Ihr bringt es auf den Punkt, Kollegen. Um es noch einmal etwas allgemeiner zu greifen - konkret muss es an jedem Rechtskreis präzisiert werden, da das Bundesverfassungsgericht die Beteachtung der tatsächlichen sozialen Wirklichkeit der gesellschaftlichen Gefasstheit fordert.
Das Bundesverfassungsgericht führt regelmäßig aus, dass der Gesetzgeber die soziale Wirklichkeit nicht ausklammern kann, in die ein Gesetz eingefügt werden soll. Sein Rechtsprechungsansatz wird dabei methodologisch insgesamt von drei Elementen charakterisiert (vgl. im Folgenden Dieter Grimm, Verfassungsgerichtsbarkeit, 2021, S. 60 ff., 98 f. u. 164 ff. - wie gesagt, sehr lesenswert):
Erstens, dass die Bestimmungen des Grundgesetzes nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern nur im Zusammenhang mit der Verfassung insgesamt, was insofern genauso auch für Art. 33 Abs. 5 GG gilt: Jede Veränderung des Dienstrechts ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu vollziehen und darf dabei ebenfalls keine weitere Verfassungsnorm verletzen.
Zweitens werden insbesondere die Grundrechte als juristischer Ausdruck von Werten begriffen, den Werten einer Verfassungsnorm ist unter den jeweils gegebenen Bedingungen der größtmögliche Effekt zu sichern, was sowohl für die grundrechtgleichen Individualrechte des Beamten als auch für die qualitätssichernde Funktion der Alimentation im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der staatlichen Gewalt zu betrachten ist, die wiederum über die Beachtung der individuellen Grundrechte der Bevölkerung wacht, womit hier eine besondere Werthaftigkeit zu erkennen ist, die in ihrer Bedeutung nur umso mehr vom (Besoldungs-)Gesetzgeber nicht ausgeklammert werden kann.
Drittens können eben die gegebenen Bedingungen und damit die soziale Wirklichkeit ebenfalls nicht ausgeklammert werden - womit wir beim Alleinverdienermodell wären.
Der Gesetzgeber hat das Recht, das Alleinverdienermodell zugunsten des Doppelverdienermodells zu verabschieden, sofern er das als das wesentliche Modell in der sozialen Wirklichkeit vorfindet, vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 47. Als Folge kann er dann das Dienstrecht ändern. Nicht umsonst haben bereits 2013 Brandenburg den Verheirateten-Zuschlag ganz abgeschafft und Rheinland-Pfalz hat ihn halbiert (vgl. im Folgenden Becker/Tepke, ZBR 2016, S. 27 (30 f.)). Beides ist mit einem neuen Familienmodell begründet worden und ist darüber hinaus kostenneutral erfolgt, indem die "freigewordenen" Beträge in das Grundgehalt bzw. die kinderbezogenen Zuschläge überführt worden sind. Auch hierauf - so darf man vermuten - beziehen sich die Ausführungen aus der Rn. 47 in der aktuellen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung. Die von beiden Gesetzgebern vorgenommenen Regelungen erfolgten so, wie sie vollzogen worden sind, innerhalb der vorgefundenen Wirklichkeit und im Einklang mit den o.g. drei Elementen. Das Bundesverfassungsgericht hat das - so lässt sich vermuten -, was Brandenburg und Rheinland-Pfalz vor zehn Jahren vollzogen hat, mit seiner aktuellen Entscheidung mittelbar legitimiert (und so auch legitimieren wollen), ohne dass diese Regelungen unmittelbare Thema der Entscheidung waren. Zugleich hat es seine Ausführungen dabei nicht weiter konkretisiert, sondern dem (Besoldungs-)Gesetzgeber Hinweise gegeben, die er nun interpretieren kann. Sehr viel mehr war dem Zweiten Senat zugleich nicht möglich, da Berlin zwischen 2009 und 2016 - der Rechtskreis und die Jahre, die er betrachtet hat - hinsichtlich des Familienmodells keine Veränderung der Rechstlage vorgenommen hat. Dabei bleibt weiterhin das zu beachten, was emdy in schöner und berechtigter Regelmäßigkeit hervorhebt und was die Besoldungsgesetzgeber in unschöner und unberechtigter Regelmäßigkeit gezielt ausklammern: Es ist das Amt angemessen zu alimentieren und nicht die Familienkonstellation. Der Dienstherr hat eine Ämterwertigkeit zu garantieren, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG herleitet und durch Art. 33 Abs. 5 GG - die weiteren zu berücksichtigenden bzw. im Einzelnen zu beachtenden Grundsätze des Berufsbeamtentums - weiter präzisiert wird. Dabei hat er ebenso zu beachten, dass auch die Familie des Beamten amtsangemessen alimentiert wird - aber das wird sie in schöner Regelmäßigkeit weitgehend schon dann, wenn der Beamte amtsangemessen alimentiert wird: Denn die Ämterwertigkeit schlägt sich in der Besoldung des Amtes wieder und also vor allem im Grundgehaltssatz. Die familienbezogenen Besoldungskomponenten sind nur ein Beiwerk, das dem Besoldungsgesetzgeber unter Beachtung der Grundsätze des Berufsbeamtentums erlaubt, die BEsoldung unter Beachtung der tatsächlichen Bedarfe zu differenzieren.
Die seit 2021 vollzogenen Entscheidungen vieler der Besoldungsgesetzgeber, das Alleinverdienermodell abzuschaffen, wären insofern für sich genommen nicht zu beanstanden, sofern zunächst der Nachweis erfolgte, dass damit die soziale Wirklichkeit hinreichend in den Blick genommen werden könnte: Nur könnten dabei ebenso weiterhin nicht die beiden ersten der oben genannten Elemente ausgeklammert werden - und damit sind wir bei dem, was in der Gesetzgebung vom Gesetzgeber - hinsichtlich des Alimentationsprinzips - hinreichend zu beachten ist, dass nämlich die soziale Wirklichkeit in den Blick zu nehmen ist und damit ebenso die deutliche ökonomische und daraus resultierende partizipative Benachteiligung von Frauen in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die der (Besoldungs-)Gesetzgeber in seiner Gesetzgebung nicht ausklammern kann.
Die exorbitant hohen neuen familienbezogenen Besoldungskomponenten wären offensichtlich sachlich zu rechtfertigen, wenn sie erstens an tatsächlichen Bedarfen orientiert wären, wenn zweitens Art. 3 Abs. 2 GG gesellschaftliche Realität wäre und wenn sie darüber hinaus drittens mit Art. 6 Abs. 4 GG in Einklang zu bringen wären (s.o. das erste der genannten Elemente). In Anbetracht eines Gender-Pay-Gaps von rund 20 % und eines Gender-Time-Gaps in nicht minder hoher Qualität jeweils zu Ungunsten von Frauen (und Müttern) müssen solche exorbitant hohen Zuschläge jedoch mittelbar geschlechterdiskrimierend wirken - das lässt sich zeigen und ist im letzten niedersächsischen Gesetzgebungsverfahren auch umfassend gezeigt sowie allen Abgeordneten in der Woche vor der entscheidenden Abstimmung vorgelegt worden. Als Folge sind die Bündnisgrünen von ihrer bis dahin verfolgten Linie abgerückt, die sich auch noch in der letzten Sitzung des Finanzausschusses gezeigt hatte und dort in der Empfehlung dokumentiert worden ist, sich hinsichtlich der Verabschiedung zu enthalten. Sie haben dann gegen das Gesetz gestimmt, wie das der damalige Vorsitzende des Aussschuss und heutige Finanzminister auch noch einmal öffentlich dargelegt hat (
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gerald-heere/fragen-antworten/in-der-letzten-landtagssitzung-haben-sie-die-ablehnung-des-gesetzentwurfs-18/11498-fuer-buendnis-90/die-gruenen). Es dürfte damit gerechnet werden, dass entsprechende Betrachtungen auch in aktuellen Gesetzgebungsverfahren eine Rolle spielen werden oder könnten (aber das nur nebenbei).
Da sich die gesellschaftliche Wirklichkeit in keinem anderen bundesdeutschen Rechtskreis prinzipiell anders darstellt, sind auch dort solch hohen familienbezogenen Besoldungskomponenten verfassungsrechtlich nicht statthaft: Sie orientieren sich erstens nicht an tatsächlichen Bedarfen; denn ansonsten könnten sie nicht in den Erfahrungsstufen und Besoldungsgruppen nach oben abgesenkt und dem höheren Dienst gar nicht gewährt werden; denn deren Bedarfe sind offensichtlich höher als die der unteren Eefahrungsstufen und Besoldungsgruppen, da sie wegen des bekleideten Amts eine noch einmal gesteigerte Verantwortung in ihrer Lebensführung zu gewährleisten haben, die mit Kosten verbunden ist. Zweitens verfestigen sie tradierte Rollenzuweisungen zu Lasten von Frauen durch mittelbare rechtliche Einwirkungen, weshalb sie sich jeweils sachlich nicht rechtfertigen lassen (vgl. Nußberger, in: Sachs-Battis, GG, 8. Aufl., 2018, Art. 3, Rn. 258 ff.).
Die Betrachtung eines Doppelverdienermodells wird es also den Besoldungsgesetzgebern gestatten, den Verheiratetenzuschlag ggf. ganz abzuschaffen, sofern es dem einzelnen Gesetzgeber gelingen sollte, das Modell in der sozialen Wirklichkeit des Rechtskreises sachgerecht begründen zu können. Gegebenenfalls braucht er die freigewordenen Mittel auch nicht in das Grundgehalt zu integrieren und kann sie vollständig sparen - jedenfalls wenn er das Mindestabstandsgebot einhält und also die Grundgehaltssätze in allen Rechtskreisen erst einmal um (je nach Rechtskreis) 10, 20, 30 oder mehr Prozent heraufsetzte. Im Zuge dessen kann er dann auch den Verheirateten-Zuschlag als nicht mehr zeitgemäß abschaffen und hier auch zwei oder drei Prozent des Besoldungsniveaus einsparen, wenn ihm danach ist. Denn er verfügt ja unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, unter Beachtung der weiteren Verfassungsnormen und der vorgefundenen sozialen Wirklichkeitüber über einen für ihn weiterhin sehr erfreulich weiten Entscheidungsspielraum, was ihm das Bundesverfassungsgericht mit jeder weiteren Entscheidung freundlich bestätigt hat und weiterhin bestätigen wird, um zugleich immer mehr Bedingungen als herbgebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums bzw. zum prozeduralen Gebot der Gesetzesbegründung im Besoldungsrecht auszuformulieren: das Prozeduralisierungsgebot ist dabei kein hergebrachter Grundsatz, sondern ein Gebot, das aus einer besonderen verfassungsrechtlichen Stellung der Besoldungsgesetzgebung resultiert und vom Bundesverfassungsgericht seit 2012 beträchtlich konkretisiert worden ist, und zwar genau im Hinblick auf das dritte der oben genannten Elemente. Darüber hinaus sind das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen 2017 und das Mindestabstandsgebot 2020 als hergebrachte Grundsätze betrachtet worden. Zugleich ist damit zu rechnen, dass hinsichtlich des Prozeduralisierungsgebots bald noch einmal das Konkretisierungsgebot und das Gebot, sachliche Kritik noch im Gesetzgebungsverfahren hinreichend zu entkräften, auf die Tagesordnung des Bundesverfassungsgerichts rücken werden (vgl. ab der S. 3 unter
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf).
Der langen Rede kurzer Sinn: Dieser widerkehrende sachliche Unsinn, den die Besoldungsgesetzgeber in den letzten drei Jahren in ihren Gesetzesbegründungen formuliert haben, um die familienbezogenen Besoldungskomponenten massiv zu erhöhen, wird ihnen zunehmend vor die Füßen fallen, sodass er sich als das entpuppen wird, was er ist: Unsinn, der teuer werden und teuer bleiben wird, und zwar selbst dann teuer bleiben wird, wenn er wieder abgeschafft ist, weil im Zuge des bundesverfassungsgerichtlichen Abschaffungsprozesses der weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers zunehmend verengt wird. Und das gilt ebenfalls für die neuen Familienergänzungszuschläge oder Besoldungsergänzungszuschüsse, die ausgehend von Schleswig-Holstein nun mehr und mehr Besoldungsgesetzgeber eingeführt haben und weiterhin einführen wollen, so wie jetzt Hamburg und auch Mecklenburg-Vorpommern. Denn sie lassen sich sachlich nicht rechtfertigen, da sie nur eingeführt werden können, wenn man die soziale Wirklichkeit und die tatsächlichen Bedarfe ausklammert, weiterhin ausklammert, dass sie nicht nur zu Ergebnissen führen, die Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 33 Abs. 5 GG, sondern die ebenso weitere Verfassungsnormen verletzen, und schließlich auch ausklammert, dass der Zweite Senat die Grundrechte als Ausdruck von Werten begreift, denen das Bundesverfassungsgericht unter den jeweils gegebenen Bedingungen der größtmögliche Effekt zu sichern anstreben wird. Die mittelbar geschlechterdiskrimierende Folge solcher Zuschläge wird es also nicht ausklammern, insbesondere, weil die ökonomische und partizipative Benachteiligung von Frauen in der Bundesrepublik im Zuge der Corona-Pandemie zu- und nicht abgenommen hat, wie das das Weltwirtschaftsforum letztes Jahr in aller gebotenen Deutlichkeit hergehoben hat: "On Economic Participation and Opportunity, Germany reduced scores across indicators compared to 2021, bringing its subindex score (0.695) down to lower levels, and back to the scores registered in 2009." (World Economic Forum, Global Gender Gap Report 2022, S. 27 unter
https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2022/).
Auf all das sind die Besoldungsgesetzgeber nun in schöner Regelmäßigkeit sachlich hingewiesen worden - ergo gilt auch hier: Wer nicht hören will, muss fühlen. Denn die immer weiter zunehmende Einschränkung des weiten Entscheidungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers im Zuge der Ausformung neuer hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums bzw. der weiteren Ausformung der bestehenden und der Konkrestisierung der prozeduralen Anforderungen, die im Besonderen des Besoldungsgesetzgeber treffen, werden die Möglichkeiten, Personalkosten einzusparen, immer weiter einschränken - so wie das seit 2012 bereits regelmäßig geschehen ist. Wären die Besoldungsgesetzgeber nach 2012 zu einer sachgerechten Begründung ihrer Gesetzgebung übergegangen und hätten sie insbesondere nach 2015 das bundesverfassungsgerichtliche Prüfungsheft ernstgenommen, hätte der Zweite Senat 2017 vielleicht noch das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen als hergebrachten Grundsatz betrachtet - es hätte aber sicherlich 2020 so wie auch zuvor das Mindestabstandsgebot nicht konkretisiert, weil dazu keine sachliche Veranlassung bestanden hätte. Als Folge könnte man heute ggf. weiterhin davon ausgehen, dass die bestehende Unteralimentation mit wenigen zusätzlichen Kosten zu beheben wäre. Aber das ist seit 2020 Vergangenheit - denn allein die verfassungswidrige Ausgestaltung über familienbezogene Besoldungskomponenten hat die Dienstherrn bereits viel zusätzliches Geld gekostet. Die Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation wird nach 2020 noch einmal deutlich teurer werden. Wer nicht hören will, muss fühlen... Das ist die schwarze Pädagogik des Besoldungsrechts...