Hey WasDennNun, ich habe hinten ein PS. geschrieben, indem ich versuche, darzulegen, weshalb wir offensichtlich beständig aneinander vorbei reden. Lies das mal als erstes und danach erst die weiteren Zeilen ab hier oben.
„Wenn die Steigerung der Nettoalimentation (aufgrund von FamZuschlag, Steuerfreibetrag, Kindergeld,..) für Kind X
kleiner
als die Steigerung des Grundsicherungsniveau für das Kind X ist,
dann folgt zwangsweise daraus, dass ab Kind X+n man unter dem Mindestabstand fällt.“
1) Was verstehst Du unter dem „Mindestabstand“? - definiere das noch einmal, damit mir klar ist, wovon genau Du sprichst. Ich schätze, Du meinst den Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau, oder?
„Ich weiß, das eine entsprechende Erhöhung der Grundbesoldung ohne Änderung der Familienzuschläge nicht verfassungskonform sein kann!“
2) Und hier beschreibe jetzt mal den juristischen Weg: Wie muss der Besoldungsgesetzgeber vorgehen, um die Grundgehaltssätze in R1 bis R3 verfassungskonform zu bestimmen?
„Du glaubst also das alleinig eine entsprechende Erhöhung der Grundbesoldung verfassungskonform ist?“
Nein, ich glaube und habe das mehrmals dargelegt, dass die Grundgehaltssätze werden deutlich steigen müssen und dass zugleich unter Beachtung der Wirkung der sozialrechtlichen Bestimmung des Grundsicherungsniveaus eine dann also zweckgebundene Erhöhung der Familienzuschläge erfolgen muss: Diese Erhöhung wird allerdings deutlich geringer ausfallen müssen als die Anhebung der Grundgehaltssätze.
„Oder anders gefragt: Warum darf denn dann plötzlich ein Beamter mit mehr als 4 Kindern unterhalb des Grundsicherungsniveaus fallen?“
Erstens passiert das nicht, weil dafür die deutliche Anhebung der Grundgehaltssätze sowie damit verbunden die maßvolle Erhöhung der Familienzuschläge sorgen werden. Am Wochenende rechne ich das noch einmal vor. Zweitens kann – da es nur einen Ausgangspunkt gibt: nämlich wie vielfach dargelegt die eine Mindestalimentation – eine solche Berechnung anhand von vier Kindern vorgenommen werden; sie hat aber juristisch keine Bedeutung. Sie kann zu ökonomischen Erwägungen herangezogen werden, aber zu mehr eben auch nicht. Juristisch folgt nichts aus ihr.
Ich habe geschrieben: „Nimm's mir nicht übel: Das Gericht verlangt im Beschluss eine Heilung der Grundgehaltssätze, die verfassungswidrig sind.“
Du schreibst: „Ja, aber nur für R1-3 nicht für A,B!“
Und das ist eben sachlich falsch. Die verschiedenen Besoldungsordnungen A, B und R (anders als die Besoldungsordnung W, die ein anderes Leistungsprinzip verfolgt) sind über das Abstandsgebot miteinander verbunden. Der systeminterne Besoldungsvergleich (der vierte Parameter der ersten Prüfungsstufe) gebietet, dass die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen in den zurückliegenden fünf Jahren nicht um mehr als 10 % abgeschmolzen werden dürfen. (Rn. 45).
Die Systematik, dass der vierte Parameter – der systeminterne Besoldungsvergleich – anhand der Grundgehaltssätze der sich in der Endstufe der jeweils zu vergleichenden Besoldungsgruppe befindlichen Beamten zu geschehen hat, hat das Bundesverfassungsgericht u.a. in seinem Beschluss vom 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 – Rn. 151 festgelegt und angewandt.
Das Bundesverfassungsgericht verweist in diesem Zusammenhang nun, da das Abstandsgebot vom Land Berlin nicht verletzt worden ist, auf die Berechnungen der Berufungsinstanz (Rn. 140).
Jene war wie jedes Gericht vorgegangen, wenn es die Amtsangmessenheit der R-Besoldung prüft, nämlich hat mindestens einen entsprechenden Vergleich zwischen der R- und A-Besoldung vorgenommen, und zwar so, wie es geboten ist: anhand der Endstufe der Grundgehaltssätze. In diesem Sinne hat das OVG Berlin Brandenburg als Ergebnis seines Vergleichs festgehalten: „Einem systeminternen Besoldungsvergleich lässt sich ein Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und ordnungen, das eine unangemessene Alimentation der Richter der Besoldungsgruppen R 2 und R 3 indizieren könnte, nicht entnehmen. [Absatz] Der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 2 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 4 (jeweils Endstufe) in den Jahren 2004 und 2015 beträgt ca. 66 v. H. und zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 2 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 13 (jeweils Endstufe) etwas über 28 v.H.“ (Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 12.10.2016 – OVG 4 B 2.13 – Rn. 103 f.).
Wenn Du nun also die Grundgehaltssätze der R-Besoldung anheben willst, dann musst Du zwangsläufig auch die der A-Besoldung anheben – ansonsten kommt es zu dem genannten Abschmelzen der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen, was nicht statthaft ist, weil es gegen das Leistungsprinzip verstößt.
Wenn Du also schreibst: „Den letzten Satz dichtest du dir dazu! Da liegt dein Gedankenfehler und deine falsche Schlussfolgerung“, um mich dann wie folgt zu zitieren: „Diese [die Mindestalimentation] muss - als Ausgangspunkt der Besoldungssystematik - deutlich erhöht werden: Und das geht insbesondere nur, indem man den Beschluss des Verfassungsgerichts umsetzt und also die verfassungswidrigen Grundgehaltssätze heilt“ und dann schlussfolgerst: „Nur die [Alimentation] für R1-3 [müsse durch Erhöhung der Grundgehaltssätze geheilt werden] und auch nur weil diese von der wirtschaftlichen Situation abgekoppelt sind, und nicht weil sie das Mindestabstandgebot verletzen“, dann ist das sachlogisch nicht möglich – eben weil die Erhöhung ganz egal welchen Grundgehaltssatzes innerhalb der Besoldungsordnungen A, B oder R über ihre gegenseitigen Verbindungen die Erhöhung aller anderen Grundgehaltssätze fordert.
Es wäre darüber hinaus auch sehr verwunderlich, wenn das Bundesverfassungsgericht z.B. festhält: „Für das Jahr 2015 lässt sich für alle Besoldungsgruppen neben der eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots eine besonders deutliche Abkopplung der Besoldung von der Tariflohnentwicklung von über 9 % feststellen“ (Rn. 163), diese Abkopplung von der Tariflohnentwicklung sich aber nur auf die R-Besoldung beziehen würde, obgleich deren Entwicklung parallel zur A- und B-Besoldung verläuft – so wie die „eklatante Verletzung des Mindestabstandsgebots“ (also die Unterschreitung der Nettoalimentation eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsgruppe A befindet) eben noch einmal zeigt, dass die Besoldung nicht nur ganz oben (also in den Höhen der R-Besoldung), sondern auch ganz unten (am Ausgangspunkt der A-Besoldung) als Folge der besonders deutlichen Abkopplung der gesamten Besoldungs- von der Tariflohnentwicklung verfassungswidrig ist.
Insofern habe ich eine dritte Frage an Dich: Ist es klar, dass es nicht möglich ist, nur die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R anzuheben, sondern das deren Anhebung eine Anhebung aller Grundgehaltssätze beinhaltet?
Und schließlich – das immer wiederkehrende Dauerthema (zu dem ich im PS. schon einiges geschrieben habe). Du schreibst: „Das was ich bestreite ist, dass das Mindestabstandsgebot in der von dir bezifferten Höhe wegen der Grundbesoldung verletzt wird, dass ist nämlich nirgends vom Gericht behauptet worden (und mEn auch Humbug, erkennbar daran, dass das Mindestabstandsgebot bei Singles nicht verletzt wird, aber das blendest du warum auch immer aus).“
Denn ich blende das nicht aus – sondern es gibt einfach kein juristisch definiertes Mindestabstandsgebot für unverheiratete Beamte. Es gibt nur ein einziges juristisches Mindestabstandsgebot – und das ist das zwischen einer vierköpfigen Beamtenfamilie mit einem Ernährer, der als Alleinverdiener zwei Kinder hat und sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, und einer vierköpfigen Familie ohne Ernährer, die also auf die sozialrechtliche Grundsicherung angewiesen ist. Ökonomisch kann man entsprechende Berechnungen zwischen einem einzelnen Grundsicherungsempfänger und einem einzelnen Beamten tätigen. Aber juristisch hat das keine Bedeutung, da das Bundesverfassungsgericht nur einen und keinen anderen juristischen Ausgangspunkt kennt, nämlich die Mindestalimentation, deren Definition eben der verheiratete Beamte mit zwei Kinder ist, der...
Und schließlich: „Zu guter letzt scheinst du lieber Swen ja mehr zu wissen als die lieben Herren Richter: ‚Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen.‘ und danach wird ja nur gesagt, wahrscheinlicher, eher mit zu rechnen, ... aber irgendwie machst du da ein muss erhöht werden draus.“
Das Zitat des Bundesverfassungericht geht aber noch etwas weiter, lieber WasDennNun, und lautet insgesamt (wie schon mehrfach zitiert und interpretiert):
„Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können.“ (Rn. 49)
Das „Muss“ ergibt sich aus der Tatsache, dass heute offensichtlich nicht einmal die Berliner Besoldungsgruppe A 11 das Mindestalimentationsniveau erreicht (wie am 19.08. im Beitrag von 14:37 h gezeigt), dass also die Nettoalimentation der Besoldungsgruppe A 4, A 5, A 6, A 7, A 8, A 9, A 10 und A 11 zu gering bemessen ist. Wenn also acht von 13 A-Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, muss man kein Hellseher sein, um von einem „Muss“ auszugehen, denke ich: „Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können.
Und schließlich: „mögliche neue Systematik:
Ausgangspunkt: Besoldung Single A4S1 in der höhe, dass die Nettoalimenation weit genug weg vom Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau ist.
Familienzuschläge: So ausgestaltet, dass die Nettoalimenation mehr oder weniger gleichweit vom Mindestabstand entfernt bleibt und nie darunter fallen kann (egal wieviele Kinder)
Daraus folgt natürlich, dass die Grundbesoldung vom A4S1 (oder den dann ärmsten Beamten) wesentlich weiter als jetzt vom Grundsicherungsniveau bleiben muss, da ansonsten durch äußere Einflüsse, die die Nettoalimenation berühren, das Gesetz verfassungswidrig machen könnten.
Und das die Familiezuschläge entsprechend der Grundsicherung ständig überprüft werden müssen.“
Es stellt sich mir also die vierte Frage (sie schließt an die zweite an): An welchen juristischen Kriterien willst Du festmachen, dass mit Blick auf einen unverheirateten Beamten ohne Kinder, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, „die Nettoalimenation weit genug weg vom Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau ist“? Wie willst Du jenes Maß bestimmen, das es Dir ermöglicht, eine noch amtsangemessene von einer verfassungswidrig zu niedrigen Alimentation zu unterscheiden? Das geht, wenn es nur die eine juristische Mindestalimentation gibt, allein aus ihr heraus.
Und PS: Noch ein paar Worte zur Mindestalimentation, weil ich – je länger wir beide mit einander diskutieren – womöglich langsam verstehe, weshalb ich Dir auf der einen Seite nicht verständlich machen kann, dass es nur die eine einzige und keine andere gibt, und wieso Du mir auf der anderen wiederkehrend erklären willst, dass es doch mehr als die eine gibt.
Mathematisch – und so wirst Du, denke ich, an die Sache herangehen – ist es völlig richtig, man könnte theoretisch (und auch praktisch) jeden der beiden Familienstände (ledig oder verheiratet) permutieren mit der unterschiedlichen Anzahl an Kindern sowie mit den verschiedenen A-Besoldungsgruppen ab A 4 (in Berlin) aufwärts. Man würde dann jeweils verschiedene „Mindestalimentationen“ bilden, was Dir als Informatiker und also mathematisch klar denkender Mensch gefallen würde – schätze ich.
Das Verfassungsgericht geht aber aus pragmatischen Gründen einen (wenn ich das richtig sehe, ich bin ja kein Jurist) rechtsrealistischen Weg und definiert ausschließlich eine Mindestalimentation – eben anhand des verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet.
Für Dich als mathematisch denkenden Menschen dürfte das ein Graus sein. Denn hier wird ein Punkt aus der Wirklichkeit verabsolutiert – und alle anderen bleiben per definitionem außen vor. Für Dich – schätze ich – ist das eine massive Verkürzung der Realität. Und weil Du das so empfindest – und weil es letztlich rein logisch oder mathematisch auch so ist –, willst Du immer wieder andere als die eine einzige Mindestalimentation berechnen und versuchst, mich zu überzeugen, dass ich doch einsehen müsste, dass z.B. ein Single nicht die Mindestalimentation unterschreiten würde. Zugleich – schätze ich – denkst Du, dass ich Dir dieses auf den ersten Blick recht verkürzende Konstrukt der juristisch einen einzigen Mindestalimentation immer wieder unter die Nase wedle, um einfach Recht zu behalten (oder weil ich eben Deine Intention nicht verstände und sie vielleicht auch einfach nur abbügeln wollte, um „Recht“ zu behalten).
Das Problem ist aber ein anderes – und das hat (denke ich) mit der rechtsrealistischen Fundierung, aus der heraus das Verfassungsgericht handelt, zu tun:
Rechtsrealismus meint (sicherlich von einem Nicht-Juristen verkürzt ausgedrückt), dass nicht allein formale Prinzipien und Normen das Handeln des Verfassungsgericht bestimmen. Diese haben ihre positivistische Berechtigung – reichen aber nicht aus: Das Gericht orientiert sich an den gesellschaftlichen und soziologischen Bedingungen – und begibt sich damit zugleich juristisch auf dünnes Eis. Denn die gesellschaftliche Wirklichkeit ist sehr viel komplexer, als dass das juristische Normen jemals abbilden könnten, und gewachsen widersprüchlicher, als dass ein Gericht, das unsere Verfassung als höchste Instanz auszulegen hat und damit Recht schafft, ihrer „gerecht“ werden könnte. Es muss also spätestens, wenn es die Welt über die Mathematik in seine Normen mit einfügt, mit Verkürzungen arbeitet – in diesem Fall mit der Verkürzung der Mindestalimentation auf nur einen einzigen Punkt im Raum.
Das Verfassungsgericht setzt mit der Verkürzung auf diesen einen Beamten in seiner speziellen Situation (verheiratet, zwei Kinder, Eingangsstufe, unterste Besoldungsgruppe, Alleinverdiener) eine Norm. Von dieser ausgehend muss das gesamte Besoldungsgefüge entwickelt werden – und eine andere Norm, also ein zweite oder gar dritte, darf es nicht geben. Wieso nicht?
Für Dich, der Du als Mathematiker die Wirklichkeit abbilden oder verständlich machen willst, wird jene Wirklichkeit immer klarer, denke ich, je mehr Punkte im Raum Du bestimmen kannst.
Da sich aber das Verfassungsgericht nun rechtsrealistisch auf eine mathematische Fundierung der Rechtsprechung eingelassen hat, darf es keinen zweiten Punkt – eine weitere „Mindestalimentation“ z.B. anhand von ledigen Beamten – zulassen.
Denn die Folge wäre, dass nun diese beiden „Mindestalimentationen“ jeweils erfüllt sein müssten, um eine Alimentation nicht verfassungswidrig zu machen. Das aber gibt zum einen das Grundgesetz nicht her (wieso sollten es, wenn es zwei „Mindestalimentationen“ gibt, nicht noch mehr geben als zwei? Und welche neben der einen Mindestalimentation wäre das weitere Maß an vielfach permutierbaren Bedingungen?); zum anderen bestände die Gefahr, dass am Ende in der komplexen Welt beide „Mindestalimentationen“ gemeinsam – unter Beachtungen der weiteren Normen, die das Verfassungsgericht setzt – nicht erfüllbar wären. Die Folge wäre, dass dann alle Alimentationen verfassungswidrig wären: Und nun könnte kein Recht mehr gesprochen werden.
Also setzt das Verfassungsgericht nun mit der einen einzigen Mindestalimentation eine Norm, die am Ende nicht durch sich selbst heraus überprüfbar ist, die also nur eine Setzung ist und bleibt. Überprüfbar ist sie deshalb nicht – das brauche ich Dir als Mathematiker nicht zu sagen –: weil sie keinen weiteren Vergleichswert zulässt, aus dem heraus ihre Position bestimmt werden könnte.
Insofern nimmt das Gericht rechtsrealistisch die Wirklichkeit mit ins Boot; das ist durchaus ein SEHR großer Verdienst (bis 2015 war das weitgehend nicht der Fall) – und bleibt doch in der eigenen Welt, setzt nämlich ausschließlich eine einzige Norm, die also richtig oder falsch, erfüllt oder nicht erfüllt sein kann, die aber beides nicht gleichzeitig sein kann (anders als zwei Normen, die Schnittmengen bilden könnten, womit die Norm nicht mehr eindeutig wäre).
Insofern gebe ich Dir völlig Recht – und ich schätze, die Verfassungsrichter würden das auch tun und ihr eigenes System noch einmal unendlich viel tiefer durchdringen und darlegen können als ich –: Dieser eine Punkt ist eine Setzung und damit willkürlich (allerdings eine kluge Setzung, weil sie tatsächlich recht weit unten ansetzt – Eingangsamt, unterste Besoldungsgruppe – und zugleich an vergangener Rechtsprechung anknüpft, diese also fortführen und sich damit auf ein Fundament setzen kann – die vierköpfige Familie, die in der Vergangenheit als „Normfamilie“ das Recht „gesetzt“ hat). Und zugleich ist er – dieser eine Punkt im Raum, diese eine Mindestalimentation – ein riesiger Fortschritt gegenüber der Rechtsauslegung vor 2015, die nämlich weitgehend keine mathematischen oder fast schon soziologischen Begründungsansätze kannte.
Bis 2015 war das Alimentationsrecht ein „zahnloser Tiger“ (so hat es Andreas Voßkuhle 2008 genannt), weil es rein normativ und damit weitgehend wirklichkeitsfern war – und aus den tradierten Normen heraus wurden regelmäßig praktisch alle Anfechtungen gegen die jeweilige Alimentation zurückgewiesen, was den Besoldungsgesetzgebern ein sehr weites Feld gelassen hat, das Recht im eigenen Sinne auszulegen (die massiven Unteralimentationen im Bund und in allen Ländern dürften eine zentrale Folge dessen sein: Die Besoldungsgesetzgeber sind in den letzten fünf Jahren noch nicht ganz in der neuen Rechtswirklichkeit angekommen und verhalten sich noch immer so, als wären sie im Jahr 2014).
Ergo: Ich will Dich nicht behumpsen oder ärgern oder einfach nur „Recht“ behalten – ich folge der juristisch recht willkürlichen Norm, eben weil das Verfassungsgericht sie gesetzt hat und weil sie als gesetzte Norm zu beachten ist. Deshalb leite ich immer wieder aus ihr meine Argumentation ab: Denn für das Verfassungsgericht ist sie der eine und einzige Ausgangspunkt, von dem aus die Besoldungssystematik aufzubauen ist. Und weil es diese eine Norm setzt und also zum Ausgangspunkt macht, folge ich dem Verfassungsgericht (eine andere Möglichkeit habe ich nicht) und schaue dann, was die Folgen daraus sind.
Ich weiß nicht, ob ich das nun habe verständlich machen können – aber so in etwa (aus der Warte eines Nicht-Juristen) ist, denke ich, die Lage. Aus dieser Sicht heraus gehe ich nun oben wieder kritisch mit Deinen Darlegungen „ins Gericht“ - vielleicht wird aber jetzt – das hoffe ich – verständlicher, wieso ich das tue.