Historisch hat das Verfassungsgericht entschieden, dass ein Beamter in A2 der ohne Ausbildung einfache Tätigkeiten ausführt 15% über Grundsicherungsniveau (bei 4 köpfiger Familie) verdienen muss.
Wie bereits einige geschrieben haben, sind in einigen Bundesländern mittlerweile A7 die niedrigsten Besoldungsgruppen. Für diese braucht man aber zumindest eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Hier kann also nicht mehr von einfachster Tätigkeit die Rede sein, weshalb entsprechend eine Besoldung knapp über Grundsicherung nicht gerechtfertigt wäre.
Besteht überhaupt eine realistische Möglichkeit gegen diese 15 % Regelung vorzugehen?
In BW wo es ab A7 losgeht, macht nur wieder der Richterbund Musterklagen, da geht es aber wieder nur um R1, etc.
Dagegen müssten sich doch die ganzen A5, A6, A7 beschweren, je nachdem wo es in welchem Bundesland losgeht?
Ist nicht der neue A7 der alte A2 - A5, ohne besondere Ausbildung mit einfachen Tätigkeiten (bei uns waren diese Tätigkeiten z. B. in der Poststelle oder in der Registratur angesiedelt)?
Insgesamt gilt ja weiterhin das Laufbahnprinzip, das zum einen jedoch bislang keine abschließende verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme durch das Bundesverfassungsgericht erfahren hat, jedoch umfassend vom Bundesverwaltungsgericht ausgelegt worden ist, wie das Lorse, ZBR 2020, S. 181 (182 f.) in einem lesenswerteren Beitrag zum Laufbahnprinzip auf den Punkt bringt, der es zurecht als "Dauerkontroverse" betrachtet (ebd., S. 183 f.), nachdem sich durch die Reföderalisierung des Besoldungsrechts 2006 ein neuer Laufbahnbegriff herausgebildet hat (ebd., S. 184 ff.), den er in Konsequenz schlüssig als eine "Verflüssigung der Laufbahnggruppengrenzen" herausstellt (ebd., S. 188), um es am Ende offensichtlich als fraglich zu betrachten, "ob die zu konstatierende föderale Zersplitterung des Laufbahnrechts dem durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorgegebenen Mindeststandard des Grundgesetzes [Fn.] gerecht wird und in dieser Form tatsächlich die adäquate Antwort auf europarechtliche Globalisierungstendenzen" sei (ebd., S. 189). Letztlich findet sich auch hier der "Qualitätsverfall des Rechts", wie er seit 2006 sich vollzogen hat (vgl. die eingetroffene Prognose Rudolf Summers aus dem Jahr 2006 in der Nr. 8260
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.8250.html).
Auf der anderen Seite hat bspw. Hamburg, um das es hier zurzeit wiederkehrend geht, im § 14 HmbBG klare Zugangsvoraussetzungen zu den jeweiligen Laufbahnen geregelt (
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-BGHA2009pP14). In den unteren Laufbahngruppen ist dort eine erste Wasserscheide der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Einstiegsamt in der Laufbahngruppe 1. Die "Verflüssigung", die Du ebenfalls hervorhebst, findet sich aber bspw. im § 16, der auf die von Lorse hervorgehobenen "europarechtlichen Globalisierungstendenzen" reagiert, oder auch im § 17, der ausführt:
"(1) Die Befähigung für eine Laufbahn kann
auch ohne Erfüllen der vorgeschriebenen Zugangsvoraussetzungen erwerben, wer
durch Lebens- und Berufserfahrung innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes befähigt ist, die Aufgaben der angestrebten Laufbahn wahrzunehmen (andere Bewerberin oder Bewerber). Dies gilt nicht, wenn eine bestimmte Vorbildung, Ausbildung oder Prüfung durch eine Regelung außerhalb des Beamtenrechts vorgeschrieben oder eine besondere Vorbildung oder Fachausbildung nach der Eigenart der Laufbahnaufgaben zwingend erforderlich ist.
(2) Die Befähigung von anderen Bewerberinnen oder anderen Bewerbern ist durch den Landespersonalausschuss festzustellen." (Hervorhebungen durch ST.)
Entsprechend bleibt der § 4 zur Befähigung und Erwerb der Befähigung der HmbLVO (
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-LbVHA2010V3P4/part/S) erwartbar eher schwammig. Zugleich muss eine solche "Verflüssigung" des (Beamten-)Rechts dann mehr oder weniger zwangsläufig zu weiteren Regelungen führen, die zwangsläufig wiederkehrende Formelkompromisse enthalten müssen, da das die typische Folge des "Qualitätsverfalls des Rechts" ist: Was nicht mehr übergreifend klar geregelt ist, franst aus, wird unklar, bleibt vage und verliert so seine rechtliche Qualität, indem es "verflüssigt". Eine typische solcher Regelungen findet sich in Hamburg bspw. hier:
https://www.dbb-hamburg.de/fileadmin/user_upload/www_dbb-hamburg_de/pdf/dienstvereinbarungen/Dienstpostenbewertung_-_Zustaendigkeitswechsel.pdfMit Baden-Württemberg habe ich mich mal vor geraumer Zeit tiefergehend beschäftigt, aber das meiste schon wieder vergessen. Baden-Württemberg weicht von der in den meisten Rechtskreisen viergliedrigen Regelungen der Laufbahnen mit also zwei Laufbahnen, die wiederum jeweils in zwei Laufbahngruppen unterteilt sind und die mittlerweile in fast allen Ländern abgeschaffte ehemalige Aufteilung in "einfachen", "mittleren", "gehobenen" und "höheren Dienst" in modifizierter Form abbildet oder noch überkommen lässt, ab, indem es den "einfachen Dienst" abgeschafft und so eine Dreigliedrigkeit hinterlassen hat, vgl. den § 14 LBG (
https://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=BG+BW+%C2%A7+14&psml=bsbawueprod.psml&max=true). Die "Verflüssigung der Laufbahngruppengrenzen" zeigt sich hier bspw. darin, dass nun nicht mehr ein präzises Leistungsprinzip zu finden ist, sondern eine Art Pädagogisierung des Rechts, indem es eingangs des zweiten Absatzes unter anderem heißt: "Die Zuordnung einer Laufbahn zu einer Laufbahngruppe erfolgt nach dem
Schwierigkeitsgrad der wahrzunehmenden Dienstaufgaben" (Hervorhebung durch ST.). Solche an schulische Anforderungsbereiche (Anforderungsbereich I: Reproduktion, Anforderungsbereich II: Transfer, Anforderunfsbereich III: Bewertung) erinnernden Begriffe bleiben jedoch unpräzise, wenn sie nicht weiter konkretisiert werden (anders als die gerade in Klammern genannten Anforderungsbereiche, die klar gegeneinander abgegrenzt werden können). Ebenso zeigt sich die "Verflüssigung" des Rechts auch dann, wenn es im Anschluss heißt: "Den Laufbahngruppen sind die Ämter
grundsätzlich wie folgt zugeordnet" (Hervorhebung durch ST.). Denn der bestimmte Rechtsbegriff "sind" wird durch seine Einschränkung mittels des "grundsätzlich" letztlich unbestimmt. Nicht umsonst schließt der zweite Absatz mit der Passage ab: "Im Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg werden für einzelne Laufbahnen Eingangsämter und Endämter abweichend bestimmt,
wenn es die besonderen Verhältnisse der Laufbahn erfordern." (Hervorhebungen durch ST.) Denn es ist zu vermuten, dass die unklaren Abgrenzungen gegeneinander im Einzelfall wiederkehrend zu "besonderen Verhältnissen" führen, da das, was in der "Verflüssigung" des Rechts nicht mehr eindeutig ist, als Teil "besonderer Verhältnisse" begriffen werden kann oder ggf. sogar schon begriffen werden muss: Die Schutzfunktion des Rechts mitsamt geordneter (Rechts-)Verhältnisse verliert so ihre Wirkung, "verflüssigt" sich, sodass Rechtsfragen zusehends wieder zu Machtfragen werden (können), womit der Rechtsstaat als solcher ausgehöhlt wird.
Am Ende verbleibt der Artist in der Manege, der zunehmend nur noch vorgaukeln kann, dass er sein Kunststück beherrscht: Denn im "verflüssigten" Recht bleibt wiederkehrend unklar, wer eigentlich wen beherrscht, weil sich in differenzierten Gesellschaften Machtstrukturen permanent verändern. Insofern finden dann fast zwangsläufig vormoderne Strukturen ihre Wiederkehr, die der Personenverbandsherrschaft entlehnt sind, dass also die die Macht sichernde Person und nicht die die Sache in den Mittelpunkt rückende Rechtsstruktur zunehmend grundlegend wird. Entsprechend ist dieser Beitrag zu verstehen:
https://verfassungsblog.de/verlockung-der-macht/Am Ende verliert die Politik in einem demokratischen Herrschaftssystem so ihre Legitimität, da sie sich in der "Verflüssigung" des Rechts zunehmend nicht mehr an eindeutigen Kategorien anlehnen und aus ihnen heraus dem Wähler das eigene Handeln erklären kann, was zwangsläufig zu Vertrauensverlusten führen muss, eben auf Kosten der Lgitimität geht. Die sich (nicht nur) in Deutschland zeigende Krise der Demokratie ist also insbesondere eine Krise des Rechts, das "verflüssigt" den Rechtsstaat aushöhlt: Der "Qualitätsverfall des Rechts" bedingt den Qualitätsverfall des Rechtsstaats und da dieser ein demokratischer ist, wird er fast zwangsläufig zu einem Demokratieproblem. Entsprechend dürfte es interessant werden, was heute das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-2bvf122-schuldenbremse-haushalt-bund-bundestag-vor-urteil/ https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Termine/DE/2023/Urteil%20Zweites%20Nachtragshaushaltsgesetz%202021.html So oder so zeigt sich schon hier, dass ausgerechnet jener Finanzminister, der sich gerne lautstark für die Einhaltung der Schuldengrenze ausspricht, diese bereits vorsorglich mit gedehnt hat, um nun zu behaupten, dass zusätzliche Investitionen den Inflationzielen der EZB widersprechen würden, sodass man besser auf die Ankurbelung des Wirtschatfswachstums durch zusätzliche staatliche Investitionen zu verzichten habe, obgleich man genau das bereits seit längerer Zeit praktiziert.
Wenn also das Recht immer weiter "verflüssigt" wird, wird es absehbar so kommen, wie es Obelix treffend auf den Punkt gebracht hat: Die Wut nimmt immer weiter zu, weil sich zunehmende Teile der Bevölkerung willkürlich behandelt fühlen oder wissen, sodass sich Politiker zunehmend "nicht mehr auf die Straße trauen", also Regierungen für zunehmende Teile der Bevölkerung zu "Herrschenden" werden, denen es also an politischer Legitimität gebricht. Man kann nur hoffen, dass das dem einen oder anderen derer, die sich in unserem Thema Besoldungsrecht schon seit geraumer Zeit nicht mehr in der Lage sehen, mit den Betroffenen zu sprechen, sondern deren sprachliches Handeln sich nur noch hinter vertröstenden Worthülsen ohne sachlichen Wert versteckt - sich also sprichwörtlich "nicht mehr auf die Straße traut" -, vielleicht doch noch einmal anfangen, ihren Kopf etwas weitergehend zu benutzen und also darüber nachdenken, was ihnen Ulrich Battis ins Stammbuch geschrieben hat, dass nämlich wiederkehrende Rechtsverletzungen am Ende demokratiegefährdend sind.