@ Bernd
Ich finde, das kann man so sehen und sollten die, die es nicht so sehen sollten, sachlich zu entkräften versuchen.
An zwei Stellen würde ich Deine Ansichten allerdings differenzieren, wobei sich diese beiden Punkte m.E. ergänzen und nicht voneinander getrennt zu betrachten sind. Politisch ging es der Union und von nicht geringen Teilen der FDP in den 2010er Jahren sicherlich auch darum - darum geht es allen Parteien regelmäßig gegenüber den politische Mitbewerbern -, das Wählerpotenzial der anderen nicht zu mobilisieren (das war ja unter der früheren Bundeskanzlerin eine Hauptwahlkampfstrategie, also die Sedierung des Wählerpotenzials der Mitbewerber). Zugleich hat aber insbesondere die Union durchaus auch das Potenzial an günstigen Arbeitskräften nicht zuletzt im Niedriglohnbereich gesehen und auch deshalb Asylmigration als eine wiederkehrend auch verkappte Arbeitsmigration erheblich stärker befürwortet als regelmäßig zuvor in ihrer vorvergangenen Vergangenheit. Dabei erinnere ich mich - ohne dass ich diese Beiträge auf die Schnelle finde - durchaus an Darlegungen des früheren Bundespräsidenten und der früheren Bundeskanzlerin, dass man durch Einwanderung Konkurrenz in unteren Lohnsegmenten schaffen würde, die die Leistungsbereitschaft der Arbeitskräfte in unteren Lohnsegmenten erhöhen sollte.
Damit verbunden ist nun also der zweite Punkt, nämlich dass es neben einer nicht zu leugnenden Problematik an verkappter Asyl- und nicht verkappter, aber eben nicht gelungener Arbeitsmigration und einer nicht minder verkappten Sozialmigration, die alle drei gesellschaftliche Kosten verursachen, ebenfalls nicht geringe Beispiele an gelungener Asyl- und Arbeitsmigration gibt, die also nicht mit Wohlstandsverlusten für den Rest der Bevölkerung einhergehen, sondern ohne die die Wohlstandsverluste der letzten Jahre - unter der Prämisse, die Bereiche der nicht gelungenen Migration und Integration wären dann genauso verlaufen, wie sie verlaufen sind - nur umso größer sein würden. Das betrifft dabei nicht nur Migranten, die heute in unteren Lohnsegmenten arbeiten, sondern gleichfalls eine nicht geringe Zahl von Migranten, die mit hoher Qualifikation nach Deutschland gekommen sind und weiterhin kommen, um hier die Abschlüsse nachzuholen oder erst zu erwerben, die sie für entsprechende Berufstätigkeit benötigen.
Diese komplexe Gemengelage ist gesellschaftlich vorhanden, so wie ebenfalls m.E. zwei weitere Momente offensichtlich sind, nämlich erstens dass wir unseren Wohlstand in Anbetracht der Größe unserer Generation und der deutlich geringeren Größe der nachwachsenden Generation nur erhalten können, wenn unserem Land auch eine kluge Einwanderungspolitik gelingt, und zweitens, dass es heute weder eine politische Partei noch überhaupt jemanden in der Bundesrepublik gibt - ich kenne jedenfalls niemanden -, der eine hinreichende und konsensfähige Lösung hätte, wie diese kluge Einwanderungspolitik aussehen sollte.
Ergo: Die zunehmenden Verfahrensdauern nicht zuletzt der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben auch und gerade die Ursachen, die Du benennst, aber - denn nicht nur die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat die Probleme zunehmend länger werdender Verfahrensdauern - um von meinem Off topic-Beitrag wieder zu unserem Thema zurückzukommen, nicht minder problematisch ist gerade in der Justiz der große Mangel qualifizierten Nachwuchses, was weniger an dessen Qualifikation als vielmehr regelmäßig auch und gerade an der nicht mehr konkurrenzfähigen Alimentation im öffentlichen Dienst liegt, die also für eine hinreichende Zahl qualifizierten Nachwuchses nicht attraktiv genug ist. Würde in der Bundesrepublik erheblich stärker oder gar amtsangemessen alimentiert werden, würde auch das zu deutlich höheren Haushaltsaufwendungen führen. Hier wäre allerdings meine These, dass ein funktionierender öffentlicher Dienst eher nicht zu Wohlstandsverlusten führt (Achtung Ironie, die sich allerdings nicht gegen Dich richtet, sondern als Adressaten das populistische Gerede der Linnemänner, Basianer und anderer Türmer in den Blick nimmt, von denen man annehmen könnte, dass sie, wenn sie schon in diesem einfachen Thema soviel nachweislichen Stuß reden, auch in anderen Politikbereichen nicht gerade mit den Segnungen allergrößter Kenntnisse geschlagen sein sollten).