...das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles, was notwendig ist, gesagt hat und wovon auszugehen ist, dass es das in der anstehenden nächsten Entscheidung hinsichtlich des Prüfkriteriums der "Mindestbesoldung" noch deutlicher in der Vordergrund rücken wird, ohne dass das sachlich nötig wäre, da es in der letzten Entscheidung bereits alles, was nötig ist, in entsprechender Deutlichkeit gesagt hat...
Dann, lieber SwenTanortsch, sage mir doch bitte, weshalb die von allen so ersehnte Entscheidung zur A-Besoldung so lange auf sich warten lässt? Irgend etwas ist da im Busche, ich traue dem Frieden nicht.
Die Antwort ist recht einfach: Erstens hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner letzten Entscheidung weitgehend alles gesagt, was rechtlich nötig ist, um die ab 2012 entwickelte neue Besoldungsdogmatik zum Abschluss zu bringen. Zweitens betrachtet das Bundesverfassungsgericht generell, wie seine Entscheidungen in der Rechtswissenschaft, der Legislative und der Judikative aufgenommen und - bezogen auf letztere - angewandt wird, weshalb solange, wie Senatsentscheidungen gefällt werden, in der Regel immer geraume Zeit ins Land zieht, bis weitere Entscheidungen gefällt werden. Drittens stehen, wie an andere Stelle dargelegt, in diesem und nächsten Jahr jeweils zwei Verfassungsrichterwahlen an, nachdem im Juni 2020 mit Andreas Voßkuhle bereits der eingangs zentrale Motor der neuen Dogmatik ausgeschieden ist. Viertens hat - auch wenn das manche anders empfinden mögen - das Gericht mit seinen maßgeblichen Entscheidungen in den Jahren 2012, 2015, 2015, 2017, 2018 und 2020 ein - für das Bundesverfassungsgericht - extrem schnelles Tempo hingelegt, um eine vollständig neue Dogmatik zu entwickeln, die, was die Einschränkung des grundgesetzlich geschützten, weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers anbelangt, einen in der Geschichte des Gerichts eher seltenen Kontinuitätsbruch vollzieht. Schnelligkeit beinhaltet - insbesondere in Anbetracht dessen, dass das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Letztentscheidungen trifft - immer die Gefahr von Schnellschüssen, sodass - weiterhin: solange Senatsentscheidungen getroffen werden - es aus dem Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts eine mittlerweile über 70-jährige Tradition der Langsamkeit gibt, die darüber hinaus in Anbetracht der Komplexität der Materie, von der - da von der Alimentation die Grundfeste unsere Staatswesens abhängt - die Fortentwicklung unseres Gemeinwesens und unserer Gesellschaft in nicht unmaßgeblicher Art und Weise geprägt wird, nur umso mehr angeraten erscheint. Und fünftens wird es deutlich schneller gehen, sobald es zu Kammerentscheidungen kommen wird. Diese werden erfolgen, sobald die neue Dogmatik weitestgehend ausgeformt sein wird, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der anstehenden Entscheidung der Fall sein wird, sodass es m.E. nicht gänzlich unwahrscheinlich sein wird, dass bereits die übernächste Entscheidung eben als Kammerentscheidung vollzogen werden könnte, die also die neue Dogmatik "nur noch" anwendet und deren Voraussetzung Einstimmigkeit ist. Diese Kammerentscheidungen werden - was in Anbetracht von mittlerweile fast 50 Vorlagebeschlüssen - dann in schnellerer Reihenfolge vollzogen werden - und sie werden die Besoldungsrealität nachhaltig ändern, da das dann ob der Wiederkehr der Entscheidungen der Öffentlichkeit ins Bewusstsein dringen wird, sodass der wiederkehrende wissentliche und willentliche Verfassungsbruch dann recht fix nicht mehr so ohne Weiteres möglich sein dürfte.
In Anbetracht dessen, dass die Besoldungsgesetzgeber seit 2012 wiederkehrend keine hinreichenden Maßnahmen vollzogen haben, um zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren, was zu einer mittlerweile bereits recht weitgehenden Einschränkung des weiten Entscheidungsspielraums geführt hat, über den der (Besoldungs-)Gesetzgeber verfügt und was offensichtlich der zentrale Motor zur fortgesetzten Entwicklung der neuen Dogmatik (gewesen) ist, haben sich diese - die Besoldungsgesetzgeber - mittlerweile in solch juristisch groteske Maßnahmen hineingesteigert (jenes Hineinsteigern wäre nicht nötig gewesen, wäre kein neue Dogmatik entwickelt worden), dass dieser ganze Unsinn mit den Kammerentscheidungen wie ein schlecht zubereitetes Soufflé in sich zusammensacken wird. Dabei ist - um Deine Frage zu einem Abschluss zu bringen - grundsätzlich sechstens zu beachten: Vom Bundesverfassungsgericht darf verfassungsrechtlich "die Reihenfolge von [politischem] Handeln und [judikativer] Kontrolle nicht vertauscht werden. Verfassungsgerichte sind nicht dazu da, gesetzliche Regelungen vorzuzeichnen, sondern nur, solche Regelungen zu prüfen, wenn sie in Kraft gesetzt worden sind. Ein politisches Organ muss gehandelt haben, bevor seine Handlung verfassungsrechtlich überprüft werden kann." (Dieter Grimm, Weder Widerspruch noch Bedingung: Verfassungsrechtsprechung und Demokratie, in: Ders. (Hrsg), Verfassungsgerichtsbarkeit, Berlin 2021, S. 61 (81).) Das Bundesverfassungsgericht wartet zurzeit weiterhin offensichtlich ab, bis jedes Land (eventuell auch der Bund)
nach seiner letzten Entscheidung gehandelt haben und kein Besoldungsgesetzgeber zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückgekehrt ist. Das mag dem einen oder anderen ggf. als zu langsames Handeln erscheinen - tatsächlich geschieht das im verfassungsrechtlichen Rahmen und ist zugleich recht klug, da am Ende kein Dienstherr ob seines Handelns in der Vergangenheit (spätestens der letzten beiden Jahre) irgendwelche Ausflüchte haben wird.
Von daher kannst Du dem Frieden trauen: Das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten zehn Jahren eine gänzlich neue Besoldungsdogmatik entwickelt, hinter die es, ohne starke sachliche Unwuchten zu produzieren, nicht zurück kann und hinter die es ebenso auch nicht zurück will: Denn es hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten zehn Jahren niemand gezwungen, die neue Dogmatik zu entwickeln; der einzige "Zwang" lag und liegt darin begründet, dass die Alimentation nach Ansicht des Gerichts insbesondere die qualitätssichernde Funktion, die sie hat und haben muss, nicht mehr erfüllt. Diese Situation ändert sich nicht, wenn Familienzuschläge exorbitant erhöht werden, wenn "Familienergänzungszuschläge" in luftigen Gedankenhöhen (getreu dem lernunwilligem Motto: "Wir aber besitzen im Luftreich des Traums / Die Herrschaft unbestritten") entwickelt werden, wenn man Besoldungssystematiken zusammenpresst, als sei man tatsächlich ein Abwracker usw. usf. Diesen ganzen sachlichen Unfug, der sich als solcher nicht hinreichend prozeduralisieren lässt (und den als solcher bislang auch kein Besoldungsgesetzgeber noch irgendwie als Feigenblatt sachlich zu begründen versucht hat), wird das Bundesverfassungsgericht im Ton ruhig und in der Sache unmissverständlich dahinverweisen, wo er hingehört: ins Land der Fabeln.