Da die amtsangemessene Alimentation des Beamten und seiner Familie als Konsequenz aus dem Alimentationsprinzips lebenslang zu gewährleisten ist, ist ebenfalls die Versorgung des Beamten und seiner Familie alimentationsrechtlich lebenslang zu gewährleisten.
Davon zu trennen ist die Kontrolle, ob diese Gewährleistung tatsächlich gegeben ist. Das Bundesverfassungsgericht kann hier nun idealtypisch mindestens zwei Wege der Kontrolle eines amtsangemessenen Versorgungsniveaus gehen, wobei ich den ersten Weg weiterhin für eher unwahrscheinlich erachte, da mit ihm indizielle Tücken verbunden sein könn(t)en, die ggf. nicht so ohne Weiteres überwunden werden könn(t)en, da sie hinsichtlicher des materiellen Rechts zu Widersprüchen führen könnten, die sich als von prinzipieller Natur seiend herausstellen könn(t)en.
Indizielle MindestversorgungDas Bundesverfassungsgericht könnte analog zur Mindestalimentation ein indizielles Verfahren erstellen, mit dem eine Mindestversorgung als Grenze zur Unterversorgung betrachtet werden könnte. Ein entsprechendes Verfahren könnte dann bspw. prinzipiell analog des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs ab dem dritten Kind erfolgen, müsste dann aber offensichtlich auf den Versorgungsfall angewendet, also entsprechend konkretisiert werden.
Allerdings würden mit diesem Verfahren prinzipielle Problematiken einhergehen, nämlich bspw.:
a) Die dem Beamten und seiner Familie gewährte Nettoalimentation muss als amtsangemessene Alimentation so ausgestaltet sein, dass der Beamte durch sie Rücklagen für seine Zeit als Versorgungsempfänger bilden kann. Wenn man nun eine "Mindestversorgung" als indizielles Maß vollziehen wollte, das zwangsläufig die Versorgung als Ganze zu betrachten hätte, dann müssten zwangsläufig auch diese Rücklagen zur Kontrolle herangezogen werden, die sich aber - so ist zu vermuten - nicht generell bemessen lassen. Entsprechend dürfte es allein deshalb schon prinzipiell unmöglich sein, ein indizielles Maß der Mindestversorgung zu erstellen.
b) Das Bundesverfassungsgericht geht regelmäßig davon aus, dass der tatsächliche Bedarf von Versorungsempfängern geringer ist als der von aktiven Beamten. Auch hier müsste nun also ein Vergleichsmaßstab entwickelt werden, der sich also verfassungsrechtlich rechtfertigen ließe, ohne dass auch hier offensichtlich ein konkreter Maßstab ins Auge fiele.
c) Dienstunfähige Beamte haben, wenn sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, nach einer genügenden Dienstzeit das Recht auf eine Mindestruhegehalt, das entsprechend auch der Familie von verstorbenen Beamten zu gewähren ist, vgl. im Bund § 14 Abs. 4 BeamtVG. Man muss nun davon ausgehen, dass dieser Betrag erheblich unterhalb einer wie auch immer zu betrachtenden "Mindestversorgung" läge. Sofern aber das Bundesverfassungsgericht eine Art "Mindestversorgung" als Grenze zur Unterversorgung direktiv betrachten würde, dürften die bisherigen Regelungen offensichtlich kaum verfassungsrechtlich begrünbar bleiben. Auf der anderen Seite bliebe aber ggf. die Frage, ob die Regelung, dass ein Beamter nach bspw. fünf Jahren eine entsprechend recht hohe "Mindestversorgung" erhielte, die also weitgehend identisch mit der Versorgung eines Beamten in der untersten Besoldungsgruppe zu betrachten wäre, der folglich die vollen Dienstzeit abgeleistet hätte, vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte.
Die amtsangemessene Versorgung folgt aus der amtsangemessenen AlimentationFür sehr viel wahrscheinlicher erachte ich es, dass das Bundesverfassungsgericht all die gerade genannten Fragen offenlassen wird, indem es festhält, dass die heutige Versorgungsregelung prinzipiell verfassungskonform ist, so wie es das ja in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 entschieden hat (BVerfGE 114, 258 -
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2005/09/rs20050927_2bvr138702.html). Es wird also sowohl den Höchstsatz von 71,75 % als mit der Verfassung im Einklang betrachten wie auch die jeweiligen Abzüge, sofern der Beamte nicht die volle Dienstzeit erreicht.
Sobald also die Alimentation für alle aktiven Beamten amtsangemessen ist, stellt sich entsprechend auf Grundlage der heutigen Versorgungssystematik ebenso die Versorgung für alle Versorgungsempfänger als verfassungskonform dar. Entsprechend dürfte das Bundesverfassungsgericht, sobald es eine Verletzung des Alimentationsprinzips aktiver Beamter feststellt, gleichfalls von einer Verletzung der auf Basis des letzten Alimentationsniveaus gewährten Versorgung ausgehen und daraufhin den Gesetzgeber dazu verpflichten, ein entsprechendes amtsangemessenes Versorgungsniveau der Ruhestandsbeamten und ihrer Familie zu gewährleisten. Die amtsangemessene Versorgung wäre so betrachtet die zwangsläufige Folge der amtsangemessenen Alimentation, solange der Besoldungsgesetzgeber nun nicht daran ginge, die überkommene Versorgungssystematik grundlegend zu verändern (was er bislang auch nach 2020 in keinem Rechtskreis so vollzogen hat). Erst, sofern diese überkommene Versorgungssystematik von einem Gesetzgeber im Zuge der Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation grundlegend mit der Folge einer systematischen Absenkung des Versorgungsniveaus (bspw. durch Absenkung des derzeitigen Höchstsatzes von 71,75 % auf einen geringeren Prozentwert) verändert werden würde, sollte sich das Bundesverfassungsgericht veranlasst sehen, diese neue Systematik zu betrachten, sofern es entsprechend angerufen werden würde, denke ich. Wenn also bspw. eine Absenkung des Höchstsatzes auf 65 oder 60 % erfolgte oder wenn die prozentualen Abzüge für jedes Dienstjahr, das nicht bis zum Höchstsatz geleistet wird, deutlich erhöht werden würden, würde Karlsruhe nun in die Kontrolle eintreten, ob sich solche Regelungen mit dem Ergebnis eines deutlich geringeren Versorgungsniveaus vor dem Alimentationsprinzip rechtfertigen ließe (und zwar hier nun mit dem recht wahrscheinlichen Ergebnis, dass eine solche sachliche Rechtfertigung kaum möglich sein dürfte).
FazitIch halte es weiterhin für recht unwahrscheinlich, dass sich eine "Mindestversorgung" als Grenze zur Unterversorgung verfassungsrechtlich analog zur Mindestalimentation als Grenze zur Unteralimentation sachlich rechtfertigen lässt. Eine solche Rechtfertigung sollte sich hingegen ggf. sachlichen Tücken ausgesetzt sehen, die im Ergebnis den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Gesetzgeber verfügt, mit einiger Wahrscheinlichkeit für alle Zukunft erheblich einschränken dürften. Von daher dürfte das Bundesverfassungsgericht nach wie vor davon ausgehen, dass die Systematik der Versorgungsregelung(en) sachlich nicht zu verwerfen sein dürften, solange sie nicht grundlegend verändert werden würde(n), sondern dass als Folge eine verfassungskonformen Alimentation zwangsläufig auch wieder eine amtsangemessene Versorgung hergestellt werden sollte. Entsprechend dürfte es, solange die tradierte Versorgungssystematik von den Gesetzgebern nicht verändert wird, m.E. weitgehend so vorgehen wie gerade beschrieben. Denn hinsichtlich des zukünftigen Besoldungsgesetzgebrs und seines Entscheidungsspielraums - also auch des Besoldungsgesetzgebers in fünf, fünfzehn oder fünfundzwanzig Jahren - kann der Maßstab nicht der regelmäßig nicht verfassungskonform handelnde Besoldungsgesetzgeber der letzten mindestens 15 Jahre sein, sondern muss weiterhin Art. 20 Abs. 3 GG der Maßstab bleiben. Das Bundesverfassungsgericht wird also - so denke ich - zunächst einmal versuchen, den heutigen Besoldungsgesetzgeber mittels des hier wiederkehrend beschriebenen Wegs zur Rückkehr auf ein amtsangemessenes Alimentationsniveau zu bewegen, und entsprechend auch mit dem Versorgungsgesetzgeber verfahren, solange dieser nicht die Versorgungssystematik grundlegend ändert.