls zu erwartenden Nachzahlungsansprüchen auch heute schon weiterhin zu minimieren, lässt also weiterhin keine begründete Vermutung zu, dass er irgendwann im Besoldungsrecht mal wieder auf den Boden der Verfassung zurückkehren wollte.

Vielmehr muss man davon ausgehen, dass eine Einsichtsfähigkeit in unser Verfassungsrecht von der Berliner Politik - egal, welcher Farbe und weiteren Gesinnung - hinsichtlich des Besoldungsrechts nicht mehr erwartbar ist, sofern dem nicht von außen abgeholfen werden wird. Anders wird das hier regelmäßig angerichtete und fortgeführte Chaos kaum enden, egal, ob der gerade sich der Regierung hingebende Bürgermeister nun Wegner oder Giffey oder auch anders hieße. Wer sich regelmäßig im Besoldungsrecht vom Boden des Grundgesetzes absentiert hat und das weiterhin zielgerichtet tut, kann keine Gewähr dafür bieten, dass er das irgendwann von selbst aufgeben und sich also im Besoldungsrecht wieder auf dem Boden des Grundgesetzes einfinden wollte. Ich denke, man kann das nicht anders sagen. Es ist hier wie in den USA: Professionelle Verfassungsbrecher öffnen nur immer noch radikaleren Verfassungsbrechern Tür und Tor, die sich dann auch diesbezüglich zunehmend professionalisieren. Entsprechend dürften sich die Grenze zwischen professionellen Verfassungsbrechern und professionellen Verfassungsfeinden ggf. als fließend darstellen. Auch deshalb - so darf man vermuten - hat die Präsidentin des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vor mehr als vier Jahren darauf hingewiesen, dass es darum geht, den Anfängen zu wehren:

"Dass in der Vergangenheit verwaltungsgerichtliche Entscheidungen durch die Exekutive nicht umgesetzt wurden, macht mich nachdenklich. Dies berührt die Grundfesten unseres Rechtsstaates. Es ist wichtig für uns alle, für unser gesellschaftliches Zusammenleben, dass die Regeln des Rechtsstaates von allen Beteiligten befolgt werden." (https://www.welt.de/regionales/hamburg/article213096684/Hamburger-Gerichtspraesidentin-Gross-Justiz-urteilt-nicht-nach-Stimmungen.html)

[4] Der langen Rede kurzer Sinn: Es steht weiterhin - zumindest, was rechtskräftige Entscheidungen angeht - in den Sternen, was eine konkrete Reparatur eines als in Teilen oder als Ganzes vom Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig betrachteten Besoldungsgesetzes insbesondere hinsichtlich der Leistungshöhen zu beinhalten hat, also auch, welche Folgen insbesondere aus einem verletzten Mindestabstandsgebots für die weiteren Besoldungsgruppen folgt.

Da man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen darf, dass das Land Berlin in den Entscheidungen der angekündigten "Pilotverfahren" mit einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG rechnen kann, würden wir gemäß dem Fall zumindest erkennbare Richtlinien erfahren, die allerdings dann nicht bindend für den Gesetzgeber wären, sondern zunächst einmal nur für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ab jenem Datum, ab dem das Land ggf. untätig geblieben wäre bzw. nur so gehandelt hätte, dass es einer Untätigkeit gleichkäme.

Da sich eine solche Betrachtung zwar wegen des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, dann nur auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit erstrecken würde, wäre dennoch zunächst einmal eine Marke gesetzt, an der man sich dann auch in anderen Fällen orientieren kann. Auch diesbezüglich hätte dann die neue Besoldungsdogmatik eine entsprechende Erweiterung erfahren. Sie dürfte in Angesicht von mehr als 60 anhängigen Verfahren aus zwölf Bundesländern, in denen sich die Sachlage des konzertierten Verfassungsbruchs weitgehend kaum anders darstellen dürfte, dringen notwendig sein, so ist zu vermuten.

Reisinger850

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16022 am: 04.01.2025 12:36 »
Vielen Dank Swen.

Das wird interessant werden, da ja eigtl. monatlich nachgerechnet werden muss, da Tariferhöhungen, Besoldungsänderungsgesetzte und Bürgergelderhöhungen nicht zeitgleich erfolgten.

Bei mir wäre es zB in NRW bis ins Jahr 2020 hinein. Ich hoffe sie rechnen sich schwindelig, bei den zu erwartenden Nachzahlungen...

A6 ist das neue A10

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16023 am: 04.01.2025 12:48 »
Danke für die Einsicht in die Berliner Vorgänge. Das war mir bisher so nicht bekannt. Insbesondere die von den Beamten eingeforderten Erledigungserklärungen zeigen eindeutig, dass hier an jeder Stelle und jedem Schritt im Fortlauf der Angelegenheit versucht wird die Angel nach „dummen“ ergo „Einsparung-Ermöglichenden“ Beamten Fischen rausgeworfen wird.

SwenTanortsch

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« Antwort #16024 am: 04.01.2025 14:45 »
Gern geschehen, Reisinger und A6.

Tatsächlich muss man die Berliner Besoldungsgesetzgebung aus der ersten Jahreshälfte 2021 als die Mutter oder den Vater allen Übels betrachten, das seitdem über das Besoldungsrecht in der Bundesrepublik gekommen ist. Denn wenn sich das Abgeordnetenhaus damals dazu veranlasst gesehen hätte, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sachgerecht zu beachten, dann wäre es den 16 anderen Besoldungsgesetzgebern in der weiteren Folge faktisch eher schwer gefallen bis unmöglich geworden, die seitdem vollzogenen Regelungen wirklich in die Tat umzusetzen; denn dann hätte jedem von ihnen das Berliner Beispiel als positives Signal sachgerechter Besoldungsgesetzgebung vor Augen geführt werden können, sodass sie vor einer erheblichen Erklärungsnot gestanden hätten, wenn sie nun anders hätten verfahren wollen. Genau darin lag die Verantwortung des SenFin in der Erstellung der jeweiligen Gesetzentwürfe und des Abgeordnetenhauses von Berlin im Zuge der Debatte und Verabschiedung des Gesetzes. Entsprechend hat Berlin so ab dem Winter 2020/21 bis zum Frühsommer 2021 den Ton gesetzt und damit die Büchse der Pandora geöffnet, die offensichtlich recht schnell den konzertierten Verfassungsbruch freigesetzt hat, von dem Ulrich Battis gut ein Jahr später gesprochen hat (S. 13 f. unter: https://www.sbb.de/fileadmin/user_upload/www_sbb_de/pdf/2022/GK_und_FK/Stellungnahmen/StN_Battis_4_Gesetz_dienstr_Vorschriften_10_2022.pdf).

Genau deshalb ist ab dem Herbst 2020 bis in den Sommer 2021 hinein vonseiten der Initiative "Berliner Besoldung" ein hoher Aufwand getrieben worden - auch wenn jedem von vornherein klar war, dass es weiterhin ein Kampf gegen Windmühlen und die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges eher sehr gering war -, um der sich abzeichnenden Entwicklung Einhalt zu gebieten oder zumindest ein wenig in die Speichen des sich zunehmend schneller drehenden Rades zu greifen (vgl. nur verschiedene der Links unter https://www.berliner-besoldung.de/page/8/, https://www.berliner-besoldung.de/page/7/, https://www.berliner-besoldung.de/page/6/ und https://www.berliner-besoldung.de/page/5/). Denn am Ende ist das Besoldungsanpassungsgesetz Ende Januar 2021 einstimmig und das Gesetz zur Reparatur der R-Besoldung 2009 bis 2015 Ende Juni 2021 mit Gegenstimmen der FDP-Fraktion verabschiedet worden. Damit war letztlich die Richtung vorgezeichnet, die die Besoldungsgesetzgeber in allen Rechtskreisen seitdem gegangen sind, wenn das auch kein Naturgesetz, sondern die willentliche Entscheidung all jener Abgeordneten war, die seitdem nicht dagegen die Hand gehoben haben.

Entsprechend ist schon damals den Gesetzgebern kurz vor der Verabschiedung des ersten der beiden Entwürfe ins Stammbuch geschrieben worden:

"Der wiederholt bittere Charakter, von dem eben erneut gesprochen wurde, offenbart sich vor allem darin, dass der Berliner Senat mit seinem hier untersuchten Handeln das Bundesverfassungsgericht schwer beschädigt, indem es dessen Autorität untergräbt – ein in Anbetracht des Drucks, dem der Rechtsstaat weltweit ausgesetzt ist, nicht tolerierbares Vorgehen. Wenn der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle 2018 auf den Juristentag in Leipzig betonte, dass in einem Rechtsstaat Rechtsverstöße ermittelt, benannt und sanktioniert werden würden und zugleich daran erinnerte, dass Unrecht erst dann herrsche, 'wenn Recht systematisch missachtet oder sein Geltungsanspruch generell in Abrede gestellt' werden würden, dann verband er das mit dem auf den ersten Blick fast lapidaren Hinweis, dass gerichtliche Entscheidungen auch dann befolgt werden müssten, wenn man sie für unzweckmäßig oder falsch hielte. [Fn. Andreas Voßkuhle, Rechtsstaat unter Druck, https://www.zeit.de/2018/40/justiz-demokratie-asylverfahren-dieselskandal-rechtsstaat-deutschland/seite-2 (21.01.2021)]. Reflektiert man das dargestellte Handeln des Berliner Senats, dann sieht man, dass jener Hinweis alles andere als lapidar war: Denn genau darum geht es hier, dass eine Landesregierung und damit eine maßgebliche exekutive Gewalt, die selbst darauf angewiesen ist und zugleich maßgebliche Verantwortung dafür trägt, dass die Rechtstreue im Land gestärkt und der Rechtsfriede erhalten bleibe, sich wiederkehrend sachwidrig und unangemessen, missachtend und unzureichend handelnd über das Recht erhebt und so an maßgeblicher Stelle Verantwortungsbewusstsein vermissen lässt, nämlich 'das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere rechtsstaatlichen Institutionen zu stärken', da sie gerade nicht aus 'einem entsprechenden rechtsstaatlichen Ethos, das wir bewusst pflegen müssen', handelt und damit die Einsicht in Voßkuhles weitere Darlegung vorsätzlich vermissen lässt: 'Ohne dieses rechtsstaatliche Ethos und das Vertrauen der Gesellschaft in ihr Recht verliert die Einsicht, dass Demokratie sehr viel mehr bedeutet als die schlichte Vollstreckung des Willens der Mehrheit, schnell an Überzeugungskraft.' [Fn. Ebd.]

Diese hohe Gut, Vertrauen, ist aber flüchtig und es geht verloren, wenn sich die exekutive Gewalt vorsätzlich formeller, instrumenteller und willkürlicher Mittel mit dem Ziel bedient, juristische Entscheidungen, die man für unzweckmäßig hält, weil sie einem vordergründig das eigene politische Leben erschweren, weder zu akzeptieren noch sie umzusetzen. Wenn sich aber bereits die exekutive Gewalt nicht mehr an das Recht gebunden sieht, wer sollte sich dann noch an das Recht halten? Worin unterscheidet sich eine Landesregierungen von anderen politischen Akteuren in der Welt, wenn sie deren Mittel kopiert? Und was sind am Ende die nicht schwer zu erkennenden Folgen? Am Ende verblieben, wenn solch Regierungshandeln auch in Deutschland Schule machen würde, genau jene entleerten, also formalen Hüllen an Institutionen, die antiliberale Machthaber in der Welt Europa andichten – wenn aber Dichtung zur Wahrheit wird und diese nur noch als Rhetorik wirkt, dann ist das Recht, das kann aus den angestellten Betrachtungen geschlussfolgert werden, immer eines ihrer ersten Opfer.

[...]

Eine Betrachtung des fünften Parameters erübrigt sich darüber hinaus, da mittlerweile in Karlsruhe Entscheidungen zu Besoldungsgesetzen von sieben Länder anhängig sind: Berlin, [Fn. BVerwG, Beschluss vom 22.09.2017 – BVerwG 2 C 4.17 –, Rn. 107 bzw. ebd., Rn. 97-115. Vgl. darüber hinaus auch OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss des Vierten Senats vom 11.10.2017 – OVG 4 B 33.12 –, Rn. 117-120.] Bremen, [Fn. VG Bremen, Beschluss vom 17.03.2016 – 6 K 280/14 – und weitere.] Hamburg, [Fn. VG Hamburg, Beschluss vom 29.09.2020 – 2 K 7506/17 – und weitere.] Niedersachsen, [Fn. BVerwG, Beschluss des Zweiten Senats vom 30.10.2018 – BVerwG 2 C 32.17 – und weitere.] Saarland, [Fn. OVG Saarlouis, Beschluss vom 17.05.2018 – 1 A 22/16.] Sachsen-Anhalt [Fn. VG Halle, Beschluss vom 20.09.2018 – 12 A 69/18.] und Schleswig-Holstein. [Fn. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 21.09.2018 – 12 A 69/18.] Da auch diese Länder aktuell das Grundsicherungsniveau mittels unstatthafter und unsachmäßig zu gering bemessenen Pauschalisierungen vollziehen, sind sie kaum als Grundlage zum entsprechenden Vergleich geeignet. Eine angemessene Untersuchung ist von daher nicht möglich, nicht zuletzt deshalb, weil die letzte Anmerkung auch für alle anderen Bundesländer und den Bund gilt. [Fn. Vgl. a. Stuttmann (Fn. 7), 87 f. Schwan (Fn. 7), Abschnitt VI und VII.] Die betreffenden Ausführungen des Senats sind von daher – wie er auch selbst wissen dürfte – im Letzten unerheblich und suggerieren mit Blick auf die Alimentationssituation in Deutschland einen geordneten Zustand, den es mit Blick auf die Alimentation schon lange nicht mehr gibt. Berlin ist nun als erstes Land vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, das zu ändern: In diesem Sinne – und in keinem anderen möglichen – ist die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu verstehen. Der Gesetzgeber und damit jeder einzelne Abgeordnete muss nun entscheiden, ob er sich ebenfalls aus der verfassungsmäßigen Ordnung verabschieden und also der Willkür die Tür öffnen möchte oder ob er sich seinem Mandat verpflichtet weiß."
(S. 46 f. und 50 unter: https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2021/01/Untersuchung-von-BerlBVAnpG-2021-24.01.21.pdf)

So verstanden ist es jetzt nur konsequent, dass nun auch Karlsruhe wieder an den Ursprung des Geschehens zurückkehrt und also da weitermacht, wo es am 04. Mai 2020 aufgehört hat: in Berlin für den Zeitraum 2008 bis 2015. Umso gespannter darf man nun knapp fünf Jahre später sein, wie sich dem Zweiten Senat die seitdem vollzogene Entwicklung darstellt.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16025 am: 04.01.2025 17:12 »
Zum Jahreswechsel habe ich wieder einmal in der Geschichte der Beamtenschaft (Weimar) nachgelesen und habe festgestellt, es geht noch viel schlimmer, und die Ähnlichkeiten der damaligen Zeit mit der heutigen, ist frappierend. Das geht von der katastrophalen fiskalischen Lage (wenn man schaut, dass Habeck jetzt 3,5 % des BIP für Verteidigungsausgaben verlangt, oder sich die anderen Wahlprogramme ansieht, Steuersenkungen, Infrastrukturausbau, Bildung, Energiesubvention, Stärkung der Wirtschaft), über Bürokratieabbau, großen Subventionsforderungen der Wirtschaft, bis zum Erstarken der politischen Ränder. Auch damals hatte die Beamtenschaft wenig Lobby und man kürzte die Besoldung und Versorgung immer wieder und über die Maßen, z.B. auch mit Argumenten wie, man darf die Steuern nicht weiter erhöhen, man muss die Industrie fördern und Investitionen anregen. Ein besonderer Treiber waren die Wirtschaftsverbände. Es gab ebenfalls eine kaum mehr überschaubare Zersplitterung der Besoldungen und Laufbahnverordnungen. Beamtenstellen waren deutschlandweit nicht mehr vergleichbar. Zum erhalt der Loyalität musste für die Polizei ein Sonderzulagensystem geschaffen werden. Es mussten aber politische Kosten getragen werden. Auch höhere Beamte schlossen sich immer häufiger der NSDAP an. "Schon vor dem September 1930 waren die Beamten in der NSDAP-Mitgliedschaft klar überrepräsentiert, und es muß als sicher gelten, daß es in den Ländern und Gemeinden zahlreiche Sympathisanten gab, die nur vor den disziplinarischen Konsequenzen eines Parteibeitritts zurückscheuten."

Angesichts dessen, denke ich nicht, dass man sich im Kanzleramt, im Finanzministerium und Innenministerium, egal von welcher Partei das jeweils besetzt ist, derzeit Gedanken macht, wie man zu einer verfassungsmäßigen Besoldung zurückkehren kann, was mit erheblichen Besoldungserhöhungen verbunden wäre, sondern eher über weitere Einsparungsmaßnahmen nachdenkt. Da geht noch viel und der Druck der anderen gesellschaftlichen Gruppen wiegt politisch viel mehr, und juristisch wird man schon irgendeine Finte vortäuschen.


lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16026 am: 04.01.2025 17:22 »
Hier ein Beispiel zur Einstellung der Wirtschaftsverbände und hinter den Wirtschaftsverbänden stehen die Massenmedien, Berater, Ökonomen, Wirtschaftsweisen, usw.:
INSM-Umfrage: Große Mehrheit will Beamtenprivilegien abschaffen
https://insm.de/aktuelles/pressemitteilungen/insm-umfrage-grosse-mehrheit-will-beamtenprivilegien-abschaffen


Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16027 am: 04.01.2025 17:30 »
Hier ein Beispiel zur Einstellung der Wirtschaftsverbände und hinter den Wirtschaftsverbänden stehen die Massenmedien, Berater, Ökonomen, Wirtschaftsweisen, usw.:
INSM-Umfrage: Große Mehrheit will Beamtenprivilegien abschaffen
https://insm.de/aktuelles/pressemitteilungen/insm-umfrage-grosse-mehrheit-will-beamtenprivilegien-abschaffen

In dem Fall muss man wohl fast froh sein, dass die große Mehrheit in unserer Demokratie nicht viel zu sagen hat.

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16028 am: 04.01.2025 20:57 »
Hier ein Beispiel zur Einstellung der Wirtschaftsverbände und hinter den Wirtschaftsverbänden stehen die Massenmedien, Berater, Ökonomen, Wirtschaftsweisen, usw.:
INSM-Umfrage: Große Mehrheit will Beamtenprivilegien abschaffen
https://insm.de/aktuelles/pressemitteilungen/insm-umfrage-grosse-mehrheit-will-beamtenprivilegien-abschaffen

Ich tröste mich bei solchen Umfragen immer damit, dass 95% der Menschen in unserem Land keinen blassen Schimmer von der Staatstheorie der Bundesrepublik Deutschland und den hoheitlichen Aufgaben des öffentlichen Dienstes hat. Oder anders gesagt, alle außer Polizisten nicht mehr zu verbramten, hieße, dass Enteignungsbehörden, die Steuerfahndung, der Zoll, der Justizvollzug, Staatsanwaltschaften, das Bundeskartellamt, die Marktaufsicht und Regulierung hoffen müssen, dass sich trotz dürftiger Bezahlung im Angestelltenverhältnis jeder brav an die Compliance Regeln hält.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16029 am: 05.01.2025 09:21 »
Die Mehrheit wünscht sich angestellte Lehrer. Warum eigentlich nicht? Dann hätten wir auch beim TV-L so richtig Streikpotential, einfach mal zwei, drei Wochen keine Schule, und die Nerven der Eltern und deren Arbeitgeber liegen blank, genauso wirkmächtig wie die Müllabfuhr.

lotsch

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« Antwort #16030 am: 05.01.2025 09:38 »
Die Mehrheit wünscht sich angestellte Lehrer. Warum eigentlich nicht? Dann hätten wir auch beim TV-L so richtig Streikpotential, einfach mal zwei, drei Wochen keine Schule, und die Nerven der Eltern und deren Arbeitgeber liegen blank, genauso wirkmächtig wie die Müllabfuhr.

Da passt dieser neue SPON-Artikel ja vortrefflich dazu (leider Bezahlschranke):
Warum junge Lehrkräfte auf die Verbeamtung verzichten
https://www.spiegel.de/start/lehrer-ohne-verbeamtung-warum-verzichten-lehrende-auf-den-beamtenstatus-a-5efadd9b-0090-4f2e-8227-7c9644307f71

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16031 am: 05.01.2025 09:46 »
Leider ebenfalls hinter einer Paywall:

„Bis zu 180.000 Euro Einstiegsgehalt – die drohenden Folgen des Juristen-Booms

Anwälte sind begehrt wie nie. Vor allem US-Kanzleien heizen den Wettbewerb mit teils astronomischen Gehältern an. Für junge Juristen herrschen vorerst goldene Zeiten. Das Nachsehen im Kampf um juristische Expertise haben Unternehmen – und der Staat.“

https://www.welt.de/wirtschaft/plus254986806/Jura-Bis-zu-180-000-Euro-Einstiegsgehalt-Die-drohenden-Folgen-des-Juristen-Booms.html?icid=search.product.onsitesearch

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16032 am: 05.01.2025 09:53 »
Die Mehrheit wünscht sich angestellte Lehrer. Warum eigentlich nicht? Dann hätten wir auch beim TV-L so richtig Streikpotential, einfach mal zwei, drei Wochen keine Schule, und die Nerven der Eltern und deren Arbeitgeber liegen blank, genauso wirkmächtig wie die Müllabfuhr.

Gerade bei den Lehrerinnen und Lehrern finde ich, kann man das ja noch diskutieren. Man muss dann aber den angesprochenen Umstand mit dem Streikrecht (3 Wochen Schule zu - mit den Folgen für die Bildung der Kinder, das ist noch nicht angesprochen worden). Aber auch das Treueverhältnis und das Weisungsrecht des Dienstherren, was die Vorgabe des Lehrplans und die gesellschaftliche und politische Grundeinstellung angeht, muss betrachtet werden. Zu der Überlegung gehört auch, welche Kosten durch die paritätische Last der Sozialabgaben für die Haushalte entsteht.
In dem Artikel wird auch auf die Verbeamtung in Ministerien abgestellt. Das hatte ich in meinem ursprünglichen Post noch vergessen. Aber wie will man gute Fachleute, die man in den Ministerien braucht, gewinnen, wenn man vergleichbar weniger zahlt als die Wirtschaft und dann nicht mehr für Privilegien des Beamtentums als Goodie anbieten kann?

Reisinger850

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16033 am: 05.01.2025 11:30 »
Selbstverständlich bedarf es dann auch einer Bezahlung, welche über jedes E im TV-L hinausgeht,
um irgendwie irgendwen nach zwei Staatsexamen noch anzulocken in unsere Brennpunkte. Für 6k netto würde ich auf die Verbeamtung inklusive Pension verzichten.

Falls es bald positive Nachrichten aus Karlsruhe gibt, müsste man noch einen Taui drauflegen.
« Last Edit: 05.01.2025 11:38 von Reisinger850 »

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #16034 am: 05.01.2025 11:53 »
Selbstverständlich bedarf es dann auch einer Bezahlung, welche über jedes E im TV-L hinausgeht,
um irgendwie irgendwen nach zwei Staatsexamen noch anzulocken in unsere Brennpunkte. Für 6k netto würde ich auf die Verbeamtung inklusive Pension verzichten.

Falls es bald positive Nachrichten aus Karlsruhe gibt, müsste man noch einen Taui drauflegen.

Das wird aber nicht passieren, weil das mit der derzeitigen Haltung nicht finanzierbar ist. Keine Schulden machen, nachheholte Investitionen und Anschubinvestitionen für den nächsten Konjunkturzyklus aus dem laufenden Haushalt bezahlen und dann noch den ÖD besser finanziell ausstatten wird nicht gehen.
Ich hoffe ja immer noch darauf, dass irgendwann der Groschen bei allen Parteien fällt, dass die Lösung nicht sparen alleine ist, sondern auch Einnahmen dort erhöht werden müssen, wo sich Leute oder Unternehmen vor der gesellschaftlichen Verantwortung drücken (Stichwort Amazon, ...). Solange aber eine ehemalige Regierungspartei und eine der nahestehende Tageszeitung jede Forderung nach einer gerechten Besteuerung so framen, dass jedem Facharbeiter die Angst eingeimpft wird, er würde wegen den Unternehmenssteuern seinen Job verlieren und wenn nicht das, dann würde der Staat ihm die Existenzgrundlage wegbesteuern, wird das nichts werden. Der ÖD wird vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise und der Pensionierungswelle ausbluten gelassen, bis nichts mehr funktioniert. Erst dann wird es eine Reaktion geben mit den üblichen Floskeln, man habe ja schon immer eine stärkere Unterstützung des ÖD angemahnt etc. Solange müssen wir hoffen, dass Karlsruhe und die Tarifverhandlungen irgendwann den Arbeitgeber zumindest so attraktiv halten, dass sich noch ein paar versprengte Idealisten finden, die hier Dienst schieben wollen.