@Swen: Auch wenn ich neu hier bin freue ich mich immer über deine Beiträge. Diese sind sehr wertvoll für alle und soweit ich das sehen kann auch oft zutreffend! Die ständigen Nachfragen und Diskussionen zu „Ich habe gehört das…“ sind eher die Ungeduld, weil jeder in der Erwartungshaltung ist, es müsse langsam etwas passieren.
Vielleicht magst du mir eine Frage beantworten, ob ich das richtig verstanden habe. Dass Familien mit mehr als zwei Kindern grundsätzlich zu niedrig besoldet sind ist aktuell im Bund wie den Ländern unstrittig. Die Länder haben das teilweise Anfang des Jahres angepasst, so dass hier teilweise Zuschläge bis 800€ gezahlt werden. Ist das soweit richtig?
Tatsächlich dürften zwischenzeitlich die Besoldungsgesetzgeber weit überwiegend die kinderbezogenen Familienzuschläge ab dem dritten Kind sachgerecht angehoben haben, wie sich das aus der letzten Rechtsprechung des Senats über den alimentationsrechtlichen Mehrbedarf ab dem dritten Kind ergibt (BVerfGE 155, 77;
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv155077.html). Während der Kontrollmaßstab für die Untergrenze der amtsangemessenen Alimentation die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist, wie er sich aus der bisherigen Besoldungspraxis und der dazu ergangenen Rechtsprechung ergeben hat, ist er das für den alimentationsrechtliche Mehrbedarf das dritte bzw. jedes weitere Beamtenkind. Dieser Mehrbedarf ist hinreichend vom Dienstherrn auszugleichen, da Beamte, die dasselbe statusrechtliche Amt bekleiden, sich annähernd das Gleiche leisten können müssen, da das Amt die Grundlage für den angemessenen Gehalt der zu gewährenden Alimentation ist. Entsprechend kann der Dienstherr nicht von seinem Beamten verlangen, dass er zum Unterhalt seines dritten und jedes weiteren Kinds auf die familienneutralen Gehaltsbestandteile zurückgreift, diese so ggf. aufzehrt und sich damit nicht mehr annähernd das Gleiche leisten kann wie der kinderlose Beamte bzw. jener mit einem oder zwei Kindern.
Alimentierte der Dienstherr den kinderreichen Beamten nicht hinreichend, würde sich das als eine elementare Verletzung sowohl des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG darstellen als auch eine elementare Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG - des allgemeinen Gleichheitssatzes - sein. Die Mehrkosten, die aus der amtsangemessenen Alimentation der alimentationsrechtlichen Mehrbedarfe resultieren, halten sich für die Dienstherrn zugleich in Grenzen, weshalb sie sie diese überwiegend seit 2020 ausgleichen.
Da ich zurzeit an einer komplexeren Überarbeitung sitze, komme ich im Moment nicht dazu, die zweite Botschaft Carsten Linnemanns zu betrachten, die er unlängst in Paderborn gesendet hat und die sich offensichtlich an die SPD richtet, deren Vorsitzenden und Arbeits- und Sozialministerin er hier offensichtlich - auf den ersten Blick: recht weit - entgegengekommen ist, was in der Politik regelmäßig bedeutet, dass man eine entsprechende Gegenleistung von der anderen Seite erwarten wollte. Jene dürfte hier im Zusammenhang mit der alsbald notwendigen Richterwahl stehen. Dabei ist jenes Entgegenkommen Linnemanns ein typische politisches, da er ja weiß - wie ich die letzten Tage gezeigt habe -, dass es am Ende insbesondere an den SPD-Ministerpräsidenten scheitern würde, es also nicht dazu kommen wird, dass in den Ländern nun die Verbeamtungspraxis erheblich eingeschränkt werden dürfte. Entsprechend dürfte die Rede in seinem Heimatwahlkreis einige Adressaten haben, jedoch letztlich mit dem Ziel gehalten worden sein, am tatsächlichen Status Quo wenig zu ändern. Man kann beizeiten auf sie zurückgreifen - wie ich das die letzten Tage gezeigt habe -, sofern das hinsichtlich der Verantwortungsdelegation notwendig ist und signalisiert der SPD ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann, um weiterhin im Gespräch über die im September geplanten Richterwahlen zu bleiben.
Das ließe sich noch ein wenig tiefgehender betrachten, sicherlich auch, dass die Union den vom Bundesverfassungsgericht im Mai einstimmig vom Plenum des Bundesverfassungsgerichts vorgeschlagenen Günter Spinner zu ihrem Kandidaten gemacht hat (vgl. zum Vorschlag:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-045.html), um nun bereit zu sein, ihn zurückzuziehen, sofern die SPD entsprechend mit ihren Kandidatinnen verfahren wollte. So mit einem Vorschlag des Plenums zu verfahren, dürfte das Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht bislang mindestens mit einigem Erstaunen zur Kenntnis nehmen.
Denn das Bundesverfassungsgericht ist, nachdem die Amtszeit des BVR Josef Christ zum November des letzten Jahres aus Altersgründen endete und er seitdem kommissarisch im Amt ist, erst nach einiger Wartezeit im Mai diesen Jahres mit den genannten Vorschlägen im Sinne von § 7a Abs. 1 BVerfGG aktiv geworden, der ausführt, dass das älteste Mitglied des Wahlausschusses unverzüglich das Bundesverfassungsgericht aufzufordern hat, Vorschläge für die Wahl zu machen, sofern innerhalb von zwei Monaten nach dem Ablauf der Amtszeit oder dem vorzeitigen Ausscheiden eines Richters die Wahl eines Nachfolgers auf Grund der Vorschriften des § 6 nicht zustande gekommen ist (
https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__7a.html). Entsprechende Vorschlagslisten sind dabei in der Vergangenheit wiederholt vom Plenum erstellt oder nicht erstellt worden. Ebenso sind solche dann erstellten Listen mal vom Wahlausschuss des Bundestags herangezogen worden oder nicht. Neu dürfte allerdings sein, dass ein Kandidat der Vorschlagsliste von einer Partei ausgewählt worden ist, um dann nicht gewählt zu werden. Denn mit der Auswahl eines vom Plenum vorgeschlagenen Kandidaten - in diesem Fall eines einstimmig vorgeschlagenen Kandidaten - würdigt die den Vorschlag aufnehmende Partei genau jenen Vorschlag. Entsprechend kann es eigentlich vom Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht nur als eine Missachtung begriffen werden, wenn nun der vorgeschlagene Kandidaten, nachdem er im Wahlausschuss die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hat, de facto wie eine Verfügungsmasse betrachtet wird, diese Missachtung dürften dabei insbesondere die BVR empfinden, die der CDU nahestehen und die man also mit einiger Wahrscheinlichkeit von Unionsseite gerade durchaus verprellt.
Denn bevor die Union Günter Spinner zu ihrem Kandidaten gemacht hat, wird deren Parteispitze sicherlich mit den CDU-nahen BVR das Gespräch gesucht haben, so wie davon auszugehen ist, dass das Bundesverfassungsgericht vor der und bei der Erstellung der Vorschlagsliste im Auge gehabt haben wird, dass hier die CDU ein Vorschlagsrecht hat. Insofern werden maßgeblich die CDU-nahen BVR die vom Plenum vorgeschlagene Dreierliste vorbereitet haben, über die das Plenum dann mit den genannten Mehrheitsverhältnissen als Vorschlag abgestimmt hat. Die Einstimmigkeit, mit der Günter Spinner auf Rang 1 der Vorschlagsliste gewählt worden ist, zeigt sowohl seine Reputation als auch das hohe Einverständnis beider Senate. Wenn man ihn nun vonseiten der Union wie eine Verfügungsmasse betrachtet, die man also gerne zurückzieht, nachdem er zunächst als Kandidat nominiert und vom Wahlausschuss des Bundestags mit qualifizierter Mehrheit gewählt worden ist, sofern das die SPD mit ihren beiden Kandidatinnen ebenso tut, dann gibt man sich offensichtlich vonseiten der Union alle Mühe, auch hier möglichst viel Porzellan zu zerschlagen. Auch deshalb sollte sich also Carsten Linnemann veranlasst sehen, der SPD bei einer ihrer Vorsitzenden öffentlich wichtigen Frage entgegenzukommen, nämlich um alsbald nicht noch mehr Porzellan zu zerschmeißen. So in etwa in Kürze, wobei die heutige Sachlage wohl noch immer etwas komplexer ist.
@ ebse
Ein Glaskugel hat keiner, allerdings dürften beide Senate ein hohes Interesse daran haben, dass über die angekündigten Entscheidungen von den heutigen BVR des Zweiten Senats entschieden wird. Denn ansonsten wäre die mittlerweile sicherlich viele Monate vollzogene Beratung über den Vorschlag des Berichterstatters in einem nicht geringen Maße umsonst gewesen, müsste mit einiger Wahrscheinlichkeit zunächst einmal ein neuer Berichterstatter ernannt werden, und zwar nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans. Am Ende müsste der neue Senat letztlich mindestens mit seiner Beratung weitgehend von vorn beginnen, da ja die acht Richter eines Senats gleichberechtigt sind und man dem oder den neuen BVR nicht mitteilen könnte, dass man eigentlich schon eine Entscheidung gefällt habe. Da der Zweite Senat weiß, dass zwei seiner BVR zum Herbst ausscheiden wollen und es also nicht darum geht, Beratungszeiten zu verkürzen, sondern die faktische Folge der derzeitigen Richterwahl nur eine Verlängerung der Amtsdauer nach sich ziehen könnte, darf man davon ausgehen, dass es nun nicht mehr nur bei Ankündigungen bleiben wird.