@ Bernd
Die A-, B- und R-Besoldung sind über die Mindestbesoldung miteinander verbunden, fußen also auf dem identischen Fundament. Deshalb hebt Stuttmann hervor, dass „die hierarchisch gestuften Besoldungsgruppen wegen des Abstandsgebots wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden“ seien (S. 553). Als Folge müssen die Grundgehaltssätze alle drei Besoldungsgruppen angehoben werden, sofern sich die Grundgehaltssätze einer der drei Gruppen als evident verfassungswidrig erweisen. In seinen Worten mit Blick auf die BverwG-Entscheidung zur R-Besoldung: „In Berlin beispielsweise muss dann jeder Beamte mindestens A8 verdienen.“ (S. 552)
In Niedersachsen hat man 2017 ebenfalls die erste Erfahrungsstufe ersatzlos gestrichen, was eventuell noch verfassungskonform war. Das Streichen von vier Erfahrungsstufen wäre aber offensichtlich verfassungswidrig, weil gegen das Leistungsprinzip verstoßend. Denn die Erfahrungsstufe ziehen ihre Rechtfertigung daraus, dass besoldungsrechtlich davon ausgegangen wird, dass mit zunehmender Erfahrung – also zunehmender Dienstzeit – eine höhere Leistung erbracht wird. Mit der ersatzlosen Streichung von vier Erfahrungsstufen würde dann aber ein Verstoß gegen das Abstandsgebot erfolgen, da ein Beamter mit erst sehr kurzer Dienstzeit auf dasselbe Besoldungsniveau gehoben werden würde wie ein Beamter mit sehr viel längerer Dienstzeit und also mit deutlich mehr Erfahrung und in dieser Logik mit einem deutlich größeren Leistungsertrag. Das aber stellte so betrachtet einen Verstoß gegen das Leistungsprinzip dar und wäre von daher verfassungswidrig.
Darüber hinaus wäre ein solches Vorgehen gleichfalls verfassungswidrig, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner aktuellen Entscheidung die Grundgehaltssätze ausnahmslos jeden betrachteten Jahres für verfassungswidrig erklärt hat. Würde man nun also durch die Streichung jener vier Erfahrungsstufen zwar indirekt die Grundgehaltssätze für KuK mit weniger Erfahrungszeiten erhöhen, würden sich die der KuK mit längeren Erfahrungszeiten nicht verändern – da aber alle Grundgehaltssätze verfassungswidrig sind, sind entsprechend auch alle anzuheben. In diesem Sinne betont das Bundesverfassungsgericht: "Das Abstandsgebot gebietet dabei nicht allein, dass die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter im Hinblick auf die Endstufen zum Ausdruck kommt. Vielmehr ist es erforderlich, dass zur Wahrung der Stringenz des gesamten Besoldungssystems die unterschiedliche Wertigkeit der Ämter auch in sämtlichen einander entsprechenden (Erfahrungs-)Stufen abgebildet wird." (Beschluss vom 23.05.2017 - 2 BvR 883/14 u.a. - Rn. 76)
@ rw
Die deutschen Gerichte folgen regelmäßig der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die jene im Urteil vom 28.06.2011 – BVerwG 2 C 40.10 – Rn. 7 wie folgt festgehalten hat: „Das Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung der genannten Ansprüche folgt aus dem gegenseitigen Treueverhältnis, nach dem Beamte Rücksicht auf berechtigte Belange des Dienstherrn nehmen müssen. Da die Alimentation einen gegenwärtigen Bedarf decken soll, kann der Beamte nicht erwarten, Besoldungsleistungen für zurückliegende Haushaltsjahre zu bekommen, solange er sich mit der gesetzlichen Alimentation zufriedengegeben hat. Die Rügeobliegenheit ist mit geringen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen. Sie soll den Dienstherrn auf haushaltsrelevante Mehrbelastungen aufmerksam machen.“
Auf dieser Grundlage werden regelmäßig alle Widersprüche abgewiesen, die sich auf die Zeit vor dem jeweils aktuellen Kalenderjahr beziehen. Dabei ist gleichzeitig in Rechnung zu stellen, dass Beamte wegen ihres Amtseids ihrem Dienstherrn nicht gutgläubig folgen dürfen. In diesem Sinne formuliert § 36 des Beamtenstatusgesetzes:
„(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen.“
@ WasDennNun
Ohne die Diskussion wieder aufnehmen zu wollen: Wenn Du in Deinem Gedankenspiel die Zuschläge der ersten beiden Kinder auf die Höhe ab dem dritten Kind heben willst (also von rund 3.700,- auf rund 9.400,- €), dann missachtest Du den „qualitativen Sprung“ vom zweiten zum dritten Kind, den ich vorgestern dargestellt habe. Als Folge jenes Sprunges müsstest Du dann die Zuschläge ab dem dritten Kind wiederum um über das Dreifache erhöhen – mit den Folgen, die ich dort schon beschrieben habe.
Nach Deiner Logik hätte das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 2 BvL 6/17 den Familienzuschlag für das dritte Kind im Jahr 2013 nicht um knapp 100,- €, sondern um mehr 1.000,- € erhöhen müssen, was es nicht getan hat, eben weil die von Dir anvisierten Höhen irreal sind – und im Verfahren 2 BvL hätte es nicht die Grundgehaltssätze aller betrachteter Jahre für verfassungswidrig erklärt, sondern sämtliche Familienzuschläge, die aber – als Detailregelung – weitgehend nicht vorkommen.
@ Spid
2012 hat das Bundesverfassungsgericht Klagen von Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost, die sich auf das Streitjahr 2004 bezogen, abgewiesen, zugleich aber klargestellt, dass die vom Alimentationsprinzip betroffene Bestandteile der Alimentation geschützt sind (Beschluss vom 17.01.2012 – 2 BvL 4/09 – Leitsatz). Da sich der Streitgegenstand aber auf die Sonderzahlungen bezog und diese keinem Schutz durch das Alimentationsprinzip unterliegen und es schon zuvor strukturelle Unterschiede zwischen Bundes- und Postbeamten gegeben hatte (Rn. 64-68), wurden die Klagen als unbegründet zurückgewiesen (interessant sind zugleich der BVerwG-Beschluss vom 31.03.2011 – 2 C 121. 07 – sowie dessen Urteil vom 09.04.2013 – 2 C 5.12 – auf Grundlage der genannten BVerfG-Entscheidung).
Vgl. zum Verfahrensgang:
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerfG&Datum=17.01.2012&Aktenzeichen=2%20BvL%204%2F09Wenn auch eine am Ende abschlägige Entscheidung gefallen ist, zeigt das Verfahren aber, dass es auf Bundesebene Widersprüche und Klagen gegeben hat. Aktuelle habe ich zwar in erster Suche nichts Weiteres gefunden. Es wäre aber erstaunlich, wenn nicht auch Bundesbeamte spätestens ab 2015 Widerspruchsverfahren angestrengt hätten.
Eventuell wäre eine gute Adresse, an die Du Dich wenden könntest, um weitere Infos zu erhalten, die Gewerkschaft der Polizei. Denn die ist von allen Gewerkschaften, nicht nur, was die Besoldung anbelangt, mit am aktivsten. Dort sollte man – denke ich – auf jeden Fall wissen, was sich ab 2013 auf Bundesebene getan hat.