Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3904597 times)

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10125 am: 06.02.2024 12:31 »
Die Diskussion ist doch müßig.
Stimmt, die ist müßig .. Zumal es eben nicht so eindeutig ist, wie du es versuchst darzustellen.

Ein auf Mietstufen basierender Ortszuschlag ist schlichtweg ungeeignet.
Siehst du und genau das sieht das BVerfG zB anders. Zumindest interpretiere ich das so.
Zitat:"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit. "
Quelle: Urteil 2 BvL 4/18 RN 61.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10126 am: 06.02.2024 12:35 »
Was das BVerfG dazu denkt, wird sich zeigen.

Wobei hierbei ja die Äußerungen ehemaliger Mitglieder des Senats (Voßkuhle und jüngst Müller) doch schon sehr tief blicken lassen. Die fühlen sich nach meinem Dafürhalten "nicht ernst genommen" und das schmeckt den Richter:innen schon zwecks Wahrung der eigenen Autorität gar nicht.

Wer in einem Kontext nicht ernst genommen wird, wird auch in deren Sachverhalten nicht ernst genommen. Man müsste sich mal vorstellen das jüngste Haushaltsurteil würde von der Bundesregierung und Bundestag wie die Besoldungsurteile behandelt werden:

"Da fügen wir jetzt einfach mal ein neues Wort ins Haushaltsgesetz rein, eröffnen ein neues Sondervermögen mit einer Fantasiebegründung sowie einem tollen Namen und dann ist das Problem erstmal wieder für fünf bis sechs Jahre erledigt"  ;D

So in etwa verfährt man ja mit den Besoldungsurteilen ...

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10127 am: 06.02.2024 12:50 »
Zitat:"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit. "
Quelle: Urteil 2 BvL 4/18 RN 61.

Allein der erste Satz deines Zitats sagt, aus meinem Verständnis, schon aus, dass die Zuschläge nicht zu hoch sein dürfen, da sie sonst als „Herd-/Karnickelprämie“ zu verstehen sind und dementsprechend gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Zu dem haben die letzten Beiträge eigentlich schon gezeigt, wie wenig das System der Mietenstufen realitätsgerecht ist. Und eine realtätsgerechte Bemessung ist auch Aussage des Beschlusses.

Dunkelbunter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10128 am: 06.02.2024 12:54 »
Zitat:"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit. "
Quelle: Urteil 2 BvL 4/18 RN 61.

Allein der erste Satz deines Zitats sagt, aus meinem Verständnis, schon aus, dass die Zuschläge nicht zu hoch sein dürfen, da sie sonst als „Herd-/Karnickelprämie“ zu verstehen sind und dementsprechend gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Zu dem haben die letzten Beiträge eigentlich schon gezeigt, wie wenig das System der Mietenstufen realitätsgerecht ist. Und eine realtätsgerechte Bemessung ist auch Aussage des Beschlusses.

Anderseits braucht man auch eine Lösung, welche den Wohnort berücksichtigt (siehe damalige Ballungsraumzulage). Aber diese Zulage muss dann für alle in teuren Wohnregionen gelten und nicht nur für Beamte mit Kindern.

Ich hoffe einfach, dass die Ampel noch zusammen hält bis der Entwurf durch ist, dann hat man erstmal etwas, womit man arbeiten kann.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10129 am: 06.02.2024 13:20 »
@Ozymandias, @Malkav, ich sehe es ähnlich wie ihr.

Re Widersprüche: Hier bin ich wirklich gespannt, was passiert, falls NRW diese tatsächlich demnächst nicht mehr ruhend stellt, sondern negativ bescheidet.

Re "nicht ernst genommen": Prinzipiell hast du völlig Recht. Kleines Problem: Bisher haben sämtliche Besoldungsgesetzgeber die BVerfG-Vorgaben einfach wissentlich fehlinterpretiert, indem sie sich ausschließlich auf das "harte" Kriterium des 15%-Abstands beschränkt haben. Und genau hier liegt meine Hoffnung, dass das BVerfG mittlerweile die Faxen dicke hat und entsprechend weitere "harte" Kriterien definiert..

Floki

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« Antwort #10130 am: 06.02.2024 13:33 »
Nein, selbst das haben die Länder nicht vernünftig gemacht. 

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10131 am: 06.02.2024 14:17 »
Der Zweite Senat hat hinsichtlich der Wohngeldstufen des WoGG alles, was nötig ist, bereits gesagt, nämlich in der aktuellen Entscheidung dreierlei:

1. Ein unmmitelbarer Wohngeldbezug ist mit der amtsangemessenen Beamtenalimentation nicht vereinbar:

"Eine Übernahme der in den Existenzminimumberichten angewandten Methode [zur Bemessung der Wohnkosten, um ein realitätsgerechtes Grundsicherungsniveau und daraus abgeleitet die Höhe der Mindestalimentation zu bestimmen; ST] kommt nicht in Betracht. Im streitgegenständlichen Zeitraum wurden darin neben dem gesamtdeutschen Mietenniveau der Wohngeldempfänger der für die Mietenstufen I bis IV nach Fallzahlen gewichtete Durchschnittswert zugrunde gelegt (vgl. BTDrucks 16/11065, S. 3; BTDrucks 18/3893, S. 4; nunmehr aber BTDrucks 19/5400, S. 5) und damit gerade die Mieten der (damals) höchsten Mietenstufen V und VI nach § 12 WoGG außer Ansatz gelassen (vgl. Modrzejewski, Existenzsicherung in Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, 2018, S. 138). Dass die Auffassung der Bundesregierung, diese Methodik sei auch für die Bestimmung der Mindestalimentation heranzuziehen, nicht zutreffen kann, folgt schon daraus, dass sie in ihrer Stellungnahme die Beamten ausdrücklich auf den Wohngeldbezug verweist. Der Besoldungsgesetzgeber kann sich seiner aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtung aber nicht mit Blick auf Sozialleistungsansprüche entledigen; die angemessene Alimentation muss durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <269 f.>; 70, 69 <81>)." (Rn. 56)

Direktiv wird eingangs zunächst festgestellt, dass ein nur Teile der Wohngeldstufen  beachtender Blick zur genannten Bemessung der sachgerechten Mindestalimentation nicht hinreicht und also ein solcher Wohngeldbezug nicht vollzogen werden darf. Im Anschluss wird jeder unmittelbare Rückbezug auf den Wohngeldbezug als sachwidrig betrachtet, da zwischen der Sozialleistung und der Beamtenalimentation ein qualitativer Unterschied besteht (vgl. Rn. 47). In diesem Sinne ist es zu verstehen, dass die amtsangemessene Alimentation "durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden" muss.

2. Der Gesetzgeber darf den Beamten hinsichtlich des Mindestabstandsgebots generell nicht unmittelbar auf einen Sozialleistungsbezug - wie also bspw. das Wohngeld - verweisen:

"Weil die Besoldung der Beamten und Richter nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG entzogen werden kann, darf der Besoldungsgesetzgeber sie, wenn es um die Einhaltung der aus dem Alimentationsprinzip folgenden Mindestanforderungen geht, indes nicht auf den Bezug von Sozialleistungen verweisen. Allenfalls dürfen tatsächlich bezogene Sozialleistungen auf die Bezüge angerechnet werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <269 f.>; 70, 69 <81>). Anderes gilt nur für das Kindergeld (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 99, 300 <315, 321>), weil mit ihm im Ausgangspunkt die – bei der Ermittlung des Nettogehalts ohnehin zu berücksichtigende – verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bewirkt wird (vgl. BVerfGE 99, 246 <265>) und es daher nur in bestimmten Fällen und in unterschiedlichem Umfang den Charakter einer Sozialleistung hat (vgl. BVerfGE 82, 60 <78 f.>). " (Rn. 52)

Solange also das Mindestabstandsgebot durch die gewährte Beamtenalimentation nicht unmittelbar gesichert wird, darf der Beamte nicht auf Sozialleistungen verwiesen werden. Damit wird implizit auf den zweiten Halbsatz des letzten Satzes des letzten Zitats verwiesen: "die angemessene Alimentation muss durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden". Entsprechend darf nur der Beamte unmittelbar auf einen Sozialleistungsanspruch verwiesen werden, dessen Alimentation den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Betrag der zu gewährenden amtsangemessenen Alimentation übersteigt. Die Alimentation dieses Beamten liegt also zwangsläufig 15 % oberhalb des realitätsgerechten Grundsicherungsniveaus. Als Folge kann dieser Beamte nicht leistungsberechtigt sein - und sollte er doch unmittelbar leistungsberechtigt sein, dürfte das als Folge beider Zitat ein unmittelbarer Hinweis darauf sein, dass die gewährte Alimentation nicht amtsangemessen ist. Denn die Mindestalimentation sagt ja nichts über die Höhe der amtsangemessenen Alimentation aus, sondern markiert nur den gerade benannten Betrag.

Hinsichtlich des Mindestabstandsgebots dürfen vom Besoldungsgesetzgeber entsprechend nur "tatsächlich bezogene Sozialleistungen auf die Bezüge angerechnet werden", was bedeutet, dass es dem Besoldungsgesetzgeber gestattet ist, zur Bemessung der Mindestalimentation oder bei der Betrachtung der tatsächlich gewährten Alimentation unmittelbar bezogene Sozialleistungen mittelbar zu betrachten. Entsprechend ist auch das - offensichtlich so betrachtet die einzige Ausnahme darstellende - Kindergeld zu betrachten, da es eine Art Zwitterstellung einnimmt und also nicht ausschließlich als Sozialleistung verstanden werden kann. Als Folge wird nach der Bemessung der Nettobesoldung das Kindergeld addiert (hier schlägt sich sowohl der mittelbare Charakter als auch die Zwitterstellung nieder, da das Kindergeld nicht nur als Sozialleistung, sondern zuletzt u.a. über Freibeträge auch steuerrechtlich zu betrachten wäre), sodass man - nach Abzug der Kosten für die die Beihilfe ergänzenden Aufwendungen für die PKV - den Betrag der gewährten Nettoalimentation erhält.

3. Die Mietenstufen des WoGG können bei der (Neu-)Einführung von Ortszuschläge eine Berücksichtigung finden:

"Insbesondere ist er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags (vgl. hierzu BVerfGE 117, 330 <345 ff.>), wie es derzeit regelmäßig bei einer Auslandsverwendung (vgl. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE i.V.m. § 52 Abs. 1 BBesG i.d.F. vom 6. August 2002) und teilweise auch innerhalb eines Landes (vgl. Art. 94 BayBesG) praktiziert wird. Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit." (Rn. 61)

Sofern der Besoldungsgesetzgeber die Besoldung durch die (Wieder-)Einführung eines Ortszuschlags differenzieren will - wozu er das Recht hat -, dann stehen ihm dafür unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG bspw. die Mietenstufen zur Verfügung. Die Hervorhebung des allgemeinen Gleichheitssatzes verweist nun auf das Beispiel, das vermessen gerade angeführt hat: nämlich die Spreizung des Wohnungmarkts:

Ein nach dem Wohn- oder Dienstort differenzierter Ortszuschlag kann nur eine recht geringe Höhe aufweisen, da eng beieinander liegende Wohn- oder Dienstorte ein völlig anderes Mietniveau aufweisen. Wenn nun in dem von ihm angeführten Beispiel dem einen Beamten ein Ortszuschlag in Höhe der Mietenstufe II und dem anderen einer in Höhe der Mietenstufe V gewährt werden würde, dann läge der Unterschied für eine vierköpfige Familie laut Anlage 1 zu § 12 WoGG bei 250,- € pro Monat (https://www.wohngeld.org/mietstufe/). Eine solch hohe Differenz wäre aber vor Art. 3 Abs. 1 GG tatsächlich nur dann zu rechtfertigen, wenn beide Beamte im Durchschnitt einen solch unterschiedlichen tatsächlichen Bedarf aufwiesen, was aber in dem von vermessen dargelegten Beispiel nicht der Fall ist. Als Folge würde, sofern eine solch unterschiedliche Leistungshöhe des jeweiligen Ortszuschlags rechtlich festgelegt werden würde, daraus eine Verletzung der amtsangemessenen Alimentation nach Art. 33 Abs. 5 GG für die dasselbe Amt bekleidenden Beamten resultieren. Denn die hinsichtlich ihres tatsächlichen Bedarfs zur Bestreitung ihrer Unterkunftskosten nicht wesentlich Ungleichen würden, was ihre Alimentation betrifft, wesentlich ungleich behandelt werden, indem dem einen ein von der Höhe nicht sachgerechter Ortszuschlag gewährt und dem anderen dieser vorenthalten werden würde.

Will der Besoldungsgesetzgeber also in der von ihm zu garantierenden amtsangemessenen Alimentation auch auf die Wohngeldstufen zurückgreifen, hat er die drei genannten Punkte mitsamt ihrer direktiven Aussagekraft zu beachten, um insgesamt zu beachten zu haben, dass zur Betrachtung de realitätsgerechten Unterkunftskosten die Mietenstufen nicht sachgerecht sind, sondern dass das 95 %-Perzentil oder eine gleichwertige Methodik heranzuziehen ist, die also zu weitgehend identischen Beträgen gelangt.
« Last Edit: 06.02.2024 14:23 von SwenTanortsch »

AdenosinTP

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10132 am: 06.02.2024 14:35 »
Warum werden eigentlich die Bafög Zahlungen bzgl der Kinder nicht bei den Berechnungen berücksichtigt. Für ein Kind das nicht zuhause wohnt muss ich als Beamtenhaushalt für den Höchstsatz inkl. Kranken- und Pflegeversicherung-Zuschlag 934 € theoretisch an Unterhalt leisten. Das sollte oder müsste doch dann auch berücksichtigt werden?

Aloha

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10133 am: 06.02.2024 14:37 »
Nein, selbst das haben die Länder nicht vernünftig gemacht.
Genau, dies wurde hier ja schon oft vorgerechnet, nämlich, dass die Besoldungsgeber selbst diese Mindestschwelle reißen trotz teils exorbitanter Fertilitätszuschläge oder virtuellem Partnereinkommen. Hier wird das BVerfG sicherlich bei anstehenden Entscheidungen auf seine bisherigen Urteile verweisen und Abhilfe schaffen können. Vielleicht gibt es auch Konkretisierungen zum Binnenabstand (bzw. Amtsangemessenheit) und eine Einschätzung zum Streichen von Besoldungsgruppen und -stufen bzw. Urlaubs-/Weihnachtsgeldern.

Allerdings: Die Sorge, die ich allerdings habe, ist, ob die neue "Große Zulagenbesoldung" der Länder ab 2021/2022 überhaupt im Fokus eines Urteils stehen kann. Eine Aussage, welchen Anteil Zulagen an der Gesamtbesoldung haben dürfen, um die Amtsangemessenheit nicht zu verletzen, steht wahrscheinlich nicht im Kern der aktuell verhandelten Fälle, auch wenn dies in vergangenen Urteile durchaus angemahnt wurde. Ich hoffe, diese Frage wird nicht erst in 15 Jahren entschieden.

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10134 am: 06.02.2024 14:43 »
Mal eine ernstgemeinte Frage ...
Wenn man sich die Urteile des BVerfG so durchliest, trifft der normale Leser immer wieder auf erhebliche Widersprüche.

Einfaches Beispiel, einerseits steht im Urteil 2 BvL 4/18 der Beamte muss so alimentiert werden das er unabhängig vom Wohnort vernünftig leben kann und später urteilen sie wieder das der Besoldungsgesetzgeber die örtlichen Verhältnisse wie die Mietenstufen zur Hilfe nehmen darf um dann gleich wieder zu sagen, die Besoldungsbestandteile dürfen aber nicht zu groß werden, weil dann die Wertigkeit der Ämter unterlaufen wird ohne eine Maßgabe zu geben wie hoch solche Zuschläge sein dürfen.
Dies war nur ein Beispiel und zieht sich eigentlich komplett durch.

Wie gesagt, mal ernsthaft.
Da frag ich mich wirklich ernsthaft wie man bei solchen "Wischi waschi" Vorgaben ernsthaft von jemanden erwarten kann ein verfassungsgemäßes Gesetz zu verabschieden ohne einfach gesagt alle Gehälter um X% zu erhöhen und selbst das hätte wahrscheinlich irgendwelche Haken.

oorschwerbleede

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10135 am: 06.02.2024 14:58 »
Aber das ist doch genau der Punkt: Die Wertigkeit des Amtes spiegelt sich nunmal hauptsächlich in der Grundbesoldung wider. Die Zulagen, die es gibt oder geben soll, haben als Grundlage immer eine individuelle Situation des Beamten (Familienstand mitsamt Anzahl der Kinder, Wohn- oder Dienstort, etc.), die nichts mit dem Amt zu tun hat. Deshalb kann bei der aktuellen eklatanten Unterschreitung der amtsangemessenen Alimentation - egal in welchem Rechtskreis - auch nur die deutliche Anhebung der Grundgehaltssätze Abhilfe schaffen. Alles andere kann über kurz oder lang offensichtlich nur in die Hose gehen für die Besoldungsgesetzgeber.

Aloha

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10136 am: 06.02.2024 15:00 »
Mal eine ernstgemeinte Frage ...
Wenn man sich die Urteile des BVerfG so durchliest, trifft der normale Leser immer wieder auf erhebliche Widersprüche.

Einfaches Beispiel, einerseits steht im Urteil 2 BvL 4/18 der Beamte muss so alimentiert werden das er unabhängig vom Wohnort vernünftig leben kann und später urteilen sie wieder das der Besoldungsgesetzgeber die örtlichen Verhältnisse wie die Mietenstufen zur Hilfe nehmen darf um dann gleich wieder zu sagen, die Besoldungsbestandteile dürfen aber nicht zu groß werden, weil dann die Wertigkeit der Ämter unterlaufen wird ohne eine Maßgabe zu geben wie hoch solche Zuschläge sein dürfen.
Dies war nur ein Beispiel und zieht sich eigentlich komplett durch.

Wie gesagt, mal ernsthaft.
Da frag ich mich wirklich ernsthaft wie man bei solchen "Wischi waschi" Vorgaben ernsthaft von jemanden erwarten kann ein verfassungsgemäßes Gesetz zu verabschieden ohne einfach gesagt alle Gehälter um X% zu erhöhen und selbst das hätte wahrscheinlich irgendwelche Haken.

Ich finde das Beispiel gar nicht so Wischi-Waschi. Das BVerfG sieht sich einfach nicht in der Rolle als Gesetzgeber und gibt einen Spielraum vor, in dem man sich bewegen kann.  "Also, wenn ihr die Wohngeldstufen nutzen wollt, was ihr dürft, dann macht es fair. (Natürlich könnt ihr auch die Grundbesoldung direkt erhöhen.)"

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10137 am: 06.02.2024 15:27 »
Deine Kritik ist aus der Warte des Bürgers gut nachzuvollziehen, Alexander - sie (be)trifft aber nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern das Verfassungsrecht:

Das Bundesverfassungsgericht hat den weiten Entscheidungsspielraum zu respektieren, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt. Von daher kann es - vereinfacht betrachtet - dem Gesetzgeber wiederkehrend nicht vorschreiben, was er zu tun hat (denn damit würde es den weiten Entscheidungsspielraum unangemessen eineengen), sondern nur, was er zu lassen hat, und zwar grundsätzlich nur dann, wenn es konkret auf eine Frage hin - also von den vorlegenden Gerichten - angesprochen wird. Als Folge der verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben führt der Zweite Senat regelmäßig und damit auch in den Rn. 26 f. der aktuellen Entscheidung - den jeweiligen verfassungsrechtlichen Maßstab der verschiedenen Gewalten aus, wenn er also hervorhebt:

"Bei der Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation besitzt der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum [...]. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung [...]; diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, zu entnehmen [...]. Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines 'amtsangemessenen' Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar [...]. Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen. Die von ihm jeweils gewählte Lösung – hinsichtlich Struktur und Höhe der Alimentation – unterliegt allerdings der gerichtlichen Kontrolle [...].

Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat [...]. Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung [...]. Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden".

Das, was Du als Bürger als Wischiwaschi wahrnimmst, ist die unmittelbare Folge der "zurückhaltende[n], auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte[n] Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung", die sich zugleich auch daraus ergeben muss, dass das aus der Volkswahl hervorgehende Parlament eine unmittelbare demokratische Legitimität hat, die von der judikativen Gewalt zu respektieren ist.

@ Adenosin
Da die Grundbesoldung des Beamten so zu bemessen ist, dass er damit seinen und den Lebesunterhalt seiner (zwei) Kinder weitgehend bestreiten kann, die familienbezogenen Zuschläge nur ein Nebenkomponente der Besoldung sind, müsstest Du Dir diese Frage nicht stellen, wenn Du amtsangemessen alimentiert werden würdest; da Du nicht amtsangemessen alimentiert wirst, muss sich Dir diese Frage stellen - in der Bemessung der Mindestalimentation können allerdings Kosten für das Studium von Kindern nicht mit einbezogen werden, da diese nicht unmittelbarer Teil der das Existenzminimum sichernden Sozialleistungen für die Familie sind. Die schulpflichtigen Kinder unterliegen zunächst der Schulpflicht, um mit den Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis aus dem unmittelbar familiären Sozialleistungsbezug herauszutreten. Ein zum Sozialleistungsbezug BaFöG berechtigter Student ist als solcher wegen seines Existenzminimums als solcher zu betrachten. Für den nicht anspruchsberechtigten Studenten gilt das (so) nicht - was Dir wie gesagt nicht "wehtun" würde, würdest Du amtsangemessen alimentiert.

ChRosFw

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« Antwort #10138 am: 06.02.2024 15:37 »
Mal eine ernstgemeinte Frage ...
Wenn man sich die Urteile des BVerfG so durchliest, trifft der normale Leser immer wieder auf erhebliche Widersprüche.

Einfaches Beispiel, einerseits steht im Urteil 2 BvL 4/18 der Beamte muss so alimentiert werden das er unabhängig vom Wohnort vernünftig leben kann und später urteilen sie wieder das der Besoldungsgesetzgeber die örtlichen Verhältnisse wie die Mietenstufen zur Hilfe nehmen darf um dann gleich wieder zu sagen, die Besoldungsbestandteile dürfen aber nicht zu groß werden, weil dann die Wertigkeit der Ämter unterlaufen wird ohne eine Maßgabe zu geben wie hoch solche Zuschläge sein dürfen.
Dies war nur ein Beispiel und zieht sich eigentlich komplett durch.

Wie gesagt, mal ernsthaft.
Da frag ich mich wirklich ernsthaft wie man bei solchen "Wischi waschi" Vorgaben ernsthaft von jemanden erwarten kann ein verfassungsgemäßes Gesetz zu verabschieden ohne einfach gesagt alle Gehälter um X% zu erhöhen und selbst das hätte wahrscheinlich irgendwelche Haken.

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, seinen weiten Gestaltungssspielraum argumentativ auszufüllen. Liest man die
Entscheidung systematisch, ist dieser aber zumindest hinsichtlich der Mindestalimentation nicht mehr so groß.
Zumal das BVerfG nicht zuletzt eindringlich an die Begründungspflichten des Gesetzgebers appelliert hat.

Wenn nun der Gesetzgeber sich auf die Mietstufen beziehen möchte, ich halte das wie gesagt nahezu für ausgeschlossen, dies gleichheitsgerecht zu begründen, dann wird das Differenzierungspotential durch Zuschläge, anders als viele Gesetzgeber es wohl derzeit denken, nur gering sein. Für das mögliche "Einsparpotential" gilt das Gleiche.

Die Differenzierung bei der Mindestbesoldung anhand der Mietstufen wird gleichheitsgerecht nur mit einem Zuschlag möglich sein, der einen eher unwesentlichen Teil der Besoldung ausmacht. Damit hat man sich aber erst hinsichtlich des Themas Mindestbesoldung gerettet.

Zieht man nun auch noch das interne Abstandsgebot hinzu, ergibt sich, dass die Zuschläge für alle Besoldungsgruppen zu zahlen sind. Genau genommen müssten diese mit der höheren Besoldungsgruppe auch ansteigen (und nicht abschmelzen!).

Somit lassen sich anhand eines Zuschlages, der an Mietstufen anknüpft, vielleicht Härten abfangen, an der Erhöhung der Grundbesoldung dürfte aber kein Weg vorbeiführen.


Bundi

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« Antwort #10139 am: 06.02.2024 15:40 »
Es ist ja auch nicht Aufgabe des BVerfG die Rolle des Gesetzgebers einzunehmen. Es werden nur immer konkretere Vorgaben bzw Rahmen seitens BVerfG gesetzt  die den Spielraum des Geserzgebers immer weiter einengen. Sicher wäre es unseren Gesetzgebern ganz recht wenn das BVerfG den Damen und Herren auch noch die Besoldungstabellen schreibt.