Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2674578 times)

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6270 am: 09.08.2024 16:46 »
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VG%20Hamburg&Datum=07.05.2024&Aktenzeichen=20%20B%2014%2F21

VG Hamburg, 07.05.2024 - 20 B 14/21

Aussetzungs- und Vorlagebeschluss zur Hamburger Besoldung in der Besoldungsgruppe A 9 in den Jahren 2020 und 2021

Und wieder kommt ein Verfahren neu dazu. War heute in meiner dejure Merkliste.

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6271 am: 09.08.2024 17:37 »
Da werden die Hamburger Tricks offengelegt, die auch wieder ins aktuell der Bürgerschaft vorliegende Besoldungsgesetz einfließen sollen:

- Statt Hamburger Mieten wird großzügig das Umland mit einberechnet und dafür extra ein anderer Index verwendet, weil so viele Hamburger Beamte im Umland wohnen (ein Zirkelschluss, denn viele wohnen ja gerade dort, weil sie sich ausreichend Wohnraum in HH gar nicht mehr leisten können - und mit der Begründung will man jetzt die Besoldung kleinrechnen...)

- Das groteske Ehepartnereinkommen, hier oft genug besprochen

- Statt dem Hamburger Nominallohnindex nimmt HH lieber den von ganz Deutschland. Begründung: In HH leben einfach zu viele Gutverdiener, die den Index "verzerren". HH irgnoriert dabei erstens, dass das auch vor 15 Jahren schon der Fall war und hier nur die prozentuale Entwicklung verglichen wird und zweitens, dass das Kostenniveau in der Stadt eben auch von solchen Gutverdienern mitgeprägt wird, wie man im Alltag ja durchaus zu spüren bekommt...

- Auch beim Inflationsfaktor schummelt HH, da hier leider leider einfach keine Werte nur für HH vorlägen, so dass man leider leider auf die nirdrigeren Werte außerhalb HHs zurückgreifen muss. Das für einen Großteild er 15 Jahre durchaus Hamburger Daten vorliegen und auch diese getrost irgnoriert werden, spielt für HH keine Rolle

Die Liste lässt sich noch weit fortsetzen. Eigentlich wird in jedem Bereich geschummelt, den man sich angucken kann. Verfassungstreue sieht m.E. anders aus...

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6272 am: 10.08.2024 09:18 »
Tricks und schummeln missfällt mir immer wieder in diesem Zusammenhang. Es sind einfach vorsätzliche Verfassungsbrecher.

Verfassungsmäßige

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6273 am: 10.08.2024 10:14 »
Es gab doch vor kurzem eine Anfrage der CDU in Hamburg, wie es mit den Bewerberzahlen in Hamburg aussieht, Ergebnis war richtig schlecht. Nicht nur zu wenige Bewerber, sondern auch sehr viele Abbrecher.
Speziell bei der Polizei und in der Steuerverwaltung.
Wundert mich nicht, wenn das Eingangsamt in Hamburg in der Steuerverwaltung A6 im mittleren Dienst ist.Mit dem Geld kann man noch bei den Eltern wohnen bleiben.

BVerfGBeliever

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6274 am: 10.08.2024 15:44 »
Im Urteil ist übrigens von "rund 11.000 weiteren, ähnlich gelagerten Widersprüchen" die Rede. Mit anderen Worten haben ca. 19,6% der (laut dbb) 56.180 Beamten in Hamburg Widerspruch eingelegt.

Falls die Quote deutschlandweit ähnlich ist, wären wir bei rund 376.000 "Widerspruchs-Beamten" (von insgesamt 1,92 Millionen).

Mehr, als ich gedacht hätte..

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6275 am: 10.08.2024 17:37 »
Im Urteil ist übrigens von "rund 11.000 weiteren, ähnlich gelagerten Widersprüchen" die Rede. Mit anderen Worten haben ca. 19,6% der (laut dbb) 56.180 Beamten in Hamburg Widerspruch eingelegt.

Falls die Quote deutschlandweit ähnlich ist, wären wir bei rund 376.000 "Widerspruchs-Beamten" (von insgesamt 1,92 Millionen).

Mehr, als ich gedacht hätte..

Leider immer noch viel zu wenige, als dass sich in Zukunft eine Verfassungsgetreue Besoldung für den Dienstherren lohnen würde. Rechne mal aus was er sich durch die langen Verfahren und dadurch, dass 80,4% keinen Widerspruch eingelegt haben gespart hat.

Paterlexx

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6276 am: 12.08.2024 13:17 »
Für die Menschen ist das alles schon zu kompliziert. Es sind bestimmt die Hälfte alle auf dem Weg zur Klage aus dem Verfahren geflogen. Das werden die sein, die bei einem positiven Urteil, wenn sie nur für drei Monate eine Nachzahlung erhalten, am lautesten Gerechtigkeit schreien und den Gewerkschaften etc. die Hölle heiß machen. Es hat also System, das Verfahren auf eine maximale Länge zu ziehen. Die Leute geben einfach auf. Was ich nicht ganz verstehe, es ist eigentlich Eile geboten, da viele in die Pension gehen und auch schon sind, wird man doch jemanden finden, der schwer erkrankt ist etc. um das Verfahren zu beschleunigen, oder?

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6277 am: 12.08.2024 13:42 »
Die Frage ist ja auch, gibt es eigentlich schon anhängige Verfahren oder ähnliches in Bezug auf die Versorgung? Ist da jemandem etwas bekannt?

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6278 am: 12.08.2024 13:47 »
Ja, in Hamburg gibt es dazu diverse Verfahren zur Versorgung und glaube vllt. eins in Berlin.

u.a. hier A13. Gibt glaube ich sogar ein B1 Verfahren bezüglich Versorgung.
https://openjur.de/u/2309446.html

Kläger ist hier mittlerweile 83 und widerspricht seit 70.

Viele scheitern an zulässigen Widersprüchen und zulässigen Klagen.

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6279 am: 12.08.2024 14:34 »
Die Frage ist ja auch, gibt es eigentlich schon anhängige Verfahren oder ähnliches in Bezug auf die Versorgung? Ist da jemandem etwas bekannt?

In der Tat hat das BVerfG die Versorgungsfrage bislang ausgeklammert. Indem es sich für die vierköpfige Familie als Basisfall entschieden hat, sind leider auch zwei Schritte zur amtsangemessenen Versorgung notwendig, nämlich erstens die amtsangemessene Besoldung eines Alleinstehenden (i.w. Grundbesoldung) und daraus abgeleitet eine verfassungsgemäße Versorgung (und insbesondere auch Mindestversorgung). Ich hoffe sehr, dass das BVerfG im nächsten Urteil nicht nur den ersten Schritt geht, sondern endlich auch was zu den Versorgungsempfängern festlegt.

Im Zuge der Besoldungserhöhungen haben einige Besoldungsgeber ihre Vrsorgungsquoten gesenkt, um zumindest den "lästigen" Pensionären nicht mehr zahlen zu müssen. Auch hier war es wieder Hamburg, das sich die wildesten Versuche erlaubt, so hat man bspw. eine "Angleichungszulage" (die nebenbei gesagt auch in anderer Dimension verfassungswidrig sein muss) erfunden, die für eine verfassungsgemäße Besoldung sorgen sollte, die aber nur aktive Beamte erhalten haben, so dass es mehr als naheliegend ist, dass Versorgungsempfänger hier alleine schon deshalb nicht amtsangemessen versorgt worden sind, weil die definierten Parameter nun nur für aktive Beamte eingehalten worden sind. HH stellt sich ernsthaft auf den Standpunkt, dass das BVerfG ja noch gar nicht gesagt habe, dass die Parameter auch für Versorgungsempfänger gelten. Das zeigt, wie überfällig entsprechende Festlegungen aus Karlsruhe sind.

Man muss wirklich hoffen, dass die ganze Zeit, die das BVerfG jetzt schon in Anspruch nimmt, zu einem Urteil führt, das dann auch wirklich alle Lücken schließt.

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6280 am: 12.08.2024 16:35 »
Naja grundsätzlich wirkt es sich ja sofort auch auf die Versorgungsbezüge aus, wenn das BVerfG die Besoldung durch Urteil insgesamt anhebt. Fraglich ist dann, gab es schon Gerichtsurteile oder Verfahren oder hergebrachten Grundsatz zur Prozentualen Versorgung in Abhängigkeit zur den Besoldungen? Sonst können die diese dann ja einfach frei runter senken um den Versorgungsempfängern nicht mehr zahlen zu müssen.

InternetistNeuland

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6281 am: 12.08.2024 18:30 »
Naja grundsätzlich wirkt es sich ja sofort auch auf die Versorgungsbezüge aus, wenn das BVerfG die Besoldung durch Urteil insgesamt anhebt. Fraglich ist dann, gab es schon Gerichtsurteile oder Verfahren oder hergebrachten Grundsatz zur Prozentualen Versorgung in Abhängigkeit zur den Besoldungen? Sonst können die diese dann ja einfach frei runter senken um den Versorgungsempfängern nicht mehr zahlen zu müssen.

Eigentlich ist es doch einfach.

Pensionär muss 115% über Grundsicherungsniveau erhalten.

Geburtsjahr 1957 Dienstbeginn 1977 Pension in 2024 A3 Stufe 8 Bund

Letztes Brutto 2.693 €. Daraus ergeben sich Versorgungsbezüge von 1.884 € Brutto und 1.689 € Netto (vor PKV).

Abzüglich Krankenkasse 270 € sind 1.419 €.


Grundsicherungsniveau für München 1 Person sind 849 € Bruttokaltmiete + 70 € Heizkosten + 563 € = 1482 €

1.482 € x 1,15 = 1.704 € Mindestalimentation

Da im Gesetz lebenslang für die gesamte Familie steht, müsste hier theoretisch noch ein Anteil für einen Ehepartner hinzugerechnet werden. Die Kinder sind dann im Regelfall schon aus dem Haus.



clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6282 am: 12.08.2024 23:25 »
Dass die Basisversorgung für eine 4K Familie reichen muss, ist ja schon geklärt und damit auch die Versorgung.

Die Mindestpension  muss man sich noch mal genau angucken.Die Mindestpension bekommen ja idR Menschen,  die krankheitshalber sehr früh aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, oder lange wegen Familie ausgesetzt haben. Die ersteren können durchaus Kinder haben.  Bei letzteren dürften die Kinder eher erwachsen sein. Evtl. Wäre es zulässig, bei der Mindestpension von Paaren auszugehen und bei Kindern mit Zulagen zu arbeiten. Aber das müssen die Gerichte klären.  Ich fürchte, das könnte sich auch Jahrzehnte hinziehen.

Ozymandias

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« Antwort #6283 am: 12.08.2024 23:59 »
Hatte zu den Versorgungsbezügen vor langer Zeit folgendes notiert:

Unabhängig davon, dass aktuell noch keine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsmäßig erforderlichen Höhe der Alimentation von Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten existiert, geht man z.B. bei der Gewerkschaft BBW davon aus, dass die aktuellen höchstrichterlichen Kriterien für eine verfassungsrechtliche Unteralimentation nicht nur für die aktiven Beamtinnen und Beamten gelten, sondern auch im Versorgungsbereich.

Was bei 100 % Besoldung als unteralimentiert gelte, müsse schließlich auch bei einem Versorgungshöchstsatz von maximal 71,75 % so gelten.

Es fällt jedoch auch immer noch die Kürzung des Ruhegehalts von 75 % auf höchstens 71,75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) ins Gewicht. Diese Kürzung ist zwar – isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft worden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.9.2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258). Jedoch führt die Absenkung des Pensionsniveaus und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten Eigenanteils an der Altersvorsorge − gerade angesichts einer steigenden Lebenserwartung − zu einer weiteren Aufzehrung der Bezüge mit der Folge, dass die Gewährleistung eines der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalts der Beamten nicht mehr zweifelsfrei sichergestellt ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 5.5.2015, 2 BvL 17/09, BVerfGE 139, 64, juris Rn. 158).

Bayern zählt glaube ich mittlerweile einen pflegebedürftigen Ehegatte als Kind, wegen der Kinderzuschlagsorgie usw.
Ob das der richtige Weg ist? Das ganze Besoldungsystem ist auf Kante genäht und die Klippe ist schon seit Jahren abgestürzt.

Hatte mir auch noch folgendes notiert:
Frauen erreichen übrigens meistens nur einen Versorgungssatz von rund 60%. Männer schaffen um die 70,3%.
Im Vollzugsdienst schaffen Frauen teilweise nur 58,x%.
Wir alle kennen den Grund, die Mütterrente muss auch nicht auf Beamte übertragen werden, etc. (Außer Bund und Bayern, die haben freiwillig etwas dazugegeben).
Es gibt 6 Monate ruhegehaltfähige Zeit für Kinder die vor 1992 geboren sind und Ende Gelände. Dabei gab es damals Kindergrippe, Kita und vielen Quatsch gar nicht, vor allem in ländlichen Bereichen gab es diese Infrastruktur nicht. Für Kinder nach 1992 sieht es etwas anders aus. Jedenfalls ist für einen großen Teil der Frauen der 71,75% Versorgungssatz reine Utopie.

Sollte man das mal in Versorgungsklagen abklopfen? Diskriminierung oder muss man es hinnehmen? Was sind die Meinungen dazu? Würde mich mal interessieren.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6284 am: 13.08.2024 12:02 »
Da die amtsangemessene Alimentation des Beamten und seiner Familie als Konsequenz aus dem Alimentationsprinzips lebenslang zu gewährleisten ist, ist ebenfalls die Versorgung des Beamten und seiner Familie alimentationsrechtlich lebenslang zu gewährleisten.

Davon zu trennen ist die Kontrolle, ob diese Gewährleistung tatsächlich gegeben ist. Das Bundesverfassungsgericht kann hier nun idealtypisch mindestens zwei Wege der Kontrolle eines amtsangemessenen Versorgungsniveaus gehen, wobei ich den ersten Weg weiterhin für eher unwahrscheinlich erachte, da mit ihm indizielle Tücken verbunden sein könn(t)en, die ggf. nicht so ohne Weiteres überwunden werden könn(t)en, da sie hinsichtlicher des materiellen Rechts zu Widersprüchen führen könnten, die sich als von prinzipieller Natur seiend herausstellen könn(t)en.

Indizielle Mindestversorgung

Das Bundesverfassungsgericht könnte analog zur Mindestalimentation ein indizielles Verfahren erstellen, mit dem eine Mindestversorgung als Grenze zur Unterversorgung betrachtet werden könnte. Ein entsprechendes Verfahren könnte dann bspw. prinzipiell analog des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs ab dem dritten Kind erfolgen, müsste dann aber offensichtlich auf den Versorgungsfall angewendet, also entsprechend konkretisiert werden.

Allerdings würden mit diesem Verfahren prinzipielle Problematiken einhergehen, nämlich bspw.:

a) Die dem Beamten und seiner Familie gewährte Nettoalimentation muss als amtsangemessene Alimentation so ausgestaltet sein, dass der Beamte durch sie Rücklagen für seine Zeit als Versorgungsempfänger bilden kann. Wenn man nun eine "Mindestversorgung" als indizielles Maß vollziehen wollte, das zwangsläufig die Versorgung als Ganze zu betrachten hätte, dann müssten zwangsläufig auch diese Rücklagen zur Kontrolle herangezogen werden, die sich aber - so ist zu vermuten - nicht generell bemessen lassen. Entsprechend dürfte es allein deshalb schon prinzipiell unmöglich sein, ein indizielles Maß der Mindestversorgung zu erstellen.

b) Das Bundesverfassungsgericht geht regelmäßig davon aus, dass der tatsächliche Bedarf von Versorungsempfängern geringer ist als der von aktiven Beamten. Auch hier müsste nun also ein Vergleichsmaßstab entwickelt werden, der sich also verfassungsrechtlich rechtfertigen ließe, ohne dass auch hier offensichtlich ein konkreter Maßstab ins Auge fiele.

c) Dienstunfähige Beamte haben, wenn sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, nach einer genügenden Dienstzeit das Recht auf eine Mindestruhegehalt, das entsprechend auch der Familie von verstorbenen Beamten zu gewähren ist, vgl. im Bund § 14 Abs. 4 BeamtVG. Man muss nun davon ausgehen, dass dieser Betrag erheblich unterhalb einer wie auch immer zu betrachtenden "Mindestversorgung" läge. Sofern aber das Bundesverfassungsgericht eine Art "Mindestversorgung" als Grenze zur Unterversorgung direktiv betrachten würde, dürften die bisherigen Regelungen offensichtlich kaum verfassungsrechtlich begrünbar bleiben. Auf der anderen Seite bliebe aber ggf. die Frage, ob die Regelung, dass ein Beamter nach bspw. fünf Jahren eine entsprechend recht hohe "Mindestversorgung" erhielte, die also weitgehend identisch mit der Versorgung eines Beamten in der untersten Besoldungsgruppe zu betrachten wäre, der folglich die vollen Dienstzeit abgeleistet hätte, vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte.

Die amtsangemessene Versorgung folgt aus der amtsangemessenen Alimentation

Für sehr viel wahrscheinlicher erachte ich es, dass das Bundesverfassungsgericht all die gerade genannten Fragen offenlassen wird, indem es festhält, dass die heutige Versorgungsregelung prinzipiell verfassungskonform ist, so wie es das ja in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 entschieden hat (BVerfGE 114, 258 - https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2005/09/rs20050927_2bvr138702.html). Es wird also sowohl den Höchstsatz von 71,75 % als mit der Verfassung im Einklang betrachten wie auch die jeweiligen Abzüge, sofern der Beamte nicht die volle Dienstzeit erreicht.

Sobald also die Alimentation für alle aktiven Beamten amtsangemessen ist, stellt sich entsprechend auf Grundlage der heutigen Versorgungssystematik ebenso die Versorgung für alle Versorgungsempfänger als verfassungskonform dar. Entsprechend dürfte das Bundesverfassungsgericht, sobald es eine Verletzung des Alimentationsprinzips aktiver Beamter feststellt, gleichfalls von einer Verletzung der auf Basis des letzten Alimentationsniveaus gewährten Versorgung ausgehen und daraufhin den Gesetzgeber dazu verpflichten, ein entsprechendes amtsangemessenes Versorgungsniveau der Ruhestandsbeamten und ihrer Familie zu gewährleisten. Die amtsangemessene Versorgung wäre so betrachtet die zwangsläufige Folge der amtsangemessenen Alimentation, solange der Besoldungsgesetzgeber nun nicht daran ginge, die überkommene Versorgungssystematik grundlegend zu verändern (was er bislang auch nach 2020 in keinem Rechtskreis so vollzogen hat). Erst, sofern diese überkommene Versorgungssystematik von einem Gesetzgeber im Zuge der Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation grundlegend mit der Folge einer systematischen Absenkung des Versorgungsniveaus (bspw. durch Absenkung des derzeitigen Höchstsatzes von 71,75 % auf einen geringeren Prozentwert) verändert werden würde, sollte sich das Bundesverfassungsgericht veranlasst sehen, diese neue Systematik zu betrachten, sofern es entsprechend angerufen werden würde, denke ich. Wenn also bspw. eine Absenkung des Höchstsatzes auf 65 oder 60 % erfolgte oder wenn die prozentualen Abzüge für jedes Dienstjahr, das nicht bis zum Höchstsatz geleistet wird, deutlich erhöht werden würden, würde Karlsruhe nun in die Kontrolle eintreten, ob sich solche Regelungen mit dem Ergebnis eines deutlich geringeren Versorgungsniveaus vor dem Alimentationsprinzip rechtfertigen ließe (und zwar hier nun mit dem recht wahrscheinlichen Ergebnis, dass eine solche sachliche Rechtfertigung kaum möglich sein dürfte).

Fazit

Ich halte es weiterhin für recht unwahrscheinlich, dass sich eine "Mindestversorgung" als Grenze zur Unterversorgung verfassungsrechtlich analog zur Mindestalimentation als Grenze zur Unteralimentation sachlich rechtfertigen lässt. Eine solche Rechtfertigung sollte sich hingegen ggf. sachlichen Tücken ausgesetzt sehen, die im Ergebnis den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Gesetzgeber verfügt, mit einiger Wahrscheinlichkeit für alle Zukunft erheblich einschränken dürften. Von daher dürfte das Bundesverfassungsgericht nach wie vor davon ausgehen, dass die Systematik der Versorgungsregelung(en) sachlich nicht zu verwerfen sein dürften, solange sie nicht grundlegend verändert werden würde(n), sondern dass als Folge eine verfassungskonformen Alimentation zwangsläufig auch wieder eine amtsangemessene Versorgung hergestellt werden sollte. Entsprechend dürfte es, solange die tradierte Versorgungssystematik von den Gesetzgebern nicht verändert wird, m.E. weitgehend so vorgehen wie gerade beschrieben. Denn hinsichtlich des zukünftigen Besoldungsgesetzgebrs und seines Entscheidungsspielraums - also auch des Besoldungsgesetzgebers in fünf, fünfzehn oder fünfundzwanzig Jahren - kann der Maßstab nicht der regelmäßig nicht verfassungskonform handelnde Besoldungsgesetzgeber der letzten mindestens 15 Jahre sein, sondern muss weiterhin Art. 20 Abs. 3 GG der Maßstab bleiben. Das Bundesverfassungsgericht wird also - so denke ich - zunächst einmal versuchen, den heutigen Besoldungsgesetzgeber mittels des hier wiederkehrend beschriebenen Wegs zur Rückkehr auf ein amtsangemessenes Alimentationsniveau zu bewegen, und entsprechend auch mit dem Versorgungsgesetzgeber verfahren, solange dieser nicht die Versorgungssystematik grundlegend ändert.