Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4164473 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14580 am: 30.09.2024 17:19 »

[...]
Der von mir genannte Faktor 3 leitet sich ja aus der Berechnung der Grundsicherung ab und ist in deren Nähe faktisch zwingend. In höheren Einkommensregionen wird er natürlich kleiner (ich habe ja noch das Nettoäquivalenzeinkommen angeführt, bei dem die 4k-Familie je nach Alter der Kinder nur noch einen Faktor zwischen 2,1 und 2,5 erhält). Ferner können wir auch berücksichtigen, dass durch Kinder eine gewisse Absenkung des Lebensstandards hinzunehmen ist, wenn sich das Einkommen weit vom Grundsicherungsniveau abgehoben hat. Also ist zwischen Single und 4k-Familie auch ein Faktor von 2 für einen halbwegs vergleichbaren Lebensstandard noch ausreichend. Aber: Das alles gilt nicht für den Kollegen in der A3, da bleibt es eben beim Faktor 3.

Also die Frage bleibt: Wie bilde ich eine Besoldung tabellarisch ab, wenn im untersten Eingangsamt zwischen Single und 4k eine Faktor 3 in der Nettomindestalimentation anliegt, weiter oben irgendwann der Faktor 2 für einen zumindest annähernd äuivalenten Lebensstandard?

Ich bekomme das nicht hin, ohne das Binnenbstandsgebot zu verletzen.

Wie gesagt - lies noch einmal, lieber Nelson, was ich vorhin geschrieben habe, insbesondere hinsichtlich der Düsseldorfer Tabelle -, man kann den Faktor 3 nicht sachlich zur Bemessung der Beamtenalimentation und hier also in der Betrachtung sozialer Komponenten betrachten, da es einen qualitativen Unterschied zwischend er Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, gibt, der entsprechende Vergleiche weitgehend gegenstandslos macht  (Rn. 47; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Der qualitative Unterschied zeigt sich in mehreren Gesichtspunkten:

1. Der Beamte befindet sich durch sein Amt in einem Dienstverhältnis, das zunächst einmal als Beschäftigungsverhältnis zu verstehen ist. Darin unterscheidet er sich als Erwerbstätiger vom Grundsicherungsempfänger, was für andere Erwerbstätige gegenüber Grundsicherungsempfängern ebenfalls gilt. Das Grundsicherungsrecht kennt ausschließlich soziale Leistungen, weshalb es Teil des Sozialrechts ist. Hier liegt ein qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.

2. Der Beamte befindet sich in seinem Dienstverhältnis in einem Treueverhältnis zum Dienstherrn, das sich als Sonderrechtsverhältnis darstellt, welches insbesondere mit Grundrechtseinschränkungen verbunden ist oder verbunden werden kann. Der Grundsicherungsempfänger zeigt sich in allen ihm verfassungsrechtlich zugesicherten Grundrechten uneingeschränkt. Hier liegt ein weiterer qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.

3. Der Bamte befindet sich in seinem Treueverhältnis zum Dienstherrn in der Pflicht, ihm uneingeschränkt sachgerecht Leistungen zu erbringen, sich also mit seiner ganzen Persönlichkeit dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften zu erfüllen. Der Grundsicherungsempfänger erhält allerdings die ihm gewährten Leistungen leistungslos. Hier liegt ein weiterer qualitativer Unterschied vor, der eine Vergleichbarkeit gewährter Leistungen nicht so ohne Weiteres möglich macht.

Im Ergebnis ist es von der Form sachlich gegenstandlos, wie sich das Verhältnis von Leistungen, die Grundsicherungsempfänger beziehen können, und der Alimentation gestaltet, die dem Beamten für sich selbst und zum sachgerechten Unterhalt seiner Familie amtsangemessen gewährt werden muss. Hinsichtlich des Mindestanstandsgebots ist nur von Belang, dass hier ein 15 %iger Abstand vom realitätsgerecht bemessenen Grundsicherungsniveau als Mindestalimentation bezeichnet wird und dass ein Einschnitt in jenen Betrag der dem Beamten gewährten Nettoalimentation, der von der Mindestalimentation umfasst wird, dem Besoldungsgesetzgeber nicht gestattet ist. Mehr sagt das Mindestabstandsgebot sachlich nicht aus: Die Höhe der Mindestalimentation bemisst dem vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Betrag der Nettoalimentation.

Ergo: Der Faktor 3 oder ein anderer auf das Grundsicherungsniveau zurückgeführter Faktor hat keinerlei Relevanz für die amtsangemessene Alimentation, die am Ende von ihrer Form und Höhe sachgerecht gewährt werden muss, was der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich zu begründen hat.

@ Rentenonkel

Das ist ein sehr erhellender Beitrag, den Du vorhin hier dargelegt hast und der grundlegende Erwägungen sowie deren Zweck und Gründe präzise auf den Punkt bringt!

@ Maximus

Auch die GdP/Berlin geht nun davon aus, dass wir erst im kommenden Jahr eine Entscheidung erhalten werden, was ich für realistisch halte, eben weil nun die Stellungnahmen präzise betrachtet werden: https://www.gdp.de/berlin/de/stories/2024/09/never-ending-story-amtsangemessene-alimentation-entscheidung-des-bverfg-wahrscheinlich-nicht-mehr-in-diesem-jahr. Im Ergebnis halte ich es für recht wahrscheinlich, dass Karlsruhe nun hinsichtlich der Berliner Besoldung der ersten Hälfte der 2010er Jahre eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlässt, da ansonsten nicht erklärbar wäre, wieso nun von Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Berlin "umgesprungen" worden ist. Bliebe das Abgeordnetenhaus von Berlin innerhalb der ihm dann gesetzten Frist untätig bzw. würde nur Entscheidungen treffen, die einer Untätigkeit gleichkämen, wären die vom Bundesverfassungsgericht dazu ermächtigten Institutionen - in unserem Fall dann die Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Rahmen der Art und Weise der geregelten Vollstreckung verpflichtet, eine sachgerechte Alimentationshöhe festzustellen und diese Höhe zu vollstrecken. Sofern es so käme, § 35 BVerfGG zur Anwendung käme, dürfte man in Berlin durchaus ins Routieren kommen, denke ich.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14581 am: 30.09.2024 17:20 »
@Nelson: Die Rechtsprechung übernimmt nicht das Denken für den Gesetzgeber. Es obliegt dem Gesetzgeber, eine verfassungsgemäße Besoldung zu "basteln".
....

Genau das wollte ich ja so ein wenig hier zusammen ausprobieren: "Komm, heute spielen wir Besoldungsgesetzgeber" ;)

Mir ist schon bewusst, dass der Beamte selbst ja anders als all die Angestellen bei der Besoldung kein Mitspracherecht im Rahmen von Verhandlungen hat, aber die Legislative bestimmen wir doch alle gemeinsam in unser Demokratie über Wahlen. "Die Politik" sind wir am Ende doch irgendwie selbst.

Ansonsten hast Du natürlich Recht.

... Ich plädiere beispielsweise seit Jahren für Kindergeld auf Bürgergeld-Niveau. Das würde nicht nur die Beamten näher in Richtung amtsangemessene Alimentation bringen, sondern es würde allen Familien helfen. Auf Bürgergeld wird es zu 100 % angerechnet, sodass sich bei den Bürgergeldempfängern nichts ändert.

In genau diese Richtung denke ich eben auch.

Das Ergebnis wird vergleichbar mit dem Beamtenshitstorm sein und die braune Soße zum Kochen bringen, wenn das Kindergeld dann nach sonstwo wandert. Ich habe die Bild-Schlagzeile direkt vor Augen.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14582 am: 30.09.2024 17:22 »
Also die Frage bleibt: Wie bilde ich eine Besoldung tabellarisch ab, wenn im untersten Eingangsamt zwischen Single und 4k eine Faktor 3 in der Nettomindestalimentation anliegt, weiter oben irgendwann der Faktor 2 für einen zumindest annähernd äuivalenten Lebensstandard?

Ich bekomme das nicht hin, ohne das Binnenbstandsgebot zu verletzen.

Wo kommt denn plötzlich der genannte Faktor her?

Auch ein verheirateter A3 mit zwei Kindern bekommt eine Besoldung, die sowohl aus leistungsbezogenen als auch leistungslosen Komponenten besteht (und sei es, dass seine „Leistung“ hauptsächlich darin besteht, jede Woche 41 oder 40 Stunden Dienst zu leisten). Die resultierende Nettoalimentation muss dabei mindestens 115% der Grundsicherung einer vierköpfigen Familie betragen (zuzüglich weiterer Bedingungen, siehe @Swens Beitrag).

Der ledige und kinderlose A3 bekommt hingegen keinen Familienzuschlag, so dass seine Bruttobesoldung etwas niedriger ist (aktuell beträgt der Zuschlag rund 18,3% des Grundgehalts). Seine Nettoalimentation ist aufgrund der höheren Steuer und des fehlenden Kindergelds natürlich deutlich geringer.

Wenn jetzt alle Grundgehälter (und beispielsweise auch der Familienzuschlag) linear so weit angehoben werden, dass der Verheiratete mit zwei Kindern das 115%-Kriterium erfüllt, dann wäre das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit weiterhin eingehalten. Wo also wäre das „Problem“?

NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14583 am: 30.09.2024 17:25 »
Mit Verlaub, ich möchte kein Geld "für meine Kinder." Ich möchte entsprechend meiner Leistung und Qualifikation besoldet werden, so daß ich allein für meine Kinder sorgen kann. Hier herrscht ein teilweise diskussionswürdiges Menschenbild.

Möchte man alle Familien abhängig vom Staat machen? Wird dann auch die Kita mit 8 Stunden Pflicht? Ich sage nur: Lufthoheit über den Kinderbetten (Scholz).

Eine Orientierung am Bedarf ist auch immer mit Bevormundung verbunden.

Ich bin schon ein wenig erschüttert. Also die über 90% der nichtverbeamteten Menschen in diesem Land WERDEN entsprechend meiner Leistung und Qualifikation bezahlt. Wenn das nicht für Kinder reicht, passt es wohl mit Leistung und Qualifikation nicht so ganz ;)

Ich halte noch mal fest: Eine der Leistung und Qualifikation entsprechende Besoldung mündet laut Richterbund in der A3 in einer Nettobesoldung von fast 5000 Euro im Monat ... das Nettogehalt eines studierten Ingenieurs in der E11 darft Du gerne selbst ventilieren und anschließend über Dein Menschenbild kurz nachdenken.

Ist echt nicht böse gemeint, aber Du hast den doofen Spruch zuerst gebracht.

Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14584 am: 30.09.2024 17:27 »
Auch die GdP/Berlin geht nun davon aus, dass wir erst im kommenden Jahr eine Entscheidung erhalten werden, was ich für realistisch halte, eben weil nun die Stellungnahmen präzise betrachtet werden: https://www.gdp.de/berlin/de/stories/2024/09/never-ending-story-amtsangemessene-alimentation-entscheidung-des-bverfg-wahrscheinlich-nicht-mehr-in-diesem-jahr. Im Ergebnis halte ich es für recht wahrscheinlich, dass Karlsruhe nun hinsichtlich der Berliner Besoldung der ersten Hälfte der 2010er Jahre eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlässt, da ansonsten nicht erklärbar wäre, wieso nun von Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Berlin "umgesprungen" worden ist. Bliebe das Abgeordnetenhaus von Berlin innerhalb der ihm dann gesetzten Frist untätig bzw. würde nur Entscheidungen treffen, die einer Untätigkeit gleichkämen, wären die vom Bundesverfassungsgericht dazu ermächtigten Institutionen - in unserem Fall dann die Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Rahmen der Art und Weise der geregelten Vollstreckung verpflichtet, eine sachgerechte Alimentationshöhe festzustellen und diese Höhe zu vollstrecken. Sofern es so käme, § 35 BVerfGG zur Anwendung käme, dürfte man in Berlin durchaus ins Routieren kommen, denke ich.

Selbst in der Vollstreckungsanordnung werden keine Zahlen zur Höhe der Besoldung genannt. So könnte doch Berlin wieder auf Zeit spielen und wieder eine verfassungswidrige Besoldung auf den Weg bringen und das würde doch die Vollstreckungsanordnung entwerten, wenn beispielsweise ein Jahr Zeit angesetzt wird, bis ein verfassungskonformes Gesetz auf die Beine gestellt wird.
Wird die Vollstreckingsanordnung automatisch ausser Kraft gesetzt, so bald ein weiteres Gesetz zur Heilung des vorherigen Zustandes verabschiedet wurde? Ich würde behaupten, das Berlin gar  nicht willens bzw. in der Lage ist, die Vorgaben des BVerfG so umzusetzen, dass das genau rauskommt, was rauskommen soll. Danach ginge doch das gleiche Spiel nochmal von vorne los.

@Swen kannst du was zur Durchführung einer Vollstreckungsanordnung sagen?

NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14585 am: 30.09.2024 17:29 »
Wenn jetzt alle Grundgehälter (und beispielsweise auch der Familienzuschlag) linear so weit angehoben werden, dass der Verheiratete mit zwei Kindern das 115%-Kriterium erfüllt, dann wäre das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit weiterhin eingehalten. Wo also wäre das „Problem“?

Weil jene Familienzuschläge teilweise so hoch sind, dass sie eben das Binnenabstandsgebot verletzen. Du selbst hast doch diesbezüglich von "Orgien" gesprochen und weiter oben habe ich ja auch eine diesbezüglich kritische Passage vom Richterbund zitiert. Diese nicht an Amt und Leistung gekoppelten Zuschläge dürfen doch nicht zu hoch ausfallen.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14586 am: 30.09.2024 17:33 »
Du hast dich zu sehr verbissen und solltest dich jetzt wirklich etwas zurücknehmen. Manchmal hilft auch das Nachdenken vor dem Schreiben.

Es geht mir hier um etwas völlig Anderes.

Verstehe ich die Diskussion richtig, besteht hier teilweise die Absicht, die Finanzierung ALLER Kinder in den Schoß des Staates zu legen, um die Beamtenbesoldung verfassungsgemäß zu stricken.

Im Grunde macht man damit alle Familien offiziell zu Bedarfsempfängern und zerrt sie in die Abhängigkeit. Auch der Chef des Angestellten wird dann sagen, dass man nicht soviel Geld brauche, weil die Kinder ja durch den Staat finanziert werden.

Ich empfinde das für ALLE Familien als ein System der Bevormundung.


BVerfGBeliever

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« Antwort #14587 am: 30.09.2024 17:36 »
Wenn jetzt alle Grundgehälter (und beispielsweise auch der Familienzuschlag) linear so weit angehoben werden, dass der Verheiratete mit zwei Kindern das 115%-Kriterium erfüllt, dann wäre das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit weiterhin eingehalten. Wo also wäre das „Problem“?

Weil jene Familienzuschläge teilweise so hoch sind, dass sie eben das Binnenabstandsgebot verletzen. Du selbst hast doch diesbezüglich von "Orgien" gesprochen und weiter oben habe ich ja auch eine diesbezüglich kritische Passage vom Richterbund zitiert. Diese nicht an Amt und Leistung gekoppelten Zuschläge dürfen doch nicht zu hoch ausfallen.

Völlig richtig, da reicht ja beispielsweise ein kurzer (entsetzter) Blick nach NRW.

Aber wir reden hier ja über den Bund. Und da wäre eine einfache lineare Anhebung (ausgehend von den heutigen Werten) die aus meiner Sicht ideale Lösung, um zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren.

NelsonMuntz

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« Antwort #14588 am: 30.09.2024 17:38 »
Im Grunde macht man damit alle Familien offiziell zu Bedarfsempfängern und zerrt sie in die Abhängigkeit. Auch der Chef des Angestellten wird dann sagen, dass man nicht soviel Geld brauche, weil die Kinder ja durch den Staat finanziert werden.

Ich erzähle Dir mal ein Geheimnis: In der pW oder auch dem TB-Bereich des öD ist dem AG die Anzahl der Kinder schlicht völlig egal. Da gibt es kein Zulagen, Boni, Garantien oder irgendetwas.

Was Du also hier ganz dystopisch "befürchtest", ist einfach längst gelebte Realität.

NelsonMuntz

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« Antwort #14589 am: 30.09.2024 17:46 »
Wenn jetzt alle Grundgehälter (und beispielsweise auch der Familienzuschlag) linear so weit angehoben werden, dass der Verheiratete mit zwei Kindern das 115%-Kriterium erfüllt, dann wäre das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit weiterhin eingehalten. Wo also wäre das „Problem“?

Weil jene Familienzuschläge teilweise so hoch sind, dass sie eben das Binnenabstandsgebot verletzen. Du selbst hast doch diesbezüglich von "Orgien" gesprochen und weiter oben habe ich ja auch eine diesbezüglich kritische Passage vom Richterbund zitiert. Diese nicht an Amt und Leistung gekoppelten Zuschläge dürfen doch nicht zu hoch ausfallen.

Völlig richtig, da reicht ja beispielsweise ein kurzer (entsetzter) Blick nach NRW.

Aber wir reden hier ja über den Bund. Und da wäre eine einfache lineare Anhebung (ausgehend von den heutigen Werten) die aus meiner Sicht ideale Lösung, um zu einer verfassungsgemäßen Besoldung zurückzukehren.

Da ich aus NRW komme und meine persönlichen Kontakte in die Beamtenwelt auf die Ebene der Länder und das Kommunale beschränkt sind, erklärt das vielleicht mein im persönlichen Erleben recht gering ausgeprägtes Empfinden ob einer nahe am Hungertuch darbenden Beamtenschaft.

Das ist nicht böse gemeint - ich verstehe die Enttäuschung ja, die Du z.B. formulierst. Hier bei mir in den A-Gruppen zwischen 8 und 13 schlagen Beamte mit Kindern Tarifbeschäftigte mit äquivalenten Aufgaben und Leistungen jedoch immer.

bebolus

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« Antwort #14590 am: 30.09.2024 17:51 »
Irgendwie tauchen hier bestimmte User wieder und wieder gebündelt auf und verstehen ihre linke Welt nicht mehr.. Amüsant.. 😁

NelsonMuntz

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« Antwort #14591 am: 30.09.2024 17:56 »
... Ergo: Der Faktor 3 oder ein anderer auf das Grundsicherungsniveau zurückgeführter Faktor hat keinerlei Relevanz für die amtsangemessene Alimentation, die am Ende von ihrer Form und Höhe sachgerecht gewährt werden muss, was der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich zu begründen hat.

Lieber Sven, diesen Faktor habe ich lediglich über jene 115% Mindestalimentation errechnet - da war auf meiner Seite nicht der Versuch, daraus eine grundsätzliche Berechnungsgrundlage zu formulieren.

Gleiches gilt natürlich auch für das NÄE, welches einfach ein Verfahren ist, um den Lebensstandard verschiedener Haushaltszusammensetzungen vergleichbar zu machen.

Mir geht es dabei nicht darum, diese juristisch irgendwie in die Bewertung miteinzubeziehen, sondern um hier Ideen für die Gestaltung einer fairen Besoldung entstehen zu lassen.

... Mittlerweile beschleicht mich aber auch ein Stück weit das Gefühl, dass an solchen Gedankenspielen tatsächlich kaum ein Interesse herrscht. Eigentlich schade.

NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14592 am: 30.09.2024 18:00 »
Neee, bebolus: Es ist die "linke Politik", die uns das mit dem Bürgergeld eingebrockt hat und mit jeder Anhebung dessen auch die 115% für euren A3er anhebt.

Also nein, ich bin da doch eher "Team Merz" (was man vielleicht auch daran erkennt, dass ich exorbitanten Besoldungsexplosionen durchaus kritisch gegenüberstehe  ;D 8))

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14593 am: 30.09.2024 18:56 »

... Mittlerweile beschleicht mich aber auch ein Stück weit das Gefühl, dass an solchen Gedankenspielen tatsächlich kaum ein Interesse herrscht. Eigentlich schade.

Vielleicht haben aber diejenige, die mit dir diskutieren einfach schon verstanden, dass an das Problem der Amtsangemessenen Alimentation, wie von dir vorgeschlagen, nicht herangegangen werden kann. Swen und Rentenonkel haben sehr gut ausgeführt, welche Wege zur Verfügung stehen.

SwenTanortsch

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« Antwort #14594 am: 30.09.2024 19:31 »
... Ergo: Der Faktor 3 oder ein anderer auf das Grundsicherungsniveau zurückgeführter Faktor hat keinerlei Relevanz für die amtsangemessene Alimentation, die am Ende von ihrer Form und Höhe sachgerecht gewährt werden muss, was der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren sachlich zu begründen hat.

Lieber Sven, diesen Faktor habe ich lediglich über jene 115% Mindestalimentation errechnet - da war auf meiner Seite nicht der Versuch, daraus eine grundsätzliche Berechnungsgrundlage zu formulieren.

Gleiches gilt natürlich auch für das NÄE, welches einfach ein Verfahren ist, um den Lebensstandard verschiedener Haushaltszusammensetzungen vergleichbar zu machen.

Mir geht es dabei nicht darum, diese juristisch irgendwie in die Bewertung miteinzubeziehen, sondern um hier Ideen für die Gestaltung einer fairen Besoldung entstehen zu lassen.

... Mittlerweile beschleicht mich aber auch ein Stück weit das Gefühl, dass an solchen Gedankenspielen tatsächlich kaum ein Interesse herrscht. Eigentlich schade.

Ich habe es nicht so verstanden, Nelson, dass Du damit konkrete Berechnungen vollziehen, sondern eine Problematik des Abstandsgebots betrachten wolltest, die nicht gegeben ist. Darauf wollte ich hinweisen und das wie gehabt anhand des Verfassungsrechts verdeutlichen, weil ansonsten Diskussionen zumeist nur um das eigene moralische Empfinden kreisen, was in Ordnung ist, jedoch dann nicht weiterhilft, wenn es das Verfassungsrecht nicht hinreichend im Blick behält.

@ Unknown

Die Vollstreckungsanordnung ist die verfassungsrechtliche Ultima Ratio des Bundesverfassungsgerichts und kann dabei nicht die sachgerechte Gesetzgebung ersetzen, sondern soll wieder zu ihr zurückführen, sofern der Gesetzgeber nach einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung untätig bleibt oder nur so handelt, dass das einer Untätigkeit gleichkommt.

Nun zeigen einige Indizien, dass man in Berlin zielgerichtet untätig geblieben ist, nachdem der Zweite Senat zwar für die R-Besoldung mit Gesetzeskraft deren verfassungswidrigen Gehalt zwischen 2009 und 2015, dabei allerdings mit dem Ergebnis des verletzten Mindestabstandsgebots ebenfalls für eine hohe Zahl an Beamten die unmittelbare Verletzung deren Alimentation festgestellt hat; denn hinsichtlich der R-Besoldung hat man zwischenzeitlich in Berlin gehandelt, die A-Besoldung hat man in Anbetracht der anhängigen Verfahren letztlich nicht geheilt und das auch gar nicht erst versucht. Das dürfte - so ist begründet zu vermuten - dem Zweien Senat dazu veranlassen können, eine Vollstreckungsanordnung für den genannten Zeitraum zu erlassen und also die Verwaltungsgerichtsbarkeit ab einem bestimmten Datum dazu ermächtigen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den festgelegten Zeitraum zu vollstrecken, sofern das Abgeordnetenhaus bis zum Verstreichen des Datums entweder nicht gehandelt hat, womit wir hier zwei Alternativen vorfinden:

1. Das Abgeordnetenhaus wird bis zur ihm gesetzten Frist nicht tätig, dann sieht sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Antrag eines Klägers hin dazu ermächtigt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den Zeitraum, den das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig betrachtet hat, zu vollstrecken, also die Klage zu prüfen und dann entsprechend Recht zu sprechen. Der Gesetzgeber verfügt dabei auch über die ihm gesetzte Frist hinaus jederzeit über das Recht, gesetzgeberisch zu handeln.

2. Das Abgeordnetenhaus handelt für den entscheidungserheblichen Zeitraum und erlässt ein Gesetz. Dann dürfte es der Verwaltungsgerichtsbarkeit kaum mehr möglich sein, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch zu vollstrecken, da hier nun zunächst einmal zu prüfen wäre, ob überhaupt eine Verletzung des Alimentationsprinzips noch vorläge; denn die Entscheidung der Verfassungswidrigkeit bezog sich ja auf ein dann vorheriges Gesetz. Sofern das Verwaltungsgericht zu diesem Schluss käme, müsste es in der Regel eine Richtervorlage formulieren. Denn selbst eine Normwiederholung ist dem Gesetzgeber erlaubt, solange er sie - wie bei allen Gesetzen - sachgerecht begründen kann und sofern er - anders als im Besoldungsrecht - überhaupt nicht nur ein Gesetz schuldete. Sofern das Bundesverfassungsgericht nun der Richtervorlage folgte, würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine der Untätigkeit gleichkommende Entscheidung des Besoldungsgesetzgebers zugrunde legen und erneut eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlassen. Wahrscheinlich würde es sich dann selbst nach Fristüberschreitung dazu ermächtigen oder ermächtigt sehen, die Vollstreckung für die anhängigen Verfahren zu vollziehen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Besoldungsgesetzgeber haben viele Möglichkeiten, eine Verfassungskrise herbeizuführen - ich bezweifle aber, dass sie sich das allein schon in Anbetracht der Lage wirklich getrauteten. Denn die Vollstreckungsanordnung, sofern sie kommt (wovon ich ausgehe), wird als Ultima Ratio deutlich ausfallen. Regierungen, die das nicht zur Kenntnis nehmen würden und dem Gesetzgeber entsprechende Gesetzentwürfe unterbreiteten, müsste man als erstaunlich verfassungsgerichtsentscheidungsresistent betrachten, um's mal so auszudrücken... Ob diesen Parteien dann jeder Wähler nach Polen oder Ungarn folgte oder doch lieber gleich mittels Alternative das Original wählte, wäre eine Wette auf die Zukunft, die nicht alle Medien und Bürger in Deutschland erleben wollten, denke ich. Wer sich so disqualifizierte, dürfte selbst, wenn's nur um die Beamten geht, mit Gegenwind aus der Gesellschaft rechnen.