Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6431229 times)

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17295 am: 01.08.2025 17:27 »
Gegenfrage: Wenn Streiken gar nicht so schlimm ist, warum wird es uns dann verboten?
Echt Ärzte oder "Rettungssanitäter" haben ein Streikverbot?
Von irgendwelchen im Krankenhaus verwahrlosten Patienten habe ich aufgrund von Streiks der Krankenschwestern habe ich auch noch nie gelesen.

Tja, wenn große Teile der Lehrerschaft streiken dürften, dann hätten die Lehrergewerkschaften richtige Macht, siehe Lokführer. Einmal drei Wochen die Schulen lahmlegen, und die Nerven liegen blank.

Bei den paar angestellten Lehrern im Lande, passiert doch nix, wenn die streiken.
Und warum macht eine Privatschule nicht zu? Da gibts keine Beamten.
Und nochmal die gleiche Frage an dich wie bei tigertom.

Es wird ja die Beamten hier eh niemals betreffen, aber man kann von einem Beamten der klar bei Verstand schon erwarten, das er mal tief in sich geht und ob sich die Welt problemlos weiter drehen würde, wenn er nicht verbeamtet wäre.
Und wenn ich dann solche Aussagen wie hier lese, das man ja dann als Streik krank macht, weil man eh unbegrenzte Lohnfortzahlung hat und nicht gekündigt werden kann, für solche Leute wünscht ich mir das sie früher oder später auffliegen und dann rausgeschmissen werden.
Denn wer von einem Arzt ein "Gefälligkeitsattest" vorlegt, obwohl er nicht wirklich krank ist, begeht eine Straftat.

Mit "uns" meine ich Beamte. Aber das dürfte Dir bei der Überschrift dieses Threads klar gewesen sein. Eine Antwort bist Du uns schuldig geblieben.
Bist Du wieder ein Nicht-Beamter, der hier im Forum über einen angeregten Austausch hinaus wieder nur Unruhe stiften möchte?
(Frage für einen Freund)

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17296 am: 01.08.2025 17:34 »
@Alexander79,

ich bin sicher, dass wenn Ärzte, Krankenpfleger, Feuerwehren und ähnliche Berufe ohne Notdienste streiken würden, dann gäbe es ruckzuck gerichtliche Verfahren mit Streikverbot, da dann das Recht auf körperliche Unversehrtheit mehr gelten würde als das Streikrecht.

Die paar angestellten Lehrer, die in Deutschland gibt, haben null Macht! An den kirchlichen Schulen gibt außerdem gar nicht so es wenige Beamte! Selbst wenn ein paar kirchliche Schulen lahm gelegt würden, wen kümmert es?

Wenn jedoch die Schulen flächendeckend lahm gelegt werden, dann ist aber etwas los in unserem Land. Und da würden die Gerichte auch nicht eingreifen, schließlich besteht keine Lebensgefahr. Wenn ein Großteil der Lehrer angestellt wären, wäre das Macht für die Gewerkschaften. Die Lokführer haben es vorgemacht.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17297 am: 01.08.2025 17:57 »
Ach Leute,

ich war mal Beamter bei der Bundesoberbehörde "Bundesanstalt für Flugsicherung", dann Beamter beim Luftfahrtbundesamt, gleichzeitig "dienstüberlassener Beamter" bei der "Deutsche Flugsicherung GmbH" und jetzt als Beamter des Luftfahrt-Bundesamtes in Pension.

Folgende Story: Die Fluglotsen der Flugsicherung (alles Beamte A12) streikten (go sick, go ill), und das so vehement, dass Papa Staat die Flugsicherung privatisierte, und den Beamten dort mit gleichzeitiger Beendigung des Beamtentums einen  zivilen Job in der dann Deutschen Flugsicherungs GmbH anboten.

Allen Beamten, auch den Verwaltungs Beamten und den Technischen Beamten, in meinem Fall Dipl.-Ing. FH.

Die Fluglotsen sind alle übergetreten, von den Ingenieuren nur sehr wenige. Grund: Die Bezahlung und die sonstigen benefits waren so gigantisch hoch, dass wir Ingenieure meinten, das kann nicht gut gehen.

Und siehe da, es ging gut, und es geht noch immer gut!

Der Gag ist, dass der fürsorgende Dienstherr total sauer auf uns Beamte war, die nicht übergetreten sind.

Wie oft musste ich mir vom fürsorglichen Dienstherren anhören: "Warum sind Sie denn Beamter geblieben?"

Der weitere Gag ist, dass der fürsorgliche Dienstherr uns dienstüberlassenen Beamten bei der GmbH das Leben schwer und sauer gemacht hat.

Alle Wohltaten (Arbeitszeiten, Reisegeschichten, Beförderungen etc). wurden alleine von der privaten GmbH für uns Beamte erkämpft, der Dienstherr hat blockiert, wo es nur ging.

Ja, da war mal was. Gelöbnis, gegenseitiges Dienst- und Treueverhältnis bla bla bla......


GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17298 am: 01.08.2025 18:02 »
@Alexander79: dass der Rettungsdienst nicht flächendeckend streikt liegt daran, dass der Rettungsdienst der kommunalen Berufsfeuerwehr ebenfalls im Beamtenverhältnis erfolgt. Daher streiken die schon einmal nicht.

Bei den privaten Rettungsdiensten ist das etwas anderes. Aber auch dort wird man bei Streiks wie im ÖPNV einen Notfallplan mit nicht streikendem Personal fahren.

Dieser Blick auf: alle die unentbehrlich sind sollen nur noch verbeamtet werden, um Streiks zu vermeiden, springt doch zu kurz. Auch korruptionsgefährdete oder in die Grundrechte der Bürger eingreifende Tätigkeiten im öffentlichen Dienst sollten verbeamtet sein. Ich jedenfalls möchte nicht, dass irgendein Angestellter, der allenfalls dünne Complianceregeln einzuhalten haben, darüber befinden, ob mein Grundeigentum enteignet wird. Ich will auch nicht, dass meine Sachbearbeiterin beim Finanzamt gegen eine ins Couvert gelegte Uhr bei meinem wohlhabenden Nachbarn nicht so genau hin schaut, während der Staat, dem diese Einnahmen dann entgehen, bei mir den Steuersatz anhebt. Dieses: nur Feuerwehr und Polizisten und auf gar keinen Fall Lehrer ist in meinem Augen engstirniges Stammtischgeredet.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17299 am: 01.08.2025 18:25 »
Ob der hohen Quote an verbeamteten Lehrkräften würden Streikmaßnahmen, wenn ab jetzt konsequent nur noch tarifbeschäftigte Lehrkräfte eingestellt werden würden, in den folgenden ein bis zwei Jahrzehnten durch die weiterhin bestehenden Bestandsbeamten abgefedert werden können, wie das auch jetzt regelmäßig der Fall wäre.

Das eigentliche Problem wäre allerdings, dass der heute schon nicht zu deckende Bedarf an Lehrkräften, der trotz der Verbeamtungspraxis in den nächsten Jahren weiterhin das Angebot erheblich übersteigend wird, alsbald noch weniger gedeckt werden könnte, wenn man nun Lehrkräfte nicht mehr verbeamtete; nicht umsonst ist zwischenzeitlich Sachsen als letzter Dienstherr wieder dazu übergegangen, Lehrkräfte zu verbeamten.

Darüber hinaus ließe sich nun die bisherige Ausbildungspraxis mittels zweier Staatsexamina nicht mehr rechtfertigen, da sie ja die Zugangsberechtigung in den Staatsdienst sichern sollen, sodass sie nun nicht mehr notwendig wäre. Wieso sollte sich noch irgendwer den Vorbereitungsdienst antun, wenn er das zweite Staatsexamen danach nicht mehr benötigte? Entsprechend könnte man dann direkt von der Universität weg tarifbeschäftigte Lehrkräfte einstellen - ob das allerdings der Qualität zuträglich wäre, dürfte in den Sternen stehen. Dabei dürfte es dann ebenfalls alsbald fraglich sein, wieso überhaupt noch Studienseminare vorgehalten werden sollten, wenn sie als solche nicht mehr notwendig wären. Die Erfahrungen mit der Aussetzung der Wehrpflicht ließe auch hier aus der Entfernung grüßen.

Schließlich wäre auch die Zuweisung von Lehrkräften sowie das Verhindern von Wegbewerbungen - also die personelle Kontinuität - nicht mehr so einfach möglich wie bislang. Wieso sollte es tarifbeschäftigte Lehrkräfte, die sich ob des Lehrkräftemangels eher aussuchen könnten, wohin es sie verschlagen sollte, genau dahin verschlagen, wo regelmäßig am meisten händeringend nach Lehrkräften gesucht wird, also in ländlichen Regionen und in Brennpunktgebieten? Wie sollte dann hier nun der Bedarf gedeckt werden, wenn man ihn nicht mehr durch Zuweisung decken könnte?

Und schließlich wäre zu bedenken, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Streikverbotsentscheidung aus dem Jahr 2018 an Gedanken angestellt hat, wieso ein Streikrecht von Beamten an Schulen nicht mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen wäre. Die Gedanken, die es hier angestellt hat, würde es irgendwann zu wiederholen wissen - davon ist auszugehen -, wenn die Anzahl an verbeamteten Lehrkräften in den 2030er bis spätestens 2040er Jahren so gering wäre, dass Streikmaßnahmen von tarifbeschäftigten Lehrkräften nicht so ohne Weiteres mehr abzufedern wären; denn der Staat hat das Recht auf Bildung sicherzustellen, worauf der Zitat u.a. hinweist (vgl. nachfolgen die Rn. 159 f. unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/06/rs20180612_2bvr173812.html?nn=68080):

"Zwar reduzierte ein unter derartigen Bedingungen stehendes (eingeschränktes) Streikrecht [von Beamten, ST.] die negativen Folgen der Streiktätigkeit für die Grundrechtsverwirklichung Dritter, etwa Eltern und Schüler, sowie die Beeinträchtigungen für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Zudem erlaubte eine Anzeige beziehungsweise Genehmigungspflicht den Verwaltungsträgern eine jedenfalls teilweise Sicherstellung ihrer Aufgabenerfüllung. So könnte im Bereich des Schulwesens die Schulleitung bei frühzeitiger Ankündigung der Streikmaßnahme (zumindest) auf eine Schülerbetreuung durch Notdienste hinwirken und im Einzelfall auch Streikverbote aussprechen. Allerdings wäre dies – und hierin liegt wegen der Unkalkulierbarkeit ein gewichtiger Einwand – nur dann möglich, wenn sich ein ausreichender Anteil der Beamten dazu entschiede, nicht zu streiken, oder von einer Streikteilnahme durch im Einzelfall ausgesprochene Verbote ausgeschlossen werden könnte.

Bei länger andauernden Arbeitskämpfen und der Beteiligung von Inhabern schulischer Funktionsstellen ließe sich zudem der – ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte – staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 47, 46 <71>; 93, 1 <21>; 98, 218 <244>), kurz ein funktionierendes Schulsystem (vgl. BVerfGE 138, 1 <29 Rn. 80>), nicht mehr durchgängig sicherstellen. Dass es in der Vergangenheit selbst in Ländern mit einem überwiegenden Anteil an tarifbeschäftigten Lehrkräften nicht zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Schulbetriebes gekommen ist, stellt das Beeinträchtigungspotential von Arbeitskämpfen im schulischen Bereich nicht grundsätzlich in Frage. Denn zum einen handelte es sich nach Auskunft der Vertreter des Freistaates Sachsen in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2018 in der Vergangenheit dort regelmäßig um kurze Streikmaßnahmen ohne Beteiligung der (beamteten) Schulleiter und ihrer Stellvertreter. Zum anderen ist es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme, auf den jeweiligen Gegenspieler Druck in Gestalt der Zufügung von Nachteilen ausüben zu können, um zu einem Tarifabschluss zu gelangen. Daher wären mit der Gewährung eines Streikrechts für Beamte im vorgenannten Sinne ebenfalls erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Schulwesens zu besorgen. Gleiches würde für die Zuerkennung eines Streikrechts bei einer gleichzeitigen Pflicht zur Nachholung der ausgefallenen Stunden gelten, da bei einer Nachholung im Rahmen bestehender Lehr-, Stunden- und Raumbelegungspläne organisatorische Schwierigkeiten und damit nachteilige Auswirkungen auf den Schulbetrieb nicht ausgeschlossen werden könnten."

Der lange Rede kurzer Sinn: Dem CDU-Generalsekretär geht es weitgehend nicht um politische Gestaltung, sondern vor allem um die von mir genannte Vorsorge. Kein halbwegs bei Verstand seiender Landespolitiker würde zurzeit von der Verbeamtungspraxis von Lehrkräften abrücken, weil er wüsste, alle Politiker der Nachbarländer würden ihm huldigen und dabei zugleich gerne die dortens ausgebildeten Lehrkräfte bei sich verbeamten. Hinsichtlich von Lehrkräften ist mit der Paderborner Rede kein Staat zu machen. Und auch darüber hinaus dürfte ihr eigentlicher Zweck ein eher anderer sein, als tatsächlich alsbald zur Tat schreitende Politik anzukündigen.

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17300 am: 01.08.2025 18:50 »
Bist Du wieder ein Nicht-Beamter, der hier im Forum über einen angeregten Austausch hinaus wieder nur Unruhe stiften möchte?
(Frage für einen Freund)
Du kannst auch für dich fragen.
Aber ja, ich bin Beamter und weil ich Bundesbeamter bin auch eigentlich nur hier unterwegs.
Nur um deine Frage zu beantworten.

@Alexander79,

ich bin sicher, dass wenn Ärzte, Krankenpfleger, Feuerwehren und ähnliche Berufe ohne Notdienste streiken würden, dann gäbe es ruckzuck gerichtliche Verfahren mit Streikverbot, da dann das Recht auf körperliche Unversehrtheit mehr gelten würde als das Streikrecht.
Auch so ein Streikverbot ist nur eine Placebopille.
Denn glaubst du ernsthaft der Rettungsdienst ist so toll besetzt das ohne Auswirkung nur eine Notbesatzung reichen würde?

@Alexander79: dass der Rettungsdienst nicht flächendeckend streikt liegt daran, dass der Rettungsdienst der kommunalen Berufsfeuerwehr ebenfalls im Beamtenverhältnis erfolgt. Daher streiken die schon einmal nicht.
Zufälligerweise bin ich nebenbei bei der Feuerwehr.
Ich kann dir sagen.
Je nach Bundesland sieht das Ganze so aus.
In Bayern zB fährt die Berufsfeuerwehr nur Spitzenabdeckung, auf deutsch die BF fährt nur einen klitzekleinen Teil der Notfall/Notarzteinsätze.
Schaut man in andere Bundesländer sieht das ganze zwar oft anders aus, der Rettungsdienst ist bei der Berufsfeuerwehr aufgehängt, aber die Rettungsdienstmitarbeiter sind Angestellte im ÖD und eben oft keine Feuerwehrbeamten.
Das liegt schlicht daran, der Rettungsdienst, obwohl sie das höchste Gut schützen,eben keine klassische hoheitliche Aufgabe ist.
Dies erkennt man auch zB an der StVO
Zitat:"§ 35 Sonderrechte
(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr und die von ihr beauftragten gewerblichen Transportdienstunternehmen, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

Für den Rettungsdienst gilt hingegen.

Zitat:"(5a) Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden."
Also eben keine hoheitliche Aufgabe.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17301 am: 02.08.2025 09:12 »
Bist Du wieder ein Nicht-Beamter, der hier im Forum über einen angeregten Austausch hinaus wieder nur Unruhe stiften möchte?
(Frage für einen Freund)
Du kannst auch für dich fragen.
Aber ja, ich bin Beamter und weil ich Bundesbeamter bin auch eigentlich nur hier unterwegs.
Nur um deine Frage zu beantworten.

@Alexander79,

ich bin sicher, dass wenn Ärzte, Krankenpfleger, Feuerwehren und ähnliche Berufe ohne Notdienste streiken würden, dann gäbe es ruckzuck gerichtliche Verfahren mit Streikverbot, da dann das Recht auf körperliche Unversehrtheit mehr gelten würde als das Streikrecht.
Auch so ein Streikverbot ist nur eine Placebopille.
Denn glaubst du ernsthaft der Rettungsdienst ist so toll besetzt das ohne Auswirkung nur eine Notbesatzung reichen würde?

@Alexander79: dass der Rettungsdienst nicht flächendeckend streikt liegt daran, dass der Rettungsdienst der kommunalen Berufsfeuerwehr ebenfalls im Beamtenverhältnis erfolgt. Daher streiken die schon einmal nicht.
Zufälligerweise bin ich nebenbei bei der Feuerwehr.
Ich kann dir sagen.
Je nach Bundesland sieht das Ganze so aus.
In Bayern zB fährt die Berufsfeuerwehr nur Spitzenabdeckung, auf deutsch die BF fährt nur einen klitzekleinen Teil der Notfall/Notarzteinsätze.
Schaut man in andere Bundesländer sieht das ganze zwar oft anders aus, der Rettungsdienst ist bei der Berufsfeuerwehr aufgehängt, aber die Rettungsdienstmitarbeiter sind Angestellte im ÖD und eben oft keine Feuerwehrbeamten.
Das liegt schlicht daran, der Rettungsdienst, obwohl sie das höchste Gut schützen,eben keine klassische hoheitliche Aufgabe ist.
Dies erkennt man auch zB an der StVO
Zitat:"§ 35 Sonderrechte
(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr und die von ihr beauftragten gewerblichen Transportdienstunternehmen, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

Für den Rettungsdienst gilt hingegen.

Zitat:"(5a) Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden."
Also eben keine hoheitliche Aufgabe.

Auch, was Du hier schreibst, hört sich für mich schlüssig an, Alexander, was auch erstaunlich wäre, wenn's nicht so wäre, weil Du ja vom Fach bist.

Zu fragen bleibt am Ende aber, wieso die deutsche Verwaltungstradition als Regelfall auf Beamte setzt, für deren Besoldungsbemessung nicht von den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums abgesehen werden kann, die also Substanzialität (= ein Grundsatz, der nicht weggedacht werden kann, ohne die Institution des Berufsbeamtentums als solches grundlegend zu verändern) und Traditionalität (= ein Grundsatz, der sich kontinuierlich bis mindestens in die Weimarer Republik zurückverfolgen lässt) beinhalten, womit letztere bereits zeigt, dass das Beamtenrecht konservativ und also auf Bewahrung angelegt ist. Das mag man kritisieren können, macht aber als Verwaltungstradition die Lebenswirklichkeit zumindest in den alten Bundesländern (in den neuen ist die Sachlage allerdings kaum anders, wenn auch insgesamt komplexer, weil die Verwaltungstradition der DDR nicht traditionsbildend und auch deshalb die Lebensrealität eine andere war) aus, setzt also ebenfalls eine gewachsene Erwartungshaltung der Bevölkerung an den bundesdeutschen Staat voraus. Erhebliche Auswirkungen von Streiks in der öffentlichen Verwaltung - so gilt es zu vermuten - würden hier auf eine andere Reaktion in der Bevölkerung treffen, als das in vielen anderen Staaten der Fall ist. Wer also der AfD das Worten reden (denn das Zurückdrängen der Beamtenschaft wie des Staats insgesamt ist ja insbesondere ihre Forderung) möchte, der diskutiere weiter über die Beamtenschaft. Das weiß auch die Union, weshalb es Carsten Linnemann offensichtlich um etwas grundlegend anderes geht, wenn er nun diese Duftmarken setzte, obgleich er weiß, dass mit dem Thema politisch kein Blumentopf zu gewinnen wäre. Worum es also neben dem Populismus im Sommerloch noch geht, habe ich ja in den letzten Tagen skizziert.

Betrachten wir entsprechend noch einmal ein weiteres Mal die Realität, und zwar erneut die von Lehrkräften, um so zu zeigen, dass es nur bedingt um die Realität geht, wenn Carsten Linnemann in Paderborn das sagte, was er sagte: Eine in die vierte Erfahrungsstufe - in die Eingangsstufe - der Besoldungsgruppe A 13 eingruppierte Lehrkraft in Niedersachsen erhält ein Bruttogehalt von 60.120,- €. Steuerliche Abzüge bemisst der Lohnsteuerrechner mit 13.243,- €, sodass er über eine Nettobesoldung von 48.877,- € verfügt (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/ni?id=beamte-nds&g=A_13&s=0&f=0&fstand=v&z=100&fz=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=0). Davon wären nun noch die Kosten für die PKV abzuziehen, was wiederum Auswirkungen auf die steuerliche Veranlagung hätte, ohne dass uns das hier im Detail interessieren müsste (das müsste allerdings im Detail interessieren, wollte man ab nun Lehrkräfte nicht mehr verbeamten). Die in der ersten Erfahrungsstufe der Entgeltgruppe E 13 eingruppierte Lehrkraft erhält ein Bruttogehalt von 55.557,- €, allerdings muss vom Arbeitgeber noch der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung entrichtet werden, sodass das sozialversicherungspflichtige Bruttoentgelt 60.064,- € beträgt; insgesamt entrichtet diese Lehrkraft Steuern in Höhe von 8.942,- € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tv-l/allg?id=tv-l&g=E_13&s=1&zv=VBL&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=0&kk=17%2C05%25). Sie ist also bis hierhin betrachtet für den Arbeitgeber weitgehend gleich teuer, was den Dienstherrn und Arbeitgeber interessierte, da das Land Niedersachsen unmittelbar nichts von der Besteuerung hat. Für das Land Niedersachsen wären tarifbeschäftigte Lehrkräfte, die nach E 13 bezahlt und nicht als Beamte nach A 13 besoldet wären - zumindest in der Anfangszeit -, in einem geringen Maße günstiger. Der Dienstherr Niedersachen hat also zunächst einmal bei etwa gleich großen Personalkosten pro Person mit dem Beamten eine deutlich bessere Alternative: Jener sieht sich in maßgeblichen seiner Grundrechte eingeschränkt und ist von daher in vielfacher Hinsicht deutlich einfacher händelbar, sorgt also - auch hier zeigt sich wieder das konservative Moment - für Kontinuität im Verwaltungshandeln, da sich der Personalkörper in den Kollegien im Regelfall deutlich stabiler zeigt, wenn die Lehrkräfte verbeamtet sind.

Darüber hinaus würden nun für den Staat die Steuereinnahmen im erheblichen Maß sinken, wenn Lehrkräfte in den Ländern nicht mehr verbeamtet werden würden. Denn der steuerliche Veranlagung von deutlich über 13.000,- € ständen nun nur noch Steuereinnahmen von knapp 9.000,- € in dem von uns betrachteten Fall gegenüber. Ob dass das Begehr der Union im Bund wäre, dem die Steuereinnahmen zufließen, wage ich doch eher zu bezweifeln. Darüber hinaus - darum geht es ja vordergründig in der Debatte - sieht sich die tarifbeschäftigte Lehrkraft noch den gesamten weiteren Abzügen gegenüber, ist also für die Sozialversicherung ein Segen, während der Beamte im Regelfall die privaten Krankenkassen am Leben erhält, die es kaum (zu ihrem heutigen Preis) geben könnte, würde es keine Beamten geben. Diese zweite Säule der Krankenversicherung ist aber gerade ein ein Interesse der Union, die sich als Sachwalter der PKV versteht, während die Bürgerversicherung seit Jahr und Tag das Thema der SPD ist - ist nun Carsten Linnemann still und heimlich Generalssekretär der SPD geworden? Will nun auch die Union der PKV an den Kragen? Das wäre eine erstaunliche Wendung.

Am Ende hat die tarifbeschäftigte Lehrkraft allerdings 34.800,- € an Nettoeinkommen, während die verbeamtete Lehrkraft über ein erheblich höheres Nettoeinkommen verfügt, weshalb der niedersächsische Dienstherr auch regelmäßig seine für ihn weitgehend gleich teuren Lehrkräfte verbeamtet. Denn die Lehrkräftesituation würde sich alsbald noch einmal gänzlich anders gestalten, wenn die Länder nun nur noch nach Tarif entlohnen würden. Für diese spätere Entlohnung würden große Teile insbesondere des männlichen Nachwuchses kaum ein Lehramtsstudium aufnehmen und würde sich darüber hinaus ein nicht geringer Teil derer, die am Ende einen Lehramtsabschluss vorweisen könnten, in Zeiten des Fachkräftemangels gerne für besseres Geld von anderen Arbeitgebern abwerben lassen. Auch das zeigt, dass es Carsten Linnemann um offensichtlich etwas anderes gehen dürfte, da kein Land in absehbarer Zeit dazu übergehen wird, seine Lehrkräfte nicht mehr zu verbeamten - und da das nicht geschehen wird, die Besoldungsgruppe A 13 aber die regelmäßig personell am stärksten besetzte ist, könnte man sich bereits die gesamte Diskussion - sofern es um die Sache gehen sollte - schenken. Denn wenn nicht die Lehrkräfte am Ende in die Sozialversicherung einzahlen, kann man die Diskussion auch gleich sein lassen.

Entweder wäre also Carsten Linnemann ein wenig in seinen geistigen Eigenschaften eingeschränkt - was er nachweislich nicht ist! - oder es sollte ihm tatsächlich vor allem um etwas anderes gehen, so darf man begründet vermuten, wenn er sich nun so weit aus dem Fenster lehnt, obgleich er weiß, dass nichts von dem, was er hier aufgerufen hat, am Ende auch umgesetzt werden wird.

A9A10A11A12A13

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17302 am: 02.08.2025 17:15 »
...Carsten Linnemann ein wenig in seinen geistigen Eigenschaften eingeschränkt - was er nachweislich nicht ist!

Mit der Bitte um Einsichtnahme oder die Verweisung zur Urkunde, wo man den NACHWEIS zu C. L. geistig nicht eingeschränkten Eigenschaften bestätigt.
Es ist schon sehr bedauerlich, wenn seine geistigen Eigenschaften in Zweifel gezogen wurden und er sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen musste, in dem die behaupteten Zweifel nicht bestätigt werden konnten. Oder haben die Zweifler die ihm nichts nachweisen konnten ihn dazu genötigt, seinen geistigen Normalzustand mit einer Bescheinigung, dass er einen medizinisch unbedenklichen Geisteszustand hat, vorzulegen?
Geschmacklos ist es, wenn das dann noch wie hier in die Öffentlichkeit getragen wird.

Interesse besteht nur wie schnell (Wahl-)Beamte und Abgeordnete in einem öffentlich werdenden Verfahren zur Unzurechnungsfähigkeit geraten und wie man das unbeschadet wie C. L laut dem Zitat anscheinend übersteht.

___
"Gesundheit braucht Fachärtze vor Ort" FDP Plakat im Kommunalwahlkampf

Vorschlag Spende der FDP an die Verkehrswacht: straßenüberspannende Banner mit der Aufschrift "Bitte Leerer! Schule hat begonnen."
« Last Edit: 02.08.2025 17:30 von A9A10A11A12A13 »

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17303 am: 02.08.2025 18:18 »
@ Swen ...
Ich will weder behaupten noch irgendwelche treffsicheren Aussagen machen ob irgendwelche Beamtenstellen in TB Stellen zu ändern sind.
Ich nehme für mich auch nicht raus zu sagen was billiger ist oder wäre.
Fakt ist definitv, es wird erstmal sehr viel teurer.

In unserer Demokratie muss man aber jedem zugestehen, das er sich darüber eine Meinung bilden darf ohne gleich zerfleischt zu werden.

Aber weder ist das Land zusammengebrochen als die Bahn privatisiert wurde, noch als die Post privatisiert wurde.

Sicher gehören grundlegende Dinge in "Beamtenhände".

Das Finanzbeamte, Zoll, Polizei, Soldaten, Staatsanwälte, Richter (Ja ich weiß Richter sind keine Beamten) darunter fallen, steht wohl außer Frage.

Ob aber jetzt Hochschulprofessoren, Lehrer, Sachbearbeiter in der Zulassungsstelle oder selbst Feuerwehrleute verbeamtet werden müssen?
Sorry, das nehme ich mir nicht raus zu sagen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17304 am: 02.08.2025 18:56 »
@ Swen ...
Ich will weder behaupten noch irgendwelche treffsicheren Aussagen machen ob irgendwelche Beamtenstellen in TB Stellen zu ändern sind.
Ich nehme für mich auch nicht raus zu sagen was billiger ist oder wäre.
Fakt ist definitv, es wird erstmal sehr viel teurer.

In unserer Demokratie muss man aber jedem zugestehen, das er sich darüber eine Meinung bilden darf ohne gleich zerfleischt zu werden.

Aber weder ist das Land zusammengebrochen als die Bahn privatisiert wurde, noch als die Post privatisiert wurde.

Sicher gehören grundlegende Dinge in "Beamtenhände".

Das Finanzbeamte, Zoll, Polizei, Soldaten, Staatsanwälte, Richter (Ja ich weiß Richter sind keine Beamten) darunter fallen, steht wohl außer Frage.

Ob aber jetzt Hochschulprofessoren, Lehrer, Sachbearbeiter in der Zulassungsstelle oder selbst Feuerwehrleute verbeamtet werden müssen?
Sorry, das nehme ich mir nicht raus zu sagen.

Ich bin mit Dir d'accord, Alexander, dass weder Hochschulprofessoren, Sachbearbeiter in den Zulassungsstellen noch selbst bis zu einem gewissen Anteil Feuerwehrleute oder Lehrer verbeamtet werden müssten; das ist gleichfalls auch die Sicht Karlsruhes: Solange die öffentliche Verwaltung nicht soweit durch Streikmaßnahmen unterbunden werden kann, dass es zu hinreichender Einschränkung von Grundrechten nicht geringer Teil der jeweils Normunterworfenen kommt, die die öffentliche Verwaltung schützt bzw. exekutiert, sieht sich der öffentliche Arbeitgeber frei, Tarifbeschäftigte einzustellen. Meine Frage, um die es mir also geht, ist die, warum der Dienstherr als Dienstherr tatsächlich vielfach insbesondere im schulischen Bereich verbeamtet. Diese Frage zu beantworten und damit aufzuzeigen, dass es Carsten Linnemann dem Kern nach - also politisch - noch um etwas anderes geht, als eine Praxis zu kritisieren, die tatsächlich nicht geändert werden wird, ist mein Anliegen. Das eine Anliegen liegt offensichtlich darin, Vorbereitungen für die Zeit nach den angekündigten Entscheidungen zu treffen. Ein zweites Anliegen dürfte ein weiteres Mal mit der im September anstehenden Richterwahl zusammenhängen, worüber ich gerne morgen schreiben werde, sofern da ein Interessen besteht.

Faunus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17305 am: 02.08.2025 23:16 »
Ein zweites Anliegen dürfte ein weiteres Mal mit der im September anstehenden Richterwahl zusammenhängen, worüber ich gerne morgen schreiben werde, sofern da ein Interessen besteht.

Gerne bitte.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17306 am: 03.08.2025 09:36 »
Ein zweites Anliegen dürfte ein weiteres Mal mit der im September anstehenden Richterwahl zusammenhängen, worüber ich gerne morgen schreiben werde, sofern da ein Interessen besteht.

Für deine Beiträge besteht immer großes Interesse.

Batto

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17307 am: 03.08.2025 10:08 »
@Swen: Auch wenn ich neu hier bin freue ich mich immer über deine Beiträge. Diese sind sehr wertvoll für alle und soweit ich das sehen kann auch oft zutreffend! Die ständigen Nachfragen und Diskussionen zu „Ich habe gehört das…“ sind eher die Ungeduld, weil jeder in der Erwartungshaltung ist, es müsse langsam etwas passieren.

Vielleicht magst du mir eine Frage beantworten, ob ich das richtig verstanden habe. Dass Familien mit mehr als zwei Kindern grundsätzlich zu niedrig besoldet sind ist aktuell im Bund wie den Ländern unstrittig. Die Länder haben das teilweise Anfang des Jahres angepasst, so dass hier teilweise Zuschläge bis 800€ gezahlt werden. Ist das soweit richtig?

ebse

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17308 am: 03.08.2025 12:54 »
Um mal wieder was zum eigentlichen Thema zu schreiben......

Die Zeit rennt. Der Berichterstatter geht bald in Pension.....Kommt das erwartete Urteil denn nun noch oder wird es offen bleiben, ein "Neuer" arbeitet sich ein und es dauert noch Jahre????

Hat wer eine taugliche Glaskugel?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17309 am: 03.08.2025 13:26 »
@Swen: Auch wenn ich neu hier bin freue ich mich immer über deine Beiträge. Diese sind sehr wertvoll für alle und soweit ich das sehen kann auch oft zutreffend! Die ständigen Nachfragen und Diskussionen zu „Ich habe gehört das…“ sind eher die Ungeduld, weil jeder in der Erwartungshaltung ist, es müsse langsam etwas passieren.

Vielleicht magst du mir eine Frage beantworten, ob ich das richtig verstanden habe. Dass Familien mit mehr als zwei Kindern grundsätzlich zu niedrig besoldet sind ist aktuell im Bund wie den Ländern unstrittig. Die Länder haben das teilweise Anfang des Jahres angepasst, so dass hier teilweise Zuschläge bis 800€ gezahlt werden. Ist das soweit richtig?

Tatsächlich dürften zwischenzeitlich die Besoldungsgesetzgeber weit überwiegend die kinderbezogenen Familienzuschläge ab dem dritten Kind sachgerecht angehoben haben, wie sich das aus der letzten Rechtsprechung des Senats über den alimentationsrechtlichen Mehrbedarf ab dem dritten Kind ergibt (BVerfGE 155, 77; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv155077.html). Während der Kontrollmaßstab für die Untergrenze der amtsangemessenen Alimentation die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist, wie er sich aus der bisherigen Besoldungspraxis und der dazu ergangenen Rechtsprechung ergeben hat, ist er das für den alimentationsrechtliche Mehrbedarf das dritte bzw. jedes weitere Beamtenkind. Dieser Mehrbedarf ist hinreichend vom Dienstherrn auszugleichen, da Beamte, die dasselbe statusrechtliche Amt bekleiden, sich annähernd das Gleiche leisten können müssen, da das Amt die Grundlage für den angemessenen Gehalt der zu gewährenden Alimentation ist. Entsprechend kann der Dienstherr nicht von seinem Beamten verlangen, dass er zum Unterhalt seines dritten und jedes weiteren Kinds auf die familienneutralen Gehaltsbestandteile zurückgreift, diese so ggf. aufzehrt und sich damit nicht mehr annähernd das Gleiche leisten kann wie der kinderlose Beamte bzw. jener mit einem oder zwei Kindern.

Alimentierte der Dienstherr den kinderreichen Beamten nicht hinreichend, würde sich das als eine elementare Verletzung sowohl des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG darstellen als auch eine elementare Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG - des allgemeinen Gleichheitssatzes - sein. Die Mehrkosten, die aus der amtsangemessenen Alimentation der alimentationsrechtlichen Mehrbedarfe resultieren, halten sich für die Dienstherrn zugleich in Grenzen, weshalb sie sie diese überwiegend seit 2020 ausgleichen.

Da ich zurzeit an einer komplexeren Überarbeitung sitze, komme ich im Moment nicht dazu, die zweite Botschaft Carsten Linnemanns zu betrachten, die er unlängst in Paderborn gesendet hat und die sich offensichtlich an die SPD richtet, deren Vorsitzenden und Arbeits- und Sozialministerin er hier offensichtlich - auf den ersten Blick: recht weit - entgegengekommen ist, was in der Politik regelmäßig bedeutet, dass man eine entsprechende Gegenleistung von der anderen Seite erwarten wollte. Jene dürfte hier im Zusammenhang mit der alsbald notwendigen Richterwahl stehen. Dabei ist jenes Entgegenkommen Linnemanns ein typische politisches, da er ja weiß - wie ich die letzten Tage gezeigt habe -, dass es am Ende insbesondere an den SPD-Ministerpräsidenten scheitern würde, es also nicht dazu kommen wird, dass in den Ländern nun die Verbeamtungspraxis erheblich eingeschränkt werden dürfte. Entsprechend dürfte die Rede in seinem Heimatwahlkreis einige Adressaten haben, jedoch letztlich mit dem Ziel gehalten worden sein, am tatsächlichen Status Quo wenig zu ändern. Man kann beizeiten auf sie zurückgreifen - wie ich das die letzten Tage gezeigt habe -, sofern das hinsichtlich der Verantwortungsdelegation notwendig ist und signalisiert der SPD ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann, um weiterhin im Gespräch über die im September geplanten Richterwahlen zu bleiben.

Das ließe sich noch ein wenig tiefgehender betrachten, sicherlich auch, dass die Union den vom Bundesverfassungsgericht im Mai einstimmig vom Plenum des Bundesverfassungsgerichts vorgeschlagenen Günter Spinner zu ihrem Kandidaten gemacht hat (vgl. zum Vorschlag: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/bvg25-045.html), um nun bereit zu sein, ihn zurückzuziehen, sofern die SPD entsprechend mit ihren Kandidatinnen verfahren wollte. So mit einem Vorschlag des Plenums zu verfahren, dürfte das Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht bislang mindestens mit einigem Erstaunen zur Kenntnis nehmen.

Denn das Bundesverfassungsgericht ist, nachdem die Amtszeit des BVR Josef Christ zum November des letzten Jahres aus Altersgründen endete und er seitdem kommissarisch im Amt ist, erst nach einiger Wartezeit im Mai diesen Jahres mit den genannten Vorschlägen im Sinne von § 7a Abs. 1 BVerfGG aktiv geworden, der ausführt, dass das älteste Mitglied des Wahlausschusses unverzüglich das Bundesverfassungsgericht aufzufordern hat, Vorschläge für die Wahl zu machen, sofern innerhalb von zwei Monaten nach dem Ablauf der Amtszeit oder dem vorzeitigen Ausscheiden eines Richters die Wahl eines Nachfolgers auf Grund der Vorschriften des § 6 nicht zustande gekommen ist (https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__7a.html). Entsprechende Vorschlagslisten sind dabei in der Vergangenheit wiederholt vom Plenum erstellt oder nicht erstellt worden. Ebenso sind solche dann erstellten Listen mal vom Wahlausschuss des Bundestags herangezogen worden oder nicht. Neu dürfte allerdings sein, dass ein Kandidat der Vorschlagsliste von einer Partei ausgewählt worden ist, um dann nicht gewählt zu werden. Denn mit der Auswahl eines vom Plenum vorgeschlagenen Kandidaten - in diesem Fall eines einstimmig vorgeschlagenen Kandidaten - würdigt die den Vorschlag aufnehmende Partei genau jenen Vorschlag. Entsprechend kann es eigentlich vom Verfassungsorgan Bundesverfassungsgericht nur als eine Missachtung begriffen werden, wenn nun der vorgeschlagene Kandidaten, nachdem er im Wahlausschuss die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hat, de facto wie eine Verfügungsmasse betrachtet wird, diese Missachtung dürften dabei insbesondere die BVR empfinden, die der CDU nahestehen und die man also mit einiger Wahrscheinlichkeit von Unionsseite gerade durchaus verprellt.

Denn bevor die Union Günter Spinner zu ihrem Kandidaten gemacht hat, wird deren Parteispitze sicherlich mit den CDU-nahen BVR das Gespräch gesucht haben, so wie davon auszugehen ist, dass das Bundesverfassungsgericht vor der und bei der Erstellung der Vorschlagsliste im Auge gehabt haben wird, dass hier die CDU ein Vorschlagsrecht hat. Insofern werden maßgeblich die CDU-nahen BVR die vom Plenum vorgeschlagene Dreierliste vorbereitet haben, über die das Plenum dann mit den genannten Mehrheitsverhältnissen als Vorschlag abgestimmt hat. Die Einstimmigkeit, mit der Günter Spinner auf Rang 1 der Vorschlagsliste gewählt worden ist, zeigt sowohl seine Reputation als auch das hohe Einverständnis beider Senate. Wenn man ihn nun vonseiten der Union wie eine Verfügungsmasse betrachtet, die man also gerne zurückzieht, nachdem er zunächst als Kandidat nominiert und vom Wahlausschuss des Bundestags mit qualifizierter Mehrheit gewählt worden ist, sofern das die SPD mit ihren beiden Kandidatinnen ebenso tut, dann gibt man sich offensichtlich vonseiten der Union alle Mühe, auch hier möglichst viel Porzellan zu zerschlagen. Auch deshalb sollte sich also Carsten Linnemann veranlasst sehen, der SPD bei einer ihrer Vorsitzenden öffentlich wichtigen Frage entgegenzukommen, nämlich um alsbald nicht noch mehr Porzellan zu zerschmeißen. So in etwa in Kürze, wobei die heutige Sachlage wohl noch immer etwas komplexer ist.

@ ebse

Ein Glaskugel hat keiner, allerdings dürften beide Senate ein hohes Interesse daran haben, dass über die angekündigten Entscheidungen von den heutigen BVR des Zweiten Senats entschieden wird. Denn ansonsten wäre die mittlerweile sicherlich viele Monate vollzogene Beratung über den Vorschlag des Berichterstatters in einem nicht geringen Maße umsonst gewesen, müsste mit einiger Wahrscheinlichkeit zunächst einmal ein neuer Berichterstatter ernannt werden, und zwar nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans. Am Ende müsste der neue Senat letztlich mindestens mit seiner Beratung weitgehend von vorn beginnen, da ja die acht Richter eines Senats gleichberechtigt sind und man dem oder den neuen BVR nicht mitteilen könnte, dass man eigentlich schon eine Entscheidung gefällt habe. Da der Zweite Senat weiß, dass zwei seiner BVR zum Herbst ausscheiden wollen und es also nicht darum geht, Beratungszeiten zu verkürzen, sondern die faktische Folge der derzeitigen Richterwahl nur eine Verlängerung der Amtsdauer nach sich ziehen könnte, darf man davon ausgehen, dass es nun nicht mehr nur bei Ankündigungen bleiben wird.