Der langen Rede kurzer Sinn: Doch, die derzeitige Höhe des Grundgehalts sollte - in Anbetracht der deutlichen Steigerung der Mindestalimentation - generell verfassungswidrig sein. Ein System, in dem die Mindestalimentation um streckenwesie mehr als dreißig und vierzig Prozent erhöht werden muss, kann nicht anhand der ausschließlichen Erhöhung von Beihilfeleistungen, Zulagen, Zuschlägen und Sonderzahlungen ausdifferenziert werden, ohne gänzlich aus dem Lot zu geraten.
Die Mindestalimentation für Beamte mit (zwei) Kinder, ja.
Für Singles, Nein.
Änderung der Höhe des Famzuschlages und schon bleiben Singles bei einer +1€ in der Alimentationserhöhung.
Ich verstehe nicht warum das nicht gehen sollte.
Oder bist du ernsthaft der Meinung, dass die Alimentation eines Singles zwingend um 30% erhöht werden muss, damit diese Verfassungskonform ist?
Der Jahrelange Fehler im Besoldungssystem ist, dass die Kinderzuschläge zu niedrig sind im Gesamtgefüge und damit das Grundgehalt zu teuer wurde.
Weiterhin kann man ja die Einstiegsstufen abschaffen und die Laufzeiten der oberen erhöhen, somit die jüngeren Beamten mit nem Geldregen versorgen und die oberen gehen dann auch leer aus. Warum sollte diese Variante nicht greifen? Wo wäre da ein Verfassungskonflikt?
Ich sehe bezogen auf die Mindestalimenation genug Spielraum, dass es für die Endstufe kein nennenswerten Cent mehr gibt, wenn man die Besoldungssystematik ein wenige verdreht.
Ich glaube, ich hätte besser gleich anhand der Praxis und nicht weitgehend mittels eines langen und weitgehend theoretischen Textes argumentieren sollen: Denn grau ist alle Theorie. Deshalb mache ich nun die
Wirkung, die sich aus der ursprünglich sozialgesetzlichen Grundlage des Grundsicherungsniveaus ergibt, noch einmal anhand der Berliner Nettoalimentation in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe nachvollziehbar:
Zunächst erstelle ich anhand des Besoldungsrechners die aktuellen Werte für die BesGr. A 4, Erfahrungsstufe 1, Familienzulage Stufe 3 (verheiratet, zwei Kinder), Lohnsteuerklasse III (
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2020&g=A_4&s=1&f=3&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2020&stkl=3&r=0&zkf=0):
a) Grundgehalt: + 2.180,53 €
b) Familienzulage: + 409,58 €
c) Sonderzahlung: + 129,17 €
c) Monats-Brutto: + 2.719,28 €
d) Lohnsteuer: -152,67 €
Monats-Nettobesoldung: 2.566,61 € bzw. Jahresnetto: 30.799,32 €
Um zur Nettoalimentation zu gelangen, sind weiter zu beachten (ich nehme die Werte meines Beitrags vom 20.08., 18:05 Uhr zur Grundlage):
e) Kindergeld: + 404,- €
f) PKV: - 501,50 €
Die monatliche Nettoalimentation liegt folglich bei 2.369,28 € oder bei 28.431,36 € pro Jahr.
Die Mindestalimentation beträgt nach (s. wiederum den genannten Beitrag):
Variante I: 37.361,54 € pro Jahr bzw. 3.113,46 € pro Monat
Variante II: 38.576,60 € pro Jahr bzw. 3.214,72 € pro Monat
Variante III: 39.463,11 € pro Jahr bzw. 3.288,59 € pro Monat
Die derzeitige Nettoalimentation müsste also pro Monat in der
Variante I um 744,18 € (+ 31,04 %)
Variante II um 845,44 € (+ 35,68 %)
Variante III um 919,31 € (+ 38,8 %)
erhöht werden.
Bei den drei letzten Werten handelt es sich wegen des Nettoprinzips der Grundsicherung weiterhin um Nettowerte. Sie müssten nun zunächst wieder in Bruttowerte überführt werden, weil ja die Besoldungsordnung an Bruttowerten auszurichten ist, von denen nach Steuerabzug die jeweilige Nettobesoldung bzw. Nettoalimentation übrig bleibt. Da mir diese Berechnung nicht möglich ist, vereinfache ich die Umrechnung, indem ich die prozentuale Nettoerhöhung auf die vorliegende Bruttobesoldung übertrage.
Diese Umrechnung ist in der Realität natürlich so nicht möglich, da sich wegen des progressiven Steuersystems die Prozentwerte zwischen Brutto- und Nettobeträgen unterscheiden. Deshalb gehe ich willkürlich davon aus, dass die Bruttobeträge im Durchschnitt um 5 % niedriger liegen als die Nettobeträge. Damit halte ich am durchgängigen Prinzip fest, dass die Problematik von einem beträgemäßig eher unteren Rand her betracht wird. Denn ich schätze, dass der prozentuale Unterschied nicht so groß sein sollte.
Aus der letzten Überlegung ergeben sich für das Monats-Bruttogehalt von 2.719,28 €
Variante I (+ 26,04 %): 3.427,38 € (+ 708,10 €)
Variante II (+ 30,68 %): 3.553,56 € (+834,28 €)
Variante III (+ 33,8 %):3.638,40 (919,12 €)
Also müsste das derzeitige Monats-Bruttogehalt von derzeit 2.719,28 € in den drei Varianten um jeweils
Variante I: + 708,10 €
Variante II: + 834,28 €
Variante III: + 919,12 €
erhöht werden, damit später die Netto-Mindestalimentationshöhe nicht signifikant unterschritten wird.
Das derzeitige Monat-Bruttogehalt von 2.719,28 € in der ersten Erfahrungsstufe der Bes-Gr. A 4 setzt sich zusammen aus (s.o.):
a) Grundgehalt: + 2.180,53 €
b) Familienzulage: + 409,58 €
c) Sonderzahlung: + 129,17 €
Dem könnte nun ein Ortszuschlag hinzugefügt werden, der jedoch nicht so hoch bemessen sein darf - wie ich in den Tagen zuvor dargelegt habe -, dass er am Ende das Abstandsgebot verletzte. Er könnte wie auch der Familienzuschlag sozial differenziert werden, also in höheren Besoldungsgruppen höher ausfallen als in unteren, da in der Logik des Verfassungsgerichts die höheren Besoldungsgruppen ob der angenommenen höheren Qualität ihrer Leistung über ein höheres Ansehen verfügten, das sich wiederum auch in zu gestattener höher Konsumfähigkeit auswirkte und folglich dann auch in repräsentativeren Unterkünften zeigen könnte. Eine solche soziale Staffelung würde zugleich die Folgen des Abstandsgebots beachten, woraus ebenfalls folgt, dass er in den unteren Besoldungsgruppen nicht übermäßig hoch ausfallen kann.
Die Sonderzahlung(en) könnten gleichfalls - wie es derzeit ebenfalls der Fall ist - sozial gestaffelt werden (derzeit in Berlin: A 4 - A 9 129,17 €; ab A 10 75,- €). Auch dabei müsste dann insbesondere beim Übergang - also derzeit von A 9 nach A 10 - auf das Abstandsgebot geachtet werden. Zugleich wirkt eine Sonderzahlung, von der alle Besoldungsgruppen betroffen sind, wie eine indirekte Erhöhung der Grundgehälter.
Schließlich könnte der Familienzuschlag erhöht werden - aber eben, wie ich gestern und vorgestern geschrieben habe, weitgehend nur anteilig der Wirkung, die die ursprünglich sozialgesetzlich erfolgte Festsetzung auf die jeweiligen Besoldungsbestandteile ausübt.
Wenn man nun also die Variante II zum Maßstab nehmen würde, dann könnte der Besoldungsgesetzgeber den Familienzuschlag für die Besoldungsgruppe A 4 nicht um 834,28 € von also derzeit 409,58 € auf dann 1.243,86 € erhöhen. Denn dann würde er die Wirkungen aus der ursprünglich sozialgesetzlich erfolgten Bestimmung der für die Besoldung zugrunde zulegenden Werte mittels einer sachfremden Erwägung (nämlich Personalkosten zu sparen) nicht beachten.
Durch die aufgrund der aktuellen Verfassungsgerichtsentscheidung in ihrem sozialgesetzlichen Ursprung höher zu veranlagenden Heiz- und Unterkunftskosten sowie die Kosten für die Bedarfe von Bildung und Teilhabe muss der Familienzuschlag - insbesondere wegen der deutlich höheren Bedarfe von Bildung und Teilhabe - zukünftig steigen. Dafür werden auch gewisse Anteile der Heiz- und Unterkunftskosten sorgen, die sich in ihrer Wirkung auf die Kinder zurückführen lassen. Da aber am Ende nicht die Kinder, sondern die Eltern bzw. die Beamten allesamt (und nicht nur Beamte, die verheiratet und/oder auch Eltern sind) Unterkunfts- und Heizkosten zahlen, muss das bei der Neubestimmung der Besoldungsordnung beachtet werden. Alles andere wäre ein unmittelbarer Verstoß gegen den Gleichheitssatz, eben weil alle Beamte, wie in den letzten Tagen gezeigt, gezwungen sind, Unterkunfts- und Heizkosten zu begleichen.
Ergo: Da das Grundgehalt der dominate Faktor der Besoldung ist und es auch zukünftig bleiben wird, muss eine streckenweise über 30 bis über 40 %ige Alimentationssteigerung zwangsläufig Auswirkungen auf das Grundgehalt haben. Die Zulagen, Zuschläge und Sonderzahlungen differenzieren das Besoldungssystem aus, sie können aber nicht zu einem "nebendominaten" Faktor der Besoldung werden, ohne das gesamte Besoldungsgefüge in Unwucht zu bringen.