"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt, daß in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können." (BVerfGE 44, 249, LS 3).
Und weiter:
"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt aber, daß jedenfalls in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können. Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (BVerfGE 44, 240, 267 f.)
Das Bundesverfassungsgericht hat seitdem nicht erkennen lassen, dass es von diesem Grundsatz abweichen wollte. Entsprechend habe ich vorhin auf Art. 3 Abs. 1 GG abgestellt.
Zumindest Art. 3 und 6 GG gelten auch für alle anderen Beschäftigten und nicht nur für Beamte.
Bereits an anderer Stelle hat das BVerfG mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Leider hat der Gesetzgeber beim steuerlichen Existenzminimum auch immer auf den Existenzminimumsbericht verwiesen, bei der Grundsicherung allerdings für das soziale Existenzminimum höhere Beträge angesetzt.
Das führt eigentlich unweigerlich zu dem Schluss, dass, auch wenn das nicht Gegenstand der Klage war, nicht nur bei Beamten mit Kindern, sondern bei allen Berufstätigen mit Kindern, der Gesetzgeber Kinder bei der steuerlichen Betrachtung zu wenig berücksichtigt und so bei Familien oft das Existenzminimum besteuert wird, was dazu führt, dass Familien zunehmend verarmen und auf bedarfsorientierte Leistungen angewiesen sind.
Während die Tatsache, Kinder in die Welt zu setzen, Privatsache ist, ist es gesamtgesellschaftlich nicht egal, wie viele Kinder es gibt. Um ein Funktionieren der Gesellschaft dauerhaft zu stabilisieren, und so auch die freiheitlich demokratische Grundordnung zu gewährleisten, bedarf es eigentlich einer Geburtenrate von 2,1. Tatsächlich liegt sie aktuell bei 1,3x mit abnehmender Tendenz. Nach zwei Generationen hat sich dann die bundesdeutsche Bevölkerung in etwa halbiert. Zuwanderung kann das abschwächen, schafft allerdings neue Herausforderungen.
Wenn also Familien sich zunehmend gegen Kinder entscheiden, weil sie andernfalls ihren Lebensstil und Lebensstandard exorbitant zurück schrauben müssten, kann man sich auch die Frage stellen, ob es tatsächlich "goldene" Beamtenkinder braucht.
Bezogen auf die Zahl der Familien in Deutschland betrug der Anteil von kinderreichen Familien vergangenes Jahr 13 Prozent. Aus Kindersicht ist es jedoch deutlich anders. Etwa jedes vierte Kind wächst in einer kinderreichen Familie auf, hat also zwei oder mehr Geschwister. Fast die Hälfte der Kinder hat ein Geschwisterkind und nur etwa 30 % der Kinder haben keine Geschwister.
Erstaunlich ist noch eine andere Zahl: Etwa 30 % der Familien mit 2 Kindern möchten ein drittes Kind haben, aber nur etwa 10 % davon trauen sich auch, diesen Schritt zu gehen. Es sind insbesondere finanzielle Gründe, die unzureichende Berücksichtigung beim Sozialrecht, Benachteiligung bei Wohnraumsuche und die Vereinbarkeit von Mehrkindfamilie und Beruf, weshalb sie auf das 3. Kind verzichten. Dabei profitiert die Gesellschaft fiskalisch von kinderreichen Familien, wenn die Kinder einen höheren Bildungsstand erreichen. Deswegen ist es nicht überrraschend, dass verhältnismäßig viele Kinder in Deutschland in Armut leben und die Eltern sich Urlaub und die anderen Dinge, die das BVerfG angesprochen hat, nicht leisten können.
Daher fordert der Verband kinderreicher Familien unter anderem mehr steuerliche Entlastungen der Kinder. Erhöhung des Kindergeldes für das dritte Kind um 100€ und eine spürbare Erhöhung der Kinderfreibeträge/Kindergeld zusätzlich zum Ehegattensplitting.
Die Möglichkeiten, Familien mit Kindern zu unterstützen, sind auch in der Politik hinlänglich bekannt. Das BVerfG weist auch ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, für alle Familien etwas zu verändern.
Auch wenn es einige Überlegungen dazu gab (Familiensplitting, zeitweise höheres Kindergeld abgestuft nach der Anzahl der Kinder, Kindergrundsicherung) hat sich bisher dazu politisch nichts getan. Daher stelle ich mir unabhängig von unserem verfahren mittlerweile die Frage, ob der Gesetzgeber mit der aktuellen Politik bezogen auf die steuerliche Behandlung von Kindern den Pflichten aus Art. 6 GG in verfassungskonformer Weise ausreichend nachkommt.
Unabhängig von den Stellschrauben, an denen der Gesetzgeber gesamtgesellschaftlich drehen könnte, um auch darüber dem Ziel einer aA näher zu kommen, gibt es im Rahmen seines weiten Ermessensspielraumes dennoch noch ein paar andere Stellschrauben als nur die Erhöhung der Grundbesoldung bei den Beamten.
Beispielhaft sei hier eine Erhöhung der Beihilfesätze oder eine Reform der Erfahrungsstufen genannt. Auch aus dem Grund sind meine Erwartungen lediglich vorsichtig optimistisch.