@ PolareuD
Tatsächlich ist die Mindestalimentation als der materiell vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Teil der zu gewährenden Nettoalimentation anhand der kalten Unterkunftskosten, wie es vom bayerischen 95 %-Perzentils dargestellt wird, zu bemessen. Materiell liegt also weiterhin eine eklatante Unteralimentation vor, da weite Teile der Bundesbeamten als Folge des Gesetzentwurfs, sobald er Gesetzeskraft erlangt, weiterhin unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert werden. Der eine bundesdeutsche Rechtskreis kann also nicht in Teilen in eine verfassungskonforme rechtliche Regelung (z.B. in Sachsen-Anhalt), in anderen Teilen jedoch verfassungswidrige Regelung untergliedert werden (z.B. in Bayern). Denn entweder ist eine Rechtsnorm verfassungskonform oder sie ist es nicht. Da die gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation unterschreitet, ist sie evident unzureichend, was zur Folge hat, dass der Gesetzentwurf verfassungswidrig ist, und zwar, sofern er so Gesetzeskraft erlangen sollte, im gesamten Rechtskreis, eben weil eine Rechtsnorm unteilbar ist.
Meine Betrachtung der Mindestalimentation auch anhand der kalten Unterkunftskosten, wie sie vom 95 %-Perzentil in Sachsen-Anhalt dargestellt werden, diente der indiziellen Betrachtung, also der Prüfung der Gesetzeslage mit dem Ziel, anhand der Mindestbesoldung Aufschluss über den Verletzungsgrad der Besoldungssystematik zu erlangen (die Mindestalimentation weist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine "Zwitterstellung" auf, sie hat also sowohl eine materielle als auch eine indizielle Bedeutung, vgl. die S. 184 des aktuellen ZBR-Beitrags). Dabei bleibt zugleich zu beachten, dass die beiden Beträge sich auf das Jahr 2020 bezogen haben. 2023 dürften das Grundsicherungsniveau und die Mindestalimentation beträchtlich höher liegen. Allerdings fällt bereits der materielle Vergleich des Grundsicherungsniveaus und der Mindestalimentation für das Jahr 2020 mit der für 2024 geplanten Nettoalimentation wie gerade schon hervorgehoben deutlich aus. Bemessen wir sie also wiederum für die Besoldungsgruppe A 3/1
Grundgehalt: 2.706,99 €
+ Familienzuschläge: 496,25 €
Bruttobesoldung: 3.203,24 €
- Einkommensteuer: 137,50 € (BEG-Anteil: 531,64 €)
- PKV-Beitrag: 659,68 €
+ Kindergeld: 500,-- €
Nettoalimentation: 2.906,06 €
Grundsicherungsbedarf (2020): 3.062,04 €
Fehlbetrag (absolut): 155,98 €
Fehlbetrag (%): 5,1 %
Mindestalimentation (2020): 3.521,35 €
Fehlbetrag (absolut): 615,29 €
Fehlbetrag (%): 17,5 %
Betrachten wir auf dieser Basis (also der Mindestalimentation des Jahres 2020) die Mindestbesoldung, zeigt sich das folgende Ergebnis:
Mindestalimentation (2020): 3.522,- €
- Kindergeld: 500,- €
+ PKV-Beitrag: 660,- €
Äquivalente Nettobesoldung: 3.682,- €
+ Einkommensteuer: 339,- €
Besoldungsäquivalent: 4.021,- €
- Familienzuschläge: 497,- €
Grundgehaltsäquivalent: 3.524,- €
tatsächliche gewährte
Grundbesoldung (A 3/1): 2.707,- €
Fehlbetrag (absolut): 817,- €
Fehlbetrag (%): 23,2 %
Das Grundgehaltsäquivalent zur Mindestalimentation des Jahres 2020 in Höhe von 3.524,- € erreicht ab März 2024 bis in die Endstufe der Besoldungsgruppe A 6 kein Beamter, es wird erst von den Besoldungsgruppen A 7/7, A 8/5, A 9/2 und gerade noch von der Besoldungsgruppe A 10/1 überschritten. Weiterhin zeigten sich selbst bereits im Vergleich mit dem Grundsicherungsniveau des Jahres 2020 indiziell sieben von 14 Besoldungsgruppen als verletzt. Hinsichtlich des Grundsicherungsniveaus und der Mindestalimentation des Jahres 2024 werden die Fehlbeträge darüber hinaus noch deutlich größer ausfallen, werden also noch deutlich mehr Beamte nicht einmal die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestalimentation gewährt bekommen. Weiterhin kann eine Heilung offensichtlich nur durch eine deutliche Anhebung der Grundgehaltssätze vollzogen werden.
@ max
Das, was Du schreibst, ist vollkommen richtig - ich habe vorhin allerdings das zentrale Fazit, weshalb ich den Beitrag geschrieben habe, vergessen: Die vom Gesetzentwurf gewährte Nettoalimentation ist evident unzureichend, die Begründung sachwidrig. Das Ergebnis wird dahingegen - anders als die Begründung zum BBVAnpÄndG 2021/2022 - auch ohne expliziertes Ziel, den offensichtlich verfassungswidrigen Gehalt zu ändern, als verfassungskonform dargestellt. Auf dieser Basis kann es aber nicht verabschiedet und ausgefertigt werden, da ein verfassungswidriges Gesetz nicht in Kraft treten kann. Das ist die Konsequenz dessen, dass die weiterhin gegebene eklatante Unteralimentation weder bemessen noch eingestanden wird, sodass aus der Begründung nicht erkennbar wird, wie dem verfassungswidrigen Gehalt der geplanten Norm Abhilfe geschaffen werden soll.
@ BigT
Der Satz ist ein Sinnbild für den gesamten Entwurf. Treffender hätten die Verantwortlichen ihn nicht formulieren können.