"Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird." (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html; Hervorhebungen durch ST.)
Denn damit folgt der Senat letztlich der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, sodass zu vermuten sein wird, dass er sich nicht veranlasst sehen dürfte, davon abzuweichen. Das Bundesverwaltungsgericht hat so 2019 klargestellt:
"Für die Geltendmachung des Anspruchs [auf amtsangemessene Alimentation; ST.] genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht mehr zufrieden zu geben. So hätte es im vorliegenden Fall ausgereicht, wenn der Kläger - so wie später im gerichtlichen Verfahren - im Jahr 2004 erklärt hätte, dass er für den Fall einer zulässigen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung jedenfalls die danach verbleibende Gesamthöhe seiner Versorgungsbezüge für zu niedrig halte, weil sie ihm und seiner Familie keinen angemessenen Lebensstandard mehr ermögliche und sie sich in ihrer Lebensführung einschränken müssten. Ein solches Vorbringen wäre ihm auch als juristischen Laien möglich gewesen. Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich." (Urteil vom 21.02.2019 - BVerwG 2 C 50.16 -, https://www.bverwg.de/de/210219U2C50.16.0, Rn. 27)
Denn damit macht das Bundesverwaltungsgericht deutlich, dass ein (ggf. jährlich zu wiederholender) Widerspruch gegen die Höhe der gewährten Besoldung und Alimentation keine erhöhten Rechtskenntnisse voraussetzte, um so dem Beamte zumutbar zu sein.
So verstanden wäre es erstaunlich, wenn nun der Zweite Senat, nachdem er 2020 seine Sicht auf die Dinge mit der oben zitierten Rechtsprechung präzisiert hat, davon abrücken wollte und also bspw. einen Widerspruch als nicht mehr notwendig erachtete.
Wäre nicht auch denkbar, dass das BVerwG seine Rechtsprechung hier ändert? Dazu dürfte es doch möglicherweise im Rahmen der (nach meiner Erinnerung) HH Verfahren, die vor dem OVG liegen, Gelegenheit bekommen.
Vor dem Hintergrund eines im Raume stehenden Vorschlags für Musterverfahren (der m.W. nicht weiter aufgegriffen bzw. diskutiert wurde) und der zunehmenden Komplexität der Prüfpunkte könnte man doch zu dem Punkt gelangen, dass nicht jeder Beamte dieses Pflichtenheft nachhält und ggf. einzeln mit Widerspruch tätig werden. Das Argument, dass der "Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird" kann doch nicht unumstößlich sein. Der DH sollte über ein fundiertes Personalwirtschaftssystem verfügen, aus dem klar ablesbar sein sollte, was im Falle einer nicht AA an Haushaltsmitteln bereitzustellen ist. Eine mangelnde Organisation kann hier doch nicht das Problem des Einzelnen Beamten sein.
Spricht juristisch etwas dagegen, dass das BVerwG hier seine bisherige Auffassung ändert?
Das ist eine der insgesamt schwierigen Fragen, BuBea, die ggf. vom Bundesverfassungsgericht betrachtet werden werden. Wie gesagt, ich denke, wir sollten jetzt erst einmal abwarten, was Karlsruhe nun tatsächlich formulieren wird. Wir warten nun seit mehr als fünf Jahren auf eine weitere Entscheidung, sodass die nun offensichtlich vergleichsweise geringe Zeit bis zur Veröffentlichung der Pilotentscheidung abgewartet werden sollte, denke ich.
Denn während zu den von mir gestern gestellten Fragen begründete Vermutungen erstellt werden können, die als solche nicht im Indikativ erfolgen können, liegt hingegen für diese Frage m.E. keine Entäußerung aus Karlsruhe oder Leipzig vor, die es erlaubte, zu einer begründeten Vermutung zu gelangen, sodass eine Antwort auf diese Frage m.E. reine Spekulation wäre. Ich bilde dahingegen hier regelmäßig begründete Vermutungen, da man die Begründung und auf dieser Basis die Vermutung prüfen kann, wenn man das möchte. Sobald man das tut, kommt man ggf. zu einer Gegenthese, die sich also gleichfalls begründen lässt. Ich gehe aus meiner Lebenserfahrung davon aus, dass man sich so einem Sachverhalt nähern kann, ohne dass einem das zwar Gewissheit verschaffte, dass er am Ende auch so sei, dass aber dieses Herangehen in einer höheren Zahl an Fällen der Wahrheit näher kommt als eine reine Spekulation.
Darüber hinaus gilt bis auf Weiteres das, was ich heute morgen zitiert habe. Denn insbesondere das Bundesverwaltungsgericht hat in den letzten Jahren klargestellt, welche Bedeutung für ihn ein statthafter Rechtsbehelf hat. Zugleich hat es aber ebenfalls erkennen lassen, dass es ggf. nicht mehr davon ausgehe, dass noch in jedem Fall die Alimentation regelmäßig so bemessen sei, dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach wie vor davon auszugehen sei, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen würden, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden könne.
Ergo: Schauen wir also nun mal, wie's alsbald weitergeht.