Der Füßer/Nowak-Artikel ist einerseits argumentativ in sich schlüssig, weist aber andererseits verschiedene innere Problematiken aus:
a) Er zeigt zunächst berechtigt auf, dass das Bundesverfassungsgericht mit Blick auch auf das Alimentationsprinzip in ständiger Rechtsprechung die sog. hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums betrachtet. Sie sind als solche nur dann gegeben, wenn mindestens eine durchgehende Traditionslinie bis zurück in die Weimarer Republik vorhanden ist. Das BVerfG formuliert in ständiger Rechtsprechung wie folgt: „Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, insbesondere unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind“ (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12 –, Rn. 118).
Füßer/Novak (s. 9 f.) sehen nun für die Familienalimentation eine bis in die Weimarer Republik zurückreichende Traditionslinie als nicht gegeben an, indem sie ausschließlich den Beginn der Weimarer Zeit betrachten, nämlich das Reichsbesoldungsgesetz von 1920 sowie die Feststellung des Reichshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1922. Sie unterschlagen dabei aber, dass jene spätestens dort einsetzende Traditionslinie mit dem Reichsbesoldungsgesetz des Jahres 1927 – jenes kommt bei ihnen nicht vor – fortgesetzt wird (vgl. Andreas Becker/Alexia Tepke: Ausgestaltung des besoldungsrechtlichen Familienzuschlags im Bund und in den Ländern, in: ZBR 2016, S. 27). Diese Fortsetzung der Traditionslinie ist für das BVerfG offensichtlich spätestens seit seiner ab 1977 erfolgten Rechtsprechung ausreichend, um mit Blick auf die Alimentation von Richtern, Beamten und Soldaten die Amtsangemessenheit der Besoldung als verletzt anzusehen, sofern folgender Grundsatz nicht eingehalten wird: „Die Grenzen der dem Gesetzgeber dadurch aufgetragenen Gestaltung sind daher ebenso wie im Falle einer Mißachtung der Bindung des Gesetzgebers durch den hergebrachten und zu beachtenden beamtenrechtlichen Grundsatz der Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts überschritten, wenn die Geldbezüge der Soldaten mit Kindern diesen Soldaten nicht mehr ein auch nur annähernd gleiches Lebensniveau wie ihren nicht durch den Unterhaltsaufwand für Kinder belasteten Kameraden vergleichbarer Dienstgrade gewährleisten.“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 30. März 1977 – 2 BvR 1039/75 – Rn. 86; vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 – erster Leitsatz und von hier in ständiger Rechtsprechung bis heute)
Wenn Füßer/Novak an gleicher Stelle darüber hinaus eine Traditionslinie hinter die Weimarer Republik zurück zu fordern scheinen, um erst dadurch einen hergebrachten Grundsatz als solche entstehen zu lassen, ist das für sich genommen kaum maßgeblich, weil das BVerfG es als zur Traditionsbildung ausreichend ansieht, wenn ein Strukturprinzip seit mindestens in die Weimarer Zeit zurück kontinuierlich gebildet worden ist. Hier betreiben beide also eher Spiegelfechterei; denn jene Sichtweise des BVerfG bindet es auch und gerade an das Rechtsstaatsprinzip und die Demokratie als Staatsform. Was hier mit ihrer Argumentation bezweckt werden soll, die sicherlich kaum zu einer Veränderung der grundlegenden Sichtweise des BVerfG führe dürfte (schon allein, weil beide Autoren gar nicht erst eine systematische Begründung versuchen), bleibt offensichtlich eher unklar.
b) Im Anschluss beschäftigen sich Füßer/Novak argumentativ schlüssig mit der Frage (S. 11-15), ob die Beamtenbesoldung „auch wesentlich Familienbesoldung“ sein könne und müsse. Diese Frage ist verfassungsrechtlich ebenfalls zentral, weil das BVerfG mit Blick auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in ständiger Rechtsprechung hervorhebt: Es „verbleibt dem Gesetzgeber auch bei hergebrachten Grundsätzen ein Gestaltungsspielraum, um die Beamtengesetzgebung den Erfordernissen des freiheitlichen demokratischen Staates sowie seiner fortschreitenden Entwicklung anpassen zu können. Solange keine strukturelle Veränderung an den für die Institution des Berufsbeamtentums wesentlichen Regelungen vorgenommen wird, steht Art. 33 Abs. 5 GG einer Fortentwicklung des Beamtenrechts deshalb nicht entgegen“ (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12 –, Rn. 125; Hervorhebungen durch mich).
In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn das BVerfG nun – anders als noch 1977 oder 1990 oder 1998 – hervorhebt: „Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung.“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, Rn. 47). Damit reagiert es nicht zuletzt auf die von Füßer/Novak genannten Zahlen (S. 5), die belegen, dass die Alleinverdienerbeamtenfamilie als solche keine übergreifende gesellschaftliche Realität mehr abbildet. Genau deshalb haben Brandenburg und auch Rheinland-Pfalz (jenes nennt der Artikel nicht, obgleich es die vorgenommene Argumentation stützen würde) die Stufe 1 des jeweiligen Familienzuschlags 2013 reformiert, ohne jedoch die weiteren familienbezogenen Bestandteile der Besoldung anzutasten; denn die Gesamthöhe aller familienbezogenen Besoldungsbestandteile als solche wurden jeweils nicht verringert – und hier zeigt sich nun das entscheidende rechtsnormative Problem, das die beiden Autoren gänzlich ausklammern (s. gleich unter c). Rheinland-Pfalz hat 2013 den Zuschlag der Stufe 1 halbiert und die zweite Hälfte auf die weiteren Stufen umgeschichtet; Brandenburg hat die Stufe 1 ganz abgeschafft und deren Höhe vollständig auf den Kinderunterhalt übertragen (vgl. zu beiden Ländern beispielsweise Becker/Tepke, S. 30 f.).
Zugleich ist aber ebenfalls in Rechnung zu stellen, dass sich nicht nur die Alleinverdienerehe gesellschaftlich überlebt hat, sondern der demographische und allgemeine Wertewandel, denen jede Gesellschaft unterworfen sind, schafft zugleich auch für Beamtenfamilien neue Probleme, die also ebenfalls Teil einer realitätsgerechten Betrachtung sein müssen. Das BVerfG formuliert das aktuell beispielsweise wie folgt: Die Familienalimentation „stellt sicher, dass der Familie für das dritte und jedes weitere Kind der am Grundsicherungsniveau orientierte Mindestmehrbetrag auch dann zur Verfügung steht, wenn der andere Elternteil gar nichts zum Familieneinkommen beisteuern kann, etwa weil behinderte Kinder oder betagte Großeltern dauernder Pflege bedürfen oder er selbst dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt oder gar verstorben ist. Für andere Familienformen nachteilige Auswirkungen sind damit nicht verbunden.“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 –, Rn. 37) Diese ebenfalls zu beachtenden Realitäten klammert der Artikel jedoch weitgehend aus. Der letzte Satz des Zitats zeigt zugleich, welche Position das BVerfG grundsätzlich mit Blick auf nötige Ausgleichsfunktionen zur Beachtung gesellschaftlicher Realitäten zugrunde legt – nämlich wie je: den Gleichheitssatz.
c) Dahingegen betrachtet der Artikel das eigentlich wichtigste Thema der Familienalimentation als solche – nämlich die Kinder und die Kinderzahl – nur eigentümlich allgemein und randständig an seinem Ende (S. 15-17). Denn während auf den ersten 14 Seiten eine tatsächlich nur scheinbare Auseinandersetzung um den Verheiratetenzuschlag ausgefochten wird – denn das Thema ist eigentlich spätestens durch die offensichtlich verfassungsrechtlich statthaften Reformen Brandenburgs und Rheinland-Pfalz‘ abgefrühstückt und müsste deshalb nicht auf 15 Seiten behandelt werden –, hat die Kinderzahl und ihr Einbezug in die Systematik einer amtsangemessenen Besoldung eine ungleich größere Bedeutung – nicht nur real, sondern auch rechtsnormativ –, ohne dass der Artikel hier eine weitergehende Substanz entfaltet. Nicht umsonst bleibt auch das kurze Fazit eigentümlich blutleer – und wird auch dort nicht konkret gezeigt, wie nun die eigene Argumentation gegen Stuttmanns Ansicht, dass die Tabellenwerte aller Besoldungsgruppen angehoben werden müssen, ins Feld geführt werden könnte. Denn selbst, sofern verfassungsrechtlich mögliche Reformen der Familienstufe 1 durchgeführt werden wie eben in Rheinland-Pfalz und Brandenburg, bleibt doch die Gesamthöhe der zu beachtenden familiebezogenen Alimentationsbestandteile identisch, wie die durchgeführte Reform in beiden Ländern zeigt: Die für die Familienalimentation zu beachtenden Bestandteile können umgeschichtet, aber nicht eingespart werden – und damit haben wir nun die rechtsnormative Problematik, die ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe (vgl. im PS meines Beitrag vom 02.09., 23:00 Uhr).
Wie dort dargelegt, benötigt eine rechtsrealistisch fundierte Besoldungssystematik normativ einen einzigen Ausgangspunkt zur Bestimmung der Höhe einer noch amtsangemessenen Alimentation in Abgrenzung zu einer nicht mehr amtsangemessenen Unteralimentation. Dieser eine Ausgangspunkt ist und bleibt die Mindestalimentation, also die Nettoalimentation, die einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern zu gewähren ist, der sich in der Eingangstufe der untersten Besoldungsgruppe befindet. In diesem Sinne ist das eben schon angeführte Zitat des BVerfG zu verstehen: „Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung.“
Der Besoldungsgesetzgeber hat ausgehend von der historisch tradierten und deshalb entsprechend abgeleiteten Bezugsgröße der vierköpfigen Familie, die auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum angewiesen ist, deren ihr zur Verfügung stehendes Familieneinkommen zu berechnen und von dort die Bemessung der mindestens 15-prozentig höheren Nettoalimentation vorzunehmen. Diese Bezugsgröße kann nicht durch die Bezugsgröße eines ledigen Beamten ohne Kinder ersetzt werden, da damit die familienbeogenen Bestandteile der Alimentation nicht mehr bestimmbar wären. Sie kann auch nicht durch den ledigen Beamten ergänzt werden, da dann zwei für die Grundbesoldung zu beachtende Werte vorlägen, die je zu unterschiedlichen Ergebnissen führten; da es aber nicht zwei unterschiedlich hohe Grundbesoldungen geben kann – nicht umsonst deshalb, weil dann ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorläge –, müssen große Teile der familienbezogenen Bestandteile der Alimentation in die Grundbesoldung integriert werden, um eine verfassungskonforme Besoldung zu gewährleisten (vgl. zur tiefergehenden Begründung im genannten PS).
Denn würden sie nicht in die Grundbesoldung integriert werden, würde das die Höhe der Familienzuschläge exorbitant erhöhen, sodass jene ihren Charakter als Detailregelung verlieren würden, den auch Füßer/Novak hervorheben (vgl. dort, S. 11), wodurch als Folge die Wertigkeit der Ämter – wie hier vielfach an anderer Stelle dargelegt – nicht mehr von der Alimentation abgebildet werden würde, was verfassungswidrig wäre. In diesem Sinne ist die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu verstehen, „dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, Rn. 47).
Wenn also die zur Gewährleistung der Einhaltung der Mindestalimentation nötigen Besoldungsbestandteile nicht in die Grundbesoldung einfließen würden, dann müssten jene Bestandteile dennoch anderweitig von der Nettoalimentationshöhe abgebildet werden. Wo jener Ort sein sollte, bleibt jener Artikel jedoch schuldig – unabhängig davon, dass das BVerfG diesen Ort in seiner aktuellen Entscheidung direktiv vorgegeben hat, sodass sich auch diesbezüglich weitere Spekulationnen eher erübrigen: „Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können.“ (ebd., Rn. 49) Denn wenn vielfach nicht einmal die Besoldungsgruppe A 10 das Mindestalimentationsniveau erreicht, das also amtsangemessen die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5 erreichen müssen, dann sind – wie es auch Stuttmann aus den geltenden BVerfG-Direktiven ableitet – die Grundgehaltssätze der unteren Besoldungsgruppen entsprechend anzupassen, was sich durch das Abstandsgebot zwangsläufig auf die darüber liegenden Besoldungsgruppen auswirkt: „Aus dem Leistungsgrundsatz in Art. 33 Abs. 2 GG und dem Alimentationsprinzip in Art. 33 Abs. 5 GG folgt ein Abstandsgebot, das es dem Gesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums untersagt, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen. Die Amtsangemessenheit der Alimentation der Beamten bestimmt sich daher auch durch ihr Verhältnis zur Besoldung anderer Beamtengruppen“ (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 –, Rn. 89).
Insofern hat das BVerfG nun in seinen beiden Entscheidungen aus dem Mai die von den Autoren kritisierten Direktiven bestätigt: „Offenkundig gehen Stuttmann und bislang auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass der Besoldungsanspruch eines verheirateten Beamten mindestens so hoch sein müsse wie die Sozialhilfeansprüche zweier erwerbsloser Ehegatten.“ (S. 3; Hervorhebungen wie im Original). Diese Rechtslage ist also mit Blick auf die allesamt verfassungswidrigen, aktuellen sowie die zukünftigen Besoldungsgesetze zu beachten (genauer: die jeweils vierköpfige Familie als Bezugsgröße); zugleich ist es rechtsnormativ auch gar nicht möglich, anders vorzugehen, als das BVerfG und also mehr als eine einzige Bezugsgröße als Rechtsnorm einführen zu wollen. Nicht umsonst folgt das BVerfG seit 2015, wie an anderer Stelle dargelegt, Stuttmanns rechtsrealistischen Einordnungen – und er nun wiederum legt heuer das anzuwendende Verfassungsrecht aus, indem er die Auswirkung der aktuellen Entscheidung für die Grundbesoldung betrachtet.