Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2653350 times)

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6285 am: 13.08.2024 12:24 »
Soweit ich mich erinnern kann, hat das BVerfG bei seiner Entscheidung, dass die Kürzung auf 71,75 % der Beamtenversorgung zulässig ist, festgestellt, dass die Kürzung gerade so noch im Rahmen ist, obwohl Die Beamtenversorgung schon über Gebühr gekürzt wurde. Ansonsten hat das BVerfG oft auf den materiellen Zusammenhang zwischen gesetzl. Rente und Beamtenversorgung hingewiesen.

M.E. bedeutet das, dass das BVerfG einen Berechnungsmodus hat (diesen aber nicht mitgeteilt hat), was noch zulässig ist und was nicht. Zum Anderen sehe ich keine weitere Kürzungsmöglichkeit, außer es wird auch bei den gesetzlichen Renten und der Zusatzversorgung gekürzt.

HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6286 am: 13.08.2024 12:43 »
@ SwenTanortsch und @lotsch
Vielen Dank euch beiden für den Input. Jedoch zweifle ich keine Sekunde dran, dass doch einige Dienstherren die Versorgung durch die Prozentuale Anpassung absenken werden. So lässt sich, wie diese ja jetzt selbst erlebt haben, sehr viel Geld sparen. Bis dann in 20 Jahren das BVerfG ein Urteil für die 10% der Versorgungsempfänger ausspricht, welche Klage erhoben haben.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6287 am: 13.08.2024 13:19 »
@ lotsch

Mit einer Ausnahme ist allem, was Du schreibst, zuzustimmen. Einzig die Annahme, der Zweite Senat hätte bereits 2005 eine entsprechende Berechnungsmethodik gehabt, dürfte zweifelhaft bleiben.

Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht erst 2015 die Mindestalimentation in seine alimentationsrechtliche Rechtsprechung eingeführt und sie erst 2020 methodisch konkretisiert. 2005 war die Hartz 4-Gesetzgebung noch nicht oder gerade erst etabliert, entsprechend gab es noch kein 95 %-Perzentil, ebenso wurde nun erst der Heizspiegel für Deutschland erhoben (war aber zu jener Zeit noch kaum allgemein bekannt), auch wurden die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife gesetzlich erst deutlich später etabliert. Die 2020 erstellte Methodik wäre also 2005 noch gar nicht sachlich möglich gewesen.

Dahingegen hat das Bundesverfassungsgericht 2007 das ggf. problematische Alimentationsniveaus als Folge der Kürzungen der letzten Jahre hervorgehoben und entsprechend ausgeführt:

"Allerdings erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die in den letzten Jahren erfolgten finanziellen Einschnitte in die Alimentation der Beamten dazu geführt haben, dass einzelne Beamtengruppen oder sogar die Beamtenschaft insgesamt nicht mehr angemessen alimentiert werden. " (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2007 - 2 BvR 1673/03 -, https://www.bverfg.de/e/rk20070924_2bvr167303.html, Rn. 34.

2005/07 - in der Zeit vor der 2008 erfolgten Ernennung Andreas Voßkuhles zum BVR - war das Bundesverfassungsgericht noch so weit von seinem sich ab da zaghaft andeutenden Rechtsprechungswandel entfernt, dass insbesondere alimentationsrechtliche Berechnungsmethodiken hinsichtlich der allgemeinen Alimentationsrechtsprechungen gerade erst in den Horizont des Senats Einzug erhielten, diese aber noch gänzlich unkonkret blieben (und wie gehabt verfassungsrechtlich zu jener Zeit noch entsprechend unkonkret bleiben mussten): Wen das interessiert, sollte die jeweiligen Entscheidungen seit den beginnenden 2000er Jahre lesen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Servicesuche_Formular.html?nn=5399998&resourceId=5402340&input_=5399998&pageLocale=de&templateQueryString=Alimentation+beamte&sortOrder=score+desc&language_=de&submit.x=0&submit.y=0. Der sich seit Mitte der 2000er Jahre ausprägende Rechtsprechungswandel ist - wie ich finde - hochinteressant und zugleich als Folge des typischen Wechselspiels zwischen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Bundesverfassungsgericht zeitlich langwierig, nicht umsonst sind auch hier zwischen 2005 und 2015 zehn Jahre vergangen.

@ Hans-Georg

Ich halte es gleichfalls für recht wahrscheinlich, dass die Gesetzgeber alsbald das Versorgungsniveau über entsprechende gesetzliche Regelungen weiter abzusenken versuchen werden - und zwar spätestens, sobald sie sich gezwungen sehen, die Grundgehälter substanziell anzuheben. Es wird entsprechend zunächst einmal interessant werden, wie sich Berlin nach den angekündigten Entscheidungen verhalten wird, insbesondere - wovon m.E. mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen ist - wenn diese Entscheidungen zum Berliner Besoldungsrecht (anders als die zum bremischen) mit dem Datum einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG verbunden sein werden. Da darüber hinaus davon auszugehen ist, dass im Gefolge der angekündigten Entscheidungen die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungsfindung über die anhängigen Normenmkontrollverfahren deutlich beschleunigt vonstatten gehen wird, darf man begründet davon ausgehen, dass alsbald deutlich mehr Druck auf die Besoldungsgesetzgeber lasten wird als in den letzten Jahren, der wiederum (nach und nach) mit sich abzeichnenden deutlich höheren Personalkosten verbunden sein wird, sodass es m.E. mehr als erstaunlich wäre, wenn nicht versucht werden würde, diese Kosten zum Teil auf die Versorgungsempfänger abzuwälzen bzw. (auch) hier die Kostensteigerungen möglich klein zu halten. Es darf also davon ausgegangen werden, denke ich, dass sich das Bundesverfassungsgericht ab der zweiten Hälfte der 2020er Jahre mit einer deutlich höheren Zahl an versorgungsrechtlichen Normenkontrollverfahren konfrontiert sehen wird.

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6288 am: 13.08.2024 15:22 »
@ Swen Tornatsch,
vielleicht hat das BVerfG ja eine andere Berechnungsmethodik, ohne 95 %- Perzentil, Heizspiegel, usw. Es könnte z.B. ein Prozentanteil der gesetzl. Rente + Zusatzversorgung sein. Das würde natürlich bedeuten, dass die Höhe der Beamtenversorgung ab Eintritt in diese, von der Entwicklung der Beamtenbesoldung materiell abgekoppelt wäre. Wir werden es sehen, wenn wir alt genug werden.

SwenTanortsch

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« Antwort #6289 am: 13.08.2024 16:40 »
Es gibt keinen sachlichen Bezug zwischen der Rente und der Beamtenversorgung, lotsch, weshalb die Betrachtung des Rentensystems oder seiner Teile keinen sachlichen Zusammenhang mit einer wie auch immer zu bemessenen "Mindestversorgung" aufweisen könnte. Darüber hinaus war die Rechtsprechungspraxis wie dargestellt 2005 eine substanziell andere, als sie es seitdem geworden ist. Eine Mindestalimentation lag in der Rechtsprechung des Senats noch in weiter Ferne. Schließlich müssten die genannten prinzipiellen Probleme für eine entsprechende Systematik ausgeräumt werden, was wie dargestellt dem Bundesverfassungsgericht kaum möglich sein dürfte.

lotsch

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« Antwort #6290 am: 13.08.2024 18:04 »
Soweit es mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist, dürfen Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Bestimmung der Amtsangemessenheit herangezogen werden (Umkehrschluss aus dem unten stehenden Leitsatz), und sie werden auch herangezogen (siehe Rd.Nr. 120)


Urteil des Zweiten Senats vom 27. September 2005
- 2 BvR 1387/02 -
Leitsatz:
Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung können zur Bestimmung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung nur herangezogen werden, soweit dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist.

c) Die absehbare Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung des Alterseinkommens der Rentner, nicht jedoch wegen des Anstiegs der Versorgungsausgaben gerechtfertigt. Die Reform der Beamtenversorgung geht zwar über die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Rentenreform 2001 hinaus. Sie hält sich aber noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums. Rd.Nr. 120

InternetistNeuland

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6291 am: 13.08.2024 18:40 »
Naja grundsätzlich wirkt es sich ja sofort auch auf die Versorgungsbezüge aus, wenn das BVerfG die Besoldung durch Urteil insgesamt anhebt. Fraglich ist dann, gab es schon Gerichtsurteile oder Verfahren oder hergebrachten Grundsatz zur Prozentualen Versorgung in Abhängigkeit zur den Besoldungen? Sonst können die diese dann ja einfach frei runter senken um den Versorgungsempfängern nicht mehr zahlen zu müssen.

Eigentlich ist es doch einfach.

Pensionär muss 115% über Grundsicherungsniveau erhalten.

Geburtsjahr 1957 Dienstbeginn 1977 Pension in 2024 A3 Stufe 8 Bund

Letztes Brutto 2.693 €. Daraus ergeben sich Versorgungsbezüge von 1.884 € Brutto und 1.689 € Netto (vor PKV).

Abzüglich Krankenkasse 270 € sind 1.419 €.


Grundsicherungsniveau für München 1 Person sind 849 € Bruttokaltmiete + 70 € Heizkosten + 563 € = 1482 €

1.482 € x 1,15 = 1.704 € Mindestalimentation

Da im Gesetz lebenslang für die gesamte Familie steht, müsste hier theoretisch noch ein Anteil für einen Ehepartner hinzugerechnet werden. Die Kinder sind dann im Regelfall schon aus dem Haus.

Ergänzend:

Angenommen die Kinder sind aus dem Haus und der Beamte muss nur noch sich und seinen Ehegatten unterhalten.

Bürgergeld Niveau München:

1.092 € Bruttokaltmiete + 80€ Heizkosten + 506 € + 506 € = 2.184 € Bürgergeld für 2 Personen

2.184 € x 1,15 = 2.511 €  (Netto) Mindestalimentation für 2 Personen


SwenTanortsch

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« Antwort #6292 am: 13.08.2024 18:57 »
Du zitierst entsprechend die zentrale Passage, nämlich dass der Gesetzgeber die "strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme" hinreichend zu beachten hat, also insbesondere nicht ausklammern kann, dass hinsichtlich des Beamten ein Sonderstatusrecht gilt, weshalb der Beamte prinzipiell anders zu betrachten ist als der in der Privatwirtschaft tätige Arbeitnehmer, was ebenso für Versorgungsempfänger und Rentner gilt. Es gibt in der gesetzlichen Rente keine sachlichen Vergleichsgegenstände, die zur Rechtfertigung der Höhe einer "Mindestversorgung" herangezogen werden könnten. Falls es sie DEiner Meinung nach gäbe, solltest Du sie konkret nennen.

Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus 2005 festgestellt, dass das Rentensystem nach seiner Neufassung zu abgesenkten Rentenansprüchen geführt hat, was es u.a. als mit ausschlaggebend dafür betrachtet hat, dass ebenso Versorgungsempfängern trotz abgesenkter Versorgungshöchstbezüge noch eine amtsangemessene Versorgung gewährt worden sei. In diesem Sinne hat es in der Entscheidung unter anderem ausgeführt:

"Die absehbare Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung des Alterseinkommens der Rentner, nicht jedoch wegen des Anstiegs der Versorgungsausgaben gerechtfertigt. Die Reform der Beamtenversorgung geht zwar über die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Rentenreform 2001 hinaus. Sie hält sich aber noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums" (Rn. 120).

Wenn Du Deine Vermutung belegen willst, dass das Bundesverfassungsgericht 2005 bereits eine Berechnungsmethodik zur Erstellung einer Art "Mindestversorgung" in petto gehabt, dese aber seitdem nicht ausgeführt habe, dann solltest Du das an der jeweiligen Rechtsprechung, der Historie der Rechtsprechungsentwicklung sowie den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen darlegen, in die die jeweilige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts historisch genauso wie aktuell grundsätzlich eingebunden ist. Ansonsten bleibt es eine unbegründete Vermutung, die nicht zuletzt nicht die prinzipiellen Problematiken entkräften könnte, die ich eingangs  in meinen Darlegungen ausgeführt und begründet habe. Deren sachliche Entkräftung kann nicht durch Vermutungen geschehen, sondern muss differenziert aus der Betrachtung der jeweils maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen.

Ergo: Begründe mal, wie die in meinem Ausgangspost dargelegten Problematiken unter lit. a bis c im Abschnitt zur indiziellen Mindestversorgung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgelöst werden könnten. Auf der Basis eine solchen Darlegung könnte dann eine fruchtbare Diskussion erfolgen, denke ich.

@ InternetistNeuland

Auch in solchen Darlegungen, die keinerlei Bezug zur bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und damit zum Alimentationsprinzip aufweisen, kommt ihr hier nicht weiter. Es kann prinzipiell aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur der Kontrollmaßstab der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie herangezogen werden, und zwar auch dann, sofern der Besoldungsgesetzgeber ein Doppelverdienermodell betrachten wollte. Will er es betrachten, hätte er zunächst einmal einen dafür hinreichenden Kontrollmaßstab zu erstellen, für den er verfassungsrechtlich die Forderungen des Alimentationsprinzips heranzuziehen hätte. Allerdings ist der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass er in der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation des von ihm ernannten Beamten auf Einkünfte von Familienmitglieder zurückgreifen könnte, die in keinem unmittelbaren Dienstverhältnis zu ihm stehen. Er kann also durchaus ein Doppelverdienermodell als Leitbild seiner familienpolitischen Vorstellungen heranziehen - aber die Prüfung der amtsangemessenen Alimentationshöhe erfolgt bis auf Weiteres anhand der vom Bundesverfassungsgerichts erstellten Kontrollmaßstäbe: Denn an diese ist die judikative Gewalt gebunden. Und aus dieser Bindung heraus haben sie deshalb die entsprechende Kontrolle zu vollziehen, was auch dann der Fall wäre, sofern der Besoldungsgesetzgeber eigene Kontrollmaßstäbe ins Feld führen wollte, die die judikative Gewalt dann auf ihren sachgerechten Gehalt hin kontrollieren, aber nicht als für sie bindend betrachten könnte.

Dogmatikus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6293 am: 14.08.2024 07:56 »
Mit anderen Worten:

BVErfG: Beamter muss aufbauend auf 4-Kopf-Familie mind. Hartz IV + 15% erhalten, darauf aufbauend Abstandsgebot.

Gesetzgeber kann daher regeln, dass Beamte wie folgt betrachtet werden:
  • wie bisher aufbauend auf 4-Kopf-Familie Hartz IV + 15 %, darauf aufbauend Abstandsgebot
  • aufbauend auf dem Doppelverdienermodell Hartz IV + 15 % + Betrag x, darauf aufbauend Abstandsgebot. Angerechnet werden x € Partnereinkommen. x bspw. 20.000 €

Das Ergebnis ist letztlich gleich. Was der Gesetzgeber allerdings nach der bisherigen Rspr. nicht darf ist, dem Beamten auf Grundlage des Doppelverdienermodells wie folgt zu betrachten:

  • Hartz IV + 15 % - 20.000 €

Liegt eigentlich auf der Hand, aber naja, wer Geld sparen will, dem ist alles recht.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6294 am: 14.08.2024 08:41 »
Auf den Punkt gebracht, ist es genauso, Dogmatikus: Es gibt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt, der dafür sprechen könnte, dass der Besoldungsgesetzgeber in der Bemessung seiner Alimentationsverpflichtung auf das Eigentum Dritter zurückgreifen könnte, die sich nicht in einem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu ihm befinden. Vielmehr bildet Art. 14 Abs. 1 GG in unserer Rechtsordnung eine so starke Rechtsposition, dass jeder Politiker weiß, dass sich in unserer Rechtsordnung niemand das Eigentum anderer gegen dessen Willen aneignen darf. Wer das als politischer Verantwortungsträger nicht weiß, dürfte so wenig Ahnung von unserer Rechtsordnung haben, dass ihn das kaum dazu befähigen sollte, entsprechende Verantwortung zu tragen.

SchrödingersKatze

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6295 am: 14.08.2024 08:58 »
Leicht off-topic in der aktuellen Diskussion, dennoch beschäftigt mich das Thema. Der Gesetzgeber redet von der Anpassung an die Lebensrealitäten im Sinne eines Hinzuverdiensts durch Ehegatten.

Eine weitere Lebensrealität ist aber auch die von Alleinerziehenden.
Die strukturelle Kinderbetreuung lässt bekanntermaßen an Quantität und Qualität missen. Eine weitergehende Vollzeitberufstätigkeit ist daher mindestens schwer, teilweise unmöglich.

Natürlich ist dann kein Ehepartner tatsächlich mit zu unterhalten, aber meist eben auch kein Vollzeitverdienst vorhanden. So viel ich weiß, wird auch der Familienzuschlag in einer Teilzeitbeschäftigung anteilig gekürzt (hier lasse ich mich gerne verbessern.)

Man könnte dann wieder mit dem "Hinzuverdienst" des Ehegatten in Form von Unterhalt argumentieren. Aber auch hier kommt wieder die Lebensrealität ins Spiel, nämlich, dass 50 Prozent (!!!) der Alleinerziehenden keinen und weitere 25 Prozent zu wenig Unterhalt vom Unterhaltspflichtigen bekommen.

Der Unterhaltsvorschuss federt das zwar teilweise ab, aber durch eine anteilige Anrechnung des Kindergeldes ist diese Personengruppe auch wieder schlechter gestellt.

MMn ist es dennoch scheinheilig mit anderen Lebensrealitäten zu argumentieren, dabei aber dann doch wieder Rosinen zu picken.

Wilkinson13

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6296 am: 14.08.2024 09:03 »
Weiterhin stimmen mich regelmäßige gemeinsame Essen von Verfassungsrichtern und Regierungsvertretern nicht gerade optimistisch. Ich weiß, dass das seit jeher Usus ist. Dennoch muss man es nicht gutheißen. Man kann mir erzählen, was man will, aber da werden wichtige Dinge besprochen und nicht nur miteinander gegessen.
Es ist ein erheblicher Unterschied, ob da Dinge besprochen werden - das ist ja wohl der Sinn solcher Treffen - oder ob hier tatsächlich eine signifikante Einflussnahme der Politik gegenüber dem Gericht stattfindet. Letzteres zu unterstellen, hat in meinen Augen durchaus einen verleumderischen Charakter, wenn man nicht in der Lage ist, mehr Indizien zu liefern als "Die spendieren denen regelmäßig ein teures Mittagessen und reden dabei miteinander.". Amtsangemessene Alimentation auch von Verfassungsrichtern hin oder her - dass man die mit einem teuren Mittagessen "kaufen" kann, halte ich dann doch für sehr, sehr fragwürdig...

Ich muss das nochmal aufgreifen...

Wir reden hier ja nicht von Bestechung. Auch ich bin fest davon überzeugt, dass die Richterschaft in Deutschland unbestechlich ist. Auch glaube ich nicht, dass die politischen Vertreter hier über Gebühr Einfluss nehmen wollen/werden.

Das Problem bei diesen Treffen liegt in der Metaebene...Es ist im Grunde Lobbyarbeit. Hier hat eine, an einem Verfahren beteiligte Partei, die Möglichkeit außerhalb des Protokolls Ihre Position darzustellen. Mit all den Bedenken hinsichtlich klammer Kassen und unmöglicher Nachzahlungen usw. . Die eine Partei kann Verständnis für Ihre "sehr schwierige" Position erzeugen und erklären, warum sie in den letzten Jahren so handeln musste, wie sie es tat.
Ein vergleichbares Treffen mit den Klägern gibt es aber nicht.
Insbesondere geht kein Richter mit einem A5er essen um sich dessen Situation anzuhören. Und auch hier macht es einen Unterschied. Denn ein Richter mit R Besoldung kann sich nciht in die Probleme eine Beamten einfühlen, der nicht einmal 15 % mehr Geld bekommt, als einer der keiner Beschäftigung nachgeht.

Ja, ich weiß. Ein Richter entscheidet nach Fakten und nicht nach Gefühlen. Aber wir wissen doch alle aus unserem täglichen Geschäft, dass es einen Unterschied macht, ob ich einen Beteiligten persönlich kenn und mir dessen Position angehört habe oder ob ich die Position nur aus einem anwaltlichen Schreiben deschiffreiert habe.

Und dann macht einen Unterschied, ob ich mir im Rechtsstreit die Beweggründe der einen Partei und deren persönliche Probleme anhöre und von der Anderen nicht.

Wenn sich meine Kinder streiten, kann ich mir auch nicht nur die "Story" des einen anhören und des anderen nicht.

axum705

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6297 am: 14.08.2024 09:51 »
Ich finde es befremdlich, dass von Seiten des Gesetzgebers angenommen wird, dass in der neuen Lebensrealität der Hinzuverdienst des Ehegatten den Familien regelmäßig dazu dienen soll, auf die 115% Bürgergeldniveau zu kommen. Das würde ja bedeuten, dass im Gegensatz zum Alleinverdiener-Modell in der heutigen Zeit zwei Gehälter notwendig sein müssen, um das Existenzminimum zu überschreiten. Für mich ist die Frage daher auch, ob beim Hinzuverdiener-Modell die 115% dann überhaupt ausreichend sind. Der Prozentsatz müsste hier aus meiner Sicht analog zu Dogmatikus' Darstellung entsprechend erhöht werden, z. B. auf 130%, denn es wird eine leistungslose Transferleistung mit dem Einkommen zweier statt einer Person verglichen. Einfach festzustellen, dass früher Bürgergeld + 15% als Untergrenze ausreichend waren, nun aber Bürgergeld + 15% abzüglich x, das der Ehegatte beisteuern muss, funktioniert doch ohne Anpassung der Ausgangsbasis nicht.

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6298 am: 14.08.2024 10:01 »

...seit wieviel Jahren dikutiert man dieses Thema sich im Kreis drehend?...4 Jahre?...5 Jahre?...

...um es als Zwischenruf mal mit Klaus Lage zu sagen: "1000 mal berührt, 1000 mal ist nichts passiert"...

...bis es "Zoom" macht, werden Einige hier wahrscheinlich nicht mehr erleben... 8)
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Wilkinson13

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6299 am: 14.08.2024 10:14 »
Ich finde es befremdlich, dass von Seiten des Gesetzgebers angenommen wird, dass in der neuen Lebensrealität der Hinzuverdienst des Ehegatten den Familien regelmäßig dazu dienen soll, auf die 115% Bürgergeldniveau zu kommen. Das würde ja bedeuten, dass im Gegensatz zum Alleinverdiener-Modell in der heutigen Zeit zwei Gehälter notwendig sein müssen, um das Existenzminimum zu überschreiten. Für mich ist die Frage daher auch, ob beim Hinzuverdiener-Modell die 115% dann überhaupt ausreichend sind. Der Prozentsatz müsste hier aus meiner Sicht analog zu Dogmatikus' Darstellung entsprechend erhöht werden, z. B. auf 130%, denn es wird eine leistungslose Transferleistung mit dem Einkommen zweier statt einer Person verglichen. Einfach festzustellen, dass früher Bürgergeld + 15% als Untergrenze ausreichend waren, nun aber Bürgergeld + 15% abzüglich x, das der Ehegatte beisteuern muss, funktioniert doch ohne Anpassung der Ausgangsbasis nicht.


Naja, die Grundlage für die Berechnung wäre ja das Bürgergeld von zwei Personen (563+541) und nicht nur das von einer. Dann kann man wieder leicht mit 15 % Aufschlag rechnen.
Wenn das "durchkäme" wäre das schon eine Erhöhung für die unteren Besoldungsstufen. :-X


Ich sehe das Problem aber (wie du) bei den 15 %. Wer würde denn für ein "Mehr" von 15% (~2,50 Euro die Stunde, 160 Stunden im Monat) einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst nachgehen? Sonderleistungen sind da noch gar nicht berücksichtigt.
Die 400 Euro verdiene ich wenn ich nur an 2 Samstagen (8x25,-) auf dem Bau helfe...und dann habe ich den Rest des Monats frei.