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Der von mir genannte Faktor 3 leitet sich ja aus der Berechnung der Grundsicherung ab und ist in deren Nähe faktisch zwingend. In höheren Einkommensregionen wird er natürlich kleiner (ich habe ja noch das Nettoäquivalenzeinkommen angeführt, bei dem die 4k-Familie je nach Alter der Kinder nur noch einen Faktor zwischen 2,1 und 2,5 erhält). Ferner können wir auch berücksichtigen, dass durch Kinder eine gewisse Absenkung des Lebensstandards hinzunehmen ist, wenn sich das Einkommen weit vom Grundsicherungsniveau abgehoben hat. Also ist zwischen Single und 4k-Familie auch ein Faktor von 2 für einen halbwegs vergleichbaren Lebensstandard noch ausreichend. Aber: Das alles gilt nicht für den Kollegen in der A3, da bleibt es eben beim Faktor 3.
Also die Frage bleibt: Wie bilde ich eine Besoldung tabellarisch ab, wenn im untersten Eingangsamt zwischen Single und 4k eine Faktor 3 in der Nettomindestalimentation anliegt, weiter oben irgendwann der Faktor 2 für einen zumindest annähernd äuivalenten Lebensstandard?
Ich bekomme das nicht hin, ohne das Binnenbstandsgebot zu verletzen.
Wie gesagt - lies noch einmal, lieber Nelson, was ich vorhin geschrieben habe, insbesondere hinsichtlich der Düsseldorfer Tabelle -, man kann den Faktor 3 nicht sachlich zur Bemessung der Beamtenalimentation und hier also in der Betrachtung sozialer Komponenten betrachten, da es einen
qualitativen Unterschied zwischend er Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, gibt, der entsprechende Vergleiche weitgehend gegenstandslos macht (Rn. 47;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Der qualitative Unterschied zeigt sich in mehreren Gesichtspunkten:
1. Der Beamte befindet sich durch sein Amt in einem Dienstverhältnis, das zunächst einmal als Beschäftigungsverhältnis zu verstehen ist. Darin unterscheidet er sich als Erwerbstätiger vom Grundsicherungsempfänger, was für andere Erwerbstätige gegenüber Grundsicherungsempfängern ebenfalls gilt. Das Grundsicherungsrecht kennt ausschließlich soziale Leistungen, weshalb es Teil des Sozialrechts ist. Hier liegt ein qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.
2. Der Beamte befindet sich in seinem Dienstverhältnis in einem Treueverhältnis zum Dienstherrn, das sich als Sonderrechtsverhältnis darstellt, welches insbesondere mit Grundrechtseinschränkungen verbunden ist oder verbunden werden kann. Der Grundsicherungsempfänger zeigt sich in allen ihm verfassungsrechtlich zugesicherten Grundrechten uneingeschränkt. Hier liegt ein weiterer qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.
3. Der Bamte befindet sich in seinem Treueverhältnis zum Dienstherrn in der Pflicht, ihm uneingeschränkt sachgerecht Leistungen zu erbringen, sich also mit seiner ganzen Persönlichkeit dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften zu erfüllen. Der Grundsicherungsempfänger erhält allerdings die ihm gewährten Leistungen leistungslos. Hier liegt ein weiterer qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.
Im Ergebnis ist es
von der Form sachlich gegenstandlos, wie sich das
Verhältnis von Leistungen, die Grundsicherungsempfänger beziehen können, und der Alimentation gestaltet, die dem Beamten für sich selbst und zum sachgerechten Unterhalt seiner Familie amtsangemessen gewährt werden muss. Hinsichtlich des Mindestanstandsgebots ist nur von Belang, dass hier ein 15 %iger Abstand vom realitätsgerecht bemessenen Grundsicherungsniveau als Mindestalimentation bezeichnet wird und dass ein Einschnitt in jenen Betrag der dem Beamten gewährten Nettoalimentation, der von der Mindestalimentation umfasst wird, dem Besoldungsgesetzgeber nicht gestattet ist. Mehr sagt das Mindestabstandsgebot sachlich nicht aus: Die
Höhe der Mindestalimentation bemisst dem vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Betrag der Nettoalimentation.
Ergo: Der Faktor 3 oder ein anderer auf das Grundsicherungsniveau zurückgeführter Faktor hat keinerlei Relevanz für die amtsangemessene Alimentation, die am Ende von ihrer
Form und
Höhe sachgerecht gewährt werden muss, was der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich zu begründen hat.
@ Rentenonkel
Das ist ein sehr erhellender Beitrag, den Du vorhin hier dargelegt hast und der grundlegende Erwägungen sowie deren Zweck und Gründe präzise auf den Punkt bringt!
@ Maximus
Auch die GdP/Berlin geht nun davon aus, dass wir erst im kommenden Jahr eine Entscheidung erhalten werden, was ich für realistisch halte, eben weil nun die Stellungnahmen präzise betrachtet werden:
https://www.gdp.de/berlin/de/stories/2024/09/never-ending-story-amtsangemessene-alimentation-entscheidung-des-bverfg-wahrscheinlich-nicht-mehr-in-diesem-jahr. Im Ergebnis halte ich es für recht wahrscheinlich, dass Karlsruhe nun hinsichtlich der Berliner Besoldung der ersten Hälfte der 2010er Jahre eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlässt, da ansonsten nicht erklärbar wäre, wieso nun von Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Berlin "umgesprungen" worden ist. Bliebe das Abgeordnetenhaus von Berlin innerhalb der ihm dann gesetzten Frist untätig bzw. würde nur Entscheidungen treffen, die einer Untätigkeit gleichkämen, wären die vom Bundesverfassungsgericht dazu ermächtigten Institutionen - in unserem Fall dann die Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Rahmen der Art und Weise der geregelten Vollstreckung verpflichtet, eine sachgerechte Alimentationshöhe festzustellen und diese Höhe zu vollstrecken. Sofern es so käme, § 35 BVerfGG zur Anwendung käme, dürfte man in Berlin durchaus ins Routieren kommen, denke ich.