Nein, Alexander, das Komplexe liegt nicht darin, die Anzahl derer so gering wie möglich zu halten, die sich benachteiligt fühlen werden, sondern das Komplexe liegt darin, die tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen des Verfassungsrechts anzukennen.
Du hast mich falsch verstanden.
Auch wenn verfassungsrechtlich alimentiert werden würde und ich werf jetzt einfach mal in den Raum.
Die Grundbesoldung wird pauschal um 20% erhöht.
Auch dann wird sich jemand benachteiligt fühlen, weil der Beamte X in der Kommune A 1000€ Miete zahlen muss und 2 Kinder hat und der Beamte Y in der Kommune B nur 500€ und dadurch unterm Strich Summe Z mehr hat als der Beamte X.
Und sorry, in gewisser Weise, wenn ich es objektiv betrachte kann ich das durchaus nachvollziehen.
Denn der eine Beamte setzt 2 Kinder in die Welt und kürzt damit sein "Eigenbehalt" um meinetwegen 1000€ im Monat und der andere Beamte "verprasst" sein komplettes Geld, geht auf Reisen und lässt sich später die Pension von den Kindern des anderen Beamten bezahlen.
So funktioniert unser Staat auf Dauer nicht.
Das dies verfassungsrechtlich theoretisch möglich wäre mag sein, aber da werf ich dann auch mal Art 6 (1) GG in den Raum.
Es ist doch zunächst einmal die eigene Werteentscheidung, ob jemand sich für oder gegen eigene Kinder entscheidet, Alexander. Dem Staat kann nicht verwehrt werden, dass er diese individuelle Werteentscheidung im Rahmen des Verfassungsrecht sachlich unterstützt - nicht zuletzt, weil bspw. Art. 6 Abs. 4 GG klarmacht, dass Mutterschaft keine rein private Angelegenheit ist, sondern einen Nutzen für die Gesellschaft mit sich bringt, sodass Mütter gegenüber Vätern rechtlich privilegiert sind; aber auch, darauf willst Du hinaus, weil Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen -; er kann aber als abstraktes Gut - der Staat als solcher - verfassungsrechtlich keine Sorge für eine gerechte Lebenswelt tragen, da das eine moralisches und kein verfassungsrechtliches Gut ist. Insofern bleibt das Thema "Gerechtigkeit" ein ureigen politisches und kein in erster Linie (verfassungs-)rechtliches, wobei das Thema "Gerechtigkeit" im Rahmen unserer Rechtsordnung allerdings verfassungsrechtlich durchaus vorgeprägt ist, da unser Staatswesen eine Sozialstaat nach Art. 20 Abs. 1 GG ist.
Solange es also nicht gegen Verfassungsgüter verstößt, dass das eine Land andere Wertentscheidungen trifft als das andere, liegt hier weiterhin eine politische Gestaltung vor, auf die der Beamte
als Staatsbürger individuellen Einfluss hat, sei es, indem er sein Wahlrecht als Staatsbürger wahrnimmt, sei es, dass er ihm mögliche individuelle Lebensentscheidungen trifft, mit denen er seine Lebenshaltungskosten minimiert.
Aber all das hat ja nichts mit dem Alimentationsprinzip zu tun, das als solches zunächst einmal ein Verfassungsgut ist und als solches dem Beamten als Folge des Sonderstatusverhältnisses, in dem er sich befindet und das ihn als Teil von Art. 33 Abs. 5 GG anders als einen privatrechtlichen Arbeitnehmer daran hindern kann, seine Lebenshaltungskosten als individuelle Werteentscheidung so ohne Weiteres zu minimieren, da er sich als Folge des Dienstverhältnisses anders als ein privatrechtlicher Arbeitnehmer in seiner Freizügigkeit auch hinsichtlich der Wohnortswahl eingeschränkt sieht, seine wirtschaftliche Unabhängigkeit als Teil des Gemeinwohls sichert. Folge ist nun, dass alle Beamten am Ende so alimentiert werden, dass ihnen ein wirtschaftlich auskömmliches Leben im Rahmen ihrer Qualifikation und Verantwortung möglich ist, sodass sie sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen können.
In dem Moment aber, wo der Beamte im Rahmen des Leistungs- und Alimentationsprinzips - also im Rahmen seines statusrechtlichen Amts - angemessen alimentiert wird, also die Alimentation so ausgestaltet ist, dass bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. "familienneutralen" und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten (BVerfGE 44, 240, 274 f.;
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html), er darüber hinaus seinen ihm als Vater oder Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG auferlegten Pflichten hinreichend nachkommt, sollte es ihm wirtschaftlich weitgehend egal sein können, ob er höhere oder geringere aus seiner Familie entspringende Unterhaltskosten hat. Dass er aber den ihm aus Art. 6 Abs. 2 GG entspringenden Pflichten nachkommen muss, bleibt weiterhin die Folge seiner zuvor getätigten Werteentscheidung. Diese Entscheidung - Vater oder Mutter zu werden - kann der Staat fördern, aber nicht erzwingen, sodass es in der eigenen individuellen Entscheidung verbleibt - eben als Werteentscheidung -, wie der einzelne Beamte sich nun entscheidet, nämlich für oder gegen Kinder.
So verstanden wird der Beamte ohne Kinder zwangsläufig über einen maßvoll höheren Betrag zur individuell eigenen Verfügung bestimmen können als der Beamte mit Kindern, da es dem Besoldungsagesetzgeber als Folge des Alimentationsprinzips verwehrt bleiben muss, den vollen Bedarf auszugleichen, der dem Beamten aus seinen ersten beiden Kinder entspringt (wieso das so ist, habe ich gestern dargelegt; entsprechend ist auch das zu verstehen, was ich gerade aus der ersten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zum alimentationsrechtlichen Mehrbedarf zitiert habe).
Damit aber bleibt das weiterhin keine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine verfassungsrechtliche Frage. Der Beamte mit Kindern muss sich - auch solange er amtsangemessen alimentiert wird - als Folge dieser Werteentscheidung damit abfinden, dass er verfassungsrechtlich zwangsläufig weniger an finanziellen Mitteln für sich selbst zur eigenen Verfügung hat als eine Beamter ohne Kinder, was nicht zuletzt aus seiner Verpflichtung resultiert - die für alle dem Grundgesetz unterworfenen Eltern zunächst einmal gleich ist, solange nicht aus von ihnen nicht zu verantwortenden Gründen anderes gilt -, sachgerecht den Unterhalt seiner Kinder zu gewährleisten. Er wird also als Folge des Alimentationsprinzips von Amts wegen - also im Grundgehaltssatz - gleich besoldet und findet darüber hinaus eine Alimentation vor, die ihn - als wesentlich Gleiche - mit anderen Beamten, die ebenfalls Kinder haben, insofern gleichstellt, als dass sie sich allesamt ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie "annähernd das gleiche leisten" können (vgl. in der gerade genannten Entscheidung den LS 3).
Er wird aber als Folge dessen, was ich gestern geschrieben haben, zwangsläufig weniger finanzielle Mittel zur eigenen individuellen Entscheidung zur Verfügung haben als der Beamte ohne Kinder, was die zwangsläufige Folge des Alimentations- und Leistungsprinzips ist, die wiederum verbieten, dass der Dienstherr die Bedarfe der ersten zwei Kinder des Beamten vollständig ausgleicht - sobald also der Dienstherr verpflichtet ist, die Bedarfe ab dem dritten Kind realitätsgerecht vollständig auszugleichen (also einen entsprechenden Kinderzuschlag gewährt, der 15 % oberhalb des realitätsgerechten Grundsicherungsniveau liegt), bleibt dennoch auch für ihn eine Einschränkung in ihm zur eigenen individuellen Entscheidung zur Verfügung stehenden Mittel bestehen, eben weil die Bedarfe für das erste und zweite Kind nicht vollständig ausgeglichen werden.
So verstanden - denke ich oder bin ich mir zumindest recht sicher -, dass ich Dich schon richtig verstanden habe, dass es aber weiterhin sachlich nicht darum gehen kann, erheblich höhere Familienzuschläge für das erste und zweite Kind zu fordern, da sich das sachlich nicht rechtfertigen lässt, sondern die amtsangemessene Alimentation zu fordern, weil sich das sachlich rechtfertigen lässt. Entsprechend habe ich vorhin das geschrieben, was ich geschrieben habe: Es geht politisch darum, dass die entsprechenden Verantwortungsträger zunächst einmal das Verfassungsrecht anerkennen. Als Folge werden sowohl Beamte mit als auch ohne Kinder wieder amtsangemessen alimentiert werden, was sich für beide als sachgerecht herausstellen muss. Was dann der eine oder die andere als gerecht empfindet, ist für ihn oder sie wichtig - aber das ist kein Verfassungsgut (also das Empfinden als solches).
Wenn der Beamte mit zwei Kindern es als ungerecht empfindet, dass er am Ende weniger finanzielle Mittel zur eigenen individuellen Verfügung hat als der Beamte ohne Kinder, sollte er sich das vorher überlegen und eben die entsprechende individuelle Werteentscheidung treffen. Tut er das nicht und hat er dann zwei Kinder und empfindet das, was ich gerade geschrieben habe, als ungerecht, hat er jedes Recht dazu, so zu empfinden - aber das tangiert das Verfassungsrecht nicht, das hinsichtlich des Alimentationsprinzips das Amt als Maßstab setzt und nicht die Familie.
Ich kann - hoffe ich zumindest - Gefühle gut verstehen; aber weil es rechtlich nicht um unsere Gefühle geht, sondern weiterhin um das Verfassungsrecht, also um die jeweiligen Verfassungsgüter und ihre Folgen für uns, poche ich darauf, dass wir hier in erster Linie über das Recht sprechen und es zum Leitmotiv auch unseres politischen Handelns machen. Denn nur so können wir nach meiner Lebenserfahrung hinreichend Einfluss auf politische Verantwortungsträger nehmen. Mit Gefühlen oder Moral kommen wir da nur bedingt weiter - auch deshalb meine wiederkehrende Kritik, wenn es hier m.E. zu gefühlig wird. Denn da bringt uns offensichtlich nix, außer gegenseitigen Streit, weil unsere Gefühlslagen und unser Gerechtigkeitsempfinden je individuelle und damit unterschiedlich sind - und jetzt könnte man fast sagen: "Und das ist auch gut so", aber jener Kandidat der Umgehung einer verfassungskonformen Alimentation hat uns hier gerade noch (nicht) gefehlt...
@ Rheini
Du bringst es mit gesundem Sarkasmus - und ohne meine vielen Worte - auf den Punkt. Denn diese Forderungen sind genauso politische und darüber hinaus auch verfassungsrechtlich legitim, da sie ebenfalls gegen kein Verfassungsgut verstoßen. Beide eure Sichtweisen kann man also haben und nun geht's für die Parteien im politischen Wettbewerb darum, den Wähler davon zu überzeugen, dass ihre Sicht auf die Dinge für ihn - den Wähler - auch die beste ist.