Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3922520 times)

Opa

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1515 am: 09.08.2022 11:19 »
Hummel, welche BesGr hast du berechnet?

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1516 am: 09.08.2022 11:47 »
Sorry - A 10

MasterOf

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1517 am: 09.08.2022 12:13 »
Also ich habe mal ein paar Rechenbeispiele gemacht:

Beamter, verheiratet, 3 Kinder, jeweils letzte Erfahrungsstufe, Gesamt Brutto Gehalt monatlich:

BUND - 5.160,00 €

Brandenburg - 5.541,00 €
Bremen - 5672,00 €
Thüringen - 5.932,00 €
NRW - 5.560,00 € (Bei NRW kommt denn noch der REZ dazu, abhängig von der Mietstufe, sodass man z.B. bei der niedrigen Mietstufe II auf ein Brutto von ca. 5900 € in NRW kommt)

Das ist schon echt unglaublich. Wenn der Bund dem nicht schnell entgegen wirkt, hat das fatale Auswirkungen.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1518 am: 09.08.2022 12:16 »
Das hat schon Potential, den Öffentlichen Dienst beim Bund ins "Wanken" zu bringen

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1519 am: 09.08.2022 12:21 »
Das hat schon Potential, den Öffentlichen Dienst beim Bund ins "Wanken" zu bringen

Wieso hat es das ?

MasterOf

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1520 am: 09.08.2022 12:32 »
Das hat schon Potential, den Öffentlichen Dienst beim Bund ins "Wanken" zu bringen

Wieso hat es das ?

Na das liegt doch wohl auf der Hand.
Unmut innerhalb der Beschäftigten, Unzufriedenheit, fehlende bzw. mangelnde Wertschätzung, Wechsel des Dienstherren, etc.

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1521 am: 09.08.2022 12:39 »
Meiner persönlichen Erfahrung nach, wechseln viele zum Bund und nicht andersherum.

Wieso sollte man auch in ein Land, wie beispielsweise NRW, wechseln für eine erneut verfassungswidrige Besoldung, die ausschließlich für Familien in einem begrenzten Zeitraum gilt? Während die Grundbesoldung, Beförderungen und Entwicklungsmöglichkeiten beim Bund wesentlich besser sind?
Wie viele profitieren denn tatsächlich von den Änderungen in NRW? Viele haben keine Familie und bei noch mehr sind die Kinder wieder aus dem Haus. Sprich keine Verbesserungen, im Gegenteil bessere Möglichkeiten beim Bund.

Ich denke, dass man nicht drüber diskutieren muss, dass die Besoldung überall verfassungswidrig ist. Aber als Bundesbeamter auf NRW zu zeigen und in diesem Zusammenhang vom "wanken" im öD Bund zu sprechen.... Naja sorry, liegt für mich nicht auf der Hand.

Den Großteil der Dienstzeit verdiene ich beim Bund um einiges Besser.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1522 am: 09.08.2022 12:52 »
Viele haben keine Familie und bei noch mehr sind die Kinder wieder aus dem Haus. Sprich keine Verbesserungen, im Gegenteil bessere Möglichkeiten beim Bund.

Steile These. Kannst du die auch belegen?

Bei drei Kindern kommt wie der oben genannte Vergleich zeigt ein hübsches Sümmchen zusammen. Der Bund wird aber nachziehen.

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1523 am: 09.08.2022 13:08 »
Dafür habe ich nur die Nachzahlungen für NRW und den demographischen Wandel anschauen müssen.
Ich weiß nicht, ob die Zahlen öffentlich einsehbar sind. Ist mir auch ehrlich gesagt egal.

Hauptsächlich ging es mir nur darum, dass man eventuell mal im Hinterkopf behalten sollte, dass dieses nette Sümmchen nur für den Zeitraum in Betracht kommt, wo auch die drei Kinder auch (zeitgleich) zu Hause wohnen.

Die ca. 15 Jahre davor (brauche ja drei Kinder) und die wahrscheinlich 15-20 Jahre danach (bis das erste Kind auf eigenen Beinen steht)+PENSION (Zuschläge sind nicht pensionsfähig!!!!!!) geht es mir als Bundesbeamter viel besser. Das wird hier komplett außen vor gelassen. Ganz im Gegenteil es wird vom "Wanken" beim Bund gesprochen. Kann ich persönlich nicht nachvollziehen.
Zumindest nicht anhand der bisherigen Argumente und Berechnungen.

Viele meiner Kollegen und auch ich sind vor Kurzem zum Bund gewechselt, sind also paar Stellen frei. Also auf, auf...nach NRW! Für die üppigen Zuschläge für paar Jahre! Pension und die Jahre danach..egal.

Kimonbo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1524 am: 09.08.2022 14:42 »
Das hat schon Potential, den Öffentlichen Dienst beim Bund ins "Wanken" zu bringen

Wieso hat es das ?

Na das liegt doch wohl auf der Hand.
Unmut innerhalb der Beschäftigten, Unzufriedenheit, fehlende bzw. mangelnde Wertschätzung, Wechsel des Dienstherren, etc.

Da gibt es nur eine Möglichkeit als Bundesbeamter (im Ministerium) auf Lebenszeit: Aussitzen, sich ins Fäustchen lachen wenn man sieht wie andere "arbeiten", sich dann noch mehr ins Fäustchen lachen, wenn man sieht wie sich alle die Taschen voll machen (Cum-ex Gedöns), und sich gemütlich entweder im Homeoffice das Leben gut gehen lassen oder eben mit Krankenschein bei laufenden Bezügen. Alles ab A11 mit Ministerialzulage als Single ist goldwert! Ein Hoch auf die alten Preussen für ihre tolle Beamtenschaft usw... haha

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1525 am: 09.08.2022 18:22 »
Es ist interessant, aber wenig weiterführend, wenn hier mancher das Thema wiederkehrend auf eine "Gerechtigkeitsebene" verschiebt (und sich dann ggf. auch noch beschwert, dass eine solche Diskussion kaum weiterführend ist). Denn es geht hier weder um Gerechtigkeit oder Angemessenheit noch um Ungerechtigkeit, sondern letztlich um eine amtsangemessene Alimentation, also um ein Rechtsinsitut, zu dem das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles, was notwendig ist, gesagt hat und wovon auszugehen ist, dass es das in der anstehenden nächsten Entscheidung hinsichtlich des Prüfkriteriums der "Mindestbesoldung" noch deutlicher in der Vordergrund rücken wird, ohne dass das sachlich nötig wäre, da es in der letzten Entscheidung bereits alles, was nötig ist, in entsprechender Deutlichkeit gesagt hat (vgl. dort nicht zuletzt den LS. 5). Damit dürfte dann die Frage nach den Grundgehaltssätzen entschieden sein - ergo: Sie ist es offensichtlich schon heute, und zwar unabhängig vom Familienstand und von der Kinderzahl (s. u.a. den ZBR-Beitrag vom Mai des Jahres, S. 154 ff.), welche letztere insbesondere hinsichtlich des alimentativen Mehrbedarfs von Interesse ist. Nicht umsonst ist offensichtlich keine der bislang seit 2020 vollzogenen Prozeduralisierungen dazu angetan, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand zu haben, da keine hinreichende Prüfung und Begründung vorliegt, wieso trotz deutlichem materiellen Verstoß gegen die Mindestalimentation und ebenso deutlichem indiziellen Verstoß gegen die Mindestbesoldung von einer Anhebung der Grundgehaltssätze abgesehen wurde.

All das hat nun nichts mit moralischen Kategorien - also unser aller subjektiven Vorstellung von Gerechtigkeit - zu tun, sondern mit Recht. Und dazu hat das Bundesverfassungsgericht auch in der letzten Entscheidung alles Notwendige wiederholt und gesagt:

"Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden" (Rn. 24; Hervorhebungen durch mich).

In Anbetracht der Aufrechterhaltung des staatlichen Gewaltmonopols und seiner - des Staates - daraus resultierenden Verpflichtungen gegenüber dem Bürger ist vom Gesetzgeber ebenso zu beachten:

"Die Alimentation muss es Richtern und Staatsanwälten ermöglichen, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben beizutragen. Sie dient damit nicht allein dem Lebensunterhalt, sondern hat – angesichts der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit – zugleich eine qualitätssichernde Funktion [...]. Damit die Entscheidung für eine Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv ist, muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des in Rede stehenden öffentlichen Dienstes erzielt werden [...] Eine Verengung des Blicks ausschließlich auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation des betreffenden Landes verlöre aus dem Auge, dass im föderalen System des Grundgesetzes die optimale Erledigung der eigenen Aufgaben bei gleichzeitig begrenzten personellen Ressourcen durch den Wettbewerb mit anderen Dienstherren bestimmt wird." (Rn. 81; ebenfalls Hervorhebungen durch mich)

Zugleich verfügt der Dienstherr über das Recht der Neubewertung von Ämtern und ist damit ebenso berechtigt, untere Besoldungsgruppen zu streichen - dabei muss jedoch ein sachlicher Grund gegeben sein; und der Abstand zum Grundsicherungsniveau ist keiner, da das Grundsicherungsniveau kein beamtenrechtliches Maß zur Bewertung von Ämtern - weder hinsichtlich des Laufbahns- noch des Leistungsprinzips - darstellt. In diesem Sinne hebt das Bundesverfassungsgericht in ebenfalls aller nötigen Deutlichkeit hervor:

"Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers deckt grundsätzlich auch strukturelle Neuregelungen der Besoldung in Form von Systemwechseln ab, welche die Bewertung eines Amtes und die damit einhergehende besoldungsrechtliche Einstufung betreffen [...]. Bei der Einstufung von Ämtern handelt es sich zuvörderst um eine politische, vom parlamentarischen Gesetzgeber zu entscheidende Frage, mit deren Beantwortung er selbst die Wertigkeit eines bestimmten Amtes definiert. Dementsprechend kann der Gesetzgeber ein Amt neu und niedriger bewerten, die Struktur der Besoldungsordnung oder die der einzelnen Besoldungsgruppen, die Struktur des Beamtengehalts sowie die Zahlungsmodalitäten grundsätzlich für die Zukunft ändern [...]. Eine veränderte Bewertung unter Abweichung von der bisherigen Relation der Ämter zueinander ist – bei entsprechender Besitzstandswahrung – selbst dann denkbar, wenn sich der Amtsinhalt beziehungsweise die Merkmale, nach denen die betreffenden Ämter zu beurteilen sind, nicht verändert haben [...].

Allerdings darf sich der Gesetzgeber bei einer von ihm für notwendig gehaltenen Neuregelung nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen [...]. Nimmt er aufgrund einer politischen Entscheidung beziehungsweise einer veränderten politischen Wertschätzung eine besoldungsmäßige Neubewertung eines Amtes vor, ohne die dem Amt zugrunde liegenden Anforderungen zu verändern, muss er dafür Sorge tragen, dass eine derartige besoldungsrechtliche Neubewertung immer noch den (unveränderten) Anforderungen des Amtes und dessen prägenden Merkmalen gerecht wird. Führt die gesetzgeberische Neubewertung zu einer deutlichen Verringerung der Besoldung, bedarf es hierfür sachlicher Gründe." (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, Rn. 150 f.)

Entsprechend greifen das allgemeine und das Mindestabstandsgebot als die beiden hinreichenden Teile des vierten Prüfparameters der ersten Prüfungsstufe ineinander. Denn es ist offensichtlich unsachlich, ohne entsprechende Betrachtung der Besoldungssystematik Abstände zwischen den Besoldunsgruppen deutlich zu verändern, indem untere Besoldungsgruppen getilgt und die betroffenen Beamten übergeleitet werden; müsste nun doch in Anbetracht der seit spätestens 2003/05 in allen Rechtskreisen vorgenommenen deutlichen Verringerung der Besoldung sachlich begründet werden, wieso untere Besoldungsgruppen gestrichen und entsprechende Überleitungen erfolgen, da das mit einer offensichtlichen Veränderung der Besoldungsstruktur verbunden ist, ohne dass entsprechende Neubewertungen von Ämtern mittels sachlicher Gründe vorgenommen werden - nicht umsonst fehlen in allen Besoldungsgesetzen, die entsprechend so vorgegangen sind und also untere Besoldungsgruppen gestrichen haben, prozedural hinreichende Begründungen, wieso entsprechend so verfahren wird. Damit aber wird eine derartige besoldungsrechtliche Neubewertung nicht den (unveränderten) Anforderungen des Amtes und dessen prägenden Merkmalen gerecht - und zwar nicht hinsichtlich der übergeleiteten, sondern hinsichtlich der unverändert besoldeten Beamten, deren Besoldung aber ebenso spätestens seit 2003/05 deutlich verringert worden ist.

VierBundeslaender

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1526 am: 09.08.2022 21:15 »
...das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles, was notwendig ist, gesagt hat und wovon auszugehen ist, dass es das in der anstehenden nächsten Entscheidung hinsichtlich des Prüfkriteriums der "Mindestbesoldung" noch deutlicher in der Vordergrund rücken wird, ohne dass das sachlich nötig wäre, da es in der letzten Entscheidung bereits alles, was nötig ist, in entsprechender Deutlichkeit gesagt hat...
Dann, lieber SwenTanortsch, sage mir doch bitte, weshalb die von allen so ersehnte Entscheidung zur A-Besoldung so lange auf sich warten lässt? Irgend etwas ist da im Busche, ich traue dem Frieden nicht.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1527 am: 09.08.2022 22:02 »
Wenn ich mir die bisherigen Gesetzgebungsverfahren zur Besoldung so ansehe, gibt es immer mehr Unterschiede und die Entwicklung zwischen den einzelnen Besoldungsgesetzgebern geht immer mehr auseinander. Eigentlich kann man sagen es herrscht Chaos. Es wäre m.E. besser wieder zur einheitlichen Besoldungsgesetzgebung zurück zukehren.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1528 am: 09.08.2022 23:24 »
...das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles, was notwendig ist, gesagt hat und wovon auszugehen ist, dass es das in der anstehenden nächsten Entscheidung hinsichtlich des Prüfkriteriums der "Mindestbesoldung" noch deutlicher in der Vordergrund rücken wird, ohne dass das sachlich nötig wäre, da es in der letzten Entscheidung bereits alles, was nötig ist, in entsprechender Deutlichkeit gesagt hat...
Dann, lieber SwenTanortsch, sage mir doch bitte, weshalb die von allen so ersehnte Entscheidung zur A-Besoldung so lange auf sich warten lässt? Irgend etwas ist da im Busche, ich traue dem Frieden nicht.

Die Antwort ist recht einfach: Erstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles gesagt, was rechtlich nötig ist, um die ab 2012 entwickelte neue Besoldungsdogmatik zum Abschluss zu bringen. Zweitens betrachtet das Bundesverfassungsgericht generell, wie seine Entscheidungen in der Rechtswissenschaft, der Legislative und der Judikative aufgenommen und - bezogen auf letztere - angewandt wird, weshalb solange, wie Senatsentscheidungen gefällt werden, in der Regel immer geraume Zeit ins Land zieht, bis weitere Entscheidungen gefällt werden. Drittens stehen, wie an andere Stelle dargelegt, in diesem und nächsten Jahr jeweils zwei Verfassungsrichterwahlen an, nachdem im Juni 2020 mit Andreas Voßkuhle bereits der eingangs zentrale Motor der neuen Dogmatik ausgeschieden ist. Viertens hat - auch wenn das manche anders empfinden mögen - das Gericht mit seinen maßgeblichen Entscheidungen in den Jahren 2012, 2015, 2015, 2017, 2018 und 2020 ein - für das Bundesverfassungsgericht - extrem schnelles Tempo hingelegt, um eine vollständig neue Dogmatik zu entwickeln, die, was die Einschränkung des grundgesetzlich geschützten, weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers anbelangt, einen in der Geschichte des Gerichts eher seltenen Kontinuitätsbruch vollzieht. Schnelligkeit beinhaltet - insbesondere in Anbetracht dessen, dass das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Letztentscheidungen trifft - immer die Gefahr von Schnellschüssen, sodass - weiterhin: solange Senatsentscheidungen getroffen werden - es aus dem Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts eine mittlerweile über 70-jährige Tradition der Langsamkeit gibt, die darüber hinaus in Anbetracht der Komplexität der Materie, von der - da von der Alimentation die Grundfeste unsere Staatswesens abhängt - die Fortentwicklung unseres Gemeinwesens und unserer Gesellschaft in nicht unmaßgeblicher Art und Weise geprägt wird, nur umso mehr angeraten erscheint. Und fünftens wird es deutlich schneller gehen, sobald es zu Kammerentscheidungen kommen wird. Diese werden erfolgen, sobald die neue Dogmatik weitestgehend ausgeformt sein wird, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der anstehenden Entscheidung der Fall sein wird, sodass es m.E. nicht gänzlich unwahrscheinlich sein wird, dass bereits die übernächste Entscheidung eben als Kammerentscheidung vollzogen werden könnte, die also die neue Dogmatik "nur noch" anwendet und deren Voraussetzung Einstimmigkeit ist. Diese Kammerentscheidungen werden - was in Anbetracht von mittlerweile fast 50 Vorlagebeschlüssen - dann in schnellerer Reihenfolge vollzogen werden - und sie werden die Besoldungsrealität nachhaltig ändern, da das dann ob der Wiederkehr der Entscheidungen der Öffentlichkeit ins Bewusstsein dringen wird, sodass der wiederkehrende wissentliche und willentliche Verfassungsbruch dann recht fix nicht mehr so ohne Weiteres möglich sein dürfte.

In Anbetracht dessen, dass die Besoldungsgesetzgeber seit 2012 wiederkehrend keine hinreichenden Maßnahmen vollzogen haben, um zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren, was zu einer mittlerweile bereits recht weitgehenden Einschränkung des weiten Entscheidungsspielraums geführt hat, über den der (Besoldungs-)Gesetzgeber verfügt und was offensichtlich der zentrale Motor zur fortgesetzten Entwicklung der neuen Dogmatik (gewesen) ist, haben sich diese - die Besoldungsgesetzgeber - mittlerweile in solch juristisch groteske Maßnahmen hineingesteigert (jenes Hineinsteigern wäre nicht nötig gewesen, wäre kein neue Dogmatik entwickelt worden), dass dieser ganze Unsinn mit den Kammerentscheidungen wie ein schlecht zubereitetes Soufflé in sich zusammensacken wird. Dabei ist - um Deine Frage zu einem Abschluss zu bringen - grundsätzlich sechstens zu beachten: Vom Bundesverfassungsgericht darf verfassungsrechtlich "die Reihenfolge von [politischem] Handeln und [judikativer] Kontrolle nicht vertauscht werden. Verfassungsgerichte sind nicht dazu da, gesetzliche Regelungen vorzuzeichnen, sondern nur, solche Regelungen zu prüfen, wenn sie in Kraft gesetzt worden sind. Ein politisches Organ muss gehandelt haben, bevor seine Handlung verfassungsrechtlich überprüft werden kann." (Dieter Grimm, Weder Widerspruch noch Bedingung: Verfassungsrechtsprechung und Demokratie, in: Ders. (Hrsg), Verfassungsgerichtsbarkeit, Berlin 2021, S. 61 (81).) Das Bundesverfassungsgericht wartet zurzeit weiterhin offensichtlich ab, bis jedes Land (eventuell auch der Bund) nach seiner letzten Entscheidung gehandelt haben und kein Besoldungsgesetzgeber zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückgekehrt ist. Das mag dem einen oder anderen ggf. als zu langsames Handeln erscheinen - tatsächlich geschieht das im verfassungsrechtlichen Rahmen und ist zugleich recht klug, da am Ende kein Dienstherr ob seines Handelns in der Vergangenheit (spätestens der letzten beiden Jahre) irgendwelche Ausflüchte haben wird.

Von daher kannst Du dem Frieden trauen: Das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten zehn Jahren eine gänzlich neue Besoldungsdogmatik entwickelt, hinter die es, ohne starke sachliche Unwuchten zu produzieren, nicht zurück kann und hinter die es ebenso auch nicht zurück will: Denn es hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten zehn Jahren niemand gezwungen, die neue Dogmatik zu entwickeln; der einzige "Zwang" lag und liegt darin begründet, dass die Alimentation nach Ansicht des Gerichts insbesondere die qualitätssichernde Funktion, die sie hat und haben muss, nicht mehr erfüllt. Diese Situation ändert sich nicht, wenn Familienzuschläge exorbitant erhöht werden, wenn "Familienergänzungszuschläge" in luftigen Gedankenhöhen (getreu dem lernunwilligem Motto: "Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten") entwickelt werden, wenn man Besoldungssystematiken zusammenpresst, als sei man tatsächlich ein Abwracker usw. usf. Diesen ganzen sachlichen Unfug, der sich als solcher nicht hinreichend prozeduralisieren lässt (und den als solcher bislang auch kein Besoldungsgesetzgeber noch irgendwie als Feigenblatt sachlich zu begründen versucht hat), wird das Bundesverfassungsgericht im Ton ruhig und in der Sache unmissverständlich dahinverweisen, wo er hingehört: ins Land der Fabeln.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1529 am: 10.08.2022 02:19 »
Es entspricht dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bindung des Richters an Gesetz und Recht, die gesetzgeberischen Konkretisierungs- und Ausgestaltungsentscheidungen zu beachten, statt sie durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen zu ersetzen. (BVerfG Beschluss vom 30. Juni 2022)
Warum sollte dann noch das BVerfG nach ihren Gerechtigkeitsvorstellungen eine qualitätssichernde Funktion durch ersetzende Alimentationskonkretisierungs- und ausgestaltungsentscheidungen wiederherstellen zu versuchen? Lass doch die Exekutive sich selbst durch Minderwertigkeit disqualifizieren, dann nimmt u. a. die Judikative anstelle der Verwaltung in vielen Prozessen die (Un-)Rechtsanwendung wahr.