Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 7027697 times)

Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18060 am: 02.09.2025 09:00 »
Daraus folgt  für das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen mit Blick auf den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, und damit auch für sein Recht, die Struktur der Besoldung, die Art ihrer Zusammensetzung, jederzeit für die Zukunft ändern und auch die Gehaltsbeträge kürzen zu dürfen, solange sich die Kürzung in den von der Alimentationspflicht gezogenen Grenzen hält, solange er also einen sachlichen Grund ins Feld führen kann (BVerfGE 49, 260, 271 f. m.w.N.; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv049260.html), dass es ein solch starres Korsett, das ihr euch wünscht, materiell-rechtlich nicht geben kann.

Dahingegen gibt es ein indizielles Prüfverfahren, das also in der gerichtlichen Kontrolle zur Anwendung gelangt und das hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen besagt, dass ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation dann vorliegt, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen worden sind (vgl. Rn. 45 der aktuellen Entscheidung). Darüber hinaus hat der Besoldungsgesetzgeber hier materiell-rechtlich zu beachten, dass ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände besteht, dass ihm also eine "Salami-Taktik" nicht gestattet ist, dass also Gehaltskürzungen in futuro nur im Rahmen der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung stattfinden dürfen, also eines sachlichen Grundes bedürfen, jedoch bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, weshalb sie nicht infolge von Einzelmaßnahmen – etwa die zeitversetzte und/oder gestufte Inkraftsetzung von Besoldungserhöhungen für Angehörige bestimmter Besoldungsgruppen - nach und nach eingeebnet werden dürfen (BVerfGE 145, 304, 328 f., Rn. 78; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html).

Magst du das mal rechnerisch ausführen, wie man das beispielsweise von A9 zu A10 herleitet?

Das sind die an der von euch betrachteten Stelle vom Besoldungsgesetzgeber zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben, in deren Rahmen der Dienstherrn sich also materiell-rechtlich verpflichtet sieht, Richtern, Staatsanwälten und Beamten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. den LS 1 der aktuellen Entscheidung).
Gibt es dafür eine Definition was ein allgemeiner Lebensstandard und Verantwortung für A5, A10 und A15 ist? Für mich klingt das in etwa so, dass man mit A5 sich einen 3er BMW, mit A10 einen 5er BMW und mit A15 einen 7er BMW leisten kann. Das Beispiel ist natürlich bildlich und inhaltlich gemeint, um es materiell darzustellen.

beamtenjeff

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18061 am: 02.09.2025 09:45 »
Ich weiß nicht inwiefern das hier bereits Thema war, aber falls sich noch jemand fragt, woher die Mittel für eine aA kommen sollen, dem kann ich folgenden Artikel ans Herz legen:

https://www.stern.de/news/wildberger-plant-anti-buerokratie-initiative-mit-millliarden-einsparungen-35988388.html

So wie ich das sehe, bekommen wir vielleicht irgendwann eine mehr oder weniger angemessene Besoldung, allerdings mit dem Preis, dass links und rechts von uns die Stellen weg brechen. Was das für jeden einzelnen von uns bedeuten wird, kann sich jeder selbst ausmalen. Oder sehe nur ich diese Parallelen? Auch das die CDU nicht mehr im großen Stil verbeamten möchte, spricht ja die gleiche Sprache. Wird es am Ende eine +-0-Rechnung die auf unseren Schultern ausgetragen wird?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18062 am: 02.09.2025 10:03 »
@ Good Bye und Unknown

Ich schaffe es zurzeit zeitlich nicht, die Themen hier tiefgehender darzulegen, weiß aber, dass zurzeit eine Studie in Arbeit ist, die nicht zuletzt am Beispiel Thüringens die Problematik der heutigen Alimentation aus verschiedenen Perspektiven beleuchten wird, nämlich neben der historischen und statistischen ebenfalls aus einer systematischen. Entsprechend wird sie das Thema in den systematischen Teilen regelmäßig aus dem statusrechtlichen Amt heraus betrachten, weil nur so geklärt werden kann, was als (amts-)angemessen zu begreifen ist. Mit Blick auf die statistischen Problematiken wird im nächsten Monat ein Beitrag in der ZBR erscheinen, der methodisch den Nachweis führt, dass aus dem Prüfhorizont des bundesverfassungsgerichtlichen "Pflichtenhefts" verschwindende Jahre dennoch weiterhin entscheidungserheblich sein können, was als ein statistisches Problem die Sache insbesondere gerichtlich unter der Prämisse der langen Verfahrensdauer erheblich verändern kann, zumindest der Komplexität des Themas eine weitere grundlegende Facette hinzufügt. Deshalb auch der historische Teil - wenn ich das richtig verstehe - der Studie, der sehr weit in die Vergangenheit zurückgeht, um das Thema weiterhin zu erhellen. Denn das Problem, das wir heute haben, hat auch mit den langen Verfahrensdauern zu tun, kann aber nicht so ohne weiteres darauf beschränkt bleiben, wenn man sich die Besoldungsentwicklung seit der Mitte des 19. Jh.s vor Augen führt, da hier wiederkehrende Kontinuitäten zu beobachten sind, die die Frage nach der Höhe einer heute amtsangemessenen Alimentation noch einmal schattieren dürfte, vermute ich.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18063 am: 02.09.2025 10:10 »

Deshalb hebe ich auch ständig hervor, das Mindestalimentation noch lange nicht aA ist.


Dahingegen gibt es ein indizielles Prüfverfahren, das also in der gerichtlichen Kontrolle zur Anwendung gelangt und das hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen besagt, dass ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation dann vorliegt, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen worden sind (vgl. Rn. 45 der aktuellen Entscheidung). Darüber hinaus hat der Besoldungsgesetzgeber hier materiell-rechtlich zu beachten, dass ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände besteht, dass ihm also eine "Salami-Taktik" nicht gestattet ist, dass also Gehaltskürzungen in futuro nur im Rahmen der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung stattfinden dürfen, also eines sachlichen Grundes bedürfen, jedoch bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, weshalb sie nicht infolge von Einzelmaßnahmen – etwa die zeitversetzte und/oder gestufte Inkraftsetzung von Besoldungserhöhungen für Angehörige bestimmter Besoldungsgruppen - nach und nach eingeebnet werden dürfen (BVerfGE 145, 304, 328 f., Rn. 78; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html).


Swen, du hast doch schon viele Berechnungen durchgeführt und hast vielleicht einen Überblick, ob diese "Salamitaktik" angewendet wird. Von welchem Ausgangsjahr geht man da überhaupt aus, vom Jahr 2000, 1990? Hat der Gesetzgeber schon jemals sachliche Gründe für ein Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen vorgebracht?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18064 am: 02.09.2025 11:35 »
Die Prüfsystematik wird regelmäßig im vierten Parameter des "Pflichtenhefts" indiziell angewandt, da hier beide Abstandsgebote regelmäßig in den Blick genommen werden, lotsch. Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45). Ungeklärt ist dabei weiterhin, inwiefern auch ein Abschmelzen der Abstände zum Grundsicherungsniveau durch die Streichung unterer Besoldungsgruppen und niedriger Erfahrungsstufen ggf. zu einem nicht sachgerechten Abschmelzen von Besoldungsabständen führen kann. Dafür lassen sich gewichtige Gründe ins Feld führen, ob sie aber hinreichend sind, um das wirklich begründen zu können, dürfte sich erst in Zukunft klären lassen.

Den Grundsatz des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 145, 304 als solchen betrachtet (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html). Die dazu bislang präzisierten Ausführungen finden sich dort ab den Rn. 74 ff. Die Entscheidungsbegründung stellt daraufhin ab den Rn. 87 die Verletzung des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen insbesondere im Zusammenhang mit der Verletzung des Gleichheitssatzes fest und führt das ab dort entsprechend aus, um ab den Rn. 105 ff. in die gleichfalls notwendige Konkretisierung zu gehen und ab den Rn. 120 f. eine Art Zusammenfassung zu formulieren.

Insgesamt ist hier wie in allen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seine besondere Methodik zu beachten, die sich daraus ergibt, dass es regelmäßig Recht mit Recht vergleicht, nämlich einfachgesetzliches Recht auf Basis des Verfassungsrechts, auch war die Verfahrensart eine Verfassungsbeschwerde und kein konkretes Normenkontrollverfahren - nichtsdestotrotz lässt sich die Entscheidung verhältnismäßig leicht sachlich nachvollziehen.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18065 am: 02.09.2025 12:48 »
Dahingegen gibt es ein indizielles Prüfverfahren, das [...] hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen besagt, dass ein [...] Indiz für eine unzureichende Alimentation dann vorliegt, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen worden sind [...].
Darüber hinaus hat der Besoldungsgesetzgeber hier materiell-rechtlich zu beachten, dass ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände besteht, dass ihm also eine "Salami-Taktik" nicht gestattet ist, dass also Gehaltskürzungen [...] eines sachlichen Grundes bedürfen, jedoch bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, weshalb sie nicht infolge von Einzelmaßnahmen [...] nach und nach eingeebnet werden dürfen [...].

Vielleicht bekommen wir ja insbesondere zum zweiten Teil demnächst noch etwas mehr "Guidance" seitens des BVerfG.

Allerdings ist ja die fortdauernde schleichende Abschmelzung der Abstände zwischen den Grundbesoldungen in meinen Augen noch nicht mal unbedingt das Hauptproblem. Wenngleich es natürlich schon sehr ärgerlich ist, dass der Faktor zwischen der höchsten und der niedrigsten A-Endstufengrundbesoldung, der im Jahr 1957 noch bei 496% lag, mittlerweile im Bund nur noch 286% beträgt. In Baden-Württemberg sind es übrigens sogar nur noch 231%

Mindestens ebenso gravierend ist natürlich die Tatsache, dass die Besoldungsgesetzgeber als Reaktion auf das 2020er BVerfG-Urteil nicht etwa (wie von Karlsruhe "vorgesehen") alle Grundgehälter unter Beibehaltung der relativen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen adäquat erhöht haben (um auf den Boden der Verfassung zurückzukehren), sondern stattdessen mit ihren absurden, sach- und verfassungswidrigen Zuschlagsorgien für die ersten beiden Kinder begonnen haben.

Insofern kann man wirklich nur laut rufen: Mayday, Karlsruhe, Mayday!!!

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18066 am: 02.09.2025 12:53 »

Insofern kann man wirklich nur laut rufen: Mayday, Karlsruhe, Mayday!!!

"... kein Anschluss unter dieser Nummer..."

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18067 am: 02.09.2025 12:55 »

Die Amtsangemenheit der Alimentation bemisst sich dann daran, ob ein Beamter einen seinem Amt und seiner Bedeutung angemessenen Lebensstil führen kann. Oder platt gesagt und auf die Gefahr hin gesteinigt zu werden:
Ein Volljurist A15 mit Prädikatsexamen und der Verantwortung eines Referatsleiters muss in der Lage sein, den Mitgliedsbeitrag im Tennisverein bezahlen zu können und seinen Kindern Klavierunterricht finanzieren zu können.
Ein Beamter im einfachen Dienst muss in der Lage sein, den Mitgliedsbeitrag im Fußballverein zu bezahlen und seinen Kindern den gemeinsamen Blockflötenunterricht zu finanzieren.

Genau so ist es und da muss man mal der deutschen Neidkultur standhalten.

Ich habe es hier schon mal gesagt: In den 90ern kannte ich einige Beamte der Hamburger Polizei. Einer war Polizeihauptmeister A9, der Andere Polizeioberkommissar A10. Beide gehörten zu denen, die sich für eine Immobilie entschieden haben und bei beiden war es jeweils ein Reihenhaus in normalen Hamburger Gegenden (Langenhorn  und Tonndorf). Es hätte auch ein freistehendes Einzelhaus sein können, aber dafür hätte man in den Speckgürtel gemusst. Beide konnten peu a peu ihre Buden abzahlen. Ironischerweise hat die Frau vom A9er nicht mal gearbeitet (es waren 2 Kinder im Spiel). Beim A10er weiß ich es nicht.
Und es ging trotzdem! Ein Studienrat A13, den ich kannte, konnte sich sogar (ohne zu Erben) eine Doppelhaushälfte in HH-Nienstedten leisten.

Heute könnten die Vorgenannten all das nicht mehr und da stimmt doch einfach was nicht. On top kommt dann noch "naja, uns geht's ja ganz gut, X (X=Hamburg/München/Frankfurt) ist halt teuer."

Nee. Man muss sich die Frage stellen, warum das früher möglich war, aber heute nicht mehr. Mag es daran liegen, dass man mittlerweile spürbar unteralimentiert ist? Ist es das vielleicht?

GoodBye

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« Antwort #18068 am: 02.09.2025 13:23 »
Die Prüfsystematik wird regelmäßig im vierten Parameter des "Pflichtenhefts" indiziell angewandt, da hier beide Abstandsgebote regelmäßig in den Blick genommen werden, lotsch. Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45). Ungeklärt ist dabei weiterhin, inwiefern auch ein Abschmelzen der Abstände zum Grundsicherungsniveau durch die Streichung unterer Besoldungsgruppen und niedriger Erfahrungsstufen ggf. zu einem nicht sachgerechten Abschmelzen von Besoldungsabständen führen kann. Dafür lassen sich gewichtige Gründe ins Feld führen, ob sie aber hinreichend sind, um das wirklich begründen zu können, dürfte sich erst in Zukunft klären lassen.


M.E. lässt sich diese Frage auch bereits heute beantworten. Der Gesetzgeber greift durch Streichung unterer Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen durch alleinige Ausrichtung an der Mindestbesoldung tief in die vorhandene Besoldungssystematik ein, ändert diese aber nicht grundlegend. Dabei verkennt er eben, dass jedes Statusamt nicht nur in Relation zur Mindestbesoldung und den übrigen Statusämtern steht, sondern dass er ggü. den Beamten verpflichtet ist, ihnen

"nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren".

Insoweit trägt auch die Argumentation z.B. des DRB, dass die Rechtsprechung zum Mindestabstand von 115% einen Bezug zwischen einer verbeamteten ungelernten Kraft und dem Bürgergeldempfänger herstellt. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, dass in einigen Bundesländern das Eingangsamt bei einem ursprünglichem Beförderungsamt des ehem. m.D. liegt, einem Amt, das zwingend eine - häufig sogar fachspezifische - Ausbildung voraussetzt.

Damit geht für mich eine unmittelbare Status-Verletzung einher, das was einige als "vollständige Entkoppelung" beschreiben.

Gestalten kann der Gesetzgeber meines Erachtens diesbzüglich nur, wenn er die Besoldungstruktur grundsätzlich reformiert und völlig neu in den Kontext des oben zitierten Leitsatzes setzt.

Dabei stellt sich aber zurecht die Frage, ob es dann überhaupt wie bisher bei den 115% bleiben kann. Aber diese Frage muss der Gesetzgeber beantworten.

cyrix42

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« Antwort #18069 am: 02.09.2025 13:25 »
Nee. Man muss sich die Frage stellen, warum das früher möglich war, aber heute nicht mehr. Mag es daran liegen, dass man mittlerweile spürbar unteralimentiert ist? Ist es das vielleicht?

Nicht notwendigerweise. Möglicherweise sind die Immobilienpreise einfach schneller gestiegen als das gesamte Preisniveau...

emdy

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« Antwort #18070 am: 02.09.2025 14:18 »
Nicht notwendigerweise. Möglicherweise sind die Immobilienpreise einfach schneller gestiegen als das gesamte Preisniveau...

Lebensmittelpreise sind auch überdurchschnittlich gestiegen. Dann verzichten wir auf die doch gleich mit. Ich habe den Eindruck du hast das Konstrukt der amtsangemessenen Alimentation so gar nicht verstanden.

Natürlich sichert uns das Grundgesetz kein Recht auf Erwerb einer Immobilie in Hamburg sowieso zu. Das Recht auf amtsangemessene Alimentation bedeutet eine Bezahlung, die eine Tätigkeit aus wirtschaftlich gesicherter Position ermöglicht und der Verantwortung und Beanspruchung des Amtes gerecht wird. Meines Erachtens (und das spiegelt die Rechtsprechung ja wider) ist der Lebensstandard der Beamten in den letzten dreißig Jahren massiv abgestürzt.

Warum genau soll ich mir auf Grundlage meiner amtsangemessenen Alimentation weniger leisten können als ein Kollege gleicher Besoldungsgruppe, der dreißig Jahre älter ist? Wir haben aber auch diesen Aspekt schon tausend mal durchgekaut...

Ich warte jetzt noch bis Jahresende auf eine neue Entscheidung und wenn dann nichts kommt innere Kündigung...
« Last Edit: 02.09.2025 14:34 von emdy »

SwenTanortsch

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« Antwort #18071 am: 02.09.2025 14:20 »
Dahingegen gibt es ein indizielles Prüfverfahren, das [...] hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen besagt, dass ein [...] Indiz für eine unzureichende Alimentation dann vorliegt, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen worden sind [...].
Darüber hinaus hat der Besoldungsgesetzgeber hier materiell-rechtlich zu beachten, dass ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände besteht, dass ihm also eine "Salami-Taktik" nicht gestattet ist, dass also Gehaltskürzungen [...] eines sachlichen Grundes bedürfen, jedoch bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, weshalb sie nicht infolge von Einzelmaßnahmen [...] nach und nach eingeebnet werden dürfen [...].

Vielleicht bekommen wir ja insbesondere zum zweiten Teil demnächst noch etwas mehr "Guidance" seitens des BVerfG.

Allerdings ist ja die fortdauernde schleichende Abschmelzung der Abstände zwischen den Grundbesoldungen in meinen Augen noch nicht mal unbedingt das Hauptproblem. Wenngleich es natürlich schon sehr ärgerlich ist, dass der Faktor zwischen der höchsten und der niedrigsten A-Endstufengrundbesoldung, der im Jahr 1957 noch bei 496% lag, mittlerweile im Bund nur noch 286% beträgt. In Baden-Württemberg sind es übrigens sogar nur noch 231%.

Mindestens ebenso gravierend ist natürlich die Tatsache, dass die Besoldungsgesetzgeber als Reaktion auf das 2020er BVerfG-Urteil nicht etwa (wie von Karlsruhe "vorgesehen") alle Grundgehälter unter Beibehaltung der relativen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen adäquat erhöht haben (um auf den Boden der Verfassung zurückzukehren), sondern stattdessen mit ihren absurden, sach- und verfassungswidrigen Zuschlagsorgien für die ersten beiden Kinder begonnen haben.

Insofern kann man wirklich nur laut rufen: Mayday, Karlsruhe, Mayday!!!

Es gibt zu dieser Frage jeweils zeitgenössisches statistisches Material, das - später ausgerichtet an dem verheirateten Musterbeamten mit zwei Kindern - bis in das Jahr 1909 zurückreicht (jeweils betrachtet an der Endstufe), über weite Strecken der nachfolgenden Jahren wiederkehrend betrachtet werden kann und in der genannten Studie betrachtet wird, wobei wir davon ausgehen müssen, das auch zu diesem Zeitpunkt 1909 bereits eine signifikante Nivellierung zwischen der dem Beamten in der untersten und obersten Besoldungsklasse gewährten Besoldung stattgefunden hat, was sich für das Reich sachlich bis etwa zur Reichsgründung nachweisen lässt, wenn auch davor bereits ein jedoch wohl nicht mehr mit hinreichendem Zahlenmaterial aufschließbarer Nivellierungsprozess gegeben sein dürfte (und mindestens für Preußen auch nachgewiesen ist). Die historische Entwicklung wird mit mehreren Fragestellungen/Perspektiven in der genannten Studie entwickelt, nämlich eingebunden in die historische Entwicklung des deutschen Ortszuschlagswesens ebenfalls die Entwicklung sozialer Komponenten betrachten, entsprechend den bis heute fortschreitenden Nivellierungsprozess nachzeichnen, ebenso die historisch wiederkehrende Abkopplung der Besoldung bis heute statistisch in den Blick nehmen, und zwar im Rahmen der verschiedenen Kompetenzordnungen, die heute in das ab 2006 reföderalisierte Besoldungsrecht gemündet ist.

@ Good Bye

Die von Dir beschriebenen Probleme sind sachlich gegeben und finden einen weitere Aufschluss in der exemplarischen Betrachtung der seit 2008 in Thüringen vollzogenen Stauchung der Besoldungsordnung A und der damit einhergehenden Schlechterbewertung der weiterhin bestehenden Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen zum Grundsicherungsniveau.

Mir ist insgesamt nicht ganz klar, ob den Besoldungsgesetzgebern ganz klar ist, in was für eine schwierige Situation sie sich in den letzten knapp 20 Jahren nach und nach hineinmanövriert haben, die auch deswegen so schwierig ist, weil die einheitlich geregelte Bundesbesoldung in den 25 Jahren vor den letzten knapp 20 Jahren auch schon nicht immer gänzlich unproblematische Wege gegangen ist. Ich gehe davon aus, dass uns alsbald einige recht schwierige politische Debatten ins Haus stehen werden, die nicht am übernächsten Tag wieder verschwinden werden. In dem Moment, wo mit den angekündigten Entscheidungen der Geist aus der Flasche sein wird, wird nicht zuletzt am Keilriemen Bundeswehrsold - ein eigenes Thema, das aber mit der Beamtenbesoldung zumindest thematisch einige grundlegende Überschneidungen hat und in den nächsten Monaten und ggf. Jahren ein mediales Thema bleiben wird, wenn das Thema Beamtenbesoldung medial als Problem erkannt werden wird - das Problem der Bezahlung von Bundes- und Landesbediensteten und damit auch nicht mehr das der im öffentlichen Dienst Tarifbeschäftigten medial von der Tagesordnung verschwinden, denke ich.

cyrix42

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #18072 am: 02.09.2025 14:56 »
Nicht notwendigerweise. Möglicherweise sind die Immobilienpreise einfach schneller gestiegen als das gesamte Preisniveau...

Lebensmittelpreise sind auch überdurchschnittlich gestiegen. Dann verzichten wir auf die doch gleich mit. Ich habe den Eindruck du hast das Konstrukt der amtsangemessenen Alimentation so gar nicht verstanden.

Den Eindruck magst du haben; aber dann unterliegst du einer Fehlannahme. Ich habe lediglich auf den vom Vorposter gemachten Fehlschluss hingewiesen. Die amtsangemessene Alimentation bestimmt sich -- wie du auch selbst feststellst -- sicherlich nicht danach, inwiefern sich Beamte verschiedener Generationen die gleichen Immobilien leisten können...

Zitat
Warum genau soll ich mir auf Grundlage meiner amtsangemessenen Alimentation weniger leisten können als ein Kollege gleicher Besoldungsgruppe, der dreißig Jahre älter ist? Wir haben aber auch diesen Aspekt schon tausend mal durchgekaut...

Und es wurde offensichtlich weiterhin nicht verstanden. Der Vergleichsmaßstab, den das BVerfG formuliert, ist nicht der Lebensstandard der Beamten von vor 30 Jahren.

Pendler1

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« Antwort #18073 am: 02.09.2025 14:57 »
Da die Politik das gesamte Besoldungsthema so total in die Grütze geritten hat - ich denke mal, die meisten Politiker überblicken die Thematik auch nicht mehr - heißt das für uns: Warten, warten, warten, bis außer ein paar Brosamen endlich mal was vernünftiges kommt.

Und nicht vergessen, der Bund hat ja zusätzlich noch ein paar "kleine Problemchen": Rente, GKV, Pflege, Verschuldung, kein Wirtschaftswachstum mehr, Betriebe lagern immer häufiger aus Deutschland aus ... und jetzt kommt noch Frankreich. Denen geht auch das Geld aus.

Rheini

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« Antwort #18074 am: 02.09.2025 15:00 »
In Deutschland werden im nächsten Jahr mehr Karotten angebaut, damit man die weiterhin den Beamten vor die Nase halten kann ....